Was ist neu

Hypochonder

Seniors
Beitritt
03.10.2001
Beiträge
2.047
Zuletzt bearbeitet:

Hypochonder

In einem Meer aus roter Farbe liege ich gebettet. Das Röcheln in meinem Hals erschwert die Atmung. Mein Magen protestiert immer noch lautstark gegen die letzte Nahrungsaufnahme. Mein linker großer Zeh ist lilafarben angelaufen. Meinen rechten Arm spüre ich seit der letzten Onanie vor 15 Jahren nicht mehr. Meine Beine verweigern ihre Dienste. Thrombose? Aber ich habe mich niemals beschwert. In all den Jahren schwerster Erkrankungen und Schicksalsschläge hätte ich es niemals gewagt, mein Unbehagen laut zu äußern. Ich bin ein harter Mann.

Alles fing ganz harmlos an. Heuschnupfen. Keine wirklich schwere Krankheit, wenn man von den unerträglichen Schmerzen absieht, die durch die min. 20 Minuten andauernden Niesattacken hervorgerufen wurden. Aber wie gesagt, das war noch harmlos, bis eines Tages meine Frau feststellte, das mein kleiner Vulkan mehr einem mit heißer Luft gefüllter Ballon entsprach. Er hatte aufgehört zu spucken. Er war tot! Das war natürlich ein Schock. Erst dachte ich – wie jeder andere es wohl auch getan hätte- meine Frau wäre Schuld. Wer auch sonst? Ich ging also zu einer Professionellen, damit sie mir die Schuld meiner Gattin bestätigen konnte. Tat sie aber nicht. Glaube ich zumindest. Auf jeden Fall hat sie ziemlich laut gelacht.

"Man muß den Dingen immer das Positive abgewinnen." dachte ich mir und freute mich wie ein kleiner Junge darüber, daß jetzt wenigstens die Seiten der "Praline" immer unbefleckt blieben. Als dann der Schmerz in meinem linken Hoden eintrat, machte ich mir um die liebreizenden PinUps in meiner mastrubationsfördernden Lektüre nur noch wenig Gedanken. Es tat zu weh, um Hansi (so pflegte ich meinen kleinen Ex-Vulkanier zu nennen) etwas Gutes zu gönnen. Wieder einmal, versuchte ich das Positive zu sehen und malte den rechten Hodensack gelb an. Als Malermeister weiß man eben, daß braun und blau einfach nicht zusammen passen.

Meine Frau ist nicht mehr hier. Ich glaube sie hat einen gefunden, dessen Hoseninhalt nicht wie ein Osternest aussieht. Ich gönne es ihr. Ohne sie und die Kinder ist es schon etwas einsam. Aber meine Krankheiten halten mich glücklicherweise vom Nachdenken ab. Da bleibt keine Zeit für Kinder, Ehefrauen oder Geliebte. Ständig muß man Fachzeitschriften lesen, um auf dem neusten Stand zu sein, was den medizinischen Fortschritt anbelangt. Außerdem überprüfe ich alle 5 Minuten Puls und Blutdruck. Wenn mein Herz schon stehen bleibt, will ich es wenigstens wissen. Außerdem kann ich ja eh nur noch den linken Arm bewegen, Hansi hat aus Frust den Türsteherjob an den Nagel gehängt und Schmerzen habe ich sowieso überall.

Aber ich beschwere mich weder über das Hämmern im Kopf, noch über das Pulsieren in meinen Schultern, auch nicht über das Rumoren in meinem Magen oder die Schmerzen beim Schlucken. Auch über die wehenähnlichen Ausschüttungen überflüssiger und zu Haufen produzierter Gase beschwere ich mich nie. Ich bin ein harter Kerl. Impotent und invalid, aber hart.

Langsam wird mir schummrig. Ich erkenne mit dem letzten Funken Denkvermögen, dass das gar keine rote Farbe ist, in der ich liege. Was macht das Messer da? Wenn ich mich nur bewegen könnte. Ein harter Mann wie ich wählt doch nicht freiwillig den Suizid?

Langsam geht das Licht aus. Der Vorhang fällt. Ich kann mich zwar nicht verbeugen, aber ich lächle. Ich bin ein harter Kerl.

Impotent und invalid, aber hart.


© Pandora (K.B.), 2001

 

Ach ja..., schon wieder eine Geschichte, die im Suizid endet.
Da die Geschichte Hypochonder heißt, interpretiere ich die Probleme dieses Mannes mal als seine Vorstellung. Er fühlt sich wegen Impotenz in seiner Männlichkeit als "harter Mann" beschränkt, bildet sich das ganze als schicksalhafte Erkrankung ein, und reitet sich mehr und mehr in seinen Krankheitsphantasieen hinein. Nicht schlecht dargestellt, eigentlich, aber eines Frage ich mich dann doch. Warum bringt er sich deshalb um? Er scheint der Sache doch Anfangs mit Humor zu begegnen.

 

Wie du schon sagst, er versucht es anfangs.
Nicht jeder Versuch ist eben erfolgreich.
Außerdem redet er sich die ganze Zeit nur ein, er wäre ein harter Kerl, was er nach außenhin ja auch deutlich zu Schau stellen muß, genauso wie seinen Homor.
Selbst als ersichtlich ist, wie labil er wirklich ist, kann er es sich nicht eingestehen.
Er ist eben ein harterKerl.

lieben Gruß, Pandora

 

Huuh! Die war gut!

Ich habe mich fast schimmlig gelacht!
Wirklich super geschrieben.
Schade nur, dass sie so schnell endet, ich hätte gern noch weitergelesen.
Und schade auch, dass er sich umgebracht hat, hätte ihn nicht ein etwas weniger heftiges Schicksal ereilen können... der Typ wurde mir gerade richtig sympatisch!

Sonst echt klasse!

Grüsele,
Maja. :D

 

Hi Pan,

ja, hm... ernstes Thema :D

Also, dein Schreibstil hat mir gefallen. Die Story läßt sich leicht und flüssig lesen, und an einigen Stellen mußte ich auch schmunzeln.

Du hättest den Text allerdings ruhig noch ein wenig bissiger gestalten können, also sein Bestreben, ein "harter Kerl" zu sein, noch mehr hervorheben. Für eine Satire ist es mir zu wenig "auf die Spitze" getrieben.

Detailanmerkungen:

Aber wie gesagt, das war noch harmlos, bis eines Tages meine Frau feststellte, das mein kleiner Vulkan mehr einem mit heißer Luft gefüllter Ballon entsprach. Er hatte aufgehört zu spucken. Er war tot!

:D Die Stelle gefällt mir, auch wenn ich absolut keinen Schimmer habe, welcher Mann so über ihn reden würde.

Erst dachte ich – wie jeder andere es wohl auch getan hätte- meine Frau wäre Schuld.

Pah... infame Unterstellung. Kein Mann würde das zunächst auf seine Frau schieben. :D

mastrubationsfördernden

masturbation...

Es tat zu weh, um Hansi (so pflegte ich meinen kleinen Ex-Vulkanier zu nennen) etwas Gutes zu gönnen.

Frauen haben Phantasien... :rolleyes:

Ich glaube sie hat einen gefunden, dessen Hoseninhalt nicht wie ein Osternest aussieht.

:lol:
Das ist der Beweis - von wegen: "Schatz, auf die Größe kommt es nicht an, dein Intellekt und dein Humor faszinieren mich so..." :bla:

Fazit: unterhaltsame Geschichte, der der letzte Biß fehlt.

Gruß,
Somebody

 

Hi Pan,

hat mir gut gefallen, Schreibstil, Formulierungen, Ideen, aber wie Somebody meine ich, dass der letzte Biss fehlt. Glaube, dass es zum Teil daher kommt, dass dein Protagonist ja tatsächlich krank (impotent) ist, sich also grundlegend vom Hypochonder unterscheidet, den ich mehr als eingebildeten Kranken sehe. Wenn er sich als impotent sehen / verstehen würde weil er nicht sofort nach einem Akt den nächsten starten kann, dann wäre er näher am Hypochonder. Dadurch, dass du ihm eine echte Krankheit verpasst, reduzierst du den Grad der Übertreibung sehr stark.

Am Rande(bin nicht sehr Illustrierten belesen): Bist du sicher, dass die "Praline" die richtige, sprich masturbationsfördernde Illustrierte ist? Ich dachte, da steht was von Königshäusern und deren diversen Mitgliedern drin und dass ein Mann durch ein Bild von Queen-Mum angetörnt wird, halte ich eher für unwahrscheinlich :D

Trotz Allem: :thumbsup:
Gruß vom querkopp

 

@ Querkopp

Ach du meine Güte... du verwechselst die Praline mit dem Goldenen Blatt :D

 

Danke euch beiden für eure Kritik. Werd morgen ausführlich dazu Stellung beziehen. Jetzt bin ich zu platt ;)

 

Hallo Pandora,
großes Lob, diese Geschichte hat mich persönlich wirklich unterhalten und auch amüsiert. Deine Darstellung seiner Krankheiten und Schmerzen war einfach gut.

Gruß
Maddog1985

 

Hi Pandora!

Sehr schön geschrieben, ohne ein überflüssiges Wort, aber Du könntest tatsächlich noch schärfer und bissiger werden - vielleicht auch andeuten, dass die Impotenz ebenfalls eingebildet sein könnte.

Sie zu lesen hat Spaß gemacht!

LG
Aragorn

 

Na gut, dann will ich mal Stellung beziehen. Somebody hat ja bei seiner Ausgrabung eine wahre Lawine losgetreten ;)
Was das Bissige angeht, da habt ihr Recht. Als Hintergrund sei gesagt, daß mein Ex zur Hypochondrie (schreibt mer des so?) neigte und als er sich dann nen Gehirntumor einredete, hatte ich die Nase voll und ihm diese Geschichte geschrieben. Naja, und zuviel Biß ist schlecht für ne Beziehung ;)
Ich werd mich wohl irgendwann nochmal hinhocken und die Story überarbeiten, obwohl ich nicht glaube, daß man aus ihr wirklich was rausholen kann. Ich sehe sie jetzt, in Zusammenkunft mit neueren Geschichten von mir, eher als kleiner Schreibversuch ;)

querkopp: die Impotenz ist ja nur der Auslöser für seine Einbildungen. Alles andere ist ja eingebildet. Aber hast recht, das müßte ich deutlicher rausarbeiten.

Danke euch allen fürs Lesen und Kommentieren :)

liebe Grüße, Pan

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom