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I took the last train home

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08.03.2016
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I took the last train home

Es war nicht immer einfach, das muss ich zugeben. Trotzdem werde ich das Alles irgendwie vermissen.

Ein letztes mal drehe ich eine Runde durch meine kleine Wohnung. Die Räume sind leer und weiß. Das Licht von draußen macht die Staubkörner in der Luft deutlich sichtbar, wie sie seelenruhig auf und ab schweben. Ich streiche über die Plane, mit der ich die alte Kommode bedeckt habe. Sie war schon hier gewesen als ich hier eingezogen bin, also habe ich beschlossen sie auch hier zu lassen.

Ich drehe den Schlüssel im Schloss, atme tief durch, drehe mich um, nehme den Griff meines Koffers und wende mich den Stiegen zu. Der Lift ist außer Betrieb. Wieder einmal, aber für mich zum letzten Mal.

Der Wind, der mir entgegenbläst, als ich zur Tür hinausgehe ist kalt. Kein Wunder, immerhin ist es Mitte Dezember. In einem Anflug von Melancholie blicke ich nochmal die Fassade meines alten Hauses entlang. So unaufregend diese glatte Nachkriegsarchitektur auf die meisten wirken mag, ich habe hinter diesen Mauern meine Jugend verbracht, ich habe in diesen Räumen geliebt und getrauert. Letzteres vor allem, als mir meine Mutter genommen wurden.

In der U-Bahn ignoriere ich die lachenden, mit Punsch angefüllten Menschen und versinke in Gedanken. Ich falle in ein Loch, dass ich all die Jahre zuvor versucht hatte zu verschütten und beginne zurückzudenken.

+++​

Ich habe kaum noch Erinnerungen an meine Kindheit. Die Ärzte hier in Wien attestierten, dass das die Ursache eines Art Schock oder Trauma ist. Dennoch gibt es da einige Dinge, die mir in Erinnerung geblieben sind. Die Überfahrt zum Beispiel. Ich erinnere mich, wie wir in See stachen. An eine verängstigte aber hoffnungsvolle Mutter, die mich in ein dünnes Tuch gewickelt im Arm wiegte. Dann die Wellen, Rufe und Gebete, Weinen, Verzweiflungsschreie. Die Menschen, die sich auf dem Schlauchboot nicht halten konnten und die ich nie wiedersehen würde. Dann schließlich an ein großes Schiff. Ich verstand damals noch nicht viel von der Welt, noch nicht einmal meine eigene Muttersprache, nichtsdestotrotz hat sich die blaue Fahne mit den zwölf gelben Sternen in meinen Kopf eingebrannt. Als ein Zeichen der Hoffnung und der Rettung.

Dann ist da noch der Marsch. Meine Mutter hat mir immer erzählt, wir wären erst in einem Lager gewesen, seien dann aber weitergezogen, wegen der schlechten Zustände. Außer der Kälte und dem Hunger ist da noch etwas anderes. Ich sollte später erfahren, dass wir in Kroatien waren, als diese Sache passierte. Wir waren eine kleine Gruppe. Ein junger Erwachsener hatte sich an die Spitze unsere Gruppe gesetzt und wollte den Weg suchen.
Ich erinnere mich gut an seine braunen Augen und sein breites, freundliches Lächeln als er mir einmal direkt ins Gesicht schaute.

Wir anderen waren müde und fielen immer weiter zurück. Dann passierte es. Ein Knall der wie eine Faust gegen meine Trommelfelle donnerte. Die Luft vibrierte und die Zeit blieb stehen. Um mich herum fielen alle auf den Boden. Einige fingen an sich hysterisch am Boden zu wälzen. Ich soll zu dem Zeitpunkt starr wie eine Salzsäule gewesen sein. Mein Trauma, wie die Ärzte später sagten. Wir blieben an dem Fleck an dem wir waren, bis andere Menschen kamen und uns halfen. Nur sie kannten den Weg aus dem Minenfeld.
Danach klafft wieder ein großes Loch. Meine Mutter sagte immer, ich wäre für die nächsten Wochen Stumm gewesen und hätte mich nicht bewegt. Hilfe hat sie keine bekommen, also ist sie alleine dorthin gegangen, wo sie sich welche erwartete. Ihr deklariertes Ziel war Deutschland.

Angekommen ist sie dann im deutschsprachigen Österreich. Kurz bevor der Grenzzaun gebaut worden war und die Quote eingeführt wurde. Wir wurden gut versorgt, bekamen eine Plane über unsere Köpfe, für die wir mehr als dankbar waren. Schließlich, als die Ärzte auf mich aufmerksam wurden, konnten wir nach Wien in ein Krankenhaus. Ich war damals drei Jahre alt.

Genau betrachtet gab es keinen Grund, warum ich kein Österreicher hätte sein sollen. In den folgenden Jahren als ich aufwuchs, in die Volksschule ging und schließlich ein Gymnasium besuchen konnte, lernte ich fließendes und perfektes Wienerisch. Ich war Muslim, ging aber nur beten, weil ich mich in der Gemeinschaft wohl fühlte und mir die friedlichen, religiösen Lehren Halt gaben. Freunde hatte ich viele. Als ich schließlich meine Matura ablegte und auf die Uni ging, schien alles perfekt. Meine Mutter hatte schon seit meiner Volksschulzeit eine Anstellung in einem türkischen Supermarkt gehabt. Deutsch zu lernen bereitete ihr große Probleme, aber sie bemühte sich und verbesserte sich stetig. Ich wurde zwanzig und hatte gerade meine Zeit beim Bundesheer vollendet, als sich das Schicksal entschloss, mir nochmal so richtig einzuschenken.

Wir hatte es uns zum Ritual gemacht, den Nationalfeiertag mit einem Festessen zu begehen. Wir sahen es als ein kleines Dankeschön für das Land, das uns so gut aufgenommen hatte. Meine Mutter holte das Fleisch erst am Abend. Die Polizei konnte, oder wollte, mir den Vorgang nicht genau schildern. Fest stand: eine Gruppe Jugendlicher, wahrscheinlich Mitglieder einer chauvinistischen Burschenschaft, wie die Behörde mir gegenüber betonte, sahen das Kopftuch und zogen ihre Schlüsse daraus. Den restlichen Nationalfeiertag verbrachte ich im Krankenhaus, um am nächsten Morgen zu erfahren, dass sie ihren Verletzungen erlegen war.
Ein Student als Waise in Wien. Ich begann mich zusehends zurückzuziehen. Meine Freundin verließ ich. Ich war am Boden zerstört. Meine Mutter hatte mir einen Brief geschrieben.

In dem stand, was ich schon wusste, etwa dass mein Vater „zuhause“ in Syrien geblieben war. Es war ein Luftangriff der mich heimat- und vaterlos machte.
Aber sie schrieb auch wovon ich noch nicht wusste. Immer schon, so las ich, hätte sie zurück gewollt um wieder aufzubauen, was aufzubauen ist. Mir hatte sie es nie gesagt, weil sie nicht davon ausgegangen sei, dass ich mitgekommen wäre. Ich sei ja schließlich ein Österreicher, speziell Wiener, wie er im Buche stehe.


+++

Zwei Jahre nach diesem Vorfall ließ ich eine Teeschale zu bruch gehen, als ich die Nachrichten hörte. Der Krieg ist aus! Es ist vorbei!

Was mich dann schlussendlich dazu gedrängt hat, hier alles hinter mir zu lassen, weiß ich noch nicht so recht. Meine Heimat ist Wien. Ich liebe die närrischen Zänkereien zwischen den Bezirken und die Lust am Stänkern. Religion ist für mich Nebensache und wenn, dann rufe ich Gott und nicht Gott mich.

Die Vorstellung in eine fremde Heimat zu fahren, kommt mir komisch vor und ein ungutes Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Meine Zukunft ist ein weißes, unbeschriebenes Blatt.

Es muss ja nicht für immer sein,
denke ich mir und packe meinen Koffer.

Ich trete aus dem Zug und auf den Bahnsteig. Durch den Bahnhof, zum Airport-Shuttle.

Nach zwei Stunden sitze ich in einem Flugzeug, in ein fernes Land. Ich lasse alles hinter mir, um Leuten zu helfen, die mir in jeder Hinsicht fremd sind.

Aber Moment,
schießt es mir durch den Kopf,
das ist ja genau das, was die Österreicher denken mussten als ich kam.

 
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Hallo eccehomo,
eine so berührende Thematik. So wichtig auch, dass man darüber schreiben muss, dass es gar nicht genug Texte geben kann, die von diesen Schicksalen berichten. Sie schildern eine Perspektive der Erlebnisse, die den Bewohnern der Wagenburg Europa weitgehend fremd ist: Bedrohung an Leib und Leben. Wenn ich also den Text rein inhaltlich nehme, bin ich tief berührt und bewegt und erschüttert von den Katastrophen. Wenn ich die Schilderung unter dramaturgischen und sprachlichen Gesichtspunkten anschaue, sehe ich einige Haken und Ungereimtheiten. Lass mich ein paar Beispiele nennen, die für mich nicht ganz passen:

Etwas pingelig, aber ungünstige Wortverwandtschaft:

greife nach dem Griff

Das ist schon eine Spezialnuance: Die Melancholie ist im Anflug, gleichzeitig keimt sie auf.
Mit einem Anflug aufkeimender Melancholie

Hm, oder die mit Trauben angefüllten Punschmenschen. Auch etwas umständlich.
die mit Punsch angefüllten Menschentrauben

Dafür, dass die Explosion zentral für das Trauma ist, finde ich das zu lapidar.
Irgendwann hat es dann einen enormen Krach gegeben.

Gebaut worden war, muss es wohl heißen.
Kurz bevor der Grenzzaun gebaut worden ist

Das nur ein paar Beispiele, neben etlichen Kommas, die fehlen und nicht korrekten Tempi.

Dramaturgisch erscheint mir der Mittelteil zu protokollarisch, zu abgehandelt, Punkt für Punkt. Das ist natürlich auch machbar, wenn ich den Text als authentische Schilderung der Flucht lese. Wie gesagt, durch die Stärke des Themas trägt das schon irgendwie. Aber wenn man eben den Maßstab anlegt, dass es ein geformter, in sich stimmiger und genau disponierter Text sein soll, sieht es anders aus.

Grundsätzlich kann man aber die Frage stellen, was der Text sein soll. Dann bleibt eben, ich wiederhole mich: als Erlebnisbericht eine große Intensität, wie sie von unmittelbaren Schilderungen ausgeht, die nicht den Anspruch erheben, künstlerische Formungen zu sein. Als Text im artifiziellen Rahmen diese und jene Vorbehalte, die ich beschrieben habe.
Herzlich
rieger

 
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Hallo rieger,

Ganz zu Beginn: Danke für deine Rückmeldung!

Ich bin den Text jetzt nochmal durchgegangen und habe einige Schlampigkeitsfehler ausgebessert, außerdem bin ich die Beistrichsetzung durchgegangen. Hoffentlich habe ich die Sache nicht noch schlimmer gemacht.

Was die Fehler bei den Zeiten angeht, habe ich mich bemüht diese zu finden, mir ist aber nicht ganz klar, was du meinst. Vielleicht kannst du dich da noch ein bisserl konkretisieren?

Die Frage der eigentlichen Textsorte hat mich auch beschäftigt. Gelöst habe ich sie nicht zur Gänze. Ja, es soll eine Art Bericht sein.Trotzdem darf man es keinen Tatsachenbericht nennen. Die Erzählung folgt größtenteils meinen eigenen Vorstellungen.

Was also die Textart angeht, will ich mir gar nicht groß den Kopf zerbrechen, die eigentliche Intention war es, zum Nachdenken anzuregen. Nicht nur über das Dominante Thema eines Flüchtlings, sondern auch über die Frage, was man Heimat nenne kann.

Die punkthafte Abhandlug soll die Beziehung des Protagonisten zu den Ereignissen verdeutlichen.

Gruß

eccehomo

 
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Lieber eccehomo,

das Thema ist wichtig, allerdings kommt es mir so vor, als ob du über etwas schreibst, dass du nicht wirklich kennst. Sich in die Situation anderer hineinzufühlen ist schwierig, wenn vielleicht nur Reportagen und vereinzelte Begegnungen den Zugang bilden. Hast du Gespräche mit Flüchtlingen geführt? Bist du selbst einmal in einer Situation gewesen, in der du einerseits dazugehörst, dich andererseits aber etwas von den Menschen um dich herum trennt? Für mich klingt dein Text bemüht und gut gemeint, erreicht hat er mich dennoch nicht. Dazu kommen sprachliche Schwierigkeite, beispielsweise

Ich falle in ein Loch, dass ich all die Jahre zuvor unterdrückt habe und beginne zurückzudenken.
Das Bild ist nicht stimmig. Man fällt in ein Loch, ja, das lässt sich aber nicht unterdrücken. Vielleicht kommen Erinnerungen hoch, die unterdrückt wurden?
Hier fehlt ein Komma
Die Menschen(,) die
Dieser Satz ist nicht korrekt aufgebaut:
Die Ärzte hier in Wien attestierten das wäre die Ursache eines Art Schock oder Trauma.
Die Ärzte hier in Wien attestierten mir, dass die Ursache eine Art Schock oder Trauma war.
'nichtsdesdotrotz' schreibt man nichtsdestotrotz
Meine Mutter sagte immer ich wäre für die nächsten Wochen Stumm gewesen und hätte mich nicht bewegt.
Meine Mutter sagte immer, ich sei für die nächsten Wochen stumm gewesen ...
... mir die friedlichen, religiösen Lehren (H)halt gaben.
Es wird manches Tragische so nebenhin erzählt, der gewaltsame Tod der Mutter zum Beispiel. Vielleicht überarbeitest du das Ganze noch einmal? Oder du wendest dich einem Thema zu, dass dich berührt und an dem du näher dran bist? Auch den Titel finde ich nicht so passend, denn erstens: wieso Vergangenheitsform, er tut es ja gerade erst? Und zweitens: wieso 'home'? Als solche Heimat empfindet er Syrien doch nicht? In jedem Fall wünsche ich dir Freude am Schreiben,

Grüße,

Eva

 

Hallo Eva,

und schon mal ein großes Danke! Deine Kritik hat mich von diesem Punkt durchaus ein großes Stück nach vorn gebracht.

Also was das Erreichen von Menschen mit meinem Texten angeht, daran muss ich offenkundig noch viel arbeiten. Ich werd mich einfach, wie du es vorgeschlagen hast, nochmal hinsetzen und versuchen das Ganze neu umzusetzen.

Gruß

eccehomo

 

Hi eccehomo,

mir sind da noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen:

Letzteres vor allem, als mir meine Mutter genommen wurden
Da hat sich ein n dazu geschwindelt.

Ich habe kaum noch Erinnerungen an meine Kindheit. Die Ärzte hier in Wien attestierten, dass das die Ursache eines Art Schock oder Trauma ist.
Bei diesem Satz bin ich eine Weile hängen geblieben. Ich glaube es müsste ...eines Art Schocks oder Traumas heißen - bin mir da aber nicht sicher ;-)

In der U-Bahn ignoriere ich die lachenden, mit Punsch angefüllten Menschen und versinke in Gedanken.
Die, mit Punsch angefüllten, Menschen wurden ja bereits erwähnt, aber ich finde das auch etwas unglücklich formuliert - da fällt dir bestimmt noch was besseres ein.

Die Stelle mit der Mutter, hättest du für mich ruhig etwas gefühlvoller/dramatischer gestalten können, er verliert immerhin seine Mutter. Ich finde das "Berichtartige" insgesamt nicht schlecht, nur, wie gesagt, an manchen Stellen hättest du den Leser mehr mitreißen können.

Ich mag deine Geschichte, du hast dir da ein aktuelles und vor allem wichtiges Thema ausgesucht. Auch das Ende finde ich schön, dass er anstelle seiner Mutter nach Syrien zurückkehrt aber ich finde du hast da noch Potential nach oben. Besonders was die Dramaturgie angeht.

Lg miri

 

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