Was ist neu

Hugo ist da!

Mitglied
Beitritt
18.09.2015
Beiträge
5

Hugo ist da!

Ich war nackt, als ich folgende Nachricht bekam: „Hugo ist da!“

Ich stand im Badezimmer und wollte duschen. Ich hatte den Duschvorhang zur Seite geschoben und wollte gerade schwungvoll die Wanne betreten, da stoppte mich ein maschinengewehrartiges Klopfen an der Badezimmertür. Mitten in der Bewegung fror ich ein. Meinen erhobenen Fuß stellte ich wieder auf der Badezimmermatte ab und öffnete die Tür. Im Flur stand meine Frau, strahlte mich an und sagte: „Hugo ist da!“

Ich blickte an mir herunter. Hat er jetzt einen Namen?

„Nein, du Blödmann!“, wetterte sie, als sie meinen Blick bemerkte. „Hugo ist da!“

Ich schaute zur Haustür. Sie war verschlossen. Um physischen Besuch bei uns im Haus konnte es sich also nicht handeln.

„Ach, du warst einkaufen…“, fing ich an zu raten und dachte dabei an das Trend-Getränk aus Sekt, Minze und Gedöns, das Frauen sich immer bei Hochzeiten hinter die Binde kippten. Ich erinnerte mich, dass ich es auch mal in fertig gemischter Variante im Supermarktregal hatte stehen sehen.

„Herrgott nochmal!“, rief meine Frau und verdrehte die Augen. Ihr strahlendes Lächeln war einem Gesichtsausdruck gewichen, den Indianer früher gerne bei Kriegserklärungen verwendet haben. „Hugo! Rebecca!“ Sie deutete mit dem rechten Zeigefinger auf ihr linkes Ohr. Erst jetzt merkte ich, dass sie das Telefon am Ohr hatte.

Ding Dong!

Es klingelte. In meinem Kopf. Der Groschen war gefallen. Er war so groß wie ein Käserad und tat höllisch weh, als er mir von innen gegen die Schädelwand bollerte.

Hugo, na klar, der Sohn von Rebecca und Martin. War offensichtlich geboren worden. Heute. Oder gestern. Egal. Ich hatte verstanden und lächelte erleichtert.

Auch meine Frau schien froh zu sein, dass ich endlich verstanden hatte, was sie von mir wollte. Sie nahm das Telefon vom Ohr und drückte eine Taste.

„So, jetzt können wir dich beide hören. Stefan ist auch da.“ Offenbar hatte sie die Freisprechfunktion aktiviert.

„Hallo Rebecca!“, rief ich. „Herzlichen Glückwunsch! Mann, das ich ja wirklich ne tolle Nachr…“

„Rebecca? Nein, ich bin’s. Deine Mutter!“, quäkte es aus dem Hörer.

Jetzt verstand ich wieder nur Bahnhof. Verdutzt blickte ich zu meiner Frau. Ein bisschen schämte ich mich auch, weil ich nackt mit meiner Mutter redete.

„Da ist doch nicht Rebecca dran!“, sagte meine Frau entrüstet und verdrehte erneut die Augen, als wäre ich in meinem Adamskostüm mal eben auf dem Marktplatz spazieren gewesen. „Rebecca ist doch noch im Krankenhaus, Mensch, so kurz nach der Geburt. Deine Mutter hat mir das nur gerade erzählt. Sie hat das von Sabine gehört. Die beiden treffen sich öfter. Weißte doch!“

Jaja, wusste ich.

„Aber du hast doch gesagt… Rebecca…“, erwiderte ich und ahmte ihre Bewegung mit dem Zeigefinger zum Ohr nach.

„Ja, mein Gott, so habe ich das doch nicht gemeint! Zieh dir erst mal was an!“

Meine Frau ging ins Wohnzimmer, um das Telefonat auf dem Sofa fortzusetzen.

Ich drehte mich wieder um und schlüpfte in meine Badelatschen, die neben der Duschwanne standen und die ich als Hausschuhe benutzte. Dann eilte ich ins Schlafzimmer und bedeckte meine Blöße. Jogginghose und T-Shirt. Mehr brauchte ich nicht. Schließlich wollte ich von meiner Mutter nur kurz die neuesten Infos über den kleinen Hugo abgreifen und dann die Mädels wieder ihrem Gespräch überlassen, während ich meine geplante Dusche zu Ende bringen konnte.

Als ich im Wohnzimmer auf dem Sofa Platz nahm, hatte meine Frau die Freisprechfunktion des Telefons ausgeschaltet und den Hörer wieder am Ohr.

„So, wie geht’s denn nun dem kleinen Hugo?“, fragte ich und ergänzte: „Und seinen Eltern natürlich.“

Erneutes Augenverdrehen bei meiner Frau.

„Warte mal kurz“, sagte sie in den Hörer. Dann zu mir: „Kann ich dir das später erzählen? Wir sind hier schon beim nächsten Thema.“

Mir fiel auf die Schnelle keine schnippische Antwort ein. Musste mir auch nicht. Meine Frau war bereits wieder bis zu den Hüften im Gespräch mit meiner Mutter versunken. Ich seufzte demonstrativ, erhob mich und schlurfte zurück ins Bad. Ich freute mich, dass sich meine Mutter und meine Frau so gut verstanden. Aber dieses ganze hin und her musste ich nicht immer haben. Die Frau an sich sollte in ihrer Artikulationseinheit generell mal nachjustiert werden. Das ist mir schon öfter aufgefallen. Doch darum wollte ich mich später kümmern.

Nach meiner Dusche rubbelte ich mir gerade die Haare trocken, als mein Handy klingelte.

„Nääää, Alter!“, hörte ich meinen Kumpel Martin kreischen. „Kommste rüber? Hugo ist da! Gibt Bier!“

„Ja sicher, Altäää!“, krähte ich zurück und legte auf.

Ich suchte mir schnell etwas zum Anziehen und schaute nochmal kurz bei meiner Frau im Wohnzimmer vorbei. Sie telefonierte immer noch.

„Bier!“, rief ich grinsend, während ich mit dem rechten Zeigefinger auf mein linkes Ohr deutete. Dann war ich weg.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich hab jetzt per se nicht viel an der Geschichte auszusetzen, schließlich ist sie routiniert und gut heruntergeschrieben ... aber ich glaube, genau da ist der Knackpunkt. Mehr ist da nicht, finde ich. Das Thema ist nicht neu und der Text rattert im Grunde nur die bekannten Schemata herunter: Frauen machen Dinge, die für Männer nicht nachvollziehbar sind, wodurch der Mann am Ende des Tages wie ein Idiot dasteht und sich im Anschluss zu anderen Pavianen zurückzieht, weil Bier. Ugh Ugh. Kurz: Die Geschichte will so viel lieber eine Standupnummer sein - und in einem Poetry Slam bzw. als Standup Comedy hätte sie auch viel besser funktioniert, finde ich.

Insgesamt ist das ein netter Text, der allerdings auch nicht hervorsticht. Handwerklich gut, vom Thema her rasch beiseite gewischt und eher belanglos. Schade!

und dachte dabei an das Trend-Getränk aus Sekt, Minze und Gedöns, das Frauen sich immer bei Hochzeiten hinter die Binde kippten. Ich erinnerte mich, dass ich es auch mal in fertig gemischter Variante im Supermarktregal hatte stehen sehen.

Hier wird mir zum ersten Mal richtig klar, was der Text sein möchte ... Hier hoffst du, dass irgendwer "Jaaaa! JAAAA! GENAU! Das kenn ich!" ruft, aber das klingt dafür viiiiel zu allgemein.

Ihr strahlendes Lächeln war einem Gesichtsausdruck gewichen, den Indianer früher gerne bei Kriegserklärungen verwendet haben.

Nee. Der Vergleich ist nicht gut. Was soll man sich da vorstellen? Bei einer Kriegserklärung schaut bestimmt niemand nett und freundlich, wieso also ausgerechnet Indianer? Alternativ: Gibt es so viele Zeitzeugenberichte, die glaubhaft vermitteln, wie Indianer damals geschaut haben, wenn sie den Krieg erklärt haben?

Er war so groß wie ein Käserad und tat höllisch weh, als er mir von innen gegen die Schädelwand bollerte.

Das hat mir gut gefallen.

 

Hallo kybel,

Was mir als erstes ins Auge fiel, war:

Ich war
Ich stand
Ich hatte
Ich blickte
Ich schaute
Fast die Hälfte der ersten Sätze beginnt gleich. Nicht besonders originell. :lol:

Ich schaute zur Haustür.
Das ist aber eine merkwürdige Wohnungsaufteilung, wenn man von der Haustür direkt durch bis zur Badewanne gucken kann :lol:

Ich blickte an mir herunter. Hat er jetzt einen Namen?

„Nein, du Blödmann!“, wetterte sie, als sie meinen Blick bemerkte.

Unschöne Doppelung.

„Ach, du warst einkaufen(LEERZEICHEN )…“, fing ich an zu raten

Erst jetzt merkte ich, dass sie das Telefon am Ohr hatte.
Finde ich etwas unglaubwürdig. Warum sollte sie den sonst die ganze Zeit über die Hand ans Ohr halten? Sehr unaufmerksamer Kerl! :hmm:

Ein bisschen schämte ich mich auch, weil ich nackt mit meiner Mutter redete.
Sehr schön. Das ist die beste Stelle!

Also, was haben wir: Frau hört die Neuigkeit aus zweiter Hand und quatscht ausführlich mit einer Dritten darüber; Mann erfährt es aus erster Hand und die beiden Kerle verlieren kein Wort darüber, sondern verabreden sich zum Bier.

Eine “richtige” Kurzgeschichