Was ist neu

Ich erschoss den Dalmatiner, weil mein Vater das so wollte

Mitglied
Beitritt
21.04.2014
Beiträge
581
Zuletzt bearbeitet:

Ich erschoss den Dalmatiner, weil mein Vater das so wollte

Die Vorfreude starb an diesem Ort. Es stank nach Kot. Jaulen und Gebell waren ohrenbetäubend. Ich hielt den Kopf gesenkt, stierte auf den Schlamm, der an den Stiefeln meines Vaters klebte. Er gab mir einen Ruck und als ich zu ihm aufschaute, fummelte er einen Flachmann aus der Jacke, nahm einen Schluck und strich sich mit Zeigefinger und Daumen den gewichsten Oberlippenbart. „Such dir einen aus“, sagte er.
Aber ich konnte mir keinen aussuchen, das ging nicht. Aussuchen hieße, die anderen nicht auszusuchen.
„Wie wär‘s mit dem?“ Das Metallfläschchen richtete er auf eine der vergitterten Zellen weiter hinten. „Wie in dem Film, den du so gern hast.“

Zuhause führte er den Hund in den Zwinger. Dem schien es nichts auszumachen, der kannte das schon, er wedelte sogar. Es war lange keiner dort gewesen. Die Streben waren rostrot zerfressen. Mein Vater jagte nicht mehr mit Hunden, er ging überhaupt nicht mehr zur Jagd. Er fuhr mich auch nicht mehr zur Schule – nichts.
„Schau mal, ob du was zu Fressen findest. Aber nicht rauslassen!“
Ich fand schrumpelige Wiener im Kühlschrank und fädelte sie dem Hund durchs Metallgitter entgegen. Als der heranstürmte und mir eine Reihe vergilbter Zähne präsentierte, ließ ich das Würstchen fallen. Mein Vater stand am Küchenfenster und schaute zu, eine Dose Bier in Händen.

Am Abend steckte er sich eine Kippe an, schloss den Waffenschrank auf und drückte mir die Repetierbüchse in die Hand. „Geladen“, sagte er. Asche fiel auf den Boden. Das Linoleum war übersät mit Fußspuren. Die Rauten der Stiefel überdeckten alles andere. „Komm!“ Und als wir vorm Zwinger standen, wusste ich, dass wir den Hund nicht mit zur Jagd nehmen würden, weil der vermutlich zu alt und gar nicht ausgebildet war. Und weil mein Vater noch nie mit mir zur Jagd gegangen war. Und als er Toby, so hatte ich den Hund schon innerlich getauft gehabt, und als er Toby am Halsband nach draußen führte, anleinte, die Leine an das rostzerfressene Gitter band, und zwei, drei Schritte zurücktaumelte, zwinkerte mir mein Vater zu. Vielleicht stach ihn Rauch in den Augen, aber dann nickte er mir zu. Also legte ich an, entsicherte und drückte ab.

Mein Gesicht zog sich zusammen, vielleicht weil Toby wieder gewedelt hatte. Eine einzige Träne schaffte es nach draußen und doch fühlte ich mich schlecht, weil die eine es eben geschafft hatte, weil mein Vater das gesehen haben musste. Aber als ich seine Hand auf der Schulter spürte, den angenehmen Druck, nicht den unangenehmen, wusste ich, dass alles gut war. Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.

Ich stellte keine Frage. War so ein Gefühl, dass man das nicht machen durfte, dass da die Antwort schon drinsteckte. Ich erschoss den Dalmatiner, weil mein Vater das so gewollt hatte.

Und als er dann anfing, wieder in den Wald zu gehen, und mich Jahre später mitnahm, mittlerweile das eigene Gewehr geschultert, war mir das alles in den Sinn gekommen.

***​

Mein Vater hob die Hand, dann das Gewehr, kein Laut war zu hören. Ich schaute durchs Zielfernrohr. Beim Ansprechen dachte ich erst an einen Knopfer, änderte aber mein Urteil. Ein Bockkitz eher. Die Decke lackschwarz. Ich hatte noch nie ein schwarzes gesehen. Es rupfte an verkrüppelten Laubtrieben, hielt inne und glotzte mich an. Die Kiefer mahlten. Keine Ricke weit und breit. Ich rechnete mit dem Schuss, hörte aber nichts. Schwenkte den Lauf nach rechts und nahm meinen Vater ins Visier. Auch er sah zu mir rüber, den Drilling jetzt abgesenkt. Der Schnauzer war grau geworden, das Haupthaar licht und die Haltung nicht mehr so straff. Mein Vater nickte und ich verstand. Also nahm ich das Kitz ins Fadenkreuz; schön breit stand es da. Dann eine Bewegung. Die Ricke trat wie aus dem Nichts ins nahe Umfeld. Natürlich war meinem Vater das nicht entgangen. Ich wusste, er wartete nur auf mich. Aber ich wollte oder konnte nicht, brach ab und sah wieder zu ihm. Er hatte mir den Rücken zugewandt, die Waffe im Anschlag. Und ich folgte einem Impuls. Übergab für einen Moment das Kommando an jemanden, von dem ich gar nicht wusste, dass er mit an Bord war. Einem blinden Passagier, einem Zocker, der lauernd aus dem Schatten sprang und ein Programm ablaufen ließ: Zielen, entsichern, Abzug nach vorn drücken. Das ging ganz schnell. Jeden Moment konnte mein Vater sich wieder umdrehen oder abdrücken oder was auch immer. Und dann war es auch schon vorbei. Die Kontrolle war zurück. Ich nahm den Finger vom Abzug, schwenkte herum und suchte gewachsenen Boden, einen Kugelfang.
Der Schuss brachte Leben in den Wald. Es raschelte und knackte und Vögel stoben davon.

„Passiert“, meinte er. „Vielleicht haben wir morgen Glück.“
Dass ich nur noch ins Auto wollte, weg von hier, wieder in die City, nicht hier bei ihm, sagte ich nicht gleich. Erst nachdem er mir ein weiteres Bier entgegenstreckte.
„Wolltest doch das ganze Wochenende bleiben.“ Er nahm einen Schluck und strich sich Schaum aus dem Bart. „Hast noch nie daneben geschossen.“ Dann zündete er sich eine Kippe an, hustete Schleim nach oben und schluckte.

***​

Die Wohnung war kalt und leer und mein Kokon. Ich drehte die Heizung auf, ließ mich vom Flimmerkasten berieseln und leerte eine halbe Flasche Wodka.
Es war immer dasselbe. Alle paar Monate schwor ich mir aufs Neue, nie wieder bei ihm aufzutauchen. Weil ich immer Gefahr lief, die Kontrolle zu verlieren. Weil da Dinge hochkamen, die nicht hochkommen sollten. Weil ich dann an meinen eigenen Jungen denken musste, an die Scheidung, weil ich es nicht auf die Rolle bekam. Weil ich mich fragte, ob der Apfel nicht weit vom Stamm fallen konnte. Weil ich mir sicher war, dass er es konnte, und weil ich mir sicher war, dass er es nicht konnte. Und wenn ich an meine Mutter dachte, flogen schon mal Flaschen oder es rannen mir Tränen die Wangen runter. Das kam mir dann unmännlich vor. Und ich wusste, wie gestört der Gedanke war.

***​

Nie hatte er mich besucht, seit Miriam und Bastian ausgezogen waren. Das hatte er zuvor auch nur deswegen, weil meine Exfrau so beharrlich gewesen war. Als mein Vater die Hand auf Bastians Köpfchen gelegt hatte, war ich in die Küche geeilt, hatte ein Bier aus dem Kühlschrank genommen, weil seine Hände anderes anpatschen sollten, nur nicht den Kopf meines Sohnes.

Und jetzt stand er einfach so da, nahm den Filzhut ab und blickte direkt in die Kamera vor dem Eingang.
Wir unterhielten uns über den FC, er glaubte nicht an Aufstieg. Er rauchte und ich versuchte erst gar nicht, ihn zu ermuntern, das doch bitte auf dem Balkon zu erledigen. Wir unterhielten uns, als wär’s das Normalste auf der Welt, als wenn wir das schon immer gemacht hätten, als wäre so ein Vater-und-Sohn-Ding am Laufen. Und als er dann auf Grenzzäune und Afghanistan zu sprechen kam, reichte es mir. Keine Zeit. Termine. Verabredungen. Ich begleitete ihn Richtung Tür. Dass ich mich gefreut hätte, sagte ich. Und als er schon beinahe im Treppenhaus stand, blieb er stehen. „Zeit hab‘ ich auch nicht.“ Und da fiel mir auf, wie hohlwangig und zerbrechlich er aussah, wie grau nicht nur der Bart und die spärlichen Flusen waren, die er wieder unter dem Filzhut verborgen hatte. Und schon hielt er sich am Geländer fest und nahm aufrecht die ersten Stufen. Dass ich anrufe, sagte ich. Er drehte sich nicht um, hob die Hand zum Gruß und verschwand aus meinem Blickfeld.

***​

„Red mit mir!“ Miriam hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „O ich vergaß! Schweigen ist Trumpf, stimmt’s? Damit stichst du alles.“ Sie hatte mit dem Finger auf mich gezielt. „Ich sag dir mal was, wenn du irgendwann in der Kiste liegst, hast du die ganze Hand voll Trümpfen – und was bringt‘s dann noch?“
Sie hatte recht gehabt, dennoch war es nicht anders gegangen. Ich hatte erst alle ausspielen müssen, bevor ich so weit gewesen war.
Aber man musste nicht gleich das Zeitliche segnen, man konnte einfach den Zeitpunkt verpassen. Das Resultat war dasselbe.

Ich saß im Auto und würgte Nelly Furtado im Radio ab. Fischte nach Fragen, die wie ein Schwarm Piranhas unter der Oberfläche schwammen. „Mama ist gestürzt, ja? Die Treppe runter?“ Ich lachte auf. „Wolltest du sie wirklich ins Krankenhaus fahren? Wieso dann der Koffer? Wieso hast du sie angeschrien? Warum hat sie Rotz und Wasser geheult?“ Ich klammerte mich ans Lenkrad wie an ein Rettungsseil. Draußen flog die Landschaft an mir vorüber. Der Volvo fuhr die kurvenreiche Landstraße wie von selbst. „Ein Hirsch ist euch vors Auto gesprungen? Ausgerechnet!“ Dann hämmerte ich zu jedem Wort aufs Armaturenbrett. „Hast du getrunken?“
Im Wald schmierten kahle Buchen und krüppelige Kiefern übers Beifahrerfenster. „Du gewalttätiges, versoffenes Arschloch! Scheiß-Vater! Scheiß-Ehemann!“ Ich trat das Gaspedal durch und sah wieder nach vorn. „Dann das mit Toby. Wie kann man ... All deinen Dreck hast du auf mir abgeladen. So was von schwach. Zerfressen.“ Als der Hänger vor mir auftauchte, stieg ich in die Eisen und brüllte die Windschutzscheibe an: „Du hast sie umgebracht!“
Der Lastwagen fuhr keine sechzig, ich fluchte, überholen ging nicht. Nach dem Runterschalten sammelte ich mich wieder. Feilte an den Worten, die für ihn bestimmt waren.

Das Haus sah aus wie immer. Unten der Bruchstein, die Veranda, auf der meine Mutter gerne ins Tal gesehen hatte. Oben der Holzständeraufbau mit Balkon auf breiter Front. Die Zeit hatte das Gebälk abgeschliffen und grau werden lassen. Ich parkte neben dem Gerätehaus, wo früher der Zwinger gestanden hatte, stieg die Treppe hoch und klingelte. Nichts. Sein Toyota stand vorm Haus, also ging ich zur Rückseite und klaubte einen losen Stein hervor. Der Schlüssel lag wie immer in der Kerbe.

Im Haus roch es nach Erbrochenem und Kot und faulem Obst. Die Badezimmertür stand offen, gefunden hatte ich ihn aber oben im Bett. In braunbeschmutzten Unterhosen, ein Bein hing herunter. Die Wollsocke hatte ein Loch, der große Zeh lugte hervor und tupfte auf den Boden. Die Atmung rasselte, Antwort gab mein Vater nicht, da konnte ich rütteln, rufen, machen, was ich wollte. Stabile Seitenlage, dachte ich, und als der Notarzt mit Gefolge endlich eintraf, stellte man mir Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Dann schickten sie mich weg. Und als sie ohrenbetäubend davonbrausten, saß ich noch immer auf der Veranda, wo meine Mutter so gerne gesessen hatte, und blickte wie sie ins Tal hinunter, folgte dem blau blinkenden Rettungswagen, bis er außer Sicht war.

***​

Die Ärzte hatten meinen Vater ausgeweidet, jeden Muskel entnommen und alle Fettzellen verbrannt. Anschließend hatten sie ihn wieder mit Haut bezogen, wie man eine Leinwand über ein Holzgerüst spannt.
Der Sauerstoffschlauch pfiff in der spitzgewordenen Nase, der Monitor piepste. Mein Vater wollte etwas sagen. Ich wusste, dass jetzt die Zeit zum Reden gekommen war. Das Frage-Antwort-Spiel. Das Finale. Er öffnete den Mund und ich hörte, wie Luft daraus entwich. Mehr nicht. Ein, zwei Wochen ging das so – dreizehn Tage.

Schließlich stand ich am Grab – Miriam und Bastian und der Pfaffe, dessen Worten ich nicht folgen konnte. Es war gut, dass sie mich nicht mit ihm alleine ließen. Eine Frau mit weißem Dutt, drei, vier Reihen weiter hinten steckte eine Kerze an und stellte sie vor ein Holzkreuz. Den Namen darauf konnte ich nicht lesen. Sie sah kurz zu uns herüber. Sonst war da kein Mensch. Wen hätte die Zeitungsannonce schon interessiert? Ich wusste es nicht und meine Schläfen pochten.

Miriams Stärke imponierte mir. Sie hatte meinen Vater nie gemocht, ihn weniger gekannt als ich, und es war nicht alles rund gelaufen nach der Scheidung. Das war noch immer so. Dennoch stand sie hier, mit Bastian, und ich wusste von diesem Augenblick an, dass wir Frieden finden konnten. Und als Erde von der Schaufel ins Loch prasselte, wo tiefer unten meine Mutter lag, brach ein Wall in mir, der von Jungenhänden erbaut worden war und es über die Jahre zum Hoover-Damm gebracht hatte.

Wir sind dann Essen gegangen. Bastian hatte in seinem Piratenteller die Pommes hin- und hergeschoben. Ich wollte wissen, wie es ihren Eltern ging. Wir redeten über die Arbeit. Und meinen Sohn fragte ich nach Freunden und den Kindergarten aus.
Nachdem mir der Kellner die Kreditkarte zurückgebracht hatte, setzte ich mich in die Hocke, legte Bastian die Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen. „Gehen wir zwei am Samstag in den Zoo?“ Und er nickte.

 

Und als er dann anfing, wieder in den Wald zu gehen, und mich Jahre später mitnahm, mittlerweile die eigene Blaser R8 geschultert, war mir das alles in den Sinn gekommen.

Hallo,

das vorneweg: NATÜRLICH eine Blaser R8! Keinen alten, abgelederten 98er, sondern die Creme de la Creme, Geradezugrepetierer. Das wirkt schon sehr recherchiert. Warum auch hier den Namen der Waffe erwähnen? Viel wichtiger wäre doch, dass er wohl einen Jagdschein gemacht haben muss, oder? Blaser ist auch nicht billig. Wir wissen nicht, wie der Mann sein Geld verdient, aber ich habe mir in all den Jahren noch keine Blaser leisten können.

Die Stiefel meines Vaters waren schlammbesudelt und als ich zu ihm emporsah, fummelte er einen Flachmann aus der Jacke, nahm einen Schluck und strich sich mit Zeigefinger
Gegen trinkende Jäger habe ich nichts, aber hier wirkt es schon recht ausgestellt. Im Tierheim sein Flachmann rausholen, naja.

Am Abend steckte er sich eine Rothändle an, schloss den Waffenschrank auf und drückte mir die Repetierbüchse in die Hand. „Geladen“, sagte er. Asche fiel auf den Boden. Das Linoleum war übersät mit Fußspuren. Die Rauten der Stiefel überdeckten alles andere. „Komm.“ Und als wir vorm Zwinger standen, wusste ich, dass wir den Hund nicht mit zur Jagd nehmen würden, weil der vermutlich zu alt und gar nicht ausgebildet war

Sein Vater geht mit Hunden jagen. Jagdhunde brauchen eine sehr disziplinierte Ausbildung und auch Prüfungen. Der Junge müsste das also schon von seinem Vater kennen. Er weiß, dass er diesen Hund aus dem Tierheim nicht holt, um mit ihm zu jagen. Und was ich nicht verstehe, warum soll der Junge einen Hund erschießen? Was ist denn das für eine Prüfung, was hat er damit bewiesen? Auch, dass der Vater ihm einfach eine geladene Büchse in die Hand gibt ... das passt nicht. Wenn er ein Vater ist, der seinen Sohn zu einem Macho erziehen will, also "männlich" und "hart", dann ist aber Disziplin und Respekt schon auch ein großer Teil davon, das wird ja gerne vergessen. Also würde der ihn hart an die Kandarre nehmen, ihm aber niemals eine entsicherte Büchse einfach so in die Hand geben. Außerdem liegen Waffen nicht geladen im Schrank herum. Um das Ganze zu einer Art Initiation zu machen, müsste der Junge auch alles selbst tun - die Waffe aussuchen, sie laden, den Hund anbinden, ihn töten. Nur der Akt des Tötens alleine macht es doch nicht, oder?

Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Das würde ich weglassen. Ich denke, das sollte mitschwingen, aber nicht erzählt werden. Die Charaktere sollten sich durch ihre Handlung selbst erklären, sonst wirkt das wie eine suggerierte Tiefe, weil ... Scheidung, Tod, etc. Zu oft gelesen.

Ich schaute durchs Fernrohr und sah, was er ausgemacht hatte
Ich würde hier sagen: Optik. Fernrohr stimmt ja nicht. Eigentlich müsste man sagen: das Absehen.
Also nahm ich den jungen Bock aufs Korn und legte den Finger an den Abzug. Dann schwenkte ich zurück, mein Vater hatte mir den Rücken zugewandt – die Weste neongelb. Ich hob den Lauf, entsicherte und drückte ab.
So vom Ablauf her nicht ganz korrekt, würde ich sagen. Neonwesten trägst du zur Drückjagd. Ist das hier eine Drückjagdsituation? Bockkitz, dann junger Bock? Was denn nun? Ein junger Bock ist ein Jährling. Oder Spießer. Den nimmt man auch nicht aufs Korn, sondern man kommt ab. Mit dem Finger am Abzug herumschwenken ist niemals nicht eine gute Idee. Bei modernen Waffen ist das Abzugsgewicht so gering ... das geht Zack, und die Murmel fliegt.

Er tötet also ja im Grunde imaginär auch seinen Vater, oder versucht es zumindest, so lese ich das heraus, das würde mir logisch erscheint. Ich habe On Killing von diesem Militärpsychologen gelesen. Der Widerstand im Menschen, einen anderen Menschen zu töten, ist im Gegensatz zur öffentlichen Meinung, eben doch sehr stark. Meint - man tötet nicht einfach so. Ein Leben nehmen ist keine kleine Sache. Die meisten Morde oder Totschlagdelikte passieren im Affekt. Oder es staut sich eine Wut auf und entlädt sich dann. Deine Figur wirkt ein wenig unentschieden. Einmal so wie aus Camus Der Fremde, eine Art Nihilist, Fehlschuss, ach egal, es wird auch nicht nachgesucht etc, und dann zeigt knallt er auch den Hund ab und versucht jede Emotion zu unterdrücken. Mir wird nicht klar, was das soll. Der Vater erzeugt keinen Druck auf ihn, es passiert nie etwas, mir wird nicht gezeigt, was da eine Konsequenz ist, was will der Vater aus ihm machen, und was hat das mit ihm gemacht, und wenn, wie äußert sich das im Leben des Erzählers? Der Text stellt kaum Fragen, der vermeidet es sogar, wirklich explizit zu sein. Da ist aber auch nicht so viel Fett an den Figuren, dass da etwas oszillieren kann, da schwingt nichts mit, da kann sich nichts selbst erzählen, weil es an Tiefe fehlt.

. Weil da Dinge hochkamen, die nicht hochkommen sollten. Weil ich dann an meinen eigenen Jungen denken musste, an die Scheidung, weil ich es nicht auf die Rolle bekam. Weil ich mich fragte, ob der Apfel nicht weit vom Stamm fallen konnte.
Das müsste der Text halt irgendwie zeigen, es beweisen. So bleibt es eine Behauptung.
Nie hatte er mich besucht, seit Miriam und Bastian ausgezogen waren. Das hatte er zuvor auch nur deswegen, weil meine Exfrau so beharrlich gewesen war. Als mein Vater die Hand auf Bastians Köpfchen gelegt hatte, war ich in die Küche geflüchtet, hatte ein Bier aus dem Kühlschrank genommen, weil seine Hände anderes anpatschen sollten, nur nicht den Kopf seines Enkels.
Das könnte man auch szenisch ausarbeiten. Tolle Szene wäre das, wie er seinem Vater eine Flasche Bier in die Hand würgt, damit er nicht den Kopf seines eigenen Sohnes anfasst. Aber auch hier: Nicht behaupten. Zeigen und dem Leser vertrauen, finde ich.

