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Ich übe malen

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12.01.2016
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Ich übe malen

Als ich das erste mal auf dich traf, konnte ich deinen Charakter nicht wirklich einschätzen. Nicht, dass ich das jemals zu meinen Stärken gezählt hätte, dennoch mochte ich das Selbstbild, das ich kreiert hatte, dem ich den Arbeitstitel „Ich durchschaue Menschen und kann einschätzen, ob sie mir Gutes oder Schlechtes wollen“ gab und das ich jedes mal voller Stolz betrachtete, wenn es in meinen Blick fiel. Großer Fehler.

Verstohlene Blicke, aufmerksames Zuhören, wenn du dein Wort an jemanden richtest und schüchternes Lächeln, all das war charakteristisch für unsere Anfangszeit. Ah, du interessierst dich für Musik; du beweist Geschmack bei der Aufzählung deiner Lieblingssongs. Smalltalk, der darauf hindeutet, dass uns mehr verbindet als die bloße Idee voneinander.
Wir sehen uns öfter, deine Anwesenheit empfinde ich nicht als anstrengend. Du fragst mich was ich mache; ich male; du schreibst, das ist so ein kreatives Hobby!

Nachmittage in Cafés, du redest über die Einrichtung und bewunderst die hübsch angerichteten Tortenstücke, die man uns bringt. Ich berichte dir von meinem Tag. Alles bleibt zunächst oberflächlich, aber du liest gute Bücher. Stundenlang schleudern wir uns Zitate unserer Lieblingsautoren entgegen und das macht mich glücklich, denn du bist sehr gebildet, viel gebildeter als ich es je sein werde. Trotzdem dir deine überragende Klugheit durchaus bewusst ist, gibst du dich mit mir ab, lässt mich dein Zeitvertreib sein und ich bewundere deine Geduld mit mir.

Ich will mehr von deiner Zeit, mehr von deiner Aufmerksamkeit und da du dein iPhone zu deinen ständigen Begleitern zählt, machst du mir es sehr leicht. Eine Nachricht an dich, ein Foto an mich, du erlebst so viel Interessantes!
Du gehst auf Reisen, besuchst hier und da mal einen Freund, überall scheinst du jemanden zu kennen und ich wünschte mir erginge es wie dir! Trotz alledem findest du immer Zeit für mich.

Du besuchst mich in meiner Wohnung, mein aus Sperrmüll zusammengestelltes Chaos, aber nein, du verurteilst mich nicht. Klar, du hast Geld, aber verwöhnt bist du nicht, denn du weißt den Wert einer Designer Handtasche zu schätzen.
Wie schön, dass du überhaupt keine Vorurteile hast, du kannst den billigen Rotwein genießen, den ich dir anbiete. Obwohl der Wein zu süßlich schmeckt, habe ich schon einige Gläser geleert und das macht sich bemerkbar, hoffentlich fällt dir nicht auf, dass ich angeheitert bin. Dir hingegen ist nichts anzumerken, wie kann das nur sein, du bist so dünn. Deine Trinkfestigkeit ist bemerkenswert!

Wir plaudern über dies und das, was ist der Sinn deines Lebens? Und wie sehe ich das? Du willst meine Kunst sehen? Klar, aber gut male ich nicht, ich benötige noch viel Übung. Natürlich kennst du viele Künstler und du ermunterst mich, es zu versuchen, schließlich haben deine Bekannten es auch geschafft, warum also nicht ich. So eine positive Lebenseinstellung, vermutlich kannst du alles schaffen, was du dir vornimmst und ja, du hast die höchsten Ziele. Warum kann ich nicht sein wie du?

Ich habe das Gefühl immer mit dir verbunden zu sein, denn von deinem Leben erzählst du mir viel und alles sieht so rosig aus bei dir. Du scheinst sehr beschäftigt, denn du musst ehrgeizig deine Ziele verfolgen, ich verstehe das.

Heute hast du mal keine Zeit, denn du erledigst gerade dies und das. Morgen? Wer weiß.

Doch auf Dauer macht es mir keinen Spaß alleine Torte zu essen, ich langweile mich, denn ich erhalte keine Fotos mehr von deinen Unternehmungen. In welcher Stadt du heute bist, hast du mir gar nicht erzählt. Als ich dich frage wirkst du abwesend, aber bestimmt habe ich dich nur in einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt. Sicherlich erlebst du gerade etwas aufregendes. Ich warte wohl besser ab, gebe dir Zeit mich zu vermissen.

