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Ich bin der neue Gott

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16.08.2003
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Ich bin der neue Gott

„Fliegen wie’n Vogel klingt zu kitschig, fliegen wie’n Flugzeug ist zu platt, wie’n Schmetterling zu bescheuert.“
Wow, die hat Probleme. Ich hör mir noch kurz die Stille im Telefonhörer an.
Das ist immer so, beim telefonieren schweige ich meistens. Oft. Manchmal.
Ein Reflex, da ich gerne zuhöre. Da ich nichts zu erzählen habe. Da ich kein Leben habe.
Ein emotionaler Vampir, der die Gefühle und Sorgen anderer Leute in sich aufsaugt, da er keine eigenen hat. Durch das Telefonkabel.
Es ist gewöhnungsbedürftig, du sitzt da, deine Existenz vegetiert vor dir hin, und du hörst dir das Leben anderer an. Es reißt dich meistens mit. Natürlich dauert auch dieser Mitreiß-Prozess einige Telefonate.
„Wozu brauchst du dass denn?“, mein Tonfall ist immer auf Situation, Person und Atmosphäre abgestimmt. Hinzu kommt noch der besondere Aspekt im Leben meines Telefonpartners. Oder so was in der Art.
Objektiv betrachtet, sind ihre Leben, nicht weniger langweilig als meines. Aber wenn du hinter all die kleinen Details ihrer Plastikwelt kommst, wird es richtig interessant. Entertainment.
„Ich schreib ein Songtext, dass ist der beste Songtext den ich je geschrieben hab,“, das sagt sie bei all ihren Songtexten bzw. nicht gereimten Ansammlungen von englischen Worten, oder von denen die ihr englisch zu sein erscheinen, „ich weiß, ich weiß, das sage ich bei all meinen Songtexten, aber ich werde einfach immer besser.“
Da, hörst du, sie wird immer besser, auch nur mein Verdienst. Ich hab sie da Wochenlang mit Selbstbewusstseinserweiterung zugeredet.
Ich werde täglich von mindestens 4 verschiedenen Charakteren meiner persönlichen kleinen TelefonSoap angerufen, und alle sie versorgen mich mit genügend Informationen um mit dem Gefühl ich hätte ein Leben, beruhigt schlafen gehen zu können.
Ich puzzle mir ein Leben zusammen aus ihren banalen Infos. Auch wenn ich genauso gut ein Leben unter ihnen beginnen könnte, es ist nicht schwer. Mona hat es mir erklärt, es geht nur darum eine Position einzunehmen, und alle mit irgendwelchem seltsamen Scheiß zu beeindrucken. Gefärbte Haare, sind eines der auffälligsten „Imagepusher“ sagt Lisa.
Siehe auch: Markenklamotten, ein blonder Freund(bzw. Freundin), ein reicher Freund(bzw blah etc.), gutaussehende Freunde mit Markenklamotten, reiche Freunde mit blonden Haaren, blonde Freunde mit gutaussehenden Freunden, mit reichen Freunden, mit Markenklamotten.
Anni sagt eine Ausgabe der neuesten Cosmopolitan tut’s ab und zu aber auch. Oder ein Besuch im Sonnenstudio.
„Ok... dann ließ mir den ganzen Satz deines besten Songtextes vor!“
Laura legt los: blah blah blah blah und so weiter, ich hör ganz hingerissen zu.
Jonas sagt die Gespräche mit mir haben ihm geholfen über seine Beziehungsprobleme hinweg zu kommen. Lili meinte Jonas Freundin sei lesbisch geworden. Yannick sagt, er hätte sie gebumst. Aber die Freundin hat mir erzählt, sie wäre schwanger, von dem Bruder, des Sohnes, der Freundin ihrer Cousine, oder halt von Jonas.
Mein Leben ist aufregend, vollgepumpt mit den selben schwachsinnigen Informationen, wie eures, nur dass ich keine blonden Freunde dazu gebraucht habe.
Emotionaler Vampir.
„Wie wär’s mit, fliegen wie ein Suizid?“, schlage ich vor. Ich bin nicht ganz beim Thema.
„Aber in dem Lied geht es doch um Liebe und Hoffnung!“ was soll denn das bitte sein? Was weißt du denn von Liebe und Hoffnung? Dein blonder, reicher Freund, vögelt drei andere gleichzeitig, während du die Uni jetzt zum 2 mal wiederholst, und schon fast mit beiden Beinen aufm Strich stehst. Dort trägt übrigens keiner mehr Markenklamotten. Aber Hey, ich bin auch optimistisch. Naivchen sind sowieso immer die informativsten.
Manchmal regen mich diese dämlichen Kühe auf. Nicht einmal ihre Rolle beherrschen sie richtig. Immer vergessen sie den Text und rufen dich an. Flehen um Hilfe: Welche Zeile kommt als nächstes? Was tue ich jetzt? Wen soll ich jetzt ficken? Was soll ich jetzt anziehen? Was soll ich jetzt sagen? Wen soll ich jetzt spielen?
Diese nervtötenden Mädchen die fast jeden zweiten Tag vor einem Zusammenbruch stehen, Bulimie-Rückfall, Borderline, Tabletten und weiteren lächerlichen Rückfällen. Anfangs war es ja noch ganz spannend sie zu beruhigen, sie zu besänftigen, man fühlt sich fast wie ein heiliger. Fast wie ein Gott, ein funkelnder Stern der Hoffnung gibt. Aber irgendwann wird es abtörnend, langweilig, so gewöhnlich.
Die ausgesaugten Opfer.
Ich muss mich wieder beruhigen.
Ich gehe die Sache falsch an.
Alles ist gut, die Show geht weiter, eine Totale von meinem Gesicht bitte.
Also, noch mal von vorne, Liebe und Hoffnung.
Ja, also, am besten „Laura, du nimmst *Fliegen wie ein Vogel*!“
„Ja, das klingt ja auch romantisch. OK, das mach ich! Super, das wird echt der geilste Songtext den ich bisher geschrieben habe!“
Ich glaube sie realisiert, dass „Fliegen wie ein Vogel“ ihre Idee war, aber wenn ich es sage, klingt es einfach besser. Denke ich. So wie wenn die Cosmopolitan es schreibt.
Emotionaler Vampir.
Ich bin die neue Cosmopolitan.
Fliegen wie ein Vogel.
Ich lebe euer blondes Leben, ohne mich auch nur wirklich zu bewegen.
Ich bin der neue Gott, ein funkelnder Stern, der Hoffnung gibt.
Wer braucht schon ein eigenes Leben, wenn er gleich alle Leben haben kann.


