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Ich, der Filter

Seniors
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01.06.2005
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Ich, der Filter

Rumoren drang aus dem Müllcontainer. Anscheinend hatte Ute etwas Lohnendes gefunden.
Seeb lehnte sich gegen die Wand und sah zum bleichen sibirischen Mond auf. Er erstarrte: Eine widerliche Flüssigkeit hatte seinen Ärmel besudelt. »Ich such mir einen Job! Das ist mir doch zu eklig.«
Utes Gesicht tauchte über den Rand des Containers. Auf dem Kopf trug sie eine Stirnlampe. Mit dem schwarzen Cap sah sie so aus, als wolle sie nach Kohle schürfen. »Hilf mir mal! Und schrei nicht so, sonst erwischt uns Gaston!«
Sie hievte einen rot-weiß gestreiften Karton in Sicht. Rasch griff Seeb zu. »Igitt! Was klebt da denn dran?«
Geschickt schwang Ute ein Bein über den Rand und sprang auf den regennassen Boden. »Stell dich nicht so an! Und sei endlich ruhig!«
Grellweiße Scheinwerfer rissen den Hof aus der Nacht und malten ihre Schattenrisse schwarz gegen die Wand.
»Wer ist da?«, schrie Gaston aus dem inneren des französischen Schnellrestaurants. »Seid ihr das, ihr verfluchten Punks? Verpisst euch von meinem Müllcontainer!«
Das Küchenfenster wurde aufgerissen und der Lauf eines militärischen Tasers auf sie gerichtet.
Hastig rafften sie ihre Rucksäcke zusammen und flohen auf die Straße, verfolgt von chinesischen Flüchen. Gaston hieß in Wirklichkeit Gang Chung-hee, aber da er der Geschäftsführer des »Gaston's« war, nannten sie ihn so.
Zwei Straßen weiter schnappten sie gierig nach der feuchten Nachluft.
»Was hast du bekommen?«, keuchte Seeb.
Ute ließ sich an der Wand herunterrutschen und öffnete ihren Rucksack. »Lass mal sehen ...«

Zurück in Utes Wohnung, im zwanzigsten Stock des Jonas-Jones-Studentenwohnheims.
»Eine zwölfer Frog-Dippers mit Dijon-Dip, noch original verschweißt, ein Sechserträger Bordeaux Red Bull, erst letzte Woche abgelaufen. Donuts, etwas matschig, aber« - sie kaute - »lecker! Und du hast noch zehn Baguettes, hmm, bisschen hart, aber vielleicht können wir sie im Bordeaux einweichen. Mann, das ist doch ein Festmahl!«
»Ich hab die Schnauze voll davon, in Gastons Müll herumzukriechen. Das ist widerwärtig und unwürdig. Ich such mir lieber einen Job.«
»Hör mal, das ist besser als ein Job. Du bekommst das beste Essen umsonst, auf die Weise können wir von der Stütze die Bude hier finanzieren. Möchtest du lieber ins Containerdorf ziehen und mit zwanzig Leuten eine Dusche teilen?«
»Nein. Ich will nen Job!« Seeb ballte die Faust und hoffte dadurch tatkräftig zu wirken, was Ute freundliches Mondgesicht in heitere Bewegung versetzte.
»Bewirb dich ruhig! Ich bin sicher, die warten nur auf einen abgebrochenen Studenten der Filmkunst des zwanzigsten Jahrhunderts, der als Hobby antike Mobiltelefone sammelt.«
»Das war vor zehn Jahren!«
»Du hast die Kiste noch.« Sie wies mit dem halben Donut zur Besenkammer.
Lustlos kaute Seeb an einem Frog-Dipper herum. »Morgen geh ich zum Agenten.«
»Mach das, mein Großer.« Sie stopfte sich den Gebäckrest in den Mund und setzte sich auf seinen Schoß. »Und jetzt Nachtisch ...«, flüsterte sie in sein Ohr.
»Nee, lass mal.« Er wandte den Kopf ab.
»Wie der Herr wünschen.« Eine Dose Bordeaux in der Hand verzog sie sich in die Schlafecke und zog den Vorhang hinter sich zu.

Der Agent erwies sich als dynamischer Jungmanager namens Fox Heine in einem apfelgrünen italienischen Anzug. Bekümmert schüttelte er sein designfrisiertes Köpfchen. »Seeb, ... Ich darf Sie doch so nennen, oder? Ist Ihnen bewusst, dass Sie keine arbeitsmarktrelevante Qualifikation vorweisen können?«
»Ich habe studiert ...«
»Oh, was denn?« Fox klickte mit seinem Pad in Seebs Profil herum. »Oha!«, sagte er in einem Tonfall, der eigentlich für Wörter wie »Magengeschwür« reserviert war. »Filmkunst!« Er wälzte seine Plastikfrisur in den Händen. Schließlich sah er bekümmert auf. »Kennen Sie sich gut mit Filmen aus? Sehen Sie sich oft Filme an, ich meine neue? Nicht das alte 2D-Zeug, 6DD? 8D?« Er wartete die Antwort nicht ab. »Ich kann Ihnen nur einen Job als Filter anbieten - oh, mein Gott!« Er riss die Augen auf und begann ausgelassen zu lachen. »Seeb - Filter. Verstehen Sie?«
»Ja, doch.« Seeb sank auf seinem unbequemen Plastiksitz zusammen. »Ich glaube nicht, dass ich das machen will.«

Aber er musste.
Am nächsten Tag saß er bereits in einer weißen Kabine, vor ihm eine Frau mit vorstehenden Zähnen in einem hellblauen Kostüm. Ihr Pad hielt sie wie ein altertümliches Klemmbrett vor sich. Ein Namensschild wies sie als »Dr. T. Ulster« aus. Kunstlicht verwandelte Doktor Ulsters Haut in Styropor. Sie befanden sich in einem ehemals weiß gestrichenen Raum, den nun ein umlaufender Schmutzstreifen in Kniehöhe zierte. In einer Ecke, neben einem wandfüllenden Bildschirm, drückte sich ein gedrungener Typ mit fahblonden Zottelhaaren herum. Er öffnete einen Koffer und entnahm ihm zwei Kunststoffplatten, die er Seeb an die Stirn klebte. »Ich bin Doktor Meinert«, stellte er sich vor. Seeb fiel auf, dass Doktor Ulster vor Meinert zurückgewichen war. Sie mied ihn anscheinend. »Haben Sie den Ablauf so weit verstanden, Herr Davidow?«
»Ich denke schon.« Seebs Aufgabe bestand darin, sich zu Testzwecken Filme anzusehen. Sehr viele Filme. Etwas nervös lehnte er sich in dem Kinosessel zurück. Da es die einzige Sitzgelegenheit in dem kahlen Raum war, kam keine rechte Atmosphäre auf. »Wann geht es los?«
»Sobald Sie sediert sind.« Ulster hob einen Injektor.
»Sediert?«
Doktor Ulster klopfte mit ihrem Touchpen gegen ihre Balkon-Zahnreihe. »Sehen Sie, wir können Sie doch die Filme nicht wirklich sehen lassen! Nachher scannt ihnen noch jemand die Blockbuster der nächsten Woche aus dem Musterzentrum, und wir finden sie dann im Netz wieder. Außerdem ist es effektiver, wenn wir die Streifen mit vierfacher Geschwindigkeit abspielen - wären Sie währenddessen bei
vollem Bewusstsein, würde Ihnen das sowieso nicht gefallen. Und nun bitte Ihren Oberarm!« Sie zog ihre Oberlippe herauf, was wohl ein Lächeln darstellen sollte. Derart bedrohlich die Zähne bleckend, jagte sie ihm eine Druckinjektion in die Blutbahn.
»Ha -«, sagte Seeb.
Dann sagte er drei Stunden nichts mehr.

Axt. »Und sie haben dich echt die ganzen Filme der nächsten Wochen sehen lassen?« Ute sah ihn wie ein freundlicher Mond an.
Sie waren auf Tour, mieden aber diesmal das »Gaston's« - Gaston war auf der Hut und ließ die Hofbeleuchtung die ganze Zeit brennen. Stattdessen hatten sie heute die Container hinter der Subway-Filiale in der Oststadt auf dem Plan.
»Ich hab's dir erzählt: Ich kann mich an nichts erinnern, weil sie mir eine Spritze gegeben haben. Sie benutzen mich nur als billigen Musterprozessor, verstehst du? Ist günstiger, als einen Rechner darauf zu programmieren, auf den ganzen Quatsch zu achten - wo der Spannungsbogen sitzt, wie das Product-Placement ankommt, und so weiter. Klar? Ich bin ein Ein-Mann-Marktforschungsinstitut.« Er zerrte eine Tüte unter einem Haufen welken Salats hervor: Eingeschweißte Vollkornbrote. »Weißt du, dass die Dinger nie hart werden, egal, wie lange man sie liegen lässt? Möchte wissen, was sie damit anstellen.«
»Ich nicht«, grinste Ute, »sonst würde ich sie vermutlich nicht mehr essen. Hey, was ist, wenn du davon träumst?«
»Keine Ahnung, kommt wohl nicht vor. Au!«
»Was ist denn?«
»Keine Ahnung.« Er rollte seine Ärmel etwas hoch. »Ich hab hier überall so komische Kratzer an den Armen. Brennt ganz schön.« Zähne in einem Arm. Graben sich wie Löffel in ein Dessert. Hervor quillt -
Jemand rüttelte an seiner Schulter. »Hey! Alles klar mit dir?«
»Ja, äh.«
Ute schüttelte den Kopf und setzte ihren Rucksack auf. »Du warst bestimmt drei Minuten völlig weggetreten. Bist du sicher, dass alles klar ist?«
»Ja ... bestimmt nur etwas müde.«

Sie aßen wie üblich in Utes Bude.
»Mann!« Sie war begeistert. »Sieh dir all das Zeug an! Ich hab sogar Eiscreme, ist nur ein bisschen weich, aber wenn ich sie bis nachher ins Kühlfach stelle ...«
Seeb griff nach dem Brotmesser und trennte die Hälften einer Vollkornstange voneinander. Blut quoll hervor und tropfte von seinen Händen. Überall Blut. Er strich es über das Gesicht, das nicht seines war, dieses Gesicht. Zähne, rosa gefärbt, der blaue Teppich, schwarz. Ute beugte sich über ihn. »Das macht mir jetzt aber echt Sorgen!«
Seeb strich sich über den Mund. Ihm war übel. »Ach, ich brauch nur Schlaf.«

Wieder im Schmutzstreifenraum. »Hallo, mein Name ist Tom Rehbig, aber Sie können mich Tom nennen.«
Ein gegelter Schönling mit orangen Turnschuhen.
»Wo ist denn Doktor Ulster und - äh - Meinert?«
Tom entblößte eine Zahnreihe aus synthetischem Diamant. »Frau Ulster und Herr Meinert haben uns überraschend verlassen.«
»Hä?«
»Wohl ein Karrieresprung.«
»Ein was?«
Tom seufzte. »Herr Davidow, Seeb. Wir sind doch nicht hier, um über das Privatleben anderer Leute zu reden, oder? Arm bitte!«
Zischen. Blut spritzt. Eine Axt dringt in einen Hals, in einen Brustkorb, wie ein Messer ein frisches Brötchen teilt. Kruste, Knirschen, Rippen, Reißen. »Scheiße, das war knapp!«, sagte eine Stimme. Tom kniete neben ihm. Seebs Hemd war aufgerissen, auf der Brust klebte ein Autoschocker, ein faustgroßer Kasten an dem ein rotes Licht im Rhythmus seines rasenden Herzens blinkte.
»Was soll das denn?« Seeb fasste nach dem Schocker, riss ihn ab. Reißen. Reißen. Wie ein Pflaster.
»Oh, alles in Ordnung«, blinkte Tom mit seinen Diamanten. »Das passiert manchmal. Nur ein Kreislaufproblem.«
Mühsam setzte Seeb sich auf. »Muss ich jetzt noch mal ran?«
»Nein, nein! Gott bewahre! Gehen Sie nach Hause, schlafen Sie sich aus. Es gibt natürlich vollen Lohnausgleich.«
»Danke.« Schwach. Axt.

