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Ich, Ausländerfreund!
Ich, Ausländerfreund!
Ich schäme mich zutiefst, bisher mit unseren türkischen Freunden nie mehr als die Worte „Ein’ Döner und eima Falafel, aber den Döner mit viel scharfer Soße!“ gewechselt zu haben. Ich bin betrübt darüber, nie mit den afrikanischen Studentenkollegen an der Uni die Congas geschlagen zu haben. Mir wird vorgeworfen, nie das Sushi zum Japanischen Abend in der Studentenspelunke probiert zu haben. Zu allem Überfluss musste ich beim letzten Volleyballturnier für die einzige Mannschaft ohne ausländische Kommilitonen als Ersatzmann herhalten. Aus irgendeinem Grund schienen meine Mitstudierenden von auswärts einen Riesenbogen um mich zu machen. Ich kam mir furchtbar rassistisch vor. Dabei bin ich doch so ein Lieber. Aber zumindest habe ich mit den englischen Bauarbeitern gesoffen. Diese waren aber weder Studenten, noch integrationsbedürftig, deswegen zählte man sie auch nicht zum studentischen Begriff des Ausländers. Ich war der einzige Student, der noch nicht einmal im entferntesten Freundeskreis einen ausländischen studentischen Bekannten sein Eigen nennen konnte, geschweige denn einen Name wusste. Das musste sich ändern, denn mich hatte der Integrationswahn gepackt.
Ich schrieb mich in das Grammatikseminar bei den Germanisten ein. Da sollte man doch wohl auf einen von auswärts treffen. Und tatsächlich. Beim Anblick des Afrikaneranteils von mindestens siebzig Prozent hüpfte mir das Herz vor Entzücken. Ich setzte mich neben den Studenten mit der schwärzesten Haut, grinste breit und schüttelte ihm die Hand. Mit gebrochenem Deutsch machte ich ihm meinen Standpunkt klar:
„Ich, Dein Freund, ich Ausländerfreund!“
Mein Gegenüber antwortete mir in brutalstem Sächsich:
„Gonnste moh nisch soune Schaise dohäor rädne?“
„Wie jetzt? Aber…wieso..?“ Mir schoss das Blut in den Kopf und ich musste das Seminar verlassen.
Nach diesem Rückschlag suchte ich Rat beim „Japaner“, einem deutschen Japanologiestudenten, der seit dem Tag seiner Immatrikulation nie mehr ohne ausländische Begleitung gesehen wurde. Dieser Mann verkörperte den Innbegriff der Integration. Und wo ich schon mal da war, lud ich mich gleich noch zum Abendessen ein. Es gab Sushi, und viele seiner japanischen Studienkollegen hatten sich angesagt. Er gab mir noch den Tipp, möglichst tief in die Kultur des anderen einzudringen. Prima, vom Eindringen verstand ich was und baggerte was das Zeug hielt an der schönsten Japanerin des Abends herum. Aber mein Wunsch nach kulturellem Eindringen blieb verwehrt, denn der guruähnliche Status des „Japaners“ zog alle Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. Selbst mein vorgeführtes Yokozuna Dohyo-Iri* ließ die schönste Japanerin des Abends kalt.
Mit hängendem Kopf verließ ich die Party. Für diesen Abend blieb mir nur noch das Besäufnis mit den Engländern. Zumindest hatte ich es an diesem Abend irgendwie mit Nichtdeutschen zu tun…glaubte ich jedenfalls. Ich kann mich nur noch erinnern, Englisch gesprochen zu haben. Ob ich einen Gesprächspartner hatte, wusste ich auch nicht mehr. Aber immerhin, eine Fremdsprache.
Der Morgen danach war wie alle anderen Morgen danach. Ich glaube ich vertrage das Schuhwerk nicht. Jedenfalls hatte ich heftige Kopfschmerzen und die Schuhe noch an. Schuhe an, Kopfschmerzen, Schuhe aus, keine Kopfschmerzen. Mir war klar, dass es da einen Zusammenhang gab.
Zu meinem Glück zog im Nachbarzimmer des Studentenheims eine Kollege aus Russland ein. Wäre doch gelacht, wenn ich mir den nicht an Land ziehen könnte. Zum Einstand besorgte ich eine Flasche vom feinsten Wodka. Einen Tag später bat ich ihn in mein Zimmer und drückte ihm ein Glas mit dem edlen Gesöff in die Hand. Bei mir gab es keine Widerrede und er kippte sich notgedrungen das Zeug hinter den Riemen. Auf einem Bein kann man nicht stehen! Nach dem zweiten bekam er leichte Würgerreize. Aber damit das teure Zeug nicht wieder auf dem Boden landete, drückte ich ihn an mich und hielt ihm die Hand vor den Mund. Dann ließ ich ihn erst mal zur Ruhe kommen. Aber alle guten Dinge sind drei! Der dritte gab ihm den Rest. Er riss sich los, rannte in sein Zimmer, schnappte seine sieben Sachen und begab sich fluchtartig zum Fahrstuhl. Somit war der Russe, dessen Namen ich nicht mal kenne auch über alle Berge.
Irgendwas mache ich doch hier verkehrt. Offensichtlich gab es Beschwerden über mich an höchster Stelle. Die Drohanrufe des StudentInnenrates nahmen zu. Der Dekan drohte mir mit Exmatrikulation, wenn ich nicht sofort mit meinen unorthodoxen Freundschaftsangeboten aufhöre, denn die ausländischen Studenten schienen etwas verstört zu sein. Dabei bin ich doch so ein Lieber.
Endlich! Mit Unterstützung des Ausländerbehörde und des StudentInnenrates fand anlässlich des Tages des Ausländischen Studenten in der Mensa ein Konzert afrikanischer Congaspieler aus Mozambique statt. Mikrofone und Kameras des Regionalsenders suchten eifrig die Studentenschar, die aussah, als ob sie etwas ganz, ganz positives über Integration sagen könnte. Das Getrommel war grässlich, aber zumindest konnte ich Integrationswillen beweisen.
„Was halten sie denn von Integration?“
Die Studentin mit dem grünen Baumwollrock und dem selbstgestrickten Stirnband neben mir antwortete artig:
„Die Integration ausländischer Studenten ist wichtig für die Universität, ja für das ganze Land, und wir müssen uns bemühen unseren Freunden zu ermöglichen, sich am kulturellen Leben beteiligen zu können, Bildung und Wissen zu erwerben und gezielt am Austausch von Informationen teilzuhaben…“
Nun gab es kein Halten mehr und es platzte aus mir heraus:
„Der is ja völlig aussem Takt, also die Dragparadiddle** muss er ja noch üben, und der Typ mit der Bassconga hat wie ich finde arge Timingprobleme, also so wird das nix, völlig unhomogen, also wenn ich so mit der Band auftreten würde, würden die uns von der Bühne prügeln…“
Uups? Hab ich das eben laut gesagt? Die Vertreterin der Ausländerbehörde und der stellvertretende Vorsitzende des StudentInnenrates kamen an meinen Tisch und forderten mich zum Gehen auf. Wieder nix!
Als ich auf dem Weg nach draußen war, gesellte sich ein Typ aus dem Jemen zu mir, den alle nur unter seinem Spitznamen Feten-Ali kannten. Feten-Ali pflichtete mir bezüglich der grottenschlechten Trommellei absolut zu. Nebenbei stellte er fest, dass das alles andere als Heavy Metal war. Wir gingen eine Etage tiefer in die Zulöterei und gaben uns die Kante, tauschten Heavy-Metal-Weißheiten aus und baggerten an den Frauen der afrikanischen Trommler herum. Wie durch ein Wunder war damit meine Integration in die ausländische Studentenschaft endgültig vollzogen.
Noch ein paar Begriffserklärungen:
* Yokozuna Dohyo-Iri: Ringbesteigungszeremonie des höchstrangigen Sumoringers der japanischen Profiliga
** Dragparadiddle(amer.): -Technikübung für Schlagzeuger