© Copyright by Alissa Berger

 

Ich habs gelesen. Soll ich mehr sagen? Ich kann nicht.

"Ich bin der neue Gott." Wer wählt solche Titel?

Keine durchgängige Sruktur, eben trashig oder brainstormmäßig, so wie die Gedanken einem kommen, wird schon passen. Genauso scheibe ich auch. Immerhin hast du Einfälle und ein korrektes Deutsch, d.h. das Wichtigste bringst du mit. Struktur und schöne lange Sätze, die so leicht klingen wie kurze, gehören nun mal zum Handwerk. Du wirst es bald beherrschen. Aber noch gilt: Wir Anfänger haben es eben schwer.

Liebe Grüße

S

 

Trotz kleiner Schwächen: ein echt interessanter Text! Ein paar kleine Schiefheiten kann man noch checken, aber der ad-hoc-Innen-Dialog gefiel mir ausgesprochen gut!

Lob von Flic

 

Hi schriftbild, hi fliflac,

danke für eure Kritik und die Rückmeldungen zu meinem Text.
@Schriftbild: Also, ich verstehe was du kritisierst, aber um ehrlich zu sein, mag ich keine langen und schönen Sätze, lieber kurze und präzise. Und du hast recht, die Basis für die meisten meiner Text ist Brainstorming und Trash *g*, aber könntest du es mir genauer erleutern mit der Struktur? Aber eine Struktur ohne schöne, lange Sätze.
@Flic: Ich würde mich freuen, wenn du mir die Schiefheiten in meinem Text zeigst. Danke.

LG,
delena

 

Hallo delena,

es gibt gute Sätze und Gedanken in deiner Geschichte, wie diesen hier zum Beispiel.

Ein emotionaler Vampir, der die Gefühle und Sorgen anderer Leute in sich aufsaugt, da er keine eigenen hat.
Ich kenne einige solcher Leute, deren Glück davon abhängt, dass sie sich um die Probleme anderer kümmern können, deren Glück also das Elend anderer ist. Diese kann man gut als emotionalen Vampir bezeichnen.

Es ist gewöhnungsbedürftig, du sitzt da, deine Existenz vegetiert vor dir hin, und du hörst dir das Leben anderer an
hier müsste es allerdings deine Existensz vegetiert vor sich hin heißen, das der Bezug auf der Existenz liegt.
Was mir überhaupt nicht behagt, und was meines Erachtens auch nciht zu der Geschichte passt, sind die kurzen, unvollständigen Sätze. So wirkt mir das ganze zu abgehackt, zu gehetzt und zu wenig strukturiert. Es hätte von der Idee her eine gute Geschichte über Moderatoren täglicher Talk oder Telefon Talk Sendungen werden können, über den Voyerismus, sich am Leben anderer zu befriedigen, anstatt die eigenen Leere zu ergründen.
Leider hast du das mit diesem Stil ein bisschen verschenkt.

Trotzdem liebe Grüße, sim

 

Ich finde, es passt zur Geschichte, die kurzen unvollständigen Sätze. Als ein Telefon Talk würde es meiner Meinung nach zu banal klingen, zu einfach. Die kurzen Sätze charakterieren den Erzähler.

 

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