Leider werden die Abstände zwischen den einzelnen Nachrichten, die du an mich verfasst, immer größer und ich mache mir große Sorgen um dich. Vielleicht bedrückt dich ja etwas.

Ich habe immer mehr Zeit um malen zu üben, ich werde immer besser. Den Wein, den ich für uns gekauft habe muss ich wohl alleine trinken, besuchen kommst du mich schon lange nicht mehr. Dabei denke ich über dich nach und frage mich, was ich wohl falsches gesagt haben könnte, denn sicher bist du wütend auf mich.

Wochen vergehen und irgendwann finde ich es nicht mehr schlimm, alleine im Café zu sitzen. Lange habe ich nichts von dir gehört, aber deine Fotos, die sehe ich noch. Du hast ein hübscheres Café gefunden und trinkst nun dort deinen Kaffee, mit einer neuen Bewunderin. Wahrscheinlich sprecht ihr gerade über eure Lieblingsautoren und sie hängt begierig an deinen Lippen, wenn du von deinem aufregendem Leben erzählst. Bald wird auch sie nicht mehr von Relevanz für dich sein.
Zum Glück kann ich nun besser malen, mein Selbstbild habe ich auch korrigiert.

 

Hola Ocean,

ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern! Und Glückwunsch zur Wahl Deines Nicks – das kann bei aller Weite und Tiefe nur Synonym für eine Frauenseele sein!

Eine schöne Geschichte hast Du präsentiert.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, doch beinahe nicht der Rede wert:

... , wenn es in meinen Blick fiel.
Demnach müsste sich das Selbstbild bewegen. Fällt nicht eher der Blick auf irgendetwas?

... und das ich jedes mal voller Stolz betrachtete
... jedes Mal ...

... da du dein iPhone zu deinen ständigen Begleitern zählt, ...
zählst

Klar, du hast Geld, aber verwöhnt bist du nicht, denn du weißt den Wert einer Designer Handtasche zu schätzen.
Wie ich’s auch drehe und wende – aus diesem Satz werde ich nicht schlau. Hilf mir mal auf die Sprünge.
Ich warte wohl besser ab, gebe dir Zeit K mich zu vermissen.
Dieser Satz gefällt mir sehr gut.

Bald wird auch sie nicht mehr von Relevanz für dich sein.
Das ‚Relevanz’ stört mich ein wenig. Ich habe mich im Nu an Deine Sprache gewöhnt, doch dieses unnötige Fremdwort empfinde ich als unpassend. Schau mal bei Google nach Synonymen für dieses Wort.

Tja, so ist das mit Mister Perfect. Er ist zu schade für nur eine. Wie der tag ankündigt, bleibt es bei der Romantik, und Du hast die Geschichte gut erzählt. Sie fließt etwas brav dahin, aber das scheint mir kein Fehler zu sein. So zeichnest Du die Protagonistin, wie sie Torte essend ihren Superman anschmachtet.
Lust auf etwas mehr verspürt sie wohl nicht? (Ich weiß, so eine blöde Frage kann nur ein Mann stellen).
Obwohl wenig aufregend, habe ich Deine Geschichte gern gelesen. Der Text fließt ruhig und harmonisch dahin, und der Leser wird sanftmütig und melancholisch.
Bis auf fehlende Kommas alles prima. Ein guter Einstand!

Schöne Grüße!

José

 

Hey Bas,

vielen Dank für deine so positive Kritik. Ich bin sehr erfreut darüber, dass meine Geschichte dich zum Nachdenken gebracht hat!
Genau diese Trauer über die veränderte Situation wollte ich rüber bringen ohne dass es kitschig wird, es ist schön zu hören, dass das bei dir angekommen ist.

Dass der erste Absatz dir merkwürdig vorkommt verstehe ich sehr gut, ursprünglich hatte die Geschichte einen anderen Anfang, der dann gerade doch noch schnell verworfen wurde. Den Anfang sollte ich mir wohl noch einmal vorknöpfen...


Liebe Grüße,

Ocean

 

Hey José!

Erstmal vielen Dank für die liebe und ausführliche Kritik - so wird man gerne willkommen geheißen. Mit deiner Annahme liegst du selbstverständlich richtig.

Die Sache mit dem "beweglichen Selbstbild" habe ich nicht bedacht. Ist tatsächlich ein Denkfehler, ich überlege mir, wie ich das verbessern kann...

