Hundeblues
Heute ist der Tag der Wahrheit endlich gekommen. Es gibt ja viele Zweibeiner, die sich über meine oder andere Hunderassen beschweren, aber nun ist es an der Zeit, auch einmal die Gegenseite anzuhören.
Viele bezeichnen meine Rasse schon als Kampfhund, obwohl ich von einem Kampfhund soweit entfernt bin, wie eine Katze vom Galopper des Jahres. Ich bin ein Wachhund, der das Eigentum anderer Leute und meine Menschen unter Einsatz seines Lebens beschützt. Außer, wenn ich gerade durch Fresschen oder starken Regen indisponiert bin. Aber zumindest stärke ich meinem jeweiligen Herrchen oder Frauchen durch meine pure Anwesenheit den Rücken. Die bestehen ja meistens eh drauf, mich zu beschützen. Aber nun stelle ich mich am besten erst einmal vor:
Hallo, mein Name ist Sam (wie Uncle Sam, aber natürlich ohne die Kohle). Ich bin ein hübscher, verschmuster Schäferhundrüde und fast fünf Jahre alt. Manche sagen, ich sehe aus wie eine Fledermaus, wenn ich die Ohren nicht spitze, aber die haben ja keine Ahnung. Schließlich ist gute Tarnung ja bekanntlich alles. Es reicht ja schließlich, wenn ich rechtzeitig die Maske fallen lasse, um die anderen in die Flucht zu schlagen, wenn es darauf ankommt.
Am liebsten fresse oder faulenze ich, oder lasse mich mich streicheln und verwöhnen, aber die meisten Zweibeiner haben ja ständig was anderes zu tun, als sich mit meinem sensiblen Gemüt auseinander zu setzen. Ich liege dann entweder allein in meinem sogenannten 'Schlafraum mit Terasse', was dann schon beinahe einem Knast ähnlich ist und bei den Zweibeinern 'Zwinger' heißt oder an der Leine in einem kleinen Raum. Da muss ich dann bleiben, bis sich der ein oder andere erbarmt und mit mir ein wenig herumläuft. Und bei dieser Aktion darf ich ja manchmal nicht einmal von der Leine. Sie sagen dann, dass ich nicht richtig folge. So ein Blödsinn. Ich folge schon, aber meistens halt meiner eigenen Nase. Das ist viel interessanter, als dieses ständige 'Sitz', 'Platz' oder 'Fuß'. Diese Zweibeiner verstehen gar nicht, wie viele interessante und vor allem wichtige Nachrichten auf dem Boden oder in den Büschen achtlos herumliegen. Wenn die erst einmal zerstört sind, dann kann ich sie nicht mehr lesen.
Als ich vor fast einem Jahr hier auf das Gelände gekommen bin, war das alles total aufregend. Zuerst einmal war ich heilfroh, dass ich endlich aus diesem schaukeligen Ding auf vier Rädern raus war. Hier gab es doch tatsächlich viele grüne Büsche und Bäume. Natürlich hatte ich tierischen Hunger, weil mir das andere Fresschen von der Schaukelei doch glatt aus der Schnauze gefallen war (wenn ihr wisst, was ich meine...). Der erste Zweibeiner, bei dem das passiert war, war natürlich darüber gar nicht glücklich und hat mich angemeckert. Als ob ich was dafür konnte. Er hat mich doch schließlich in diesem Ding durchgeschüttelt, wie einen Milchshake.
Als ich dann von dem zweiten Zweibeiner hier abgeladen wurde, dachte ich zuerst, dass ich hier im Schlaraffenland wäre. Das Frauchen hat mich gleich freundlich begrüßt und gestreichelt, hat mir Wasser gegeben und ein wenig Fresschen. Aber viel zu wenig Fresschen! Ich dachte nur 'He, mach doch die Schüssel wenigstens voll! Ich bin doch kein Chihuahua, der mit einem Fingerhut voll Fressen zufrieden ist!'
Na ja, was soll ich sagen? Das Frauchen muss meine Gedanken wohl irgendwie gehört haben, denn sie füllte doch noch einmal nach, als meine Schüssel leer war. Nicht viel, aber immerhin besser als gar nichts. Als Dankeschön habe ich dann meine Schnauze an ihrer Jacke gerieben, was eine simple Zuneigungsbekundung sein sollte. Schließlich ist mir jeder Zweibeiner sympathisch, der mir ein leckeres Fresschen gibt. Das schien sie allerdings nicht ganz verstanden zu haben, denn sie meinte, ich sei ein Ferkel.
Ich. Ein Ferkel.
Hatte sie vorher denn noch nie einen Hund gesehen und den Unterschied zu einem Ferkel erkannt? Bevor ich diese Frage klären konnte, fuhr der Zweibeiner, der mich gebracht hatte, wieder weg. Ohne mich. Ich habe natürlich auf mich aufmerksam gemacht und wollte hinterher, aber das Frauchen meinte, ich müsste nun hierbleiben.
Na ja, dachte ich, das wird schon nicht so schlimm werden.
Dachte ich ....
Es fing damit an, dass ich die ganze Nacht mit einem Menschen durch das Werk laufen musste. Das Rumlaufen war ja gar nicht so schlimm, aber es war überall so dunkel. Fremde Gerüche, fremde Geräusche und fremdes Gelände.
Ich war ganz schön erschrocken, als es neben mir plötzlich 'bäng' machte. Der Nachtmensch lachte sich halb tot über mein erschrecktes Gesicht und darüber, wie ich mich hinter ihm versteckte. Er sagte, dass ich ein Dummerchen sei und ich keine Angst haben müsse, weil es nur ein Metallfass war, dass durch Ausdehnung einen Knall gemacht habe.
Dummerchen. Ich. Wie hätte ich denn wissen können, dass es so etwas überhaupt gab? Und dafür wurde ich auch noch ausgelacht. Na klasse, das fing ja schon gut an. Ob es wohl noch mehr solcher Überraschungen gab? Ich hielt mich in jedem Fall erst einmal hinter dem Zweibeiner. Sollte er doch alleine sehen, was da noch knallte.
Mit gemischten Gefühlen dachte ich an meine Zukunft.
Ich muss ja zugeben, sie haben mich schon gut gefüttert und gebürstet. Am Anfang habe ich ja nun wirklich nicht so gut ausgesehen wie jetzt. Damals war ich eher dünn, weil ich mich immer um das Futter balgen musste. Zu dieser Zeit hätte ich wahrscheinlich nicht einmal eine uralte blinde Hündin hinter dem Ofen hervorlocken können. Aber nun, mit etwas mehr auf den Rippen und meiner nun trainierten, athletischen Figur bin ich wahrscheinlich der heimliche Schwarm aller ledigen Hundeladys. Die würden sich alle die Pfoten nach mir ablecken, obwohl es einige wahrscheinlich nicht zugeben würden.
Die Betonung liegt auf 'würden', denn ich bekomme hier ja nicht einmal den Hauch einer Chance, mich zu verlieben, geschweigen denn, dass sich eine dieser rassigen Hündinnen in mich verliebt, von denen ich so oft rieche. Immer befindet sich ein Gitter zwischen mir und der grenzenlosen Freiheit, in der es so lecker nach den Mädels riecht. Und wenn mal kein Gitter da ist, dann bin ich angebunden. Das ist zum Heulen, doch wenn ich das tue, dann kommen gleich die Zweibeiner und meckern mich an.
Ja, die Zweibeiner, das sind wirklich eine Rasse für sich, aber trotz allem bin ich gern in ihrer Nähe. Ich hasse es, irgendwo allein herumzuliegen, also habe ich natürlich alles darangesetzt, dass nicht in den Zwinger muss. Und ich dachte auch schon, ich hätte es geschafft. Allerdings sprechen die einfach eine andere Sprache und verstehen mich einfach nicht. Ich mag es nämlich nicht, wenn jemand meinen Menschen zu nahe kommt, denn dann ist mein Fresschen in Gefahr. Also versuche ich natürlich, sie auf meine Hundeart zu warnen, aber was passiert? Ich werde angemault. Man merkt einfach, dass sie sich nícht in die Gefühle eines Hundes hineinversetzen können, in die sensiblen und lebenswichtigen Belange, mit denen sich unsereins tagtäglich herumplagen muss. Die verstehen den Ernst der Lage gar nicht, denn es ist so:
Wenn meinem Menschen etwas passiert, kriege ich kein Fresschen mehr. Und wenn das geschieht, ist meine Figur wieder total im Eimer. Und wenn das der Fall ist, werde ich nie eine Hundelady finden, selbst wenn sich einmal eine Chance bieten sollte. Mein Leben könnte dadurch im wahrsten Sinne des Wortes kaputt gehen, aber diese Zweibeiner ignorieren das einfach! Also muss ich mir wirklich über kurz oder lang was einfallen lassen.
Nun aber zurück zum Thema. Anfangs durfte ich bei den Zweibeinern bleiben. Das war dufte. Morgens, wenn das Frauchen kam, ist sie mit mir spazieren gegangen und abends dann nochmal. Das war richtig klasse. Die hat mich sogar ab und zu von der Leine gelassen. Ich wäre ja immer gern ohne Leine gegangen, aber sie sagte, da ist zu viel los und ich würde die Leute erschrecken.
Ich. Ausgerechnet ich, wo ich mich doch von jedem gerne streicheln lasse, der Lust dazu hat (natürlich nicht wirklich von jedem, Hund hat ja auch seine Vorlieben).Einmal habe ich aber gedacht, dass das Frauchen gleich total ausrastet, und das alles wegen so einer doofen Katze, die mir auf der Nase herumtanzen wollte. Und da konnte ich ja nun wirklich nichts dafür, aber durchgehen lassen konnte ich es diesem frechen Stück ja auch nicht. Schließlich bin ich hier der Hund im Werk. In jedem Fall war ich in diesem Moment nicht an der Leine und so bot es sich an, dieser selbstgefälligen Mietze ein paar Manieren beizubringen. Diese Zweibeiner-Frauchen hat das natürlich, wie erwartet, nicht verstanden. Geschrien hat sie, als ob sie einer in den Hintern gebissen hätte, und dann ist sie hinter mir hergerannt (als ob sie da je eine Chance gehabt hätte ...). Allerdings hatte ich für derlei Nichtigkeiten absolut keine Zeit, weil die Maßregelung dieses Fellballs eindeutig wichtiger war. Jeder andere Rüde würde das verstehen.
Dieses Fellding ist also erst mal an der Aussenseite des Zauns vor mir hin und her gerannt, wahrscheinlich um mich so richtig zu provozieren. Ich bin natürlich auf der Innenseite hin und her geflitzt. Und dann, um dem ganzen die Krone aufzusetzen, besitzt die auch noch die Frechheit, unter dem Zaun durch zu kommen und unter einen Container in meinem Territorium zu flitzen! Das war der Gipfel des Ganzen! Aber da habe ich mir geschworen, dass ich ihr eine Lektion erteilen würde, die sie so schnell nicht vergessen würde. Ich also um den Container rumgerannt, weil ich ja leider nicht drunter kam, rum um die Ecke - und dann kam das Zweibeiner-Frauchen ...
Mann, hab ich einen Schreck bekommen. Die hat mich angestarrt und angefegt, dass alles zu spät war. Irgendwie kam es mir dann doch so vor, als hätte ich einen klitzekleinen Fehler gemacht, als ich beschlossen hatte, sie zu ignorieren ...
Natürlich habe ich mich sofort verständnisvoll und unterwürfig gezeigt, mit eingezogener Rute und allem drum und dran. Natürlich in der Hoffnung, dieses dumme Fellknäuel, das feixend unter dem Container saß, noch einmal zwischen meine Pfoten zu bekommen. Da machte mir allerdings dieses Frauchen den nächsten Strich durch die Rechnung , denn sie leinte mich an und zog mich mit. Wer nicht hören will, muss fühlen, sagte sie.
Das wäre ja nicht so schlimm gewesen, aber diese dumme Mietze hat mir noch ein hämischen 'Bye, bye' hinterher miaut! So eine bodenlose Frechheit!
Da schwor ich mir, das nächste Mal ist sie dran, wenn ich sie erwische.
Wenn diese Zweibeiner wenigstens nicht so schwer erziehbar wären ... Ich hatte schon von Hundekollegen gehört, deren Menschen so gut funktioniern, dass es beinahe schon an ein Wunder grenzt. Die brauchen nur mit der Wimper zu zucken und schon kommen sie gerannt und schauen nach, was sie für ihren Hund tun können. Meine hingegen - nein, ich habe mir wahrscheinlich die Falschen ausgesucht. Die Nachtmenschen gehen ja noch, aber dieses Tagfrauchen macht mir nur Schwierigkeiten. Sie will sich partout nicht nach mir richten, egal, was ich versuche. Ist das zu fassen? 'Weiber', würden wahrscheinlich manche Zweibeiner dazu sagen.
Dabei haben mir Hundekollegen erzählt, dass die Frauchen viel besser zu erziehen sind wie die Herrchen. Na, die hatten es wahrscheinlich noch nicht mit diesem Frauchen zu tun. Die hat ja nicht einmal Erbarmen mit mir, ne, die lacht mich ja sogar aus!
Die hat mich im größten Regen schon rausgeschickt. Ich dachte, ich spinne, als ich da rauskam. Das war der reinste Wolkenbruch! Ich also wieder rein, habe mich dann sogar hinter sie hingesetzt und meinen innigen, bittenden Blick zu ihr nach oben gerichtet. Jedem hätte eingeleuchtet, was ich damit sagen wollte. Was tat sie? Sie erzählt mir, dass ich keine andere Wahl hätte, als mit ihr da hinaus zu gehen und dass ich mich nicht so anstellen solle. Ich also raus, Schwanz eingeklemmt, Ohren angelegt und losgestapft. Ich habe jeden Moment und jeden Schritt gehasst! Und sie hat auch noch darüber gelacht. Frechheit!
Wenn man mal von den unangenehmen Dingen absieht, bin ich allerdings doch ein recht zufriedener Hund. Ich brauche viel Liebe und mag es, wenn ich mich an einen Zweibeiner kuscheln kann. Das erinnert mich immer irgendwie an meine Hundemama. Bei ihr war es so schön und eigentlich wollte gar nicht von ihr weg. Aber sie sagte mir, dass es nicht ginge. Ich und auch meine Geschwister müssten hinaus in die Welt, etwas anderes sehen und den Zweibeinern helfen. Die wären nämlich relativ unbeholfen und benötigten uns als kluge Kameraden, die sich auskennen im Leben und ihnen den richtigen Weg zeigen. Dafür würden sie sich auch um uns kümmern.
Aber dazu gehört doch auch, dass ich den Zweibeinern zeige, wie nett und liebesbedürftig ich bin. Woher sollen sie denn sonst wissen, was sie für mich tun können und wie sehr ich darauf bedacht bin, ihnen zu helfen?
Also drücke ich mich an sie, aber manche mögen es nicht, wenn ich das tue. Die meckern immer wegen irgendwelchen Haaren auf der Kleidung, andere sagen, ich würde nach Hund riechen (was für ein Wunder, ich bin ein Hund!). Manche trauen mir auch einfach nicht über den Weg, warum, weiss ich nicht. Manche kann ich aber auch einfach nicht leiden. Sie hinterlassen einen unangehmen Geruch in meiner Nase, weil sie Hunde einfach nicht leiden können. Dabei ist doch kein Tier so treu wie ein Hund.
Nun aber zurück zu den Streicheleinheiten. Trotz aller Unfähigkeit, sich nach mir zu richten, hat das Tagschichtfrauchen doch als einzige den Dreh raus, wie man mich richtig kämmt und bürstet. Die Nachtmenschen stellen mich immer irgendwo drauf, rupfen und zerren. Da komm ich mir immer irgendwie vor, als ob ich in den Kochtopf soll. Ich bin doch kein Federvieh.
Aber das Frauchen ist darin klasse. Sie kämmt mich zwar fest, aber ohne zu reißen. Sie hat schon manchmal gesagt, dass es aussieht, als hätte ich keinen Knochen im Leib, wenn ich mich aus dem Stand herunterrutschen lasse, damit sie auch gut an meinen Bauch kommt. Wenn ich nämlich mitten im Fellwechsel bin, tut es extrem gut, gekämmt und gebürstet zu werden, weil die losen Haare immer so fürchterlich jucken. Da kriegt man gar keine Ruhe, weil man dann immer das Gefühl hat, man hätte Flöhe, die Fangen um die Haare herum spielen.
Nur schütteln darf ich mich dann nicht, weil da immer die Haare fliegen. Das haben mir schon alle gesagt. Manche schimpfen dann richtig mit mir. Verstehe ich eigentlich nicht, denn wenn die Zweibeiner Fellwechsel haben, müssen sie sich doch sicherlich auch schütteln, oder nicht? Das habe ich zwar noch nicht gesehen, aber wahrscheinlich können sie es halt gut verbergen.
Ich werde schon noch herausfinden, was es mit diesen Zweibeinern so auf sich hat.
Und eines Tages werde ich euch mehr darüber erzählen ...