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Ich bin ein gefährliches Mädchen.
Ich bin ein gefährliches Mädchen.
Tony schaute in die Tiefen seines Glases. Sein fast leerer Gin-Tonic erinnerte ihn an eine Sanduhr. Und er hatte hier schon viele Sanduhren gesehen. Erst ganz voll, bis zum Rand gefüllt und dann trocken und leer, wie die beiden Plätze neben Ihm.
Im BarBylon, den abgelegenen Schuppen, voll mit Möbeln in allen Variationen brauner Farbe, lockte ihn immer wieder nur sein Penis. Heute war aber alles etwas anders. Sogar die sonst leuchtend-grüne Gurke in seinem Gin-Tonic wirkte abwesend und träge. Nur die wechselnden Klänge der Hintergrundmusik holten ihn hin und wieder aus seinen Tag-und Nachtträumen. Und Sarah’s Blicke. Natürlich Sarah, wer sonst. Sarah war ein vielleicht einundzwanzig oder zweiundzwanzig jähriges Mädchen. So genau konnte das Tony nicht sagen. Vielleicht war sie auch erst siebzehn. Auch auf Sarah schien das BarBylon eine anziehende Wirkung zu haben. Trotz der beschissenen Melancholie, die sie einem hier gerne in den Drink mischten, traf Tony hier oft auf Sarah. Und die Portion Melancholie im Drink erledigte den Rest.
Heute war aber nicht Sarahtag. Vielleicht würde es zu einer Sarahnacht werden, wenn seine Kohle nicht mehr ausreichte, um wieder und wieder die Sanduhr aufzufüllen. Sie aufzufrischen. Aber, einen Blick in seine Brieftasche später, war sich Tony im Klaren darüber, dass ihm noch etwas Zeit blieb. Und etwas Zeit zu haben, hieß schließlich auch immer eine Gelegenheit zu haben.
„„Ist hier noch frei, Kumpel?“ fragte ein Mann mit rauchiger, tiefer Stimme setzte sich neben Tony, ohne auch nur seine Antwort abzuwarten. Tony blickte leicht zu seiner rechten Seite, um den Typen zu mustern. Mit seiner braunen (Echt)Lederjacke, seinen schönen Schuhe, seiner bequemen Jeans und seinem autoritären, fast schon väterlichem Gesicht passte er überhaupt nicht an diesen Ort. Nur seine kleinen, grauen Bartstoppeln deuteten auf ein paar kleine Probleme hin, aber für das BarBylon gab es eine ungeschriebene Größe, ein Maß, dass ein Problem haben musste. Und da reichten ein paar graue Bartstoppeln nicht. Tony schiss drauf. Pöbeln war heute nicht.
„Nur zu, nur zu.“ sagte Tony geistesabwesend. Schließlich war sein linker Platz noch frei. Für eine Lady.
Sofort versank er wieder in die Tiefen seiner nicht mehr ganz so grünen Gurke, als der fast schon ausgeblendete Mister Braunlederjacke wieder das Wort an Tony richtete.
„Und, Kumpel, was führt sie hier her?“
„Gute Frage. Vielleicht ist es der Kakao hier.“ antwortete Tony trocken.
Zu seinem überraschen lachte der alte Mann.
„Hahahaha“ lachte er „Du beherrschst vielleicht Sarkasmus Kumpel, bin ich echt n Fan von!“ sagte er und klopfte Tony auf die Schulter. Tony hasste es, wenn ihm jemand auf die Schulter klopfte.
„Ich bin übrigens Joe.“ Er reichte Tony die Hand.
„Tony.“ sagte Tony knapp und sah sich kurz die väterliche Hand an, schaute dann aber wieder in sein fast-leeres Glas.