Er fuhr mit der U-Bahn zurück. Mit gesenktem Kopf saß er in dem Plastikschalensitz, der genau das ihm zugewiesene Territorium umgrenzte.
Seltsam, wie nah sich die Menschen in der Bahn sind, sein müssen, dachte er. Gleichzeitig sind sie sich nirgends ferner. Außer vielleicht im Fahrstuhl. Peinlich genau achtet jeder darauf, seinen Nachbarn nicht versehentlich zu berühren. Dabei ist es doch gerade eine Berührung, die mir fehlt: einen anderen wirklich berühren.
Er hob den Kopf.
Wenn wir aufsehen, dann nur, um auf die allgegenwärtigen Bildschirme zu starren. Sie zeigen dasselbe, wie immer: Werbung, aufgemacht wie Nachrichten, und Nachrichten, ununterscheidbar von Werbung. Warum geht mir Doktor Ulster nicht aus dem Kopf? Noch immer sehe ich ihr Gesicht vor mir, diese seltsamen Zähne ... Sogar in diesem Foto auf dem Schirm finde ich sie wieder.
Es dauerte einen Augenblick, bis Seeb bewusst wurde, dass es tatsächlich ein Bild von Doktor Ulster war, auf das er starrte. Darunter stand eine Meldung: vermisst. Ein Lauftext erschien, der besagte, dass auch von Meinert jede Spur fehlte. Dann wechselte das Foto. Nun zeigte es einen Mann mitte dreißig, schlecht rasiert mit einer zweckmäßigen Stoppelfrisur. Die hellgrauen Augen schienen unterschiedlich groß zu sein.
Seeb fühlte, wie er seinen Körper verließ, um seinen eigenen Hinterkopf zu betrachten. In dieser Welt war kein Platz für Geräusche, nur ein waberndes Rauschen füllte seine Ohren.
Das bin ich, ich werde gesucht, wurde ihm klar. Was habe ich gestern nach dem Job gemacht? Bin ich direkt nach Hause gefahren? Warum kann ich mich an nichts erinnern?
Die Welt kehrte zurück, und mit ihr auch ihr Dröhnen. Gemurmel erfüllte den Wagen plötzlich. Eben noch hatte niemand ihn beachtet. Nun starrten ihn alle an.
Seeb sprang auf, doch wohin sollte er sich wenden, während der Fahrt? Gleich mehrere Leute zogen Telefone aus der Tasche, sprachen hastig hinein, ihn dabei ängstlich von der Seite musternd. Sie sahen ihn an wie einen Mörder.
Er riss einen Nothalt-Hebel herab, glitt mit schweißnassen Händen fast daran ab, weil er unkontrollierbar zitterte. Nichts geschah. Um sicher zu gehen, dass es wirklich nur Schweiß war, nicht etwa Blut, besah er seine Hände. »Der Wagen hält in der nächsten Station«, stand unter dem Hebel.
Dies war kein Action-Film, in dem der unschuldig verfolgte Held aus dem mit kreischend bremsenden Zig flieht, dies war die Realität. In dieser Realität wartete die Polizei bereits auf ihn an der Haltestelle.

Da saß Ute ihm gegenüber an einem Tisch mit Buchenfurnier. Der kleine Raum maß vielleicht vier Meter im Quadrat, darin der Tisch und dazu passende Stühle, feuerfeste Jalousien in freundlichem Apfelgrün. Wie eine Kantine für zwei, ihn und Ute, allerdings war eine dritte Person anwesend: Ein bewaffneter Polizist. Außerdem würde man das einzige Fenster einer Kantine nicht vergittern.
»Wie bist du da nur reingeraten?« Ute schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht ... ich kann mich nicht erinnern. Ich konnte mich nicht mal erinnern, dass ich mich nicht erinnern kann.« Er grinste.
»Findest du das etwa komisch?« Sie verzog wütend das Gesicht.
Der Anblick erschreckte ihn: Er hatte sie noch nie so gesehen. »Ich bin nur verwirrt.« Einen Moment schwiegen sie, dann: »Ich stehe nur unter Verdacht, weil ich die beiden als letzter gesehen habe. Der Pflichtverteidiger sagt, dass es keine Spuren gibt, die auf mich hinweisen. Allerdings auch keine, die mich entlasten.«
»Das können sie doch nicht, dich einfach so festnehmen. Das geht doch nicht so einfach! Bloß, weil du da warst! Ich meine, wer weiß, was die beiden mit dir gemacht haben?« Blut. Spuren wie rote Vogelfüße auf dem Boden, führen dort hin ... führen zu ... führen über: einen Körper, ein Gesicht. Zähne, gefärbt.
Er schreckte auf. »Was hast du gesagt?«
»Du hast dauernd diese Aussetzer! Das ist doch nicht normal, nicht mal für einen Filter!«
»Stimmt wohl, ich -« Eine Axt gräbt sich in einen Rücken, Wirbel, wie eine Hügelkette, trennt, schneidet, reißt ...
»Ich brauche hier einen Arzt!«
Ein weißer Boden, weiß wie Styropor, wie ein Gesicht. Daraus eine Quelle, eine rote Quelle.
Seine Hände fühlten etwas Festes, Nachgiebiges. Eine Bettdecke, dachte, hoffte er, kühl und sauber. »Das ist doch nicht normal«, sagte er zu der Dunkelheit hinter seinen Liedern.
»Da muss ich Ihnen zustimmen«, antwortete eine Stimme.
Er schlug die Augen auf. Tatsächlich lag er in einem Krankenbett, vor ihm stand ein Mann mit braunem Vollbart in einem weißen Kittel, sein Pad wie einen Zeigestock auf ihn gerichtet.
Ute war auch da, und ein junger Mann im Pflegerkittel.
»Schön, dass Sie wieder da sind, Herr Davidow«, sprach der Arzt weiter. »Ich bin Doktor Adamson, Neurologe und Psychiater. Mein Spezialgebiet sind induzierte Traumata und induktions-traumatische Syndrome.«
»Heißt das, so etwas kommt öfter vor?« Seeb biss die Zähne aufeinander.
»Bei weitem nicht, sonst wäre das Verfahren sicher nicht zugelassen. Nein, einer von zehntausend zeigt nach dem - äh - Job Symptome: Alpträume, Konzentrationsstörungen, in schweren Fällen Depressionen. So etwas wie Sie ist mir allerdings noch nie untergekommen. Und auch sonst niemandem.«
Seeb ließ sich zurückfallen. »Na, herzlichen Glückwunsch!«, sagte er schwach und wandte seinen Kopf zum Fenster. Der Polizist saß auf der Fensterbank.
Also stand er immer noch unter Verdacht.
Doktor Adamson holte Luft und begann, sein Pad hinter dem Rücken haltend, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Sehen Sie, eine Unverträglichkeit des Filterns, oder, wie es eigentlich heißt, der Neuro-Feedback-Subperzeption, beruht meist auf einer Art Überreaktion gegen die bewusstseins-suppressiven Sedativa. Diese Präparate sind ein komplizierter Wirkstoffkomplex, darauf ausgelegt, das Bewusstsein auszuschalten, ohne die meisten anderen höheren Hirnfunktionen zu beeinträchtigen. In Ihrem Fall scheint es eine Flut von Botenstoffen - verdammt!«
Seeb hatte die Augen verdreht und bog seinen Körper nun in einem unmöglich scheinenden Winkel durch. Adamson und der Pfleger stützten sich auf ihn, um ihn daran zu hindern, aus dem Bett zu fallen. Ute hatte die Hände vor den Mund geschlagen: tränenfeuchte Augen.
»Helfen Sie uns!« Adamson blaffte den Polizisten an, der hilflos die Arme herunterhängen ließ. Als der junge Mann zögernd an das Bett trat, entspannte sich Seeb überraschend, wand sich unter Adamson durch und versetzte dem Polizisten einen Tritt in den Magen. Keuchend fiel dieser nach vorn. Seeb packte ihn von hinten und warf ihn quer über das Bett gegen den Pfleger. Mit einem schnellen Griff zog er die Pistole aus dem Holster und wich rückwärts stolpernd in Richtung Tür zurück, die Waffe im Anschlag auf die drei Männer beim Bett.
»Bist du verrückt geworden?« Utes Stimme überschlug sich hysterisch.
Axt. Seeb zwinkerte. »Jetzt mal alle ruhig!«
»D-die Waffe ist nichtmal entsichert!«, stotterte der Polizist.
»Besten Dank für den Hinweis«, krächzte Seeb und holte das nach. »Ute, fessel sie irgendwie. Da sind Gurte am Bett, das sollte reichen. Halt dich hinter ihnen, ich will nicht, dass dich einer als Schutzschild benutzt!«
Sie schnallte den Polizisten am Kopfende fest, indem sie beide Handgelenke fest mit dem Riemen zusammenzurrte. Adamson und der Pfleger kamen ans Fußende.
»I-ich habe einen S-Sender! W-wenn ich n... nicht a-a-alle zwanzig Mmmminuten -«
»Fresse! Wenn das wahr wäre, würdest du mir das wohl kaum erzählen!« Zu Ute: »Komm jetzt!«
Kleidung fand er im Schrank, zum Glück waren die Zeiten, in denen Gafangene in Streifenanzügen umherliefen vorbei. Allerdings vermutete er, dass sie Ortungschips in die Stoffe eingenäht hatten, er würde sich schnellstens Ersatz besorgen müssen. Während er sich umzog, hielt Ute die Männer in Schach.
Danach flohen sie, so schnell, wie möglich, so langsam, wie nötig, um kein Aufsehen zu erregen, über den Flur. Sie waren in einem ganz normalen städtischen Krankenhaus, nicht in einer Gefängniskrankenstation. Offenbar war sein Zustand ernst genug gewesen, um ihn zu dem Spezialisten zu bringen, anstatt Adamson einfach ins Gefängnis zu holen.
»Du bist total durchgedreht!«, flüsterte Ute.
»Ich erklär's dir später.«

Zunächst besorgte sich Seeb aus einem Altkleidercontainer hinter dem Krankenhaus andere Klamotten. Seine warf er in einen Gulli, in der geringen Hoffnung, dass das ihre Verfolger zumindest kurz aufhalten möge.
Sie beschlossen, in Richtung Salzsee zu fliehen. Ein Train-Inn brachte sie die halbe Strecke, sie hatten Gelegenheit, sich im U-Bahnwagen etwas Fast-Food aus dem Automaten zu ziehen. Ab den Skylands, einem Viertel mit schmutzweinenden Betonbauten, mussten sie zu Fuß gehen. Nicht ungefährlich, aber in ihren Container-Klamotten fielen sie nicht auf. Die Skylands waren voller Wracks, von Autos und von Menschen.
Hinter den Skylands schließlich kamen die Docks: aufgegebene Industriehäfen, sinnlos geworden, als der See endgültig austrocknete. Seeb hoffte, dass der Arm der Polizei nicht bis hier reichte, zumindest nicht so schnell.
»Seeb«, begann Ute, »du hast gesagt, du wirst es erklären.«
»Diese Visionen ... sie sind gräßlich.«
»Kann ich mir denken, so wie du dabei vor dich hin stierst. Aber das ist doch kein Grund, gleich abzuhauen. Du warst es doch nicht, oder?« Sie blieb stehen. Die Sonne sank hinter den Horizont und färbte die Salzebene rot. »Oder?«
»Ich sehe die Morde.« Ganz leise.
Ute trat zu ihm, fasste ihn bei den Armen. »An der Frau?«
»Erst schlage ich ihr die Zähne ein. Da ist Blut auf ihren Zähnen, sie sind ganz rosa.« Dann zerteilt eine Axt den Brustkorb. Reißt zwischen den Rippen, wie eine Pflugschar in den salzkrustigen Boden. »Blut fließt, überall, auf den Boden, überall. Ich habe auch andere ... Waffen. Klingen, Skalpelle, Sägen.«
»Das ist doch Wahnsinn! Wo sollst du die denn hergehabt haben? In der Hosentasche mit reingenommen? Und warum?«
»Ich weiß nicht.« Er barg seinen Kopf zwischen den Händen. »Ich weiß doch nicht! Aber es wirkt so real, so echt! Ihr Gesicht, ich sehe, wie ich sie wieder und wieder schlage. Vielleicht haben mich die Filterdrogen durchdrehen lassen, vielleicht bin ich ein Mutant, bei dem das Zeug anders wirkt.«
Die Docks waren für die Innerstädter ein Symbol des Todes, aber sie steckten voller Leben. Eine Stadt für sich, ein Gegenentwurf zum inneren, südlichen Sibiria, ein Anti-Sibiria, wie entworfen von einem irren, maschinenverliebten Stadtplaner, der die Menschen hasst und sie in einer Stadt für Kräne einkerkern wollte.
Sie fanden ein Hotel, das wie ein Parasit in der Ruine einer Montagehalle saß. Die Fassade hatte jemand rosa gestrichen, Staub war in Strichcodes an den Wänden herabgeregnet.
Hinter der Rezeption ein Mann unbestimmbaren Alters. Glänzendes schwarzes Haar hing über seine rechte Gesichtshälfte, die linke war ein schaumiger Schwamm in fahlem Ocker. Selbstheilende Kunsthaut.
»Wir brauchen ein Zimmer«, sagte Ute und schob eine Bonuskarte von Suafe/Systems über den Tresen. Ihre Zweitkarte, unbenutzt und wahrscheinlich schwerer zu verfolgen.
Der Wirt drehte sie in der Hand, zog dann sein Pad daran vorbei, nickte zufrieden. »Finger, bitte!«
Sie pressten ihre Finger auf fettige Sensormulden in der Theke, damit das Hotel ihre Zimmer freigeben konnte. »Fünfzehn«, gab der Wirt ihre Zimmernummer bekannt. Er bemerkte, dass Ute seine rekonstruierte Gesichtshälfte anstarrte. »Du denkst, ich war im Separartionskrieg, hä?« Er grinste, und der Mundwinkel in der Schwammhälfte schob sich dabei bis zum trüben Auge hoch. »War ich nicht. Ich bin in einem Postcontainer aus der Eurozone geflohen, bevor sie die Tunnel gekappt haben. Hat gut geklappt. Blöderweise war mein Container nicht für lebende Fracht ausgelegt ...« Er drückte sein Gesicht ein, so dass deutlich wurde, dass dort kein Knochen darunter war. »Ich hatte noch Glück. Mit acht G gegen die Rückwand. Als sie mich in Sibiria aus dem Container zogen, war mein Kopf nur noch Matsch.«
»Tragisch, Mann.« Ute klang wirklich betroffen, aber Seeb hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen.
Er befürchtete, dass die blutige Erzählung des Wirts einen Flashback bei ihm auslösen könnte. »Sollten wir nicht ...«
Ute legte dem Wirt eine Hand auf den Unterarm. »Ich stell mir das wirklich schlimm vor.« Sie sah dem Mann ganz direkt in die Augen, als gäbe es den Kunstpilz dort gar nicht. Der Typ grinste wieder, aber diesmal war es keine Fratze, sondern ein schüchternes Lächeln. Er wirkte nun viel jünger als vorhin. »Wisst ihr was? Ich kann euch den Movie-Cast freischalten. Dann könnt ihr fernsehen.«