Die kleinen Fehler habe ich übersehen, danke dafür, dass du mich darauf hinweist!

"Klar, du hast Geld, aber verwöhnt bist du nicht, denn du weißt den Wert einer Designer Handtasche zu schätzen."

Hier wollte ich mit "wertschätzen" und "einen Wert schätzen" spielen. Das ist offenbar nicht ganz deutlich geworden.
Es ist so gemeint, dass die Figur ihren Reichtum wertschätzt und auch ganz genau weiß, wie viel man für eine Designer Handtasche blechen muss, also den Wert der Handtasche einschätzen kann. Da habe ich wohl einfach zu kompliziert gedacht oder mein Versuch komisch zu sein, war es dann doch nicht... Na ja.

Bald wird auch sie nicht mehr von Relevanz für dich sein.

Ich kann sehr gut nachvollziehen was du meinst. "Bald wird auch sie nicht mehr wichtig für dich sein." gefällt mir auf Anhieb sogar schon besser.

Sie fließt etwas brav dahin

Ich wollte, dass die Protagonistin gefasst wirkt und sich nicht übermäßig emotional verhält, dementsprechend habe ich meine Worte gewählt. Außerdem sollte unbedingt vermieden werden, dass das Ganze zu einer Kitsch-Story wird, deswegen habe ich mich gegen dramatischere Ausdrücke (bzw. gegen einen dramatischeren Stil) entschieden.

So zeichnest Du die Protagonistin, wie sie Torte essend ihren Superman anschmachtet.
Lust auf etwas mehr verspürt sie wohl nicht?

Nein, das hat sie wohl nicht. Stattdessen hat sie ja ihre Kunst und wird wohl eher weiterhin an ihrem Selbstbild werkeln!


Ich freue mich, dass meine Geschichte ankam und bedanke mich für die freundlichen Worte!

Liebe Grüße,

Ocean

 

Hey Ocean,

mir hat dein Text gefallen. Den Anfang empfand ich noch ein wenig holprig, und leider bin ich an manchen Tagen ein schlechter Leser und bin fast darüber gestolpert. Doch die sanftmütige Erzählstimme hat mich an die Hand genommen und durch die Geschichte geführt.
Zum Anfang: ( nur der erste Absatz )

Als ich das erste mal auf dich traf, konnte ich deinen Charakter nicht wirklich einschätzen. Nicht, dass ich das jemals zu meinen Stärken gezählt hätte(.)
Ich finde, das ist ein sehr schöner Einstieg. Danach aber wirkt es holprig. Aber du hast ja schon gesagt, du knöpfst dir den noch einmal vor. ;)

Weiter im Text ...

Ah, du interessierst dich für Musik;
Ich würde das Ah wegmachen, würde dann besser zu der Stimmung passen.

Trotzdem dir deine überragende Klugheit durchaus bewusst ist, [...]
Irgendwie stolpere ich über das trotzdem - wirkt falsch, obwohl ich dir das jetzt nicht, keine Ahnung, sprachwissenschaftlich, klug erklären kann, wieso, äh, ja ich würde einfach obwohl nehmen. Ich weiß nicht, der Trotz passt da nicht rein - von meinem Bauchgefühl her.

Deine Trinkfestigkeit ist bemerkenswert!
Da musste ich fast schon über die naive, total verschossene Art und Weise lachen, richtig kitschig wie der Kerl angehimmelt wird. Aber ja, das passt perfekt zur Geschichte, zum Ich. Daher tolle Stelle.

Man kann den Text in zweierlei Arten lesen, einerseits mit der sanftmütigen Erzählstimme einer naiven Ich-Erzählerin, die den tollen Traumprinz anhimmelt, aber doch nicht allzu emotional, irgendwie auch distanziert, und andererseits mit einem etwas ironischen Unterton - mit einer Ich-Erzählerin, die dann sogar, ja, distanziert die Sache betrachtet - fast schon sarkastisch. Je nachdem, für mich funktioniert beides gleichzeitig. Wie gesagt, mir hat der Text gefallen, ebenso wie die Art der Ich-Erzählerin, die sich davon nicht wirklich, emotional, beeindrucken lässt. Sie malt, hat ihrer Kunst - übt sich weiter.

Also, guter Einstand, Willkommen hier, auch wenn du bei der KG nur erzählst und malst, deshalb freue ich mich schon auf eine KG mit mehr Aktion und Dialog und so. Schreiben kannst du! ;)

Lieben Gruß
Simba

 

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