Hunter
Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel und die herumfliegenden Sandkörner stachen mir schmerzhaft in das Gesicht unter dem breitkrempigen Hut. Ich zog das Tuch wieder fester um mein Gesicht, sodass nur noch meine Augen zu sehen waren, geschützt durch die mit dicken Gläsern versehene Fliegerbrille.
Seufzend schaute ich mich um. Nicht dass es viel zu sehen gegeben hätte. Endlose Dünen soweit das Auge reichte, kein einziger Stein, geschweige denn ein Baum durchbrachen dieses Bild vollkommener Einsamkeit. Die winzigen Sandkörner wirbelten durch die Luft, waren längst in meinem Mund und Nase und in meiner Kleidung.
Zu anfangs war ich skeptisch gewesen, ob es eine so gute Idee gewesen war trotz 40 Grad im Schatten meine Reisekleidung und den langen Umhang anzubehalten, doch hatte ich sehr bald erkannt, das mich die Winde in dieser Ödnis ohne die dicke Kleidung längst gehäutet hätten. Am meinem Gürtel trug ich wie immer den großen Sechsschüsser, daneben hingen die kleinen Wurfmesser sowie der lange Degen, der mich schon aus der einen oder anderen brenzligen Situation gerettet hatte. An meinem rechten Arm befestigt war der lange Werfer mit den rasiermesserscharfen Wurfscheiben, verdeckt von dem dunkelbraunen Hemd. Um meinen Hals hing, neben den an einer Kette befestigten Jagdtrophäen, die halbleere Wasserflasche.
Ich musste mein Ziel bald erreichen, sonst würde ich hier draußen verdursten. Ich war mir einigermaßen sicher, dass ich richtig war. "Immer Richtung Osten" hatten die Einheimischen gesagt, "dann wirst du nach drei Tagen zu einer Oase kommen. Dort lebt Merark."
Als sich die Sonne nun dem Ende des vierten Tages näherte, war immer noch nichts zu sehen. Ich beschloss die hohe Düne zu meiner linken hinaufzuklettern, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen.
Nach einigen Metern begannen meine festen Stiefel aus Drakul-Leder im feinen Sand zu versinken und ich fing an mich auf allen vieren weiterzubewegen, um nicht wieder rückwärts die Düne runterpurzeln. Oben angekommen nahm ich einen tiefen Atemzug und sah mich um.
Es war ein beeindruckendes Szenario. Die Sonne, die mittlerweile langsam im Westen versank, tauchte die Wüste in ein unwirkliches Rot, die Dünen, die sich endlos vortsezten verloren sich in der Ferne. Und dort am Rande des Horizonts, dem Sonnenuntergang direkt gegenüber sah ich Bäume, eine kleine Wasserfläche und grünes Land.
Endlich, die Oase Dalar mit ihrem einzigen Bewohner Merark. Ich beschloss bis zum nächsten Morgen zu warten und meiner Beute noch eine letzte Nacht zu spendieren. Außerdem würde er bei der Kälte sowieso nicht hervorkommen.
Ich stellte meinen Rucksack ab, nahm einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche und aß ein Stück Trockenfleisch. Dann legte ich mich auf die Seite, wickelte meinen Umhang um meinen Körper und schloss mit dem beruhigenden Gedanken, dass die lange Jagd sich endlich ihrem Ende zuneigte, meine Augen.
Die Hitze weckte mich. Der Sonnenaufgang musste schon eine gute Stunde her sein.
Ich stand auf und klopfte mir so gut wie möglich den Sand aus der Kleidung. Nachdem ich geprüft hatte ob alles noch da war, entfernte ich mich einige Schritte von meinem Nachtlager um mich zu erleichtern. Wieder zurück schulterte ich meinen Rucksack und nahm den letzten langen Schluck aus meiner Wasserflasche. An diesem Abend würde ich entweder genug Wasser haben oder tot sein. Ich hoffte auf das erstere.
Mit energischen Schritten wandte ich mich in Richtung Sonne und bald schon kam die Oase hinter einer Düne in Sichtweite.
Ich verlangsamte meine Schritte, versuchte kein Sandkorn zu bewegen. Einen Steinwurf von der grünen Grasfläche, die die lebensspendende Quelle, die hier mitten in der Wüste lag , umgab, blieb ich still stehen. Im Sand vor mir bewegte sich etwas.
Ich spürte den Boden leicht vibrieren und im nächsten Moment brach der Sand auf und meine Beute kam zum Vorschein. Merark, der zwei Mann lange Skorpion, einst als Gottheit verehrt, heute nur noch eine wilde Bestie, krabbelte heraus. Nicht dass er eine angenehme Gottheit gewesen wäre. Ich hatte irgendwas von Menschenopfern gehört, als ich in diese Richtung geforscht hatte. Viele Jahre hatte er damit zugebracht allen möglichen Tieren und Menschen, die an diesen Ort kamen, aufzulauern und zu verspeisen.
Seine kleinen schwarzen Augen starrten mich voller Hass an, der lange Schwanz mit dem kopfgroßen Stachel schwang umher.
Er stürzte los, ich ließ den Rucksack fallen und hechtete nach links. Der Giftstachel bohrte sich an die Stelle an der ich gerade noch gestanden hatte. Ich entging knapp einer seiner Scheren und bevor er auf seinen sechs Beinen zu mir umdrehen konnte, zog ich den Revolver und zielte auf seinen Körper. Zwei Schüsse gingen daneben, die restlichen vier schlugen durch den robusten Chitinpanzer. Das Monster gab einen kreischenden Laut von sich, der Schwanz zuckte nach links. Ich warf mich zur Seite, fluchte derb, warf den nutzlosen Revolver weg und hob den rechten Arm. Als der Skorpion den Stachel wieder hob, aktivierte ich den komplizierten Mechanismus und mit einem Sirren löste sich die messerscharfe Metallscheibe, trennte das tödliche Körperteil etwa auf mittlerer Höhe ab und schlug in einen Baum.
Schwankend wich der vor Schwerz kreischende Skorpion zurück, ich setzte nach, wand mich an den wild herumschlagenden Scheren vorbei, kletterte auf seinen Kopf und zog den Degen. Diesen rammte ich dem gequälten Tier direkt über den Augen durcheinen Spalt im Panzer in den Schädel, sodass er unten wieder heraustrat. In einem letzten Aufbäumen warf er mich fast ab, aber ich konnte mich an meiner Waffe festhalten und schließlich fiel er tot zu Boden.
Als ich mich überzeugt hatte, dass mein Gegner tot war zog ich meine Waffe aus seinem Panzer, wischte sie an meinem Umhang ab und sprang von seinem Rücken. In der Nähe lag mein leerer Revolver. Ich hob ihn auf und lud ihn nach. Einen kurzen Moment betrachtete ich ihn, die verschnörkelten Verzierungen auf dieser alten Waffen und das imprägnierte G am Griff, dann steckte ich sie wieder in den schlichten Lederhalfter an meinem Gürtel.
Aus meinem Rucksack holte ich mein Ausweidemesser, dazu einige Seile und drei kleine, sorgfältig beschriftete Phiolen. Damit machte ich mich an die Arbeit.
Ich entfernte die unbeschädigten und härtesten Chitinplatten, säuberte sie und schnürte sie zu einem Bündel zusammen. Im nächsten Schritt trennte ich sorgfältig die Scheren ab und band sie an ein Seil, desweiteren entfernte ich die kleinen, bösartigen Augen.
Schließlich kam ich zum Schwierigsten, dem Stachel.
Ganz vorsichtig leitet ich etwas von dem tödlichen Gift in die Phiolen, verschloss sie und verpackte sie sicher in einer kleinen Holzschachtel. Das Körperteil an sich rollte ich vorsichtig in eine dicke Lederhaut, die es nicht durchstechen konnte, verschnürrte sie und hängte schließlich alles an meinen Rucksack, der dadurch gleich doppelt so schwer wurde.
Es war bereits weit nach Mittag und ich wollte an diesem Tag noch eine ganze Strecke schaffen, als füllte ich schnell noch die Feldflaschen an dem kleinen See nach, schulterte meine Tasche und wandte mich nach Westen, in dem Wissen, dass ich heute viel Geld gemacht hatte.