Über ein Außentreppenhaus im Hinterhof erreichten sie ihre Etage. Das Zimmer roch wie eine Fleischkonserve und war nur unbedeutend größer. Es enthielt ein Doppelbett mit welliger Polyurethanmatraze, Wegwerflaken aus Cellulose, einen in die Wand eingelassenen Spind und einen Movie-Cast mit Wandgroßem Bildschirm. In einer Ecke des Schirms hatte jemand mit schwarzem Filzstift obszöne Zeichnungen angebracht.
»Zum Schreiben hat es wohl nicht mehr gereicht.« Ute präsentierte ein Zahnpastalächeln und imitierte eine der Posen.
Seebs Körper reagierte prompt: Seine Hose wurde ihm eng. Er griff nach unten und Ströme von Rot trieften auf den Boden. Er hob die Axt, das eben noch fabrikneue Blatt nun fleckig von gerinnendem Leben, und Ute fühlte seine Stirn. »Du fühlst dich heiß an.«
Er drückte sich aus dem Bett hoch. »Ich muss was trinken.«
Das Badezimmer war eine versiegelte Nische, nicht größer als der Spind. Er riss den Hahn auf, ließ kaltes klares Wasser durch seinen Mund laufen, schluckte, spürte es, seinen brennenden Körper abkühlen. Das war kein Blut Blut, das er da trank.
Er ging zurück, Tropfen auf seinem T-Shirt. Ute hatte den Movie-Cast angestellt. Der Avatar war eine Rothaarige mit unmöglicher Anatomie in einem engen grünen Top. »Willkommen. Bitte wählen Sie eine Vorliebe aus.«
Ute lächelte mit halbgeschlossenen Lidern. »Schlag was vor, Schlampe.«
»Wie wäre es mit dem neuesten des Neuen?«
»Klingt gut.«
»Altersfreigabe alle Stufen, nehme ich an?« Der Avatar zwinkerte mit den übergroßen Augen.
»Mir egal.«
Seeb warf sich neben sie auf das Bett. »Genießt du es, unfreundlich zu einer KI zu sein?«
»Sie ist nicht sehr schlau. Das ist, als wäre man unfreundlich zu einem Briefkasten.«
Der Avatar verschwand und ein Film fing an. Rote, fließende Buchstaben zählten Regisseure und Animagrammer auf.
Seebs Herzschlag beschleunigte sich. »Trotzdem. Schlecht für's Karma.«
»Karma, Lama. Ich bin lieber gemein zu Maschinen, damit ich netter zu den echten Menschen sein kann. Das ist wichtiger.«
Der Vorspann war vorbei. Leute redeten. Eine Frau, ein Mann. Pärchen? »Meinst du nicht, irgendwann verschwimmen die Grenzen? Ich meine, wenn du Avatare anpöbelst, die vielleicht ein bisschen echter aussehen, als die Barbie hier, vielleicht dann auch den Kellner oder den Wirt?«
»Hast du dir den Wirt angesehen? Keine Firma würde einen Avatar anigrammieren, der so aussieht, es sei denn als Host für einen Horrorfilm. Nur echte Menschen haben Verletzungen, sind häßlich, schwitzen und stinken. Zu denen muss man nett sein. Übrigens Horror: Was ist das überhaupt für ein scheiß Film? ... Seeb?«
Seeb anwortete nicht. Er starrte wie gebannt auf den Schirm, wo gerade ein maskierter Axtmörder die junge Frau zerhackte.
»Hey!« Ute schüttelte ihn.
»Ich kenne diesen Film!«
»Ich dachte, das sei nicht möglich. Angeblich löschen sie doch dein Gedächtnis oder so.«
»Nein. Ich kenne den Film aus den ... Dingen die ich sehe, wenn ich weggetreten bin. Das ist genau das, was ich sehe.«
Ute starrte ihn einen Moment an, dann ging ein Lächeln auf ihrem Gesicht auf. »Weißt du, was das heißt? Du bist unschuldig. Deine Visionen sind nur dieser Müllfilm da, den du wahrscheinlich gesehen hast. Es ist gar keiner ermordet worden.«
Er lachte, erst ein wenig zögerlich, dann befreiter. »Du hast Recht, du hast Recht.«
Sie ergriff seine Oberarme und sah ihm gerade in die Augen. »Du musst dich stellen. Wenn du unschuldig bist, dann werden sie auch keine Leichen finden. Wahrscheinlich sind die beiden nur durchgebrannt. Kein Verbrechen ohne - wie heißt das - corpus delicti.«
Seeb nickte. Er mochte sie so gern. Eigentlich liebte er sie sogar. Es würde alles gut werden.

Einen Monat später saßen sie sich in einem engen, in freundlichen Grüntönen gestrichenen Zimmer gegenüber. Ein schwer gebauter Pfleger lehnte gelangweilt im Türrahmen.
Ute schüttelte den Kopf. »Sie haben ihre Überreste in einem Müllcontainer hinter einem Imbissschuppen gefunden. Wie ironisch! Vielleicht einer unserer Container.« Sie schüttelte sich. »Die Mordwaffe war auch dabei, eine ganz normale Papierschere.«
»Ute, ich ...«, begann er und streckte die Hand aus.
Sie sprang auf und entzog sich ihm. Ihre Augen funkelten. »Deine DNS war überall auf der Schere, sogar auf ihren Körperteilen! Sie werden dich hier nie wieder rauslassen, du, du Irrer! Warte nur, bis sie auch Meinert finden.«
Der Pfleger warf einen Blick auf die Uhr und sagte: »Besuchszeit ist um.«
»Aber ich -«, begann Seeb. Meinert hielt Ulster fest, aber die wehrte sich verzweifelt. Eine schallende Ohrfeige. Meinert prallte zurück, hielt sich am Tisch fest. Ergriff die Schere. Stach sie in ihr Auge. Wieder. Und noch einmal. Ulster fiel gegen den Bildschirm, über den nun Blut strömte, gefilmtes und echtes. Dann beugte er sich über ihn. »Gut, dass du nichts sehen kannst, du menschliches Gemüse.« Dann schabte er mit der Schere über Seebs bloße Arme, steckte sie in seine Kitteltasche und warf sich Ulsters Leiche über die Schulter.
Er erwachte übergangslos, festgeschnallt in einem Krankenbett. Nie würden sie Meinert finden, denn der war nicht tot. Und nie würden sie ihn aus dieser Anstalt herauslassen.

 

Hallo Naut,
lange nichts mehr gehört.
Hi Gero,

erstmal vielen Dank für Deine Mühen. Freut mich, dass Du hier so aktiv bist!

Irgendeine ist zu beliebig. Eine würde reichen.
Yep, stimmt.
Was ist mit Cap gemeint? Eine Kappe, ein Cape? Eine Mütze?
Gemeint ist das, was im Otto-Katalog vielleicht "Baseballmütze" heißt. Die Kids nennen das Cap.
Igitt!
erscheint mir etwas altertümlich. Heute geben die Leute eher "Pfui Teufel" "Was'n das für'n Scheiß?" von sich.
"Pfui Teufel"? :) Vielleicht im katholischen Bayern. Aber ich denke, "Igitt" ist durchaus noch gebräuchlich.
»Stell dich nicht so an! Und sei endlich ruhig! - Zu spät!«
Das "zu spät" würde ich aus der wörtlichen Rede herausnehmen.
Ich hab's ganz gestrichen. Die Scheinwerfer reichen.
des »Gaston's« war, nannten sie ihn nur so.
Das ist zwar ein Verstoß gegen die deutsche Grammatik, hat sich aber leider inzwischen eingebürgert und verbreitet sich immer mehr. (Das Genitiv-s mit Apostroph abzutrennen)
Ja, stimmt. Am schlimmsten finde ich das, wenn urdeutsche Marken wie "Becks" plötzlich "Beck's" heißen, und keinen kümmert's. Aber 's ist ja authentisch ...
Zurück in Utes Wohnung, im zwanzigsten Stock des Jonas-Jones-Studentenwohnheims.
Unvollständiger Satz (kein Verb, Ellipse), daher besser am Schuss einen Doppelpunkt.
Ich weiß, Du bist vom Fach, aber gibt es eine Regel, dass man Ellipsen mit Doppelpunkten beenden muss? Ich finde die Bindung zum Folgesatz eher schwach & da es ja Prosa ist, setze ich da lieber einen Punkt. (In einem Sachtext würde ich das nie machen, da verwende ich auch nie Ellipsen.)
Da es die einzige Sitzgelegenheit im ansonsten kahlen Raum war, kam keine rechte Atmosphäre auf.
Als alter "ansonsten-Hasser" würde ich hier das schlichtere "sonst" oder "im Übrigen" vorziehen.
Recht hast Du. Habe ich ganz gestrichen.
Unkontrollierbar zitternd riss er einen Nothalt-Hebel herab, glitt mit schweißnassen Händen fast daran ab.
Die Zustandsbeschreibung in der Verlaufsform am Anfang mindert etwas die Aktivität und wirkt etwas steif. Ich würde eher mit demjenigen anfangen (dem Subjekt), dem was geschieht, der was macht ... aber das ist eine Stilfrage.
Wieder richtig. Habe ich geändert. Partizipien-Pest, oder?
Einen Moment schwiegen sie, dann: »Ich stehe nur unter
das "dann" kann weg.
Och, ich find's ganz hübsch.
Seine Hände fühlten etwas festes, nachgiebiges.
...etwas Festes, etwas Nachgiebiges...
Jawohl.
Eine Bettdecke, sagte seine Erfahrung, kühl und sauber.
besser: Eine Bettdecke, dachte er, glaubte er sich zu erinnern,...eine kühle und saubere Bettdecke. So erscheint es mir etwas verkürzt.
Hab's etwas geändert.
Das muss ich Ihnen zustimmen
Da muss ich ...oder "Das kann ich bestätigen."
Ja!
gegen die bewusstseins-suppressiven Sedativa
Nicht zuviele Fremdwörter häufen, sonst schüchtert das ein. Wo es ein deutsches Wort gibt, braucht es kein Fremdwort. Hier: "gegen die das Bewusstsein eintrübenden Sedativa.."
Nee, manche Leute reden nunmal so. Ich zum Beispiel.
Diese Dinger sind ein komplizierter Wirkstoffkomplex
Diese Mittel, Medikamente -- eine Arzt würde nicht von "diesen Dingern" reden.
Richtig, er würde "Präparate" sagen. Danke!
Ute hatte die Hände vor den Mund geschlagen: tränenfeuchte Augen.
Warum der Doppelpunkt? Besser ein Punkt und dann: "Ihre Augen waren feucht vor Tränen."
Ich mag Doppelpunkte einfach. Das ist wohl mein Code für einen Kameraschwenk: Zoom auf die Hände, Zoom auf die Augen. Mir gefällt's.
ich will nicht, dass dich einer als Schutzschild sieht!«
..benutzt..
Jawohl!
Sie waren in einem ganz normalen städtischen Krankenhaus, keine Gefängniskrankenstation.
..in keiner Gef....
Ja.
Die Skylands waren voller Wracks, von Autos und von Menschen.
voller Auto- und Menschenwracks (nicht so umständlich)
Aber dafür etwas häßlicher, meine Version finde ich hübscher zu lesen.
wie eine Pflugschar in den Salzkrustigen Boden
salzkr. klein geschrieben
Ja.
Er birgt seinen Kopf zwischen den Händen
Wieso hier auf einmal Präsens?
Weil ich bei Cyberpunk immer zwischendrin ins Präsens falle & diese hartnäckigen kleinen Viecher einfach jeden Korrekturdurchgang überleben ;) Hab's geändert.

Insgesamt kommt mir die Geschichte sehr lang und umständlich erzählt vor. Besser wäre es, hier viel mehr zu raffen und die Handlung, die streckenweise wenig überrascht, weil zu sehr ausgeführt in Details, voranzutreiben. Das Ende ist dann recht gut, dass seine Geliebt dann aber ihn schlagartig fallenlässt weniger.
Das sind genau die Punkte, die ich irgendwie nicht lösen könnte. Danke, mit dieser Bestätigung kann ich die Geschichte vielleicht retten. Ich habe die jetzt schon so lange herumgeschleppt, und wie sagt die Fernsehwerbung so penetrant: "Mach es fertig, bevor es dich fertig macht."
Wieso der ganze ersten Teil nochmals als Zitat hervorgehoben wurde, geht über meinen Horizont.
Irgendwo ein Syntaxfehler, vieleicht eine vergessene Klammer oder ein Leerzeichen zu viel.

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
Nachbar Naut

 

Hallo Naut!

Im Großen und Ganzen hat mir die Geschichte gefallen. Setting und Charaktere sind auf jeden Fall überzeugend und interessant. Beim Stil fängt aber meine Kritik an. Ich habe den Eindruck, dass etwa ab der Fluchtszene der Stil stellenweise ins, nun ja, Verquaste abrutscht, während sich der erste Teil noch durch willkommene Klarheit auszeichnet. Ich suche jetzt nicht alle Stellen heraus, nur stellvertretend:

Die Sonne kollabierte über dem Horizont und spie ihr Blut über die Salzebene.

Für meinen Geschmack ist das einfach zu stark, zu übertrieben.

Dann muss ich noch das Ende kritisieren, das auf mich irgendwie aufgesetzt, zu wenig zwingend wirkt. Auf der einen Seite mag ich das 'Unhappy End', auf der anderen finde ich es seltsam, dass es keine Rettung für Seeb geben soll. Man könnte ja vermuten, dass er die wahren Geschehnisse irgendwie berichten kann, dass es Zweifel gibt und man seiner Aussage nachgeht - zumal sowohl Ute, als auch Polizei und Ärzte ihm anfangs noch eher wohlgesonnen waren und ja auch wissen, was die 'Filtertechnologie' mit ihm angerichtet hat.
Das Ende wäre überzeugender, wenn Seeb beispielsweise für sein angebliches Verbrechen hingerichtet würde (bzw. auf irgendeine Art zu Tode kommt) und ihm erst beim Sterben die Wahrheit einfiele (die er dann natürlich nicht mehr weitergeben könnte) - oder, wenn er erst gar nicht diese Erkenntnis mit solcher Sicherheit erlangte.

Grüße
Christian

 

Hey Christian,

verquast, na, warum nicht. Kann gut sein, es hat ja auch seinen Grund, warum ich den Text hier den Wöl- geschätzten Lesern vorwerfe. Also, ich behebe das. Genau wie das Ende, das mir auch überhaupt nicht gefällt.

Besten Dank
Zweifelonaut

 
Zuletzt bearbeitet:

Yeah, gern gelesen, aber der Stil ist wirklich nicht ganz stimmig. Die Visionen sind mir irgendwie zu kurz, einmal verlässt Du die Perspektive der Hauptfigur (wo er sich aufbäumt). Das Ende geht zu schnell, überhaupt hast Du m.E. zuviel Handlung bzw. eine zu komplexe Handlung in eine trotzdem nicht kurze Story gepresst. Die Auflösung funktioniert; aber nur, wenn man sich nicht fragt, warum Meinert die Ulster umgebracht hat, wieso niemand gesehen hat, wie er mit der Leiche rumgelaufen ist, wieso kein Blut am tatsächlichen Tatort gefunden wurde, und so weiter.
Viele sozialkritische Aspekte am Anfang, aber die geraten hinterher in den Hintergrund, sind kein zentraler Bestandteil, d.h. die Richtung ändert sich zwischen Anfang (Sozialdrama) und Ende (Krimi). Kann man machen, zeigt aber erneut: Es steckt wahnsinnig viel drin - vielleicht zu viel.

Uwe
:cool:

 

Hallo Naut,

starkes Teil! Was ne Vision.
Ich habe mich rundum gut unterhalten gefült und mit Spannung der Auflösung entgegen gefieber. Die selbst hat mich dann nicht groß überrascht, aber passen tut sie trotzdem.
Du lässt eine Menge Gesellschafskritik durchsickern, doch die habe ich nicht als aufdringlich empfunden. Lediglich die Szene mit dem Hotelportier. Die fand ich dann doch zu sehr reingewürgt. Das ist zwar interessant, will aber nicht so recht in die Situation passen. Die beiden auf der Flucht, in ihren eigenen Sorgen verstrickt, lassen sich völlig unbedarft auf den Monolog des Portiers ein. Das ist mir zu unmotiviert und erscheint mir schlichtweg nicht in die Geschichte zu gehören, da ich die Verbindung zu ihr nicht sehe ...

Das ist aber nur ein kleiner Kritikpunkt. Ansonsten fand ich das Teil sauber geschrieben und wie gesagt sehr spannend.
Eiin Fehlerchen aufgestöbert:

in denen Gafangene in Streifenanzügen umherliefen vorbei

Gerne gelesen

grüßlichst
weltenläufer

 

Spät aber doch danke ich Euch, Uwe & Weltenläufer. Schön, dass Ihr es nicht ganz kaputt fandet, aber ich denke, das Ding ist FUBAR. Vielleicht werde ich die Teile demontieren und etwas Neues draus basteln.

Beste Grüße
Naut

 

Hi Naut!

Ist schon eine Weile her, dass ich diese Geschichte gelesen habe.
Beste Stelle mMn: Dann schabte er mit der Schere über Seebs bloße Arme,
Das fand ich cool und dachte AH! Doch das ist leider auch die einzige richtige Überraschung. Vielleicht liegt's daran, dass Du zweifelst. Man ahnt einfach viel zu früh, dass der Prot die Axtszene im Fernsehen gesehen hat, damit geht ein Teil des Reizes verloren. So richtig ist mir nicht klar geworden, wozu man ihn diese Filme überhaupt ansehen lässt. Das war nur ein Vorwand, um ihm den Mord anzuhängen, oder?
Insgesamt gefällt mir die Story aber durchaus, dennoch, irgendwie reibt sie sich. Ich denke, es könnte damit zu tun haben:
- Du packst zwei Themen zusammen: die Filme, die Abfälle. Man hat den Eindruck, Du wusstest nicht, welches wichtiger ist.
- Die Figuren tun genau das, was man erwartet, agieren nicht mit Maximalkapazität.
- Die sinnliche Wahrnehmung ist zu schwach ausgearbeitet, die Produktbeschreibungen etc. zu ausführlich. So wird es schwer, wirklich zu fühlen, was der Prot fühlt.

Ok, vielleicht hilft Dir meine bescheidene Meinung irgendwie. :D

Liebe Grüße
Plasma

 

Klar, Frau Plasma. Das hilft mir, dieses Machwerk ganz nach unten in die Tonne zu stopfen, wo es hingehört ;) Ich wollte eben unbedingt was mit dieser Mindfilter-Sache machen und Dumpster-Diving ist auch irgendwie extrem faszinierend (es gibt einen abgefahrenen Bericht auf kuro5hin darüber).

Ich danke Dir. Vielleicht gibt's mal wieder was Besseres von mir.

 

Hi Naut,
abgerehter Zukunftskrimi den du hier geschrieben hast.
Ich bin mir noch nicht ganz im klaren wofür du gewisse Sachen in die Geschichte gestopft hast (der Hauswirt usw.) aber man hat ja bereits angemerkt, dass du die Geschichte sehr Umfangreich gestaltet hast.

Also die Personen in deiner Geschichte gefallen mir richtig gut, weil sie leben. Du bringst sie sehr detailliert und großzügig mit Persönlichkeit ausgestattet, rüber, das ist etwas, das ich in den letzten Tagen bei einigen anderen Geschichten doch des Öfteren vermisst hatte. Deswegen Hut ab und Lob dafür.:thumbsup:
Was mir nicht so gefallen hat, ist dass du Teilweise verschleppte Nebensätze durch die Geschichte ziehst und mich damit total aus dem Rhythmus wirfst. Dazu später ein Beispiel.

Dann möchte ich dir mal ein paar Gedanken mitteilen, die mir so beim Lesen durch den Kopf geschossen sind:

»Seid ihr das, ihr verfluchten Punks? Verpisst euch von meinem Müllcontainer!« Das Küchenfenster wurde…
Ich würde einen Absatz hinter die Wörtlicherede setzen

…aber da er der Geschäftsführer des »Gaston's« war, nannten sie ihn nur so.
Brauchst du das nur? Füllwort -> raus?

Zwei Ecken weiter schnappten sie gierig nach der feuchten Nachluft.
Wie wäre es mit Straßen oder ist das »Gaston's« ein Megaplex, dass sie schon so aus der Puste sind? :D

…einen abgebrochenen Studenten der Filmkunst …
Ich bin mir zwar nicht sicher ob das so beabsichtigt war(passt eigentlich zu der Prot. + Wörtliche Rede = es muss Absicht sein); hat was so ’n halber Student für die Küche zum Abfall runterbringen;)

»Filmkunst!« Er wälzte seine Kunstfrisur in den Händen.
Diese Wdh. Ist Absicht oder?

Wie du list fesselt mich die Geschichte ziemlich stark aber:

Seeb sprang auf, doch wohin sollte er sich wenden, während der Fahrt?
Diese Anhänge sind mir jetzt schon öfter aufgefallen sie stören ein wenig finde ich, kannst du so was nicht umformulieren?(Das sind die bezeichneten "verschleppten Nebensätze" von denen ich schrieb.

...in der geringen Hoffnung, dass das ihre Verfolger zumindest kurz aufhalten möge.
Wieso? RFID funktioniert doch nur in unmittelbarer Nähe einer Antenne. Wenn die in den Abwasserkanälen Antennen haben dann funzts vlt. als Ablenkungsmanöver, aber sonst sind die Signale einfach futsch (sorry fürs Klugscheißen aber die Dinger gehören zu meinem Beruf;)).

Über ein Außentreppenhaus im Hinterhof erreichten sie auf ihre Etage.
Da hast du beim umformulieren ein „auf“ verloren:)

Ströme von Rot treiften auf den Boden.
Ehh… trieften?

Wieder. Und noch einmal. Ulster fiel gegen den Bildschirm, über die nun Blut strömte, …
Singular plural ist hier ein wenig durcheinander geraten.

Gerne gelesen!

les’ dich
Nice

 

Hallo Nice,

da generiert mein letzter Reinfall doch noch Aufmerksamkeit ...

Erstmal vielen Dank für Deine Vorschläge. Ich habe alle umgesetzt, bis auf die verschleppten Nebensätze. Die haben mehrere Gründe:
1. Ich denke so. ;)
2. Ich finde, dass sie mehr "Action" erzeugen als normale Nebensätze:
"Seeb sprang auf, doch wohin sollte er sich während der Fahrt wenden?"
"Seeb sprang auf, doch wohin sollte er sich wenden, während der Fahrt?"
Die zweite Version ist ein verlängerte Form der Actionvariante: "Seeb sprang auf, doch wohin sollte er sich wenden?" Das "während der Fahrt" ist eine nachgeschobene Erklärung, warum er keine Möglichkeiten hat, sich zu wenden. Okay, würde Meister Dante einwenden, dann streich den Rott doch, eine nachgeschobene Erklärung braucht kein Mensch! Nja, nicht unwahr. Aber ich manchmal schon, daher schreibe ich sowas ganz gern. Kreidet es mir als schlechten Stil an.

Gut übrigens, dass ich anlässlich Deiner Kritik die Geschichte gelesen habe. Ich denke, sie krankt an zwei Aspekten:
1. Der Krimihandlung, die irgendwie weg muss,
2. dem miesen Ende.
Der Kern der ganzen Sache ist nämlich, jemanden zu zeigen, der in einer kaputten Welt trotzdem "nice" ist (nämlich die Freundin). Das erklärt auch die Szene mit dem Hauswirt. Dazu passt das Ende überhaupt nicht.

Vielleicht biege ich das mal gerade.

Nochmal vielen Dank, bis dann!

Naut

 

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