Ich fahre nicht mit
Ich fahre nicht mit!
„Ich fahre nicht mit!“
Es wurde auf einmal sehr still in der Klasse.
„Euch ist schon klar, dass wir die Klassenfahrt absagen müssen, wenn einer nicht mitfährt, oder?“ hatte der Klassenlehrer Herr Alfred gesagt.
Schon da ist Benni fast schlecht geworden.
„Ich fahre nicht mit!“ wiederholte er.
„Mensch Benni! Das kannst du doch nicht machen! Wir haben uns doch so sehr darauf gefreut!“ rief einer aus der hinteren Reihe.
„Außerdem haben wir schon alles vorbereitet und Herr Alfred hat schon alles organisiert!“
„Genau!“ Das war einer von denen mit der übergroßen Kleidung, aus der man Anziehsachen für drei machen könnte. „Wir haben seit Jahren keine Klassenfahrt mehr gemacht. Und jetzt wieder nicht, nur wegen dem.“ Jetzt mischten sich auch Bennis Freunde ein.
Sonja, seine Freundin, sagte: „Hört doch mal auf damit! Er kann ja nichts dafür!“
Benni merkte, wie sein Körper erstarrte, er einen bestimmten Punkt in der Ecke taxierte, den er ja doch nicht sah und dass Blut ihm in den Kopf schoss. Er wunderte sich, was er auf einmal alles spürte: Scham, ein bisschen Traurigkeit, Wut. Er war wütend, teils über Sonja, weil sie fast gesagt hätte, warum er nicht mitfahren würde, obwohl sie seine Freundin war, teils über sich selber, weil er sich schämte, ohne es zu wollen. Seine Mutter hatte erst vor kurzem wieder zu ihm und seinen Geschwistern gesagt, dass sie sich nicht schämen müssten dafür. Eigentlich gab es ja auch keinen richtigen Grund dafür. Er wusste nicht einmal, warum er sich schämte. Aber er spürte auch Sonjas Hand, die seine fest umschlossen hielt. Nach kurzer Zeit, in der er nicht mitbekommen hatte, was passierte, merkte er, dass der Lehrer ihn ansprach: „Jetzt sag endlich was los ist, Benni?“
Benni riss sich zusammen, setzte sich aufrecht hin, ließ Sonjas Hand los, damit sie nicht merkte, wie er zitterte, wandte sich an die ganze Klasse und schrie es fast heraus: „Es tut mir Leid, dass ihr jetzt wegen mir nicht auf Klassenfahrt könnt, aber wir können uns das im Moment echt überhaupt nicht leisten! „Meine Mutter ist allein erziehend und arbeitslos. Und dann hab ich ja noch drei Geschwister. Außerdem zahlt unser Vater nicht und Harz 4 ist im Moment auch nicht die Welt!“
Auf einmal wurde es ganz ruhig im Klassenzimmer. Während die Schüler betreten und schweigsam vor sich hin schauten, ertönte der Gong. Keiner stand auf.
Janne Hansen