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Ich fahre Mietwagen

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04.08.2002
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Ich fahre Mietwagen

Ich fahre Taxi. Das heißt, eigentlich fahre ich gar nicht Taxi, ich fahre Funkmietwagen. Das ist im Grunde das gleiche, nur eben nicht so ganz.
Mein Freund ist auch Taxi, also Funkmietwagen gefahren, und der hat mich schließlich geworben. Wie bei den Zeitschriften. Ich bin dann auch Funkmietwagen gefahren und er hat eine Prämie gekriegt. Aber keine Bratpfanne oder einen Staubsauger. Er hat fünfzig Mark bekommen. Was soll er auch mit der Pfanne oder dem Sauger, so etwas hat er ja schon. Er hätte das aber auch nicht bekommen, wenn er es noch nicht gehabt hätte. Er hat nun mal fünfzig Mark bekommen und davon hätte er sich ja eine Bratpfanne kaufen können, wenn er noch keine gehabt hätte. Allerdings, ich glaube, für einen Staubsauger hätten die fünfzig Mark gar nicht gereicht. Allenfalls für so einen Tischstaubsauger, so einen Krümelschlucker, den kein Mensch braucht und den mein Freund auch nicht braucht. Den Tischstaubsauger hat er sich dann übrigens doch nicht gekauft, ich weiß wirklich nicht, was er mit den fünfzig Mark gemacht hat. Das heißt, wenn ich mich recht erinnere, hat er das ganze Geld auf einmal versoffen. Zusammen mit mir.
Jetzt fahre ich also auch Funkmietwagen. Als Fahrer, meine ich, nicht als Fahrgast. Mein Freund fährt nur noch ab und zu Funkmietwagen, dann aber als Gast und nicht als Fahrer, weil er ja nicht mehr in unserer Stadt wohnt und seine Funkmietwagenfahrerlaubnis schon abgelaufen ist, ohne daß er sie verlängert hat.
Ja, so bin ich also zum Funkmietwagen fahren gekommen.
Meine erste Schicht hatte ich am vierten Advent. Da wollten etliche Leute zum Bahnhof. Zu Anfang war ich ganz schön aufgeregt, weil ich immer dachte, was mache ich denn, wenn die Leute zur Soundsostraße wollen und ich keine Ahnung habe, wo die Soundsostraße ist. Aber, wie gesagt, die meisten Leute wollten zum Bahnhof, und den finde ich von allen Ecken der Stadt aus.
Meine zweite Schicht hatte ich dann erst im nächsten Jahr, weil ich Weihnachten auch gar nicht fahren wollte und ich über den Jahreswechsel auf Reisen war. Das ist aber eine andere Geschichte.
Bei der zweiten Schicht bin ich gleich Chrysler gefahren. Das war gar nicht so einfach, das habe ich aber erst gemerkt, als ich schon unterwegs war. Die meisten Funkwagen in unserer Firma sind nämlich Mercedes Benz. Ein deutsches Auto, was nicht mehr sagen soll, als daß einem das Auto gleich bekannt vorkommt, wenn man sonst auch deutsche Wagen fährt. Der Chrysler ist aber ein amerikanisches Auto. Das sind Bedingungen, die zu Zwischenfällen führen müssen, wenngleich ich das vorher gar nicht wußte.
Ich fuhr also morgens um kurz nach sechs Uhr, die Schicht hatte gerade begonnen, zur X-Straße, um einen Fahrgast abzuholen. Es war noch dunkel und ich konnte die Hausnummer nicht finden. Sowieso hatte ich die Nummer auch vergessen. Also fragte ich über Funk den Zentralisten nach der Nummer. Der wurde gleich schroff, weil ich hätte Bescheid geben sollen, bevor ich fast da war, damit er den Fahrgast anrufen kann. Wenn man nämlich Bescheid drückt mit dem Funk, ruft der Zentralist den Fahrgast an. Das heißt, er läßt nur ein, zweimal klingeln und legt wieder auf. Dann weiß der Fahrgast, daß der Wagen da ist, und er kommt schon an die Straße. Das wußte ich aber nicht, denn ich war ja noch neu und hatte das wohl wieder vergessen, seit dem vierten Advent.
Jetzt wußte mein Zentralist aber ja, daß ich schon da war und rief bei meinem Fahrgast an. Und so sah ich ihn auch gleich, als ich zum vierten mal die X-Straße rauf und runter fuhr. Ich wußte inzwischen, daß er auch zum Bahnhof wollte, obwohl gar nicht Sonntag war, und daß er es eilig hatte. Ich war ja schon spät dran, weil ich die Straße bereits ein paarmal rauf und runter gefahren bin, bevor ich meinen Zentralisten nach der Hausnummer gefragt hatte.
Ich hielt an, damit der Mann einsteigen konnte; aber er kriegte die Tür nicht auf. Ich wollte den Stöpsel schnell hochziehen, aber da fiel mir wieder ein, daß dies ja ein amerikanisches Auto ist. Da zieht man keine Stöpsel mehr von Hand hoch, da geht alles automatisch, per Knopfdruck. Und dieser Knopf zum Drücken, ist am Schlüssel. So hatte ich den Wagen auch aufgeschlossen, als ich selbst eingestiegen war. Seltsamer Weise war aber wohl nur meine Tür dabei aufgeschlossen worden, denn auch die Tür zur Rückbank, an der sich mein Fahrgast jetzt versuchte, wollte nicht aufgehen. Inzwischen drückte ich auf den Knopf am Zündschlüssel, in der Hoffnung, daß die anderen Türen entriegelt würden. Aber nichts da. Jetzt wurde auch meine Tür verriegelt. Geistesgegenwärtig drückte ich ein zweites Mal und , zum Glück, meine Tür ging wieder auf. Nicht aber die anderen Türen. Da ich mich nun wieder gesammelt hatte, kam mir die so einfache aber doch geniale Idee, schlicht auszusteigen und dem Fahrgast per Hand, mit dem Schlüssel also, aufzuschließen. Während ich schon ausstieg, zog ich noch den Schlüssel aus dem Zündschloß, das heißt, ich wollte ihn herausziehen, es ging aber nicht. Zwar war der Motor ausgegangen, den Schlüssel brachte ich aber nicht heraus. Leichte Panik nahm Besitz von mir. Ich sprang aus dem Wagen, rannte um ihn herum zur Fahrgastseite, versuchte einerseits beruhigend auf den Fahrgast einzureden und andererseits, unsinniger Weise, die definitiv verschlossene Tür zerrend aufzubekommen. In solchen hektischen Momenten arbeitet das menschliche Hirn manchmal mit erstaunlicher Leistungskraft. Mir wurde also klar, was zu tun war. Der Fahrgast mußte zwangsläufig auf der Fahrerseite einsteigen und vorher seinen Koffer durch die gleiche Tür irgendwie nach hinten auf die Rückbank bugsieren; auf die Beifahrerseite konnte er ihn ja nicht schieben, weil er über den Gangschaltungsknüppel selbst dorthin würde klettern müssen.
Als ich vor meinem geistigen Auge den erzürnten Fahrgast schon hinein klettern sah, er würde sich später beim Hinausklettern am Bahnhof vor den belustigten Reisenden sicher weigern, auch nur eine müde Mark für die Fahrt zu bezahlen, da verlangte auch noch mein Zentralist über Funk nach mir. Ich eilte also niedergeschmettert wieder um das Auto herum zur Fahrertür, um der Zentrale berichten zu können, daß ich meinen Fahrgast inzwischen gefunden hatte. Um den Zentralisten zu schonen, verschwieg ich ihm allerdings, daß dieses vermaledeite amerikanische Auto just nun, in diesem äußerst unpassendem Moment, seinen eigenen vollautomatischen Raffinessen zum Opfer gefallen war und mit ihm auch ich. Während ich inzwischen wieder hoffnungslos am Schlüssel zerrte, fiel mein Blick, dem Schicksal sei Dank, auf die Beifahrertür und auf den Stöpsel. Dieses technische Wunderwerk von einem Auto hatte Stöpsel. Ich dankte im Stillen der amerikanischen Automobilindustrie und im speziellen Mr Chrysler, entriegelte die Türen und fuhr meinen Fahrgast mit Tempo 80 zum Bahnhof. Nun, wir kamen früh genug dort an, die Zentrale ist gleich um die Ecke und ein freundlicher Kollege zeigte mir den kleinen Schalter am Zündschloß, den man drücken muß, um den Schlüssel abzuziehen. Dann erklärte er mir, daß einmal am Schlüssel drücken nur die Fahrertür öffnet, zweimal hintereinander drücken aber alle Türen.
Mit der Zeit verheilen alle Wunden. Heute bin ich Mr Chrysler nicht mehr böse und auch die amerikanische Automobilindustrie werde ich demnächst von meinem Fluch lossprechen.
So fing also meine Karriere beim Funkmietwagen fahren an. Und wenn Du, lieber Leser glaubst, daß sonst nicht viel passiert ist, dann fahr einmal als Fahrgast mit einem unserer Mietwagen und frage den Fahrer nach einer kuriosen Geschichte. Er wird dir schon was erzählen können.

Übrigens: es ist wohl nur ein Gerücht, daß mein Fluch gegen die amerikanische Automobilindustrie Schuld daran ist, daß wir heute statt der Chrysler VW fahren. Es soll aber wahr sein, daß Daimler nur deshalb Chrysler aufgekauft hat, um deren Stöpselproblem in den Griff zu bekommen.

[ 09.08.2002, 00:32: Beitrag editiert von: alonsky ]

 

Kreisch! Wieher! Gröhl! Stöpsel! Nie wieder Zentralverriegelung! Genial!
Grüße von Emma

 

Mit einem klitzekleinen Verlaub. In diesen unseren Zeiten würde ich € schreiben - sonst denken die begeisterten LeserInnen, die Geschichte sei alt, was sie vielleicht ist, was aber nicht jede/r sofort an der Hand abzählen können sollte, denn wir werden uns auch in den nächsten Jahren über diese Zeilen aufs Neue krank lachen.
Andererseits passen Stöpsel in Autos, die man hochzieht und herunterdrückt, gut zu DM. € wäre demnach geradezu anachronistisch.
Grüße von Emma

[ 09.08.2002, 14:38: Beitrag editiert von: Emma ]

 

Hallo Emma!
Vielen Dank für Deine Reaktion. Du liegst mit Deiner Vermutung natürlich richtig. Aber weil Stöpsel und DM ja wirklich das gleiche Los ereilt hat, werde ich es wohl lassen müssen.

viele Grüße Alonsky

 

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