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"Ich bin ein Vogel!"
Florian fiel tot um. Nun war er also gestorben. Einfach so. Ohne Vorwarnung war er gestorben. Doch was war das? Er war ja noch immer da, schließlich war ihm bewusst, er war tot. Und was sollte das eigentlich? Er hatte immer gehört, das Leben würde vor dem Tod noch einmal an ihm vorüber gehen, doch nichts dergleichen. Er war einfach noch da, obwohl er tot war. Er schwebte über sich selbst und flatterte mit den Armen, doch kam damit nicht vom Fleck. „Ich bin ein Vogel!“, dachte er, doch dann hörte er eine Stimme in seinem Kopf. „Ich bin's Flo.“, sprach die Stimme, während Florian noch immer mit den Armen flatterte und seine neu gewonnene Flugfähigkeit feierte. „Florian, hörst du kurz mal auf, ich bin's, Jesus!“.
„Jesus? Der Jesus Christus?“.
„Ja, der Jesus Christus.“, sprach Jesus und rollte dabei mit den Augen. „Schau mal hinter dich.“ Wieder wedelte Florian mit den Armen in alle Richtungen, doch vergebens. „Hörst du mal bitte auf damit? Kannst du denn nichts ernst nehmen, nicht einmal den Tod? Jetzt wird Gericht über dich gehalten.“
„Gericht? Okay, tut mir Leid.“
„Nein, noch nicht jetzt, mein Sohn.“, sprach eine neue Stimme. „Lass ihm seine Zeit.“
„Wer ist denn das jetzt?“, wunderte sich Florian und wedelte wieder mit dem Armen. „Ich bin Gott.“, antwortete es von hinten.
„Gott?“
„Ja, Gott.“ Da hörte Florian auf mit seinen Spielereien, denn er hatte das alte Testament gelesen und Respekt vor Gott. Nicht, dass er diesen nicht vor Jesus hatte, doch er hatte auch das neue Testament gelesen, liebte Jesus und hoffte darauf, dieser würde Humor haben. „Ich habe auch Humor!“, intervenierte Gott. „Vergiss nicht, ich höre alle deine Gedanken, und nein Florian Reinmold, ich werde jetzt nicht meinen Humor unter Beweis stellen.“ Geschlagen und mit gesenktem Blick wandte sich Florian um in Richtung der Herkunft der Stimmen. „Ah, diese Geschichte war also wahr.“, dachte sich Florian, als er ein grell, doch nicht blendendes Licht voller Wärme sah.
„Wir müssen das überarbeiten, Sohn.“, sagte Gott zu Jesus. Florian musste lachen. Gott hatte also doch Humor, da hatte er nochmal Glück gehabt. „Tritt ruhig ins Licht Florian.“, forderte ihn Jesus auf.
„Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen.“ Da näherte sich Florian dem Licht und in einiger Entfernung konnte er eine Gestalt von solch einer Schönheit erkennen, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte. Wieder ging er einige Schritte weiter und war nun umgeben von dem strahlendem weiß, so wie er sich immer das Nichts vorgestellt hatte. „Wird mein Traum wirklich wahr?“, fragte Florian.
„Du hast dir nichts mehr gewünscht und um deine Frage zu beantworten, ja dein Wunsch geht heute in Erfüllung. Florian hatte Tränen in den Augen. Wie oft hatte er im Gebet diese Situation durchgespielt. Vor ihm befand sich ein Tisch, darauf zwei Tassen, eine schön verzierte Karaffe und neben dem Tisch, sich gegenüberstehend zwei gemütliche Stühle. Auf einem davon saß schon Jesus. „Setz dich nur.“, wurde er aufgefordert. Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen. Florian schritt schnell in Richtung des gerichteten Kaffeekränzchens, wo Jesus schon die Karaffe in die Hand nahm und Florian seinen Kaffee einschenkte. „Mit Milch?“, fragte er.
„Ja mit Milch.“ Florian staunte. Es war genau so wie er es sich immer vorgestellt hatte. Jesus hatte ein weißes Gewand an, das nur an der Hüfte umgürtet war, langes braunes Haar und einen stattlichen Bart. Um sie herum war nichts als weiß. „Und nun? Wie viel Zeit haben wir?“, fragte Florian.
„Hier gibt es keine Zeit, die haben wir nur auf der Erde installiert.“, scherzte Jesus. Wieder musste Florian lachen. „Schön, dann darf ich dich jetzt ausquetschen?“
„Wenn du willst, gerne.“
„Meine erste Frage ist...“, Florian zögerte. Er fürchtete sich diese Frage zu stellen, doch vor ihm saß Jesus Christus, an den er zwar erst seit zwei Jahren glaubte, doch nichtsdestotrotz war es wahr, er war die Wahrheit, das war der Beweis. Er setzte wieder zu Sprechen an: „Gibt es die eine Hölle?“
„Florian, glaubst du an Gefängnisse?“ Damit hatte er nicht gerechnet. „Ja, schon.“
„Dann wäre das damit geklärt oder?“, sagte Jesus mit einem Lächeln im Gesicht. „
Ich habe Angst, dort hin zu müssen Jesus.“
„Ich kann dir diese Angst nehmen, mein Freund, das musst du nicht. Erst einmal sind wir hier, einfach nur wir zwei. Was möchtest du noch fragen?“, sagte Jesus und nippte an seinem Kaffee.
„Gibt es eine Universität der Wahrheit im Himmel und wenn ja, bist du dort ein Professor?“ Jetzt musste Jesus lauthals auflachen. „Das habe ich wirklich nicht erwartet, aber um deine Frage zu beantworten, ja es gibt eine Universität im Himmel und ja, hin und wieder halte ich die ein oder andere Vorlesung dort.“
Jetzt staunte der Mensch. „Darauf muss ich erst mal an meinem Kaffee schlürfen.“ Gesagt getan, als er die Tasse wieder absetzte setzte er wieder zum Sprechen an: „Und was lehrst du zum Beispiel?“
„Meine beliebteste Vorlesung hat den Titel: „Verhaltensregeln im Himmel, wie man sich richtig verhält.“
„Das nehme ich dir nicht ab.“
„Da muss jeder hin, deshalb ist es die am meist besuchte Vorlesung im Himmel. Ich nahm einfach an, es sei deshalb die beliebteste.“, sagte Jesus mit dem besten Pokerface, das Florian je gesehen hatte. Doch dann zwinkerte er Florian zu und die Sache war vom Tisch. „Weiter, was gibt’s noch?“
„Das war alles. Mir fällt nichts mehr ein.“
Jesus stutzte. „Keine Frage nach dem Sinn des Lebens? Gerade von dir hätte ich das erwartet.“
„Ich glaube ich habe die Antwort nach dem Sinn schon gefunden“, sagte Florian, trank seinen Kaffee leer, nickte Jesus zu, rückte den Stuhl nach hinten und stand auf. Mit großen Augen sah ihn Jesus nun an. Florian sagte: „Ich glaube ich habe auf der Erde noch einiges zu erledigen.“
Beide lächelten nun als Jesus fragte: „Was denn genau?“
Florian schaute Jesus in die Augen und sagte nur: „Kaffee trinken.“