Ich bin Legende - Gedanken eines Niemand
Hallo. Ich darf mich vorstellen. Mr. Niemand.
Wie komm ich also auf diesen seltsamen, widersprüchlichen Titel einer Geschichte, die weder spektakuläres, noch sonstirgendwie fesselndes zu bieten hat? Zur kurzen Erklärung: Mir gefällt der Gedanke, bedeutend zu sein. Aber wem würde dieser nicht gefallen...
Diese Geschichte ist ja auch im eigentlichen Sinne keine Geschichte, sondern, wie ich schon angemerkt habe, eine Niederschrift von Gedanken, die mich und mein tiefstes innerstes, mein selbst repräsentieren, artikulieren, mich in meiner Person beschreiben.
Die "Initialzündung", also der auslösende Faktor für diese Niederschrift war ein Erlebnis, das ich kürzlich hatte, welches mich in einem kurzen Moment der - nennen wir's Erleuchtung - erkennen liess, welch tragische Komik meine Figur auf der Bühne des Lebens darstellt. Mir war die Absurdität des Seins schon immer bewusst, aber nie ward sie mir so klar vor Augen geführt, wie in diesem Moment.
Um noch, abschliessend zur Einleitung, einen Freund zu zitieren, dessen Worte mir immer wieder zu denken geben:
"Du überstehst jedes Erdbeben, überlebst jede Naturkatastrophe, besteigst jeden Berg und durchschwimmst den reissendsten Strom. Das einzige, woran du zugrunde gehst, wird der bittersüsse Schmerz sein, den dir eine Frau zufügt."
So ist es auch. Mit diesen Worten traf er genau den Punkt, beschrieb er exakt das, was mich repräsentierte. War ich doch in meiner Härte, in meiner Selbstgefälligkeit und meiner unnahbaren Festung meines Ichs sicher vor allen äusseren widrigen Einflüssen, so konnte man mich nur von innen besiegen, verletzen, niederstrecken. Meine Psyche, die Trutzburg, sollte fallen durch die Worte eines Geschöpfs, dessen Existenz sich durch so vieles definiert, und eines davon ist es wohl auch, Herzen zu brechen.
Den tragischen Anfang dieser Story, die hauptsächlich von Leid, Kummer, Schmerz, Psychosen und sonstige Zwängen erzählt, beginnt bereits in meiner Kindheit, in der sich so viele Dinge zugetragen haben, die in ihren Ausmassen ein bisschen an eine Mischung aus Kaspar Hauser, Hänschen Klein und Waltons anmutet, soll hier nur kurz als eine Zeit beschrieben werden, die auf meinen Charakter eine sehr wesentliche Ausprägung hatte.
Durch sie bin ich erst zu der Bestie geworden, die ich heute bin.. berechnend, eiskalt, gefühllos, geltungssüchtig.
Gut, die nächsten Perioden waren eine normale Jugend, in der viel Blödsinn passierte - was ja nichts ungewöhnliches ist - und dann, mit einem Schlag, der Schritt ins Nichts. In eine völlig neue Welt. Allerdings - die Befriedigung dessen, was immer schon einen wesentlichen Teil meiner Persönlichkeit ausmachte: Geltungsdrang. Ich war das geworden, wovon ich geträumt hatte, hatte mit einer Geschwindigkeit etwas erreicht, wozu andere Jahre brauchen würden. Erfolg im Job, der Jüngste der Firma mit einer verantwortungsvollen Position in der wichtigsten Abteilung des Unternehmens.
Doch genauso schnell, wie mein Leben nun war, genauso schnell, wie ich Dinge erreicht hatte, so schnell drängten sich in mir plötzlich diese unguten Fragen auf, führte ich mich selbst ad absurdum, quälte mich die Vorstellung, dass mein Leben trotz meines beruflichen Erfolges keinen Sinn hätte. Die Lösung dieses "Problems" ergab sich schneller, als man vermutet hätte. Der Faktor Geschwindigkeit scheint sich wie ein roter Faden durch sämtliche Bereiche meiner Existenz zu ziehen, meine Lebensdefinition lautete wohl zu einem grossen Teil, alles müsse schnell geschehen. Ich schweife ab, worauf ich eigentlich hinaus wollte, war: ich hatte die Frau gefunden, die mein Leben verändern hätte können. In jeder Hinsicht.
Wenn ich sie sah, wusste ich, dass sie "die Eine" war. Sie war "die Eine" und wusste es selbst nicht, sie war "die Eine" und wollte es nicht sein.
In meiner nüchternen Art und Weise versuchte ich ihr klarzumachen, dass ich, trotz der abstossenden Wüste meiner Gefühlswelt, in der Lage war, zu empfinden, ja sogar sehr intensiv zu empfinden. Verwöhnt wie ich war, ging ich vom Besten aus, bezog aber, in meiner alles kalkulierenden und berechnenden Art und Weise natürlich auch den "Worst Case" mit ein. Und dieser trat ein.
Ich erinnere mich an ihre Worte, die so tief gingen, die mich so trafen, dass mein Herz drohte zu zerspringen, die mein Fleisch durchschnitten wie ein Rasiermesser, mit einem scharfen, stechenden Schmerz: "Du bist jemand, auf den man sich verlassen kann. Aber du bist nicht jemand, den man lieben kann."
Mir fiel es wie Schuppen von den Haaren, in diesem Moment der Wahrheit war ich bloss ein zitterndes, leichenblasses Stück Elend, das sich in - um mal die passenden Worte zu klauen - vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Scheisse gesetzt hatte. Und irgendwie, vielleicht aus einem masochistischen Bedürfnis der seelischen Selbstgeisselung heraus, gab ich ihr recht. Waren ihre Worte so hart, so waren sie doch ehrlich.
Und in diesem einen Moment, den ich vorhin bereits als "Moment der Wahrheit" tituliert hatte, begann in mir etwas zu arbeiten, das sämtliche andere Bereiche meiner Persönlichkeit vernichtete. Doch - es war kein positiver Prozess, nichts, das mich zum Guten hin veränderte. Nein, es zerstörte das, was meine nach aussen hin harte Schale verhärtete, während mein Innenleben zusehends abstarb.
Das Symptom zu erkennen, wird sich jetzt ein jeder halbwegs gebildete Mensch denken, ist doch der erste Schritt zu einer Besserung. Nein - ist es nicht. In diesem Fall war das, was mich letztendlich doch noch ein bisschen Mensch sein liess, zum scheitern verurteilt. War der Umfang des Schadens für mich selbst so gross, dass nichts es jemals wieder aufwiegen könnte; war das Versagen meines letzten bisschen Menschlichkeit so dramatisch für mein Ich, dass es, wie ein Geschwür, abgetötet werden musste, und ich konnte es nicht verhindern. Die Evolution hat keine Gnade für Schwächen. Und das, wie sich herausstellte, war eine.
So viel zur Selbstaufgabe. Ja, ich gebe es zu, ich habe mich selbst aufgegeben. Für mich gibt es nichts mehr, was irgendwie wert wäre, zu leben, bis auf mein oberstes Bedürfnis: Geltungsdrang.
So lebe ich nun als Niemand, der ich bin, und ich habe es so satt, und quäle mich täglich mit der Vorstellung, wie alles besser sein könnte, und ich weiss dass ich es niemals erreichen werde, weil ich es selbst nicht zulassen kann. Mögliche Auswege für mich wären natürlich diverse, zu finden ist aber eine Aufgabe, die sich als schwieriger herausstellt, als es den Anschein hat.
Anschluss an die Gesellschaftspipeline - als ob das alles wäre, als ob Glücklichsein sich durch möglichst viele Freunde definieren würde. Mein Leben lang bin ich einsam gewesen, und werde es auch weiterhin sein. Ich resigniere vor der Sinnlosigkeit, Perversion, Abstrusität und der Ironie des Seins. Aber vielleicht ist es auch das, was in Wahrheit uns alle ausmacht: wir erfahren durch Kummer und Leid erst, wie glücklich wir wirklich sein könnten. Und nur den wenigsten von uns ist das Privileg gegönnt, rundum zufrieden zu sein.
End.