„Verstehe, verstehe…“ sagte Joe. „Ist nicht dein Tag, was? Na, ja. Ist ja auch kein großes Wunder. Wenig Weiber hier hier im Schuppen…der Tiger leidet Hunger, stimmt’s?“
Und wie er Recht hatte. Dieser Typ, mit seiner braunen Lederjacke und seinen grauen Bartstoppeln hatte anscheinend ein Auge für die ein oder andere wichtige Sache. Auf Tonys linkem Platz saß immer noch kein schöner, großer Weiberarsch, also beschloss er, sich auf die Konversation einzulassen. Auch eine Konversation war eine Sanduhr. Vielleicht keine berauschende, aber dafür war sie kostenlos.
„Bingo.“ sagte Tony. „100 und nen halben Punkt an dich, Joe. Und was treibt einen Mann wie dich an diesen Ort hier? Die Drinks unten in im Süden schmecken um n vielfaches besser. Nimm’s mir nicht übel, aber du siehst nicht so aus, als hättest du es wirklich nötig, dich von billigen Drinks trösten zu lassen.“
„Wow“ sagte Joe erstaunt. „Du kannst ja doch mehr als zweite Worte von dir geben“ bemerkte er und freute sich.
„Um ehrlich zu sein, hast du Recht. Kohle hab’ ich genug. Mich treibt etwas anderes hier her, etwas, was man sich nicht für ein paar Kröten besorgen kann.“
„Oh nein“ lachte Tony bitter „Liebe?“
Joe wurde ernst.
„Nein, nein. Nicht direkt. Mich treibt eine Geschichte hier her. Die billigen Drinks von denen du redest, sind ein Teil davon, genau so wie die Frauen die hier ihr Umwesen treiben und die von dir belächelte Liebe ein Teil davon ist.“
Die Ernsthaftigkeit, kitschigerweise sogar der Schmerz der in Joe’s Stimme lag, weckte Tonys Interesse. Tony blickte deshalb sicherheitshalber noch mal links. Kein Weiberarsch.
„Nun dann Joe“ sagte Tony. „Ich will sie hören. Erzähl sie mir.“
„Immer sachte, Kumpel. Erst mal brauch ich auch einen von denen da.“ Er zeigte auf Tony’s, mittlerweile fast leeres Glas. „Und du könntest anscheinend auch mal wieder Nachschlag gebrauchen, mh?! He, Barkeeper, mach uns zwei neue von denen hier. Und ersauf den guten Gin nicht im Tonicwater, verstanden?!“
Der gut gebaute Barkeeper nickte und machte keine Anstalten gegen Joe’s rauen Ton zu protestieren. Hätte Tony sich so einen Spruch erlaubt, hätte er sich nach Feierabend mit dem Barkeeper sicher einen Kampf liefern müssen.
„Hier, Sir, ihre Drinks.“
Joe probierte. „Genau so. Danke.“ sagte er und drückte dem Barkeeper ungezählt ein paar Scheine in die Hand.
„Also, Kumpel.“ sagte er und nahm wieder einen Schluck von seinem Gin. „Vor vielleicht zwanzig Jahren, da war ich genau so ein Raubtier wie du. Aber genau so wie du, lieferte ich mir an diesem einen Abend nur zwei große Kämpfe. Den mit dem Drink unter meine Nase und den mit den wenigen Kröten in meiner Tasche. An Vaginas war an diesem Abend nicht ernsthaft zu denken und der nette, alte Mann, der Geschichten erzählen konnte, war damals jung, geil und pleite. Und so mit blieben rechts und links die Plätze frei. Minuten vergingen, vielleicht Stunden. Menschen wurden in dieser Zeit geboren, andere verreckten am anderen Ende dieser Welt an Hunger, aber ich, ich saß hier, und schlürfte einen Drink nach dem anderen leer. Der Barkeeper, ein kleiner, habgieriger Ire, lag hinter seiner großen Theke natürlich auf der Lauer und, als er sich sicher war, das er sich nicht mehr zu fürchten hatte, legte er mir n Stück Papier vor die Nase. Es war die Rechnung. `Ach du grüne Scheiße!` dachte ich. Nie und nimmer konnte ich diese Summe begleichen und sah mich schon die leeren Gläser von dem Affen schrubben. Das ganze Jahr lang durch. `Nicht mit dir Joe` dachte ich mir und sah mich nach Fluchtmöglichkeiten um. Das hatte der Ire natürlich sofort bemerkt, auf seiner Lauer und ehe ich überhaupt einen Fuß vor den Anderen setzen konnte, packte er mich an meinem Kragen. `Denk nicht mal dran` sagte er. Für einen Kampf war ich zu besoffen, für die Flucht zu festgenagelt. Ich hatte schon allen möglichen Shit vor Augen, Bullen, Knast, Schlägerei, den üblichen scheiß halt, den man in deinem Alter im Kopf hat, aber das alles war natürlich nichts dagegen, was wirklich kommen sollte. Wie beschränkt meine Fantasie damals doch war…“
Seinen letzten Satz sprach Joe sehr nachdenklich und es gehörte nicht zu dem Rest der Geschichte. Fast wie ein nicht passendes Puzzlestück. Er blickte auf seinen Drink, schüttelte bitter grinsend den Kopf und nahm wieder einen kräftigen, langen Schluck. Tony, mittlerweile an Joe’s Lippen gefesselt, tat es ihm gleich.
„Gut“ besann er sich wieder und sprach wieder mit der gleichen, rauen und starken Stimme. Die Nachdenklichkeit war wie ausgelöscht.
“’Ich zahl seine Rechnung, Elay` hörte ich eine Weiberstimme hinter mir sagen. Ich kam darauf natürlich erstmal nicht klar und wendete meinen besoffenen Kopf von der irischen Fratze des Barkeepers ab und musterte das Prachtstück.
Pechschwarzes Haar, eine Bombenausstrahlung und eine kreideweiße Haut. Junge, Junge. Ich hatte schon einiges gesehen, aber das Exemplar, Tony, das kannst du mir glauben, das war wirklich eine Nummer für sich. Ich, als guter Gentleman, hätte natürlich sofort gegen ihre Güte protestieren müssen, aber in dem Moment war mir so ein Akt weniger ein fairer Preis dafür, dass ich nicht die ganze Nacht in der Wache verschimmeln musste oder einen Kampf auszutragen hatte, den ich womöglich verloren hätte. Ich bedankte mich natürlich bei ihr, oder besser gesagt, ich brachte nur ein stotterndes `Da-Da-danke Milady` hervor. Sie grinste, unglaublich wie sie grinste, war wie das Grinsen einer Mama, nach dem man Scheiße gebaut hat, aber man selbst ist zu klein und süß, als dass man es uns übel nehmen könnte. Sie realisiert natürlich, dass meine Eier gerade im Urlaub sind:’Darf ich mich setzen, Sir?“ sagt sie und Ich:`Kl-klar’. ‚Scheisse, Joe’ dachte ich wieder. Ich hatte keine Kohle. Ich konnte ihr keinen Drink anbieten, also tat ich das, was ich am besten konnte. Ich unterhielt mich mit ihr. Es war ne gute und lange Unterhaltung, sie hatte wirklich was aufm Kasten.
`Was für n Abend Joe` dachte ich mir. ‚Erst zahlt das Goldstückchen deine Drinks und dann baggert sie dich auch noch an‘. Tony, glaub mir, in dem Moment, ja doch Tony, da hab ich echt an Gott geglaubt und an Gerechtigkeit und so n Scheiß.
Jedenfalls entwickelt sich aus unserem intellektuellen kleinen Talk ein richtig geladener Flirt. Meine Güte, wir fickten nur über unsere Stimmen. Langsam kehren auch meine Eier aus dem wohlverdienten Urlaub zurück und ich mache der Lady ein unmissverständliches Angebot. `Fahren wir zu mir Baby` sage ich. „Ich schulde dir n großes Dankeschön`.
Und was macht Sie? Sie grinst grinst wieder ihr Mamalächeln, dass mich so verrückt macht und sie sagt `Joe’ sagt sie, ich bin ein gefährliches Mädchen.’ Junge, junge. Aus ihrem Mund klang das so, als hätte sie gerade indirekt gesagt, dass niemand auf diesem Planeten besser mit meinem Schwanz umgehen könne als Sie. Hinterher wusste ich, ich hätte sie beim Wort nehmen sollen. Aber da antworte ich `Haha! Mit gefährlichen Mädchen kenn ich mich aus, Babe!“ und sie wieder verführerisch:’Sicher Joe? Das könnte dein ganzes Leben auf den Kopf stellen’. Das einzige, was mich da fast auf den Kopf gestellt hätte, war mein Ding in der Hose gewesen. Wir verließen also sofort die Bar und beim gehen schenkte ich der irischen Arschbacke noch ein dreckiges, arrogantes Grinsen und haute meinem Mäuschen auf den Prachtarsch. Statt neidisch oder beleidigt zu gucken, grinste er zurück und winkte mir nur freundlich zum Abschied. Das hätte mich stutzig machen sollen, aber wie gesagt, ich war jung, pleite, geil und hatte dann auch so einen Prachtarsch in meiner rechten Hand. Also schiss ich auf ihn und seine irische Drecksbar.“
Joe’s Stimme war trocken geworden. Er ölte sie mit dem Gin-Tonic vor Ihm.
„Wir gingen zu mir, in meine damalige Drecksbude, aber das Ganze kümmerte sie einen scheiß. Kannst du dir das vorstellen? Ein Weib ihrer Klasse und die leeren Bierdosen, ungeöffneten Rechnungen und Essensreste kümmern sie n Scheiß.
Ich war sehr ungeduldig und wir machten heftig rum, zogen uns aus und….ja, sie hatte nicht zu viel Versprochen. Das, Tony, war bis heute DER FICK meines Lebens. Wenn ich mir heute an meiner Aubergine rumspiele, dann denke ich oft an diese Nacht zurück…na ja. Ich schlief irgendwann ein, sie hatte mich echt gefordert und am nächsten Morgen war sie verschwunden und alles was ich hatte, waren die Erinnerungen und ein dicker, fetter Kater. `Schade` dachte ich. Sie war schließlich echt klug, gebildet, hübsch und den ganzen anderen Scheiß, den eine Frau haben sollte, von der du ein Kind haben willst. Tja, und wo wir bei Kind sind - ich hatte natürlich kein Gummi benutzt. Niemand benutze damals Gummis, Tony. Erst Recht kein Typ, der nicht mal seine Drinks zahlen kann. Ich ging dann noch oft in die Bar, aber ich sah sie nie, nie wieder. Nur die irische Arschbacke war plötzlich sehr freundlich zu mir. Naiv wie ich damals war, dachte ich, er zollt mir endlich seinen befickten Respekt, nach dem ich vor seinen Augen so eine Hammerbraut kassiert hatte.“
Tony fand großes Gefallen an Joe’s Geschichte und er saß plötzlich gebannt auf seinem Platz und lauschte seinen Worten. Seine Story erinnerte ihn ein Stückweit an ihn selbst und an seine unzähligen Nächte und Momente hier. Nur statt der Hammerbraut saß rechts von ihm immer noch Joe und sein linker Platz war immer noch frei.
„Nun, Tony. Leider ist die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Eines Tages, ich war gerade auf der Arbeit, merkte ich es. Eine fette Grippe war im Anmarsch. Meine Lymphknoten waren geschwollen wie Medizinbälle, mein Fieber war das Höllenfeuer selbst. `Wird schon, Joe` dachte ich mir, war ja n harter Junge und musste mir dann schließlich doch Urlaub nehmen. Saß Zuhause den ganzen Tag auf der Couch, trank Kamillentee und kuschelte mit meiner Wärmeflasche oder den Ladys von nebenan. Aber die scheiß Grippe ließ mich nicht in Ruhe, und wenn mich etwas nicht in Ruhe lässt, könnt’ ich an die Decke gehen, also ging erstmal ich zum Doc. Der war natürlich erst ratlos, wie alle Doc’s und nahm mir dann was von meinem Blut ab. `Nicht trinken` scherzte ich da noch `Sie könnten sich einen richtigen Rausch einhandeln`. Eines Abends dann, ich kuschelte wieder mit einer meiner Ladys, rief er mich Zuhause an. `Joe` sagte der Arschficker von Doc `Ich muss sie unbedingt persönlich sprechen.` Er klang sehr ernst am Apparat und ich machte mich sofort auf den Weg zu ihm. `Nun` sagte er und machte mich echt ungeduldig. `Wasn verdammt noch mal los, Doc?` frage ich und er reicht mir nur einen Zettel. Ich lese und lese und unten steht es dann. Ich habe den HI-Virus. Aids. Ich bin n Todgeweihter, ne tickende Zeitbombe, werde nie wieder ohne Gummi meine Bockwurst in andere Senfgläser tunken können“
Tony hatte gerade einen Zug von seinem Gin genommen, aber schockiert wie er war, verschluckte er sich und fing an zu Husten. Joe blickte Tony an und brach wieder in lautes, raues Gelächter aus.
„Genau SO eine Fresse hab’ ich dann erstmal auch gezogen. Vielleicht sah ich da sogar beschissener aus als du. Als erstes nahm Ich meinen Glauben an Gott aus der Bar natürlich sofort wieder zurück und sank erstmal in ein tiefes, tiefes pechschwarzes Loch. Das hätte eigentlich schon mein Grab sein sollen. Über die scheiß Zeit will ich nicht im Detail reden. Aber letzten Endes war es der Gedanke an die arme Lady mit Klasse, der mich wieder aus dem Grab raus schaufelte. Vielleicht hatte ich sie angesteckt? Vielleicht wusste sie nichts von ihrem Unglück? Vielleicht war ich, Joe, Verantwortlicher einer Aidsepidemie im ganzen Umkreis von beschissenen 500 Kilometern? Was weiß ich schon? Ich suchte also die Bar auf, schließlich war der irischer Barkeeper der einzige Typ, der uns beide irgendwie kannte. Er sagte, er wisse nichts über sie, aber kennst du diesen Blick bei manchen Menschen Tony, die dir genau das Gegenteil bestätigen? Ich hatte an diesem Abend keinen Gin-Tonic getrunken, Tony, und zu verlieren hatte ich auch nichts mehr. Ich polierte ihm seine Kackfratze. Ich polierte sie ihm lange und gründlich und keiner in der Bar regte auch nur einen Finger. Der Barheini wohl nicht der Beliebteste dort. Irgendwann hatte er wohl genug, oder ihm war klar, dass ich ihn Killen würde, wenn er nicht Sprach. Und, heiliger Jim Beam im Himmel, weißt du was er mir sagt?
Erstens, sagt er mir: Die Lady ist seine Schwester. Jetzt hatte er mich geil gemacht. Ich fummelte also weiter an ihm rum. Zweitens, nach dem ich ihm den ein oder anderen Knochen brach: Sie ist eine männerhassende Psychopathin, verteilt nur aus Hass ihre Seuche an alle wedelnden Schwänze. Ausser auf den ihres Bruders natürlich…und Drittens, nach dem ich Anfing an seinen dreckigen Fingern rumzusägen, packte der Bastard komplett aus: Er steckte mit ihr unter einer Decke. Das Ganze war ne Masche. Er stellte die überhöhten Rechnungen, sie flirtete, fickte und tötete. Das ging wohl schon ne ganze Weile so. Ich war allerdings ihr letztes Opfer gewesen, nach mir ließ sie sich nie wieder in der Bar blicken. `Du wirst sie mir schön unter irgendeinem billigen Vorwand hier her holen, Cowboy’ sagte ich zum Bruder ‚oder dein Schwanz ist als nächstes dran`. Er wusste, beziehungsweise er konnte es ja an seiner Hand abzählen, dass ich Ernst machte. Ich wartete und wartete und hockte am anderen Ende der Bar, als sie die Bar betrat. Brach sofort in Tränen aus, das Miststück, als sie ihren blutenden Bruder erblickt hatte. Aber, verdammt, ich sah sie, und so einfach konnte ich sie nicht töten, weil…“
Er schwieg. An der spannendsten Stelle schwieg der Penner einfach.
„Weil?“ fragte Tony ungeduldig. Jeder Hass auf Werbungen in guten Spielfilmen war mit seiner Neugier verglichen allenfalls ein Witz. Sogar das BarBylon wirkte ungewohnt ruhig, so als würden sie alle nur auf die Fortsetzung warten.
Just in diesem Moment passierte etwas. Ein Arsch hatte sich auf den linken Platz neben Tony gesetzt und der Geruch von einem ganz bestimmten, zuckersüßen Parfüm lag in der Luft. Tony kannte diesen Geruch. Sarah hatte neben ihm Platz genommen. Aber statt selbst Sarah’s volle Zuneigung zu haben , galten ihre strahlend blauen Augen nur Joe. Sie lächelte. Und Joe, zu Tonys eigener Überraschung, erwiderte es.
„Tony, das Leben hat seine eigenen Regeln.“ sagte er. „Wir haben unsere moralischen Verpflichtungen, unsere Gelüste, lassen uns leiten von Rache und Liebe, aber es gibt Momente, diese besonderen Momente, da werfen wir all das über Bord und nur noch die Spontanität diktiert uns, was wir zu tun und was wir zu lassen haben. Diese Lady mit Klasse, diese aidsverseuchte Hure, die war Schwanger. Schwanger von mir, Joe, dem mit der Drecksbude. Als sie ihren Bruder da sah, blutend auf dem Boden, sah ich ihren kugelrunden Bauch und ich war mir sicher, dass mein Sperma die Wurzel des Ganzen war. Ich konnte sie nicht töten, Tony. Noch nicht. Ich ging zu ihr hin und ließ die Maske fallen. Sollte sie ihren Bruder jemals wieder zu Gesicht bekommen wollen, sollte sie mir irgendwann das Baby bringen. Ich sicherte beiden zu, ihnen kein Haar zu krümmen, wenn das Baby gesund bei mir ankommen sollte. Das Baby war doch schließlich mein Fleisch und mein vergiftetes Blut! Die bisherigen Schäden des Bruders waren aus diesem Deal natürlich ausgeschlossen. Haha! Sie willigte natürlich ein. Einige Monate später stand sie vor meiner Tür und hatte dann dieses…dieses kleine Ding in den Armen.“
Er schenkte Sarah wieder einen verliebten, herzlichen Blick, die daraufhin rot anlief und verlegen grinste. In dieser Verfassung hatte Tony sie nie kennengelernt. Der wilde Löwe schnurrte wie ein kleines Kätzchen.
„Ich bat sie hinein, legte das Baby behutsam in mein extra für sie neu gekauftes Bett, hat mich echt n Vermögen gekostet das scheiß Teil, und dann schoss Ich der Hure und ihrem gottverdammten Bruder mein ganzes Magazin in den Schädel und schickte sie somit an den einzigen Ort, wo beide wirklich hingehörten. In die Hölle.“
Schlagartig wurden seine Augen glasig und er wirkte wieder wie der harmlose, liebe Daddy.
„Aber dieser Engel hier“ er blickte zu Sarah „Sieh sie dir an, was für eine schöne Frau aus ihr geworden ist..“
Alles um Tony begann sich zu drehen. Sein Magen, oder das was davon übrig war, verkrampfte. Er sah in Joe’s glasige Augen, hatte alle Geräusche ausgeblendet und blickte dann in Sarahs Augen. Teuflisch, süß und sein Grab schaufelnd.
Dann blickte Tony noch ein letztes mal in sein eigenes Glas.
Es war leer.