Wir unterhielten uns über den FC, er glaubte nicht an Aufstieg.
Was??? Wer ist die Macht am Rhein?
Und als er dann auf Merkel und Schulz zu sprechen kam, reichte es mir
Naja. Das wirkt so aufgepropft. Echter wäre es doch, der Alte wäre ein lupenreiner Rassist. Das willst du ja sagen, der ist eigentlich grenzwertig. "Die Flüchtlinge sollten alle verrecken, wer soll das bezahlen, wir!, und für das Kroppzeuch!" Höre ich bei jeder Drückjagd, no joke. Es wirkt halt etwas sehr zeitgeistig, wenn du es so verklausulierst, dass der Vater im Grunde übergriffig und sagen wir, sehr konservativ ist.
Während der Fahrt saß mein Vater gedanklich neben mir im Auto. Ich würgte Nelly Furtado im Radio ab und fischte nach Fragen, die wie ein Schwarm Piranhas unter der Oberfläche schwammen. „Mama ist gestürzt, ja? Die Treppe runter?“ Ich lachte auf. „Wolltest du sie wirklich ins Krankenhaus fahren? Wieso dann der Koffer? Wieso hast du sie angeschrien? Warum hat sie Rotz und Wasser geheult?“ Ich klammerte mich ans Lenkrad wie an ein Rettungsseil. Draußen flog die Landschaft an mir vorüber. Der Volvo fuhr die kurvenreiche Landstraße wie von selbst. „Ein Hirsch ist euch vors Auto gesprungen? Ausgerechnet!“ Dann hämmerte ich zu jedem Wort aufs Armaturenbrett. „Hast du getrunken?“
Im Wald schmierten kahle Buchen und krüppelige Kiefern übers Beifahrerfenster. „Du gewalttätiges, versoffenes Arschloch! Scheiß-Vater! Scheiß-Ehemann!“ Ich trat das Gaspedal durch und sah wieder nach vorn. „Dann das mit Toby. Wie kann man ... All deinen Dreck hast du auf mir abgeladen. So was von schwach. Zerfressen, voller Selbsthass!“ Als der Hänger vor mir auftauchte, stieg ich in die Eisen und brüllte die Windschutzscheibe an: „Du hast sie umgebracht!“
Der Lastwagen fuhr keine sechzig, ich fluchte, überholen ging nicht. Nach dem Runterschalten sammelte ich mich wieder. Feilte an den Worten, die für ihn bestimmt waren.
Das ist halt so der Part, der einfach fehlt in der Narrative. Diese ganze Abrechnung kommt aus dem Nichts. Da operiert der Text auch mit dem Spekulativem, weil wir wissen, wir der Vater ist, Roth Händle, Becks etc, nehmen wir das an, aber das ist mir zu diffus. Du könntest hier eine exemplarische Erinnerung einbauen, die für die Entwicklung in all den Jahren steht, für diese Zerrissenheit und auch die Entzweiung. Da müsstest du dann den Text aber 80 Normseiten lang machen. Das Potential ist da.
Miriams Stärke imponierte mir. Sie hatte meinen Vater nie gemocht, ihn weniger gekannt als ich, und es war nicht alles rund gelaufen nach der Scheidung. Das war noch immer so. Dennoch stand sie hier, mit Bastian, und ich wusste von diesem Augenblick an, dass wir einen Frieden finden konnten.
Auch hier. Eine Szene. Wie er zum Friedhof kommt, sie sieht, sie ein paar Worte sprechen, er im Grunde erstaunt ist ... das wirkt alles so schnell und abgekürzt in meinen Augen.

Mir wird nicht klar, was das Thema der Geschichte ist? Wofür steht der Vater? Was wird da zum Ausdruck gebracht? Er stirbt und dann? Es muss keine Karthasis geben, aber du schreibst, durch den Tod des Vaters gibt es eine Art Frieden, aber irgendwie doch nicht mit dem Vater, sondern zwischen den geschiedenen Eheleuten. Der Tod des Vaters scheint also ein auslösender Moment zu sein, aber da ist kaum Fallhöhe vorhanden, es tauchen viele Figuren auf, die aber im Grunde keine Rolle spielen, die nie echte Charaktere werden, sondern nur Staffage bleiben, Stichwortgeber. Geschieden, Kinder, Mutter tot, Vater Säufer und seltsam, das wirkt alles sehr klischiert, den Figuren fehlt es an Tiefe. Es fehlt auch ein Fokus. Kaum Dialoge, wenig, was zwischen den Zeilen schwingen könnte.

Gruss, Jimmy

 

Hey Jimmy,


schön, dass du reingeschaut hast.

Mir wird nicht klar, was das Thema der Geschichte ist?
Das ist natürlich schade. Wenn das so ist, kann ich auch viele deiner Kritikpunkte nachvollziehen.
Wenn ich das jetzt erklären muss, heißt das natürlich, dass der Text nicht funktioniert hat bei dir.
Der Text stellt kaum Fragen, der vermeidet es sogar, wirklich explizit zu sein.
Also Fragen stellt der Text doch eine Menge, du hast ja selbst einige gestellt. Es fehlt an Antworten, so in diese Richtung sollte das auch gehen. Da ist viel Unausgesprochenes, da gibt's Vermeidung, Verdrängung, 'das klärende Gespräch fehlt. Und genau da sollte auch der Fokus liegen, das Thema, wenn du so willst.
Deswegen gehe ich auch so aus dem Text, wollte ich nur anschneiden, Leerstellen lassen, nicht allzu szenisch werden, Dialoge weitestgehend vermeiden (der Erzähler erzählt erst sehr spät im Text in Wörtlicher Rede). Das ist schon gewagt auch, klar. Für mich passt das. Befriedigend transportieren konnte ich das wohl aber nicht. Wenn das bei anderen Lesern auch nicht funktioniert hat, ist der Text natürlich - so wie er dasteht - was für die Tonne.

NATÜRLICH eine Blaser R8! Keinen alten, abgelederten 98er, sondern die Creme de la Creme, Geradezugrepetierer. Das wirkt schon sehr recherchiert. Warum auch hier den Namen der Waffe erwähnen?
Jo, okay, lass ich mal so stehen. Überdenke ich. Allerdings: Warum sollte er sich keine Blaser leisten können? Du schreibst ja selbst, dass der Text nicht erwähnt, wie viel Kohle der Erzähler macht. Er gibt allerdings her, dass sich der Prota eine teure Büchse und einen Volvo leisten kann - ist ja auch 'ne Info und zeigt was, verortet den Erzähler, wie das Becks Dosenbier, die Rothändle und der FC ja auch den Vater, nicht? Hier eben das Gewehr.
Gegen trinkende Jäger habe ich nichts, aber hier wirkt es schon recht ausgestellt. Im Tierheim sein Flachmann rausholen, naja.
Zu dem Zeitpunkt jagt er nicht mehr; und Tierheim liegt nahe, okay, geschrieben habe ich aber nicht, dass es sich um eins handelt.
Sein Vater geht mit Hunden jagen. Jagdhunde brauchen eine sehr disziplinierte Ausbildung und auch Prüfungen. Der Junge müsste das also schon von seinem Vater kennen. Er weiß, dass er diesen Hund aus dem Tierheim nicht holt, um mit ihm zu jagen.
Ja, das sagt er ja auch.
Und was ich nicht verstehe, warum soll der Junge einen Hund erschießen?
Das versteht auch der Junge nicht. Wird er auch nie. Und das ist natürlich unbefriedigend, bleibt haften, wird nicht aufgelöst. Und weil der Prota einer ist, der (zu) lange vermeidet, Fragen zu stellen, wird er auch keine Antworten mehr bekommen. Das so die Idee hinter dem Text.
Also würde der ihn hart an die Kandarre nehmen, ihm aber niemals eine entsicherte Büchse einfach so in die Hand geben.
Entsichert sie ja auch nicht. Und schließt der Text aus, dass der Junge hart an die Kandarre genommen wurde? Ich wollte das schon andeuten.
hell schrieb:
Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Das würde ich weglassen. Ich denke, das sollte mitschwingen, aber nicht erzählt werden. Die Charaktere sollten sich durch ihre Handlung selbst erklären, sonst wirkt das wie eine suggerierte Tiefe, weil ... Scheidung, Tod, etc. Zu oft gelesen.
Mir ist das noch zu wichtig. Aber überdenke ich, brauche dazu noch etwas Abstand zum Text.
hell schrieb:
Also nahm ich den jungen Bock aufs Korn und legte den Finger an den Abzug. Dann schwenkte ich zurück, mein Vater hatte mir den Rücken zugewandt – die Weste neongelb. Ich hob den Lauf, entsicherte und drückte ab.
So vom Ablauf her nicht ganz korrekt, würde ich sagen. Neonwesten trägst du zur Drückjagd. Ist das hier eine Drückjagdsituation? Bockkitz, dann junger Bock? Was denn nun? Ein junger Bock ist ein Jährling. Oder Spießer. Den nimmt man auch nicht aufs Korn, sondern man kommt ab. Mit dem Finger am Abzug herumschwenken ist niemals nicht eine gute Idee. Bei modernen Waffen ist das Abzugsgewicht so gering ... das geht Zack, und die Murmel fliegt.
Okay, die Weste kann raus. Für die Infos zum Bock bin ich dir dankbar, das schau ich mir auf jeden Fall nochmals an. Ist immer hilfreich, wenn da jemand persönliche Erfahrungen mit hat.
Das mit der Idee, jo, kommt ja auf die Idee an, manchmal folgt man ja auch einem Impuls, und du schreibst im Anschluss dann ja selbst: Er tötet also ja im Grunde imaginär auch seinen Vater, oder versucht es zumindest, so lese ich das heraus, das würde mir logisch erscheint.
Ich habe On Killing von diesem Militärpsychologen gelesen. Der Widerstand im Menschen, einen anderen Menschen zu töten, ist im Gegensatz zur öffentlichen Meinung, eben doch sehr stark. Meint - man tötet nicht einfach so. Ein Leben nehmen ist keine kleine Sache. Die meisten Morde oder Totschlagdelikte passieren im Affekt. Oder es staut sich eine Wut auf und entlädt sich dann.
Ja, hab ich auch gelesen, fand das super interessant. Nur, weshalb erwähnst du das? Er schießt ja nicht auf seinen Vater.
hell schrieb:
Weil da Dinge hochkamen, die nicht hochkommen sollten. Weil ich dann an meinen eigenen Jungen denken musste, an die Scheidung, weil ich es nicht auf die Rolle bekam. Weil ich mich fragte, ob der Apfel nicht weit vom Stamm fallen konnte.
Das müsste der Text halt irgendwie zeigen, es beweisen. So bleibt es eine Behauptung.
Berechtigte Kritik, die ich anderen Texten auch schon mal vorwerfe. Noch nehme ich das aber in Kauf, wollte den Schwerpunkt nicht auf die Scheidung legen. Klar nehme ich auch Abkürzungen, wo sie mir berechtigt erscheinen, sonst hätte ich das deutlich umfangreicher gestalten müssen. Warum ich weniger szenisch geschrieben habe, habe ich ja weiter oben schon angeschnitten.
An anderer Stelle sprichst du von 80 Normseiten, die es bräuchte, als der Prota im Auto erstmalig ausspricht, was er seit Jahren alles an Fragen so mit sich rumträgt. Das alles würde den Rahmen der KG doch deutlich sprengen, meine ich.

So, ich muss das jetzt erst mal alles sacken lassen. Da steckt 'ne Menge Überdenkenswertes in deiner Kritik, Jimmy. Dafür möchte ich mich auf jeden Fall bedanken, auch wenn ich (noch) nicht alle Punkte mit dir teile.

Besten Gruß

hell

 

Hej @hell,

mit dem Titel habe ich meine Schwierigkeiten. Der zeigt auf eine bestimmte Hunderasse, obwohl die gar nicht so wichtig zu sein scheint. Hätte ja auch ein Collie sein können. So bekommt der Dalmatiner ein Gewicht, das ich nicht im Text wiederfinden kann.

Es ist schon harter Stoff. Es stinkt und sieht ekelhaft aus. Und seltsamerweise habe ich gar kein visuelles Bild von dem Ich-Erzähler und es ist mir erst jetzt aufgefallen. Als hättest du es gar nicht gewollt, als gäbe es kein Außen von ihm. Es war nicht wichtig für mein Leseempfinden und jetzt gefällt es mir sogar. Es passiert viel in dieser kurzen Geschichte und dennoch habe ich den Eindruck, alle Protagonisten kennengelernt zu haben. Das Tempo ist enorm, beinahe rasend springe ich durch die Jahre. Hier mag ich es, weil der Erzähler innerlich rastlos ist, geschädigt durch seine Kindheit, seinen Vater und lange still, bis er allein mit sich sich Luft macht. Ein Anfang, wie ich es empfinde. Du machst es mir leicht, den Vater zu verabscheuen, es ist mir egal, warum er so ein furchtbarer Mann ist, obwohl es ja bestimmt auch einen Grund dafür gibt, ich tippe auf den Apfel, der im Text erwähnt wird.

Du schaffst widerliche Bilder, zum Beispiel wie der Vater saufend am Fenster steht, auf dem schmutzigen Boden und dem Jungen zusieht, wie der den Hund füttert, obwohl er weiß oder ahnt, was dem blühen wird. Wieso das Jugendamt nicht aufmerksam auf ihn wurde, schoß mir durch den Kopf. Dieser Vater hat ja eine Vergangenheit und zieht jetzt den Buben alleine groß. Es ist so anregend, diesem jungen Mann zu folgen, mir das auszumalen, was du unbemerkt lässt. Wie das, was zwischen Vater und Sohn schwelt.

Aber ich konnte mir keinen aussuchen, das ging nicht. Aussuchen hieße, die anderen nicht auszusuchen.
Da weiß der Junge doch schon, was auf den Hund zukommt und er behält es für sich, so wie er alles schluckt, was ihm widerfährt. Dabei habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass er Angst hat. Es ist vielleicht Resignation oder er meint, es gehöre so. :(
„Wie wär‘s mit dem?“ Das Metallfläschchen richtete er auf eine der vergitterten Zellen weiter hinten. „Wie in dem Film.“
Hier denke ich also nach, wieso der Vater den Film kennt und die Niedlichkeit der Hunde und gerade deshalb den wählt. Ich will zu keinem Schluss kommen, weil ich nicht schwarz-weiß denken will. Aber böse ist das schon. Im Verlauf bemerkt der erwachsene Sohn ja, dass er zum Mann erzogen werden soll. Er durchschaut das und lässt dem Vater das durchgehen. Du trittst mit diesem Schema eine Welle von Fragen bei mir los. Die des Ertragens, der Stille, des Schweigens.
Mein Vater jagte nicht mehr mit Hunden, er ging überhaupt nicht mehr zur Jagd. Er fuhr mich auch nicht mehr zur Schule – nichts.
Der Junge nimmt es wohl zur Kenntnis, hinterfragt aber nichts. Also tu es es in diesem Augenblick auch nicht.
Am Abend steckte er sich eine Rothändle an, schloss den Waffenschrank auf und drückte mir die Repetierbüchse in die Hand.
Hier habe ich nachgedacht, ob es diese Zigarettenmarke noch gibt, oder ob es mir einen Hinweis an die Zeit geben soll, in der die Kindheit des Jungen sich abspielte. Er raucht sie sicher ‚ohne‘.
Und als er Toby, so hatte ich den Hund schon innerlich getauft gehabt, und als er Toby am Halsband nach draußen führte, anleinte, die Leine an das rostzerfressene Gitter band, und zwei, drei Schritte zurücktaumelte, zwinkerte mir mein Vater zu. Vielleicht stach ihn Rauch in den Augen, aber dann nickte er mir zu. Also legte ich an, entsicherte und drückte ab. Ich zögerte nicht – man zögerte nicht!
Dadurch, dass er dem Hund trotz allem einen Namen gibt, macht es für mich deutlich, wie der Bub sich nach Nähe sehnt, sei es nur ein aufmunterndes Zwinkern des Vaters, das er aber nicht für möglich hält. Es gibt keine Nähe und Zuneigung. Der Junge funktioniert nach Vaters Muster. Und deshalb weiß ich bereits, dass ein Zögern nicht in Frage kommen würde und ich ahne, dass auch er keine gesunde Beziehungsfähigkeit aufweisen wird.
Eine einzige Träne schaffte es nach draußen, alle anderen verkniff ich mir, und doch fühlte ich mich schlecht, weil die eine es eben geschafft hatte, weil mein Vater das gesehen haben musste. Aber als ich seine Hand auf der Schulter spürte, den angenehmen Druck, nicht den unangenehmen, wusste ich, dass alles gut war. Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Ich weiß auch, dass er meint, nicht weinen zu dürfen und so reagiere ich leider auf zu viel Erklärung latent genervt, weil ich mich so freue, dass es so gut durch die Zwischenzeilen deutlich wurde. :D
Und als er dann anfing, wieder in den Wald zu gehen, und mich Jahre später mitnahm, mittlerweile die eigene Blaser R8 geschultert, war mir das alles in den Sinn gekommen.
Vielleicht hättest du das mehr einbauen können, eventuell in den Absatz, der folgt und nicht nachträglich so direkt formulieren. So entstehen zu viele unterschiedliche (Zeit-)Ebenen für mich.
Die Kiefer malten.
die mahlten aber bestimmt ;)
Ich rechnete mit dem Schuss, hörte aber nichts. Schwenkte den Lauf nach rechts und nahm meinen Vater ins Visier.
Hab nur ich angenommen, er könnte ihn jetzt abschießen, den Vater? Dabei war es nur die Art, wie sich verständigten - oder doch nicht?
Dass ich nur noch ins Auto wollte, weg von hier, wieder in die City, nicht hier bei ihm, wo er daran gescheitert war, aus mir einen Mann nach seinem Ebenbild zu formen, sagte ich nicht gleich. Erst nachdem er mir ein weiteres Becks entgegenstreckte. Und ich sagte es mit anderen Worten.
Ach, ich hätte es nicht so direkt gebraucht. Ist doch bis hierher alles so genau transportiert worden.
Er nahm einen Schluck und strich sich Schaum aus dem Bart. „Hast noch nie daneben geschossen.“ Dann zündete er sich eine Kippe an, zog auf Lunge, hustete Schleim nach oben und schluckte.
So wenig Raum bekommt er hier in seiner Sprache und dennoch ist er ein nahezu eindeutiger Charakter. Widerlicher Kerl. Aber auch einsam. Naja, kein Wunder. Das hast du gut hingekriegt. Hier ahne ich schon einen Krankheitsverlauf.
Die Wohnung war kalt und leer und mein Kokon. Ich drehte die Heizung auf, ließ mich vom Flimmerkasten berieseln und leerte eine halbe Flasche Belvedere Pure.
Es war immer dasselbe. Alle paar Monate schwor ich mir aufs Neue, nie wieder bei ihm aufzutauchen. Weil da Dinge hochkamen, die nicht hochkommen sollten. Weil ich dann an meinen eigenen Jungen denken musste, an die Scheidung, weil ich es nicht auf die Rolle bekam. Weil ich mich fragte, ob der Apfel nicht weit vom Stamm fallen konnte. Weil ich mir sicher war, dass er es konnte, und weil ich mir sicher war, dass er es nicht konnte. Und wenn ich an meine Mutter dachte, flogen schon mal Flaschen, wie die Belvedere Pure, oder es rannen mir Tränen die Wangen runter. Das kam mir dann unmännlich vor. Und ich wusste, wie gestört der Gedanke war.
Diesen Absatz hätte ich mir anders gewünscht. Am liebsten ohne Worte. :D Vielleicht hätte Miriam kommen und das sehen können, die Flasche, die Wut, die Tränen, die Verzweiflung, ein Foto der Mutter in den Händen ... oder so ähnlich. Für mich ging hier die Wucht der Emotionen durch die Erklärungen verloren.
Als mein Vater die Hand auf Bastians Köpfchen gelegt hatte, war ich in die Küche geflüchtet, hatte ein Bier aus dem Kühlschrank genommen, weil seine Hände anderes anpatschen sollten, nur nicht den Kopf seines Enkels.
Stärker würde ich das empfinden, wenn es der Kopf meines Sohnes hieße.
„Zeit hab‘ ich auch nicht.“ Und da fiel mir auf, wie hohlwangig und zerbrechlich er aussah, wie grau nicht nur der Bart und die spärlichen Flusen waren, die er wieder unter dem Filzhut verborgen hatte. Und schon hielt er sich am Geländer fest und nahm aufrecht die ersten Stufen. Dass ich anrufe, sagte ich. Er drehte sich nicht um, hob die Hand zum Gruß und verschwand aus meinem Blickfeld.
Dieser Langmut des Sohnes ist erstaunlich. Und dieser Absatz sehr stark. Weist er doch auf die Sprachlosigkeit der beiden hin und zugleich auf das Ende ihrer Beziehung.
„Red mit mir!“ Miriam hatte die Hände in die Hüften gestemmt. „O ich vergaß! Schweigen ist Trumpf, stimmt’s? Damit stichst du alles.“ Sie hatte mit dem Finger auf mich gezielt. „Ich sag dir mal was, wenn du irgendwann in der Kiste liegst, hast du die ganze Hand voll Trümpfen – und was bringt‘s dann noch?“
Sie hatte recht gehabt, dennoch war es nicht anders gegangen. Ich hatte erst alle ausspielen müssen, bevor ich so weit gewesen war.
Aber man musste nicht gleich das Zeitliche segnen, man konnte einfach den Zeitpunkt verpassen. Das Resultat war dasselbe.
Diesen „Dialog" könnte ich mir weiter oben am Abend des Wodkas vorstellen. (den musste ich im übrigen googeln)
Während der Fahrt saß mein Vater gedanklich neben mir im Auto.
Auch an dieser Stelle wäre für mich dieser Satz nicht notwenig, sogar kraftvoller, wenn es sich erst am Schluss des Absatzes zeigen würde, dass der Sohn alleine im Wagen sitzt - auf dem Weg zum Vater.
Die Badezimmertür stand offen, gefunden hatte ich ihn aber oben im Bett.
Und bei diesem erbarmungslosen Anblick stellt sich noch immer kein Mitgefühl bei mir ein. Irgendwas stimmt nicht mit mir. :confused:
Ich wusste, dass jetzt die Zeit zum Reden gekommen war.
Dabei hätte ich dem namenlosen Sohn genau einen umgekehrten Satz zugetraut: er wusste genau, dass es zu diesem Zeitpunkt zu spät war dafür, dass sie ihn verpasst haben.
Nachdem mir der Kellner die Kreditkarte zurückgebracht hatte, setzte ich mich in die Hocke, legte Bastian die Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen, die ein wenig rot geworden waren. „Gehen wir zwei am Samstag in den Zoo?“ Und er nickte.
Ein wenig spektakuläres Ende. Das geht völlig in Ordnung. So ganz verstehe ich die roten Augen seines Sohnes nicht, dass er darauf achtet natürlich schon und ich frage mich, ob das nicht etwas explizierter schön gewesen wäre, er hofft ja wohl, den Apfel weit vom Stamm fallen zu sehen.

Lieber @hell , du hast mich erreicht, obwohl ich mir den Text fließender gewünscht hätte, damit die Dramatik ausdrücklicher hätte sein können. Möglicherweise.

Freundlicher Gruß. Kanji

 

Hey @Henry K.,

ich habe deine Story grade einmal durchgelesen und mein Eindruck ist sehr positiv. Ich finde die Atmosphäre kommt gut rüber, man riecht geradezu die Eifel oder das Bergische. Ich finde auch die Figuren nicht zu blass, es geht um Vater und Sohn.
Das freut mich natürlich.

>> Niemand kommt in einen Raum und sagt: "Hier stinkt's nach Kot." Entweder "stinkt es nach Scheisse" oder es "riecht nach Kot".

>> "Der Schlamm klebt" ist aktiver und damit stärker finde ich. "Emporsah" klingt wie bei Cäsar und Kleopatra. Auch "Oberlippenbart" passt nicht zum derben Setting.

>> Dass er den Flachmann erst rauszieht, ist unwichtig.

Okay, darauf kaue ich noch ein wenig herum.
Ich hab' jetzt mehrfach ausprobiert, den Kot durch Scheiße zu ersetzen, aber das fühlt sich einfach nicht richtig für mich an, will mir einfach nicht zum Prota passen, ist ja jetzt auch keine wörtliche Rede. Die Roch-nach-Konstruktion macht die Sache auch nicht besser, da stört mich der Missklang.
Ich gebe dir recht, auf Hilfsverben zu verzichten, ist meist die bessere Wahl, beim Schlamm passt das (noch) für mich. Da muss jetzt nichts prominent herausragen.
Zum Emporsehen: Ach, wenn du dabei Cäsar und Kleopadra assoziierst, finde ich das gar nicht so schlimm - passt ja irgendwie auch. Drückt ja was aus und der Größenunterschied lässt Rückschlüsse zu.
Aber ich werde das im Hinterkopf behalten und die Passage weiter abklopfen. Vielleicht ändere ich da noch was, wenn ich etwas mehr Abstand zum Text habe.
>> Hier hatte ich beim ersten Lesen nicht präsent bzw. schon vergessen, dass ein Dalmatiner gemeint ist.

>> Finde, hier braucht es kein Synonym für den Flachmann, schon gar kein umständliches. Wenn das Wort zu früh wiederholt wird, kann es ja auch einfach weg.

Dem Dalmatiner möchte ich nicht noch mehr Raum geben, das Synonym finde ich gar nicht so umständlich.
Aber, das gilt generell für jeden deiner Kritikpunkte, ich behalte die im Hinterkopf und schaue mir das alles nochmals an. Versprochen :).
>> Wieso diese Wiederholungen: "ich konnte mir keinen aussuchen, das ging nicht" / "Dem schien es nichts auszumachen, der kannte das schon"? Klingt für mich etwas gekünstelt, um ehrlich zu sein - so nach einem offensichtlichen Effekt, der etwas bewusst literarisch verstärken soll.
Letztendlich arbeiten wir immer mit literarischen Effekten, wenn die ins Auge stechen, ist das natürlich nicht so gut. Besser macht es das jetzt auch nicht, wenn ich sage: Der Erzähler erzählt nun mal in diese Sprache. Den Ton möchte ich (noch) nicht verändern.
>> Dadurch dass das alles hin- und herspringt, fliegt man raus als Leser, vor allem, wenn dann noch die Sprache so andeutend ist ("er den hund", "dem schien", "der kannte", "er wedelte", "es war").
Ich bin geneigt, dem Leser das zuzumuten. Ich mag das einfach :), im RL ist das ja ähnlich.

>> Klingt konstruiert, weil hier zu viele konkrete Begriffe beisammen stehen. "Rothändle" - ja, die härteste Marke, natürlich ... So denke ich hier als Leser. "Becks" ("Sail away") passt dann gar nicht dazu. Natürlich gibt es alle Kippen-Bier-Kombis, aber hier wird ein unklares Bild gezeichnet, weil du die Marken ins Spiel bringst, und die immer für was stehen. Ohne Marken hättest du das Problem nicht: "eine Dose Bier" / "steckte er sich eine Kippe an".
Okay, die Marken sind raus.
Die Repetierbüchse lasse ich mal so, drückt ja was aus, dass er die so genau bezeichnen kann.
Er führte den Hund nach draußen und band ihn an. Dann sagte er:
"Mach!"
Ich legte an und erschoss Toby - so hatte ich ihn für mich schon getauft.
Aber wenn Vater "Mach!" sagte, machte man.

>> Wieder: Klarer sagen, was passiert. Keine unnötigen, rein stilistischen Wiederholungen.
>> Den Namen kann man noch stärker nutzen, um die Brutalität zu betonen, indem man ihn direkt zum Schuss stellt.
Okay, ich hab' einen Prota im Kopf, dem ich eine gewisse Sprache zuordne. Würde ich hier deinem Beispiel folgen, müsste ich den ganzen Text umschreiben, finde ich. (Noch) passt das für mich so.
>> Hier muss, wenn ich den Waidmannsheil-Inhalt richtig verstehe, ein Punkt hin, weil sonst das Bockkitz "noch nie ein schwarzes gesehen" hatte.

Ein Bockkitz, die Decke lackschwarz. Hatte noch nie ein schwarzes gesehen.

Stimmt, kaufe ich. Strenggenommen bleibt es etwas unsauber, aber ist deutlich besser.
... drückt ab und verfehlt das Tier? Oder den Vater? So, wie es jetzt da steht, den Vater. Aber dann pfeift ihm doch eine Kugel am Ohr vorbei ...
Er kann ja einfach in den Himmel geschossen haben, schließlich hebt er den Lauf. Aber da schärfe ich bestimmt noch nach.
>> "Zog auf Lunge" klingt wie Teenie-Sprech. Ich meine, wo geht Rauch denn sonst hin, wenn man nicht pafft? Und wer pafft schon?
:D, stimmt. Ist raus.
>> Einen Kokon assoziiere ich mit Wärme und Enge und Geborgenheit. Hier ist aber so, wie es da steht, die leere, kalte Wohnung der Kokon.
Ja, so kleine Widersprüche mag ich einfach.
Den Belvedere hab' ich gekickt.
>> Warum hier drei Varianten derselben Aussage?
Na, weil ich das verstärken wollte :). Und so ganz deckungsgleich sind die ja auch nicht.
Miriam könnte ja auch eine neue Frau/Freundin sein.
Na ja, in dem "Kapitel" zuvor taucht ja Miriam schon auf. Ich weiß nicht, ob man jetzt an eine andere Miriam denken muss.
Welche Fahrt? Vorher ist von "das Zeitliche segnen" die Rede, jetzt fährt er zum Vater, redet aber vom Tod der Mutter. Das ist schief, finde ich bzw. muss anders komponiert werden
Zumindest ist da ein Sprung, ja. Vielleicht reicht der Absatz nicht aus - überdenke ich auf jeden Fall.
Er tritt die Fahrt also wegen eines Unfalls an?
Von einem Unfall steht da nichts. Aber wie oben erwähnt, vielleicht muss ich das klarer machen. Abgesehen vom Einschub mit dem ganzen Trumpf-Ding, startet hier im Prinzip ein neues Kapitel. Deswegen hab' ich mir den Sprung erlaubt.
>> Finde ich nicht so elegant: Der Erzähler "weiss", dass der finale Moment gekommen ist, aber dann ist er ja gar nicht gekommen. Würde ich abschwächen und von "vermuten", "schätzen", "befürchten" oder so was sprechen.
Wie gesagt, ich mag das ganz gerne. So kleine Widersprüchlichkeiten bei Protas. Mag nicht jeder, klar. Das nehme ich aber mal in Kauf.
>> Warum den Pfarrer einführen, nur um ihn dann direkt abzuwerten oder zu karikieren? "Pfaffe" ist doch abwertend oder zumindest altbacken, sodass es humoristisch wird. Wenn er so gezeichnet werden soll, kann er ja direkt so auftreten:
Schließlich stand ich am Grab – Miriam und Bastian und der Pfaffe, dessen Worten ich nicht folgen konnte. Es war gut, dass sie mich nicht mit ihm alleine ließen.
Kaufe ich, danke.
>> Wieder dieser seltsame Sprech mit dem präsenten "da". Warum nicht normal:
Sonst war kein Mensch da.
Es geht doch nur um die Stellung im Satz, hat ja auch was Charakteristisches. Zumindest ist es kein Fehler.

@Henry K., besten Dank auch fürs Raussuchen der Stellen, die dir gut gefallen haben, ich gehe jetzt nicht weiter darauf ein.
Was du zur Komposition geschrieben hast, beschäftigt mich weiter. Muss ich erst mal sacken lassen und den Text daraufhin noch mal abklopfen.

In jedem Fall möchte ich mich für die Auseinandersetzung mit dem Text, die Zeit und all die Gedanken ganz herzlich bei dir bedanken. Steckt 'ne Menge in deinem Komm, das mich noch weiter beschäftigen wird.

Gruß

hell

 

Er kann ja einfach in den Himmel geschossen haben, schließlich hebt er den Lauf.
Noch einmal ich. Nur kurz: Eine Büchsenkugel fliegt rund 5 Kilometer. Niemand schießt so grundlos in die Luft, denn das Projektil verliert auch wenig an Energie, und die kommt auch irgendwann runter. Die Gefahr, dass man jemanden Unbeteiligen verletzt ist also sehr hoch. Das gleiche gilt insgesamt für Schüsse "in den Horizont." Also wenn er nicht ganz von allen guten Geistern verlassen ist, müsste dein Protagonist in den Boden, in die Erde schießen, Jäger nennen das Kugelfang oder gewachsener Boden.

Gruss, Jimmy

 

Hey @Kanji,

schön, dass du mir einen Kommentar hinterlassen hast.
Bitte entschuldige die späte Rückantwort, ich war für ein paar Tage ausgeknockt :).

So bekommt der Dalmatiner ein Gewicht, das ich nicht im Text wiederfinden kann.
War mal so, mal so. Mal Hund, mal Dalmatiner. Einiges in der Rohfassung, was dem Dalmatiner mehr Raum gegeben hat, ist nach Überarbeitung wieder rausgeflogen. Hm. Ich lass das dennoch vorerst so. Aber ich überdenke das noch mal.
Und seltsamerweise habe ich gar kein visuelles Bild von dem Ich-Erzähler und es ist mir erst jetzt aufgefallen. Als hättest du es gar nicht gewollt, als gäbe es kein Außen von ihm. Es war nicht wichtig für mein Leseempfinden und jetzt gefällt es mir sogar. Es passiert viel in dieser kurzen Geschichte und dennoch habe ich den Eindruck, alle Protagonisten kennengelernt zu haben.
Das freut mich. Und ja, ist natürlich sehr viel Innensicht.
Das Tempo ist enorm, beinahe rasend springe ich durch die Jahre. Hier mag ich es, weil der Erzähler innerlich rastlos ist, geschädigt durch seine Kindheit, seinen Vater und lange still, bis er allein mit sich sich Luft macht. Ein Anfang, wie ich es empfinde.
Puh, auch das freut mich. Ist natürlich immer mit Risiko verbunden, finde ich, wenn sich KGs so krasse Zeitsprünge leisten.
Ein Anfang, ja, das stimmt. Für mich gibt es sogar Ansätze des Vaters.
Du machst es mir leicht, den Vater zu verabscheuen, es ist mir egal, warum er so ein furchtbarer Mann ist, obwohl es ja bestimmt auch einen Grund dafür gibt
Den gibt es vermutlich, klar.
Wieso das Jugendamt nicht aufmerksam auf ihn wurde, schoß mir durch den Kopf. Dieser Vater hat ja eine Vergangenheit und zieht jetzt den Buben alleine groß.
Wie und wieso sollte es? Solange nicht körperlich misshandelt wird und der Bub brav in die Schule geht. Wem sollte da was auffallen? Wir erfahren ja auch recht wenig über die Kindheit und die Vergangenheit des Vaters.
Es ist so anregend, diesem jungen Mann zu folgen, mir das auszumalen, was du unbemerkt lässt. Wie das, was zwischen Vater und Sohn schwelt.
Das freut mich natürlich.
Da weiß der Junge doch schon, was auf den Hund zukommt und er behält es für sich, so wie er alles schluckt, was ihm widerfährt. Dabei habe ich eigentlich nicht den Eindruck, dass er Angst hat. Es ist vielleicht Resignation oder er meint, es gehöre so.
Vielleicht ist das so, ja. Vielleicht weiß er es aber auch nicht, der Junge, der seine Mutter verloren hat. Er hat ja Vorfreude empfunden, die dann stirbt, ja.
Hier denke ich also nach, wieso der Vater den Film kennt und die Niedlichkeit der Hunde und gerade deshalb den wählt. Ich will zu keinem Schluss kommen, weil ich nicht schwarz-weiß denken will. Aber böse ist das schon. Im Verlauf bemerkt der erwachsene Sohn ja, dass er zum Mann erzogen werden soll. Er durchschaut das und lässt dem Vater das durchgehen. Du trittst mit diesem Schema eine Welle von Fragen bei mir los. Die des Ertragens, der Stille, des Schweigens.
Gefällt mir, wenn das alles bei dir angestoßen wird :).
Hier habe ich nachgedacht, ob es diese Zigarettenmarke noch gibt, oder ob es mir einen Hinweis an die Zeit geben soll, in der die Kindheit des Jungen sich abspielte. Er raucht sie sicher ‚ohne‘.
Die Marken sind jetzt größtenteils aus dem Text. Es gab so einige Punkte, die auch zeitlich verorten sollten. Die meisten davon sind raus.
hell schrieb:
Und als er Toby, so hatte ich den Hund schon innerlich getauft gehabt, und als er Toby am Halsband nach draußen führte, anleinte, die Leine an das rostzerfressene Gitter band, und zwei, drei Schritte zurücktaumelte, zwinkerte mir mein Vater zu. Vielleicht stach ihn Rauch in den Augen, aber dann nickte er mir zu. Also legte ich an, entsicherte und drückte ab. Ich zögerte nicht – man zögerte nicht!
Dadurch, dass er dem Hund trotz allem einen Namen gibt, macht es für mich deutlich, wie der Bub sich nach Nähe sehnt, sei es nur ein aufmunterndes Zwinkern des Vaters, das er aber nicht für möglich hält. Es gibt keine Nähe und Zuneigung. Der Junge funktioniert nach Vaters Muster. Und deshalb weiß ich bereits, dass ein Zögern nicht in Frage kommen würde und ich ahne, dass auch er keine gesunde Beziehungsfähigkeit aufweisen wird.
Ich kann mich nur wiederholen: Gefällt mir, was alles bei dir angestoßen wird.
Das Zögern ist raus, danke.
hell schrieb:
Eine einzige Träne schaffte es nach draußen, alle anderen verkniff ich mir, und doch fühlte ich mich schlecht, weil die eine es eben geschafft hatte, weil mein Vater das gesehen haben musste. Aber als ich seine Hand auf der Schulter spürte, den angenehmen Druck, nicht den unangenehmen, wusste ich, dass alles gut war. Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Ich weiß auch, dass er meint, nicht weinen zu dürfen und so reagiere ich leider auf zu viel Erklärung latent genervt, weil ich mich so freue, dass es so gut durch die Zwischenzeilen deutlich wurde. :D
Hab ich gestrichen, denke insgesamt noch darüber nach, ob ich das so lassen soll.
hell schrieb:
Und als er dann anfing, wieder in den Wald zu gehen, und mich Jahre später mitnahm, mittlerweile die eigene Blaser R8 geschultert, war mir das alles in den Sinn gekommen.
Vielleicht hättest du das mehr einbauen können, eventuell in den Absatz, der folgt und nicht nachträglich so direkt formulieren. So entstehen zu viele unterschiedliche (Zeit-)Ebenen für mich.
Ja, vielleicht. Ich wollte das alles mal anders herum ausprobieren. Also nicht klassisch im PQP starten, dann mogelnderweise ins Präteritum, um klar zeitlich zu verorten. Ich wollte die Hundeszene unmittelbarer und das alles im Anschluss als Rückblende entlarven. Überdenke ich aber noch mal.
hell schrieb:
Die Kiefer malten.
die mahlten aber bestimmt ;)
Danke :D.
hell schrieb:
Ich rechnete mit dem Schuss, hörte aber nichts. Schwenkte den Lauf nach rechts und nahm meinen Vater ins Visier.
Hab nur ich angenommen, er könnte ihn jetzt abschießen, den Vater? Dabei war es nur die Art, wie sich verständigten - oder doch nicht?
Hab die ganze Passage umgeschrieben. Der Vater wird schon auch Ziel für ihn.
hell schrieb:
Dass ich nur noch ins Auto wollte, weg von hier, wieder in die City, nicht hier bei ihm, wo er daran gescheitert war, aus mir einen Mann nach seinem Ebenbild zu formen, sagte ich nicht gleich. Erst nachdem er mir ein weiteres Becks entgegenstreckte. Und ich sagte es mit anderen Worten.
Ach, ich hätte es nicht so direkt gebraucht. Ist doch bis hierher alles so genau transportiert worden.
Hab ich etwas eingedampft, danke. Vielleicht setze ich auch noch radikaler den Rotstift an.
hell schrieb:
Er nahm einen Schluck und strich sich Schaum aus dem Bart. „Hast noch nie daneben geschossen.“ Dann zündete er sich eine Kippe an, zog auf Lunge, hustete Schleim nach oben und schluckte.
So wenig Raum bekommt er hier in seiner Sprache und dennoch ist er ein nahezu eindeutiger Charakter. Widerlicher Kerl. Aber auch einsam. Naja, kein Wunder. Das hast du gut hingekriegt. Hier ahne ich schon einen Krankheitsverlauf.
Sehr gut und danke :).
Diesen Absatz hätte ich mir anders gewünscht. Am liebsten ohne Worte. :D Vielleicht hätte Miriam kommen und das sehen können, die Flasche, die Wut, die Tränen, die Verzweiflung, ein Foto der Mutter in den Händen ... oder so ähnlich. Für mich ging hier die Wucht der Emotionen durch die Erklärungen verloren.
Ist schon viel tell. Überdenke ich.
Stärker würde ich das empfinden, wenn es der Kopf meines Sohnes hieße.
Gekauft.
hell schrieb:
„Zeit hab‘ ich auch nicht.“ Und da fiel mir auf, wie hohlwangig und zerbrechlich er aussah, wie grau nicht nur der Bart und die spärlichen Flusen waren, die er wieder unter dem Filzhut verborgen hatte. Und schon hielt er sich am Geländer fest und nahm aufrecht die ersten Stufen. Dass ich anrufe, sagte ich. Er drehte sich nicht um, hob die Hand zum Gruß und verschwand aus meinem Blickfeld.
Dieser Langmut des Sohnes ist erstaunlich. Und dieser Absatz sehr stark. Weist er doch auf die Sprachlosigkeit der beiden hin und zugleich auf das Ende ihrer Beziehung.
Danke.
Diesen „Dialog" könnte ich mir weiter oben am Abend des Wodkas vorstellen. (den musste ich im übrigen googeln)
Gute Idee, schaue ich mir noch mal an. Die Marke ist übrigens raus.
hell schrieb:
Während der Fahrt saß mein Vater gedanklich neben mir im Auto.
Auch an dieser Stelle wäre für mich dieser Satz nicht notwenig, sogar kraftvoller, wenn es sich erst am Schluss des Absatzes zeigen würde, dass der Sohn alleine im Wagen sitzt - auf dem Weg zum Vater.
Hab ich geändert. Thx.
hell schrieb:
Ich wusste, dass jetzt die Zeit zum Reden gekommen war.
Dabei hätte ich dem namenlosen Sohn genau einen umgekehrten Satz zugetraut: er wusste genau, dass es zu diesem Zeitpunkt zu spät war dafür, dass sie ihn verpasst haben.
Vielleicht kann er das nicht akzeptieren, vielleicht verdrängt er das, vielleicht kommt er mit offenen Rechnungen einfach nicht klar.
hell schrieb:
Nachdem mir der Kellner die Kreditkarte zurückgebracht hatte, setzte ich mich in die Hocke, legte Bastian die Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen, die ein wenig rot geworden waren. „Gehen wir zwei am Samstag in den Zoo?“ Und er nickte.
Ein wenig spektakuläres Ende. Das geht völlig in Ordnung. So ganz verstehe ich die roten Augen seines Sohnes nicht, dass er darauf achtet natürlich schon und ich frage mich, ob das nicht etwas explizierter schön gewesen wäre, er hofft ja wohl, den Apfel weit vom Stamm fallen zu sehen.
Da will ich (vorerst) nur was anklingen lassen, weniger explizit werden. Die roten Augen sind raus.
Lieber @hell , du hast mich erreicht, obwohl ich mir den Text fließender gewünscht hätte, damit die Dramatik ausdrücklicher hätte sein können. Möglicherweise.
Wenn ich dich erreicht habe, reicht mir das schon. Was will man denn mehr :D?

Liebe Kanji, herzlichen Dank für deinen ausführlichen und sehr hilfreichen Kommentar!

Gruß

hell

Fortsetzung folgt ...

 

Die Vorfreude starb an diesem Ort
gibt einen trefflichen ersten Satz ab für meinen Komm,

lieber hell,

und mancher wird sich fragen, „Dalmatiner“ -

und der Liebhaber des Wolfes und seiner Derivate kommentiert nicht. Tatsächlich eier ich von Anfang an um diesen Text herum, obwohl Waffen und vor allem das Jagdwesen nicht meine Dinge sind. Ein bisschen spielt auch das Prinzip Hoffnung mit, dass sich zumindest am Anfang was ändere, aber alle Welt scheint von Gutmütigkeit oder Blindheit geschlagen, wenn schon der erste Satz daneben geht

Es stank nach Kot, das Jaulen und Gebell ringsum war ohrenbetäubend
kommt doch da der Ursprung allen Erzählens incl. Grammatik und Schrift von Zahl und Zählen her und die Konjunktion „und“ ist in ihrer Wirkung genau das, was das Plus (volkstümlich „und“) in der Mathematik bewirkt: eine Mehrzahl. Vllt. wäre es früher aufgefallen, wenn entweder Artikel (2 x das) oder eben kein Artikel (Jaulen + Gebell) verwendet worden wäre, das Ergebnis ist auf jeden Fall

Es stank nach Kot, [das] Jaulen und [das] Gebell ringsum war[en] ohrenbetäubend.

Und spätestens hier

Zuhause führte er den Hund in den Zwinger. Dem schien es nichts auszumachen, der kannte das schon, er wedelte sogar.
Hätt’ ich heulen müssen, nicht, weil der „Wedel“ nicht bezeichnet wird, sondern weil neben den Lauten und dem Kopf (angefangen bei den Ohren bis zur Nasenspitze) nebst Fell der Schwanz die Gestik des Hundes bestimmt und somit seine Kommunikationsmittel ausmachen, und ein wedelnder Schwanz quasi die Spannungsabfuhr im guten wie im bösen Sinne des besten Freundes des Menschen ist.

Im Zeitmagazin (vom18. d. M.) äußert sich die Mathematikerin Hélène Esnault über die deutsche Sprache und ich zitier mal einfach: „… Mir ist ein Gedanke erst wirklich klar, wenn ich ihn sauber ausformuliert hinschreiben kann. Ich frage mich auch, wie Sprache unser logisches Denken beeinflusst. Im Japanischen etwa sagt man nicht Nein, weil das als unhöflich gilt. Das Deutsche wiederum scheint mir besonders geeignet für Logik und Mathematik.

…“ zitiert nach Stefan Kleins Wissenschaftsgespräche (39) »Die Mathematik zog mich an, denn bei ihr spielt Herkunft keine Rolle« im Zeitmagazin Nr. 47 vom18.11.2021, S. 24 ff.

Wer kann, sollte sich das Heft besorgen ...

Also nix für ungut - Du kannst es besser und ohne Fehlstart,

meint der

Friedel

 

Hallo,

also der Sinn der Geschichte steht ja außer Frage. Den Dalmatiner zu verwenden, anstelle des Hundes ist authentischer und aus dem Leben gegriffen als ob es so passiert sei. Viel realistischer und nicht so banal wie einfach nur Hund. Denn in diesem Fall war es ein Dalmatiner.
Und natürlich gibt es solche Väter, die ihrem Sohn eine geladene Waffe in die Hand drücken. Wir haben es hier ja nicht mit einem pädagogisch, fähigen Intelligenzbolzen zu tun, sondern mit einer armen, verkommenen Seele die es selbst nicht besser wusste. Das Töten des Hundes soll das Kind scheinbar trainieren ein Leben auszulöschen, über diese Grenze hinaus zu gehen, ihn in die Fußstapfen des Vaters treten zu lassen.
Was der Erzähler sagen will und ebenso die Message am Schluss ist völlig klar. Er selbst hat aufgrund seiner eigenen Kindheit sein Leben ebenso verkorkst.
Er ist sich darüber bewusst und möchte es nach dem Tod des Vaters endlich besser machen.

Finde die Geschichte realistisch geschrieben, man kann sich in die schreckliche Kindheit dieses Jungen reinversetzen und es nachempfinden. Jedoch teilweise zu langatmig und manchmal möchte man das Lesen abbrechen obwohl die Hauptstory gut ist.

 

Hey @jimmysalaryman,

Also wenn er nicht ganz von allen guten Geistern verlassen ist, müsste dein Protagonist in den Boden, in die Erde schießen, Jäger nennen das Kugelfang oder gewachsener Boden.
Ich bin die ganze Passage noch mal durch und hab' einiges geändert - mal sehen, ob das so bleibt.

Besten Dank für den Hinweis!

Gruß

hell

Hey @Henry K.,

sorry, Rückmeldung kommt spät.

Die Szene mit dem Hund ist ja im Grunde eine Kindheitserinnerung. Kein Kind sagt "Kot", das hier schon gar nicht, wenn der Vater so einen starken Einfluss hatte (er sagte sicher nicht "Kot"). Eine konsequente Erinnerung ist für mich auch eine an die Worte und die Sprache von früher.
Ich sehe das nicht so. Ich formuliere ja bsp. Erinnerungen an ein sechsjähriges Ich nicht in der zugehörigen Sprache. Im Präsens geschrieben, hätte ich das natürlich angepasst.
Ich finde, die reinen Handlungsabläufe müssen dem Leser immer so klar wie möglich gemacht werden, denn was passiert denn sonst? Er hört auf zu lesen, springt/blättert zurück, ist genervt und verliert den unmittelbaren Draht zum Inhalt. Wieso sollte man das wollen?
Vielleicht hätte ich das präziser Erläutern sollen. Sehe ich natürlich auch so. Klar, wenn nur Bahnhof verstanden wird, ist das natürlich nicht im Sinne des Autors. Aber du gibst hier ja einen subjektiven Eindruck wieder. Mich stört ein wenig die Verallgemeinerung. Ich bin mir nicht sicher, ob jedem Leser nur noch Fragezeichen in den Sinn gekommen sind.
Ein Hinweis auf das RL ist mir hier zu billig, denn da würde man sicher als Zuhörer dann nachfragen und im Zweifel sagen: Drück dich mal bitte etwas klarer aus, ich versteh nur Bahnhof - Wer hat was gemacht?
Na ja, klar, zugespitzt ist das sicher so. Ich bezweifele aber, dass der Abschnitt jetzt so unverständlich war - den habe ich übrigens umgeschrieben.
Solche Verwirrungen des Lesers geradezu wissentlich in Kauf zu nehmen, wird für mich nur legitim, wenn es mit dem Inhalt des Textes in Verbindung steht. Ist also der Protagonist zum Beispiel psychotisch oder hat einen Filmriss, dann lässt man den Leser dessen Verwirrtheit miterleben.
Wie oben erwähnt, das geht hier Richtung Allgemeinplatz. Ich gehe jetzt mal nicht davon aus, dass der Text bzw. der Abschnitt solche Verwirrung stiftet. Lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
Ich finde, der Inhalt der Geschichte rechtfertigt hier keine verkomplizierenden Formexperimente.
Ich sehe kein Formexperiment, das habe ich auch nie angestrebt.

Besten Dank, Henry K für den anregenden Einwurf. Schön, dass du noch mal reingeschaut hast.

Gruß

hell

Hey @Friedrichard,

ich dachte, ich sei einfach nur eingerostet, aber offenbar kann ich nicht mal mehr eins und eins zusammenzählen :D.

Besten Dank und Gruß

hell

Hey @Bine2720,

Was der Erzähler sagen will und ebenso die Message am Schluss ist völlig klar.
Freut mich, Bine, immerhin endet der Text für dich nicht nur mit Fragezeichen.
Finde die Geschichte realistisch geschrieben, man kann sich in die schreckliche Kindheit dieses Jungen reinversetzen und es nachempfinden. Jedoch teilweise zu langatmig und manchmal möchte man das Lesen abbrechen obwohl die Hauptstory gut ist.
Das ist so Zuckerbrot und Peitsche :). Worst-Case ist allerdings natürlich, wenn der Text stellenweise langatmig wirkt und zum Leseabbruch verführt.

Schön, dass du reingeschaut hast, und besten Dank für die Rückmeldung.

Gruß

hell

 

… ich folgte einem Impuls. Übergab für einen Moment das Kommando an jemanden, von dem ich gar nicht wusste, dass er mit an Bord gesessen hatte.​
...
Der Schuss brachte Leben in den Wald.

Manche Stellen in Deiner Jugenderinnerung – ob fiktiv oder real, Jacke wie Hose,

lieber hell,

ließen mich an den jugoslawischen Bürgerkrieg denken, der dem zusammenwachsenden westlichen Europa aber auch dem Osten und besonders Moskau zeigte, wie brüchig die Welt selbst in Europa war und ist, wobei eine der brutalsten uralten Demütigungen Unterlegener wieder auflebte, eine andere Art von Vergewaltigung, als wir sie aus Nachrichten kennen, die ohne fachmännische Kenntnisse, wie sie einem Jäger auch eigen sind, gar nicht als Demütigung hätte dienen können: Frauen eine Brust zu nehmen.

Ich weiß aber auch, dass unter der Lilie meines Fahrtenmessers sich das Hakenkreuz verbarg (also noch 1959 ff.).

Du wirst verstehen, dass mich bestimmte Künste oder Fähigkeiten eher abstoßen als Anziehen und ich gewissermaßen als Rechtshänder froh bin, zwo linke Hände habe.

Aber zur Flusenlese reicht es dann doch noch, wobei mir der erste Einwand hier einfällt

Er gab mir einen Ruck und als ich zu ihm emporsah, fummelte…
Klingt „empor“ nicht ein bisschen arg „gehoben“, wo doch „aufschaute“ oder „...sah“, selbst „...guckte“ viel näher im Gebrauch des überwiegend verwendeten Wortschatzes liegen und der „Emporkömmling“ zugleich negativ genannt wird?

Aussuchen hieße, die anderen nicht auszusuchen.
Achja?
Das ist logisch, aber keineswegs positiver wird das eventuell positiver klingende „zu wählen“ (oder „auszuwählen“), aber doch abwechslungsreicher ...

Die Rauten der Stiefel überdeckten alles andere. „Komm.“
Der Imperativ klingt nach mehr als einer bloßen Aussage! Oder?

Und als wir vorm Zwinger standen, wusste ich, dass wir den Hund nicht mit zur Jagd nehmen würden, weil der vermutlich zu alt und gar nicht ausgebildet war.

Ich stellte keine Fragen.
Wenn ich gefragt werde, ob ich „Kinder“ hätte, darf ich wahrheitsgemäß mit „nein“ antworten, es sei, der Fragende bezöge zumindest ein Kindeskind mit ein … Also logisch, dass „keine Fragen“ was anderes ist, als „keine Frage“ ... oder?

Ich wusste, er wartete nur auf mich. Aber ich wollte nicht oder konnte nicht, brach ab und sah wieder zu ihm.

…, die Waffe im Anschlag. Und ich folgte einem Impuls. Übergab für einen Moment das Kommando an jemanden, von dem ich gar nicht wusste, dass er mit an Bord gesessen hatte.
Warum so kompliziert und Partizipienreiterei, wenn „sein“ keineswegs nur ein Hilfsverb ist? Warum nicht schlicht „… von dem ich gar nicht wusste, dass er mit an Bord war.“?

Das hatte er zuvor auch nur deswegen, weil meine Exfrau so beharrlich gewesen war.
Nicht falsch, aber hier vertritt die Frau eigentlich temporale Adverbien/Adjektive (morgen, gestern .../ jetz, damals …), elegantere Lösungen, die das „wesen“ entbehrlich machen
Hier verrät die Erwähnung der Vorsilbe der „Exfrau“ die Vorzeitigkeit

Die Atmung rasselte, Antwort gab mein Vater nicht, da konnte ich rütteln, rufen, machenKOMMA was ich wollte.

Anschließend hatten sie ihn wieder mit Haut bezogenKOMMA wie man eine Leinwand über ein Holzgerüst spannt.
„wie“ leitet einen vollständigen Satz ein, ist mehr als ein bloßer Vergleich

Wen hätte die Zeitungsannonce schon interessiert gehabt?
Der Konjunktiv II ist zeitlos ...

Dennoch stand sie hier, mit Bastian, und ich wusste von diesem Augenblick an, dass wir einen Frieden finden konnten.

Vllt. hilft das ein bisschen, wieder „reinzukommen“ ins Schreiben ...
hofft zumindest der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @hell,

sorry, für mich funktioniert rein subjektiv die Prämisse deines Textes nicht. Klar es muss ein Dalmatiner sein, der Toby heißt, damit das Barbarische dieses Initiationsritus noch verstärkt wird. An der Stelle willst du mMn zu viel, das ist der Punkt, um den sich der restliche Text dreht und leider macht er nicht so richtig Sinn. Die Tat bleibt nicht nachvollziehbar, es gibt keinen wirklichen Grund, weil er das Schießen, den Willen abzudrücken, auch anders zeigen könnte. Er befindet sich ja nicht in einer ausweglosen Situation. Mir geht sinnlose Gewalt, die in keinen Kontext eingebettet ist, auf den Keks. Wenn ich das medial vorgesetzt bekomme, denke ich immer: Leute, echt ärgerlich, sind euch die Ideen ausgegangen oder das Geld? Auch was mit dieser expliziten Darstellung losgetreten wird, halte ich für bedenklich, weil sich mancher Gestörte daran aufgeilt und da generell Grenzen verschoben werden. Gewalt ist eine Erfahrung, die die wenigsten von uns in ihrem Leben machen. Und dennoch bekommen wir sie ständig in allen Details unter die Nase gerieben. Ich denke dann immer: Was macht das mit uns?
Gut, soweit geht dein Text nicht, doch ich kann an keiner Stelle emotional mit dem Prota mitgehen, dazu wird er zu sehr als Opfer exponiert. Heißt: Du drückst ihn erstmal tief unter Wasser und ich kann ihm dabei zuschauen, wie er strampelnd versucht, wieder an die Oberfläche zu kommen. Aber dadurch, dass er einfach so den Hund erschießt und die Schuld simpel seinem Vater gibt, sind schon nach dem ersten Block die Schotten dicht.
Warum trägt jemand Schuld? Weil er durch die Umstände gezwungen war, so zu handeln, aus einer Situation ohne Ausweg heraus? Weil er unwissentlich einen Fehler begangen hat? Weil etwas passiert ist, das nicht gewollt war, ein Unfall? Oder weil er es absichtlich tat, ohne Not? Da gibt es riesige Unterschiede auch im Verständnis. das ich aufbringen kann.

Er gab mir einen Ruck und als ich zu ihm aufschaute, fummelte er einen Flachmann aus der Jacke,
Passt nicht zum Erzählton. Fummeln ist etwas, das Teenager auf der Klassenfahrt tun.
und mir eine Reihe vergilbter Zähne präsentierte
Bei vergilben bin ich bei Papier, Wäsche oder Holz. Etwas, das durch Altern oder Sonneneinstrahlung gelb wird. Die Zähne bringe ich damit nicht überein, denke mal, das ist nur mein Ding.
Und als er Toby, so hatte ich den Hund schon innerlich getauft gehabt, und als er Toby am Halsband nach draußen führte,
Du ist vermutlich Absicht, damit ich das Ungeheuerliche kapiere, von dem was kommt. Würde ich trotzdem streichen, weil es das nicht braucht.
Vielleicht stach ihn Rauch in den Augen, aber dann nickte er mir zu.
Vielleicht stach ihm der Rauch in den Augen?
Also legte ich an, entsicherte und drückte ab. Mein Gesicht zog sich zusammen, vielleicht weil Toby wieder gewedelt hatte.
Eine einzige Träne schaffte es nach draußen und doch fühlte ich mich schlecht, weil die eine es eben geschafft hatte, weil mein Vater das gesehen haben musste. Aber als ich seine Hand auf der Schulter spürte, den angenehmen Druck, nicht den unangenehmen, wusste ich, dass alles gut war. Da erinnerte ich mich daran, dass auch er das Gesicht verzogen hatte, nachdem meine Mutter gestorben war.
Das bahnte sich an und doch habe ich gehofft, dass es nicht passiert. Eine sinnlose Grausamkeit ohnegleichen, den Hund aus dem Tierheim zu holen, um ihn abzuknallen. Verachtenswert und brutal, das entfernt mich Lichtjahre von deinem Prota und dieses Bemühen, keine Träne rauszulassen, tut nichts mehr dazu. Der Vergleich mit der Reaktion des Vater beim Tod der Mutter auch nicht. Herzlose Menschen, die zwei.
Ich stellte keine Frage. War so ein Gefühl, dass man das nicht machen durfte, dass da die Antwort schon drinsteckte. Ich erschoss den Dalmatiner, weil mein Vater das so gewollt hatte.
Ich habe nur Befehle befolgt, die übliche Schutzbehauptung der Täter. Das fühlt sich ein wenig an wie ein Verrat an deinem Prota. Braucht es diese gewaltige Fallhöhe, damit es später schwer bis unmöglich wird, wieder aufzustehen?
Und ich folgte einem Impuls. Übergab für einen Moment das Kommando an jemanden, von dem ich gar nicht wusste, dass er mit an Bord war. Einem blinden Passagier, einem Zocker, der lauernd aus dem Schatten sprang und ein Programm ablaufen ließ: Zielen, entsichern, Abzug nach vorn drücken. Das ging ganz schnell. Jeden Moment konnte mein Vater sich wieder umdrehen oder abdrücken oder was auch immer. Und dann war es auch schon vorbei. Die Kontrolle war zurück. Ich nahm den Finger vom Abzug, schwenkte herum und suchte gewachsenen Boden, einen Kugelfang.
Übergab für einen Moment das Kommando an jemanden, ... (an wen?) Einen blinden Passagier, einen Zocker, ...
Oder: Übergab für einen Moment das Kommando an jemandem, ... (wem?) Einem blinden Passagier, einem Zocker, ...
So ganz kapiere ich das Jägerlatein beim ersten Lesen nicht, was läuft da, drückt er den Abzug oder nicht? Er drückt ihn nach vorne, ich bin mit den technischen Details nicht vertraut. Im Nachgang denke ich, er hat in den Boden geschossen (Edit: bestätigt sich) unklare Stelle für mich als Laie.
Die Wohnung war kalt und leer und mein Kokon.
Kokon ist ein Schutzgehäuse, leer und kalt passt da nicht, eher warm und behaglich. Was du beschreibst, gleicht einer Zelle.
Weil ich mich fragte, ob der Apfel nicht weit vom Stamm fallen konnte. Weil ich mir sicher war, dass er es konnte, und weil ich mir sicher war, dass er es nicht konnte.
Unlogisch, das würde ich anders einbetten. Ich würde auch schreiben, ob der Apfel (grundsätzliche Aussage, deshalb Präsens) nicht weit vom Stamm fallen kann.
Vorschlag für Satz 2: "Weil ich mir sicher war, dass es es kann, und zugleich wusste, wie relativ Entfernung ist."
Und wenn ich an meine Mutter dachte, flogen schon mal Flaschen oder es rannen mir Tränen die Wangen runter. Das kam mir dann unmännlich vor. Und ich wusste, wie gestört der Gedanke war.
Diese zwanghafte Männlichkeit ist eine Last, lese ich, die der Vater im aufbürdet, an der er zerbricht. Leider wird dieser Erwartungsdruck durch den Vater nicht deutlich, dafür würde es Szenen vor der Hinrichtung des Hundes geben müssen, in denen der Vater genauer gezeichnet wird.
hast du die ganze Hand voll Trümpfen
Wer sagt das so? Voll(er) Trümpfe oder voll mit Trümpfen.
Mama ist gestürzt, ja? Die Treppe runter?“ Ich lachte auf. „Wolltest du sie wirklich ins Krankenhaus fahren? Wieso dann der Koffer? Wieso hast du sie angeschrien? Warum hat sie Rotz und Wasser geheult?“ Ich klammerte mich ans Lenkrad wie an ein Rettungsseil. Draußen flog die Landschaft an mir vorüber. Der Volvo fuhr die kurvenreiche Landstraße wie von selbst. „Ein Hirsch ist euch vors Auto gesprungen? Ausgerechnet!“
Sind das alternative Behauptungen, Treppensturz und Unfall? Weiß er nicht, wie seine Mutter gestorben ist? Stolpere wieder. Sortieren. Mutter ist Treppe heruntergestürzt, dann hat er sie ins KH fahren wollen, auf dem Weg sprang der Hirsch vors Auto.
Die Zeit hatte das Gebälk abgeschliffen und grau werden lassen.
Die Zeit schleift nicht, mit der Zeit kann Holz rissig werden, durch Wetter vergrauen, durch Sonne ausbleichen, durch stehendes Wasser faulen, etc.. Das würde ich präziser beschreiben.
Schließlich stand ich am Grab – Miriam und Bastian und der Pfaffe, dessen Worten ich nicht folgen konnte. Es war gut, dass sie mich nicht mit ihm alleine ließen. Eine Frau mit weißem Dutt, drei, vier Reihen weiter hinten steckte eine Kerze an und stellte sie vor ein Holzkreuz. Den Namen darauf konnte ich nicht lesen. Sie sah kurz zu uns herüber. Sonst war da kein Mensch. Wen hätte die Zeitungsannonce schon interessiert? Ich wusste es nicht und meine Schläfen pochten.
Orientierungsprobleme. Er steht am Grab, neben ihm Exfrau und Sohn. Dann eine Frau drei, vier Reihen weiter hinten (?) steckte eine Kerze an und stellte sie vor ein Holzkreuz. Wo denn, welche Reihen? Sind wir jetzt in der Kirche? Welches Holzkreuz, auf dem Grab wird doch erst nach der Bestattung eines aufgestellt?
brach ein Wall in mir, der von Jungenhänden erbaut worden war und es über die Jahre zum Hoover-Damm gebracht hatte.
Würde ich nicht machen, besser beschreiben, als einen Vergleich zu setzen, den nur Kenner verstehen.
Nachdem mir der Kellner die Kreditkarte zurückgebracht hatte, setzte ich mich in die Hocke, legte Bastian die Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen. „Gehen wir zwei am Samstag in den Zoo?“ Und er nickte.
Ein Schluss mit Symbolik. Er begibt sich auf Augenhöhe, will es besser machen als sein Vater, Tiere anschauen, statt zu töten. Der Apfel scheint noch ein wenig zu kullern.

Peace, l2f

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom