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Hunt

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08.06.2002
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Hunt

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HUNT
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Eine hungrige Wölfin auf der Jagd. Der Schnee unter ihr knisterte kaum, als sie über ihn hinwegglitt. Der Mond hatte seinen Platz zwischen den Sternen freudlos aufgegeben und sich in die tiefe Nacht ihrer Augen verirrt. Sie tanzte den Tango des Todes mit ihrer Beute. Sie beobachtete ihn, der sie suchte, der sich zwischen Bäumen auf die Lauer legte, ungeduldig durch die Hecke kroch, plump und ungeschickt wie ein verängstigter Hund. Ein leichter Spott flackerte kurz in ihrem Gesicht auf, gefolgt von Mitleid -- oder eher Wehmut? Sie schlängelte sich unter einen Felsbrocken und folgte mit ihren Augen seiner Spur. Dort hinten, in der Hecke, rührte sich etwas, dort raschelten Blätter und knirschte Schnee. Sie vernahm seinen schweren Atem und legte an. Das Fadenkreuz tanzte zwischen den Zweigen und wühlte sich durch das Blattwerk. Sie spürte, er war da. Genau da, wo er sein musste. Die unbekannte Gefahr abzuwenden nicht in der Lage, sich der Kugel, bereit, seine Schläfe zu zerbrechen wie morsches Holz, nicht einmal bewusst. - Nein, so nicht. - Sie legte das Gewehr beiseite. Tod durch eine unbekannte Hand - das wäre kein echter Sieg. Und außerdem hatte es nicht einmal ein Hund verdient, zu sterben, ohne das Leben zum letzten Mal einatmen zu dürfen, ohne kurz vor dem Sturz am Rande des Abgrundes verweilen zu können. Er war gekommen, um sie zu finden. Er sollte sie finden - er sollte wissen, wer sie war. Und warum er starb.
Lautlos schlich sie zwischen den Bäumen näher an ihn heran. Einige Meter vor seinem Versteck hielt die Wölfin inne und kniete hinter einem Strauch. Er spürte ihre Gegenwart, das wußte sie. Er spürte die Gefahr, die von ihr ausging. Die Wölfin blickte nach oben. Sterne. Wolfsaugen. Flüchtige Stille, die alles umgab, die bereit war, durch ein Winseln, durch ein Heulen zu sterben und in neuer Form wiedergeboren zu werden - vollkommen und vollendet.
Er hatte seine Hecke verlassen, das zeigten ihr die Spuren, die von dieser ausgingen und zwischen einigen Felsen verschwanden. - Verabschiede dich -, hauchte sie und landete mit einem geschickten Sprung auf einem der Steine. Im Bruchteil einer Sekunde durchforsteten ihre Augen das Labyrinth aus Verstecken und Nischen. Sie erwartete nicht, ihn zu sehen. Und er war nicht da. Die Wölfin atmete tief ein und schloß die Augen. Er stand hinter ihr. - Hey, sniper -, flüsterte er. - dreh dich um. - - Ein Hund, für den Ehre eine Bedeutung hat -, hauchte sie und lächelte. - Ich brauche deine Gnade nicht ... - In einem Zuge warf sie das Gewehr von sich, wandte sich ruckartig zu ihm und stieß sich ab. Keinen Dolch, keine Kugel warf sie ihm in ihrem Sprung entgegen. Nur die letzte, furchtbare Wut einer müden Wölfin, die zum letzten Mal gejagt hatte - gejagt, um durch die Hand der Beute getötet zu werden, als Buße für die zerfetzten Leiber und die zerrissenen Seelen ihres einzigartigen Lebens. Sie flog stumm, die Hände zu Krallen geformt, die Zähne gefletscht. Erst als die Kugel die Wölfin traf, erfüllte ein schauriges Jaulen den Wald, dessen Echo wie ein wahnsinniges, verlorenes Gespenst zwischen den Felsen irrte und wütete. Schließlich erstarb es in der Tiefe ihrer Kehle und ließ nur einen kratzenden Kloß im Halse des Hundes zurück.
Er bückte sich zu ihr nieder. - Du hattest ein Ziel -, flüsterte er ihr zu. - ich nur meinen Auftrag. Deine Jagd beruht auf Prinzipien, meine ist nur abhängig von der Art meiner Waffe. Hund siegt über Wölfin, denn die Wölfin ist edel ... der Hund nur ein Diener. - Er blickte in ihr Gesicht, in ihre offenen, grünen Augen. Mit ihrer ganzen Kraft griff die Wölfin an seine Söldnerweste und zog ihn zu sich herunter. - Wir sehen uns ... - Ihre letzten Worte mischten sich mit dem Wind, und der Hund vernahm von irgendwoher ein - ... bald - Er schüttelte den Kopf über diese verwirrende Einbildung und ließ seinen erschöpften Blick nach oben gleiten. Der Vollmond, ewiger Begleiter des Wolfes, war seit einigen Momenten wieder zu sehen.
Hätte der Hund sich ein paar Sekunden früher dem Himmel zugewandt, so hätte er vielleicht bemerkt, wie zwei neue Sterne neben dem Mond aufflackerten. Wie ruhig und friedlich endete doch diese Nacht, nachdem sie eine so lange, schmerzvolle Sehnsucht gestillt hatte ...

 

Hallo anti_materia,

wunderschöne philosophisch anmutende und in atmosphärisch schönen Bildern erzählte Geschichte.

Sehr gut fand ich folgende Stelle:
Bsp1:Sie tanzte den Tango des Todes mit ihrer Beute. Sie beobachtete ihn, der sie suchte, der sich zwischen Bäumen auf die Lauer legte, ungeduldig durch die Hecke kroch, plump und ungeschickt wie ein verängstigter Hund.

Hier vermute ich, dass der verängstigte Hund ein Jäger ist.

Bsp2:In einem Zuge warf sie das Gewehr von sich, wandte sich ruckartig zu ihm und stieß sich ab. Keinen Dolch, keine Kugel warf sie ihm in ihrem Sprung entgegen. Nur die letzte, furchtbare Wut einer müden Wölfin, die zum letzten Mal gejagt hatte - gejagt, um durch die Hand der Beute getötet zu werden, als Buße für die zerfetzten Leiber und die zerrissenen Seelen ihres einzigartigen Lebens.

An dieser Stelle bin ich mir nicht mehr so sicher, ob die Wölfin tatsächlich ein Tier ist oder ein Mensch, der im Kampf gegen einen Söldner unterlegen ist.

Möglicherweise bin ich auch total verkehrt und dein Text handelt gar nicht so sehr von der Jagd. Vielleicht ist es eine Metapher, die ich nicht zu deuten weiß.
Dennoch sprachlich und bildlich sehr poetisch.

Gruß

 

Hallo André !

Vielen Dank für deinen Kommentar.
Du hast recht, es geht um eine Jagd. Ein Söldner und eine Scharfschützin, die beide mit Leben und Tod spielen - sie, die edle Wölfin, die tötet, nicht nur weil sie für die "anderen" arbeitet, sondern weil es ihr Leben erfüllt, weil es zu ihrem Wesen gehört, wie eine Wölfin auf der Lauer zu liegen. Und er - nur ein Diener, er hat seinen Auftrag und erledigt ihn immer. Ein Hund, der seinem Herrn verpflichtet ist.
Metapher? Möglich, teilweise, eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod, jagen und Beute sein zugleich.
Ich möchte die Geschichte gar nicht weiter erklären, und lasse es dem Leser offen, was er noch alles hineininterpretiert. Es ist im Grunde alles möglich.
Freut mich, dass sie dir gefallen hat :)

schöne Grüße, anti_materia

 

Servus anti_materia!

Es wäre schade gewesen, wäre mir die Geschichte entglitten ohne sie gelesen zu haben. Du beschreibst es ganz wunderbar, das Bereitsein zum Töten, das Verbundensein mit den Elementen und die Achtung vor dem Feind. Eine schöne Stimmung schwingt mit all dem Erzählten mit.
Lieben Gruß schnee.eule

 

Die Sinnlichkeit des Tötens

Eine interressante Story, nicht unbedingt spannend, aber besinnlich. Trotz des Tötungsmotives. :susp:

Die äußere Form gefällt mir nicht so, benutzt du doch '-' statt '"'.
Oder soll mit Absicht die wörtliche Rede nicht so leicht zu erkennen sein? Die Geschichte wirkt dadurch ruhiger, dass man nie so recht weiß, ob die Charaktere sprechen oder eher denken. Ließ sich jedenfalls etwas schlecht lesen, finde ich.

Folgendes:

Sie legte das Gewehr beiseite.

dann, später:
In einem Zuge warf sie das Gewehr von sich, wandte sich ruckartig zu ihm und stieß sich ab.

Hat sie bei der ersten Stelle das Gewehr nicht bereits weggelegt, um fair gegen den "Hund" zu kämpfen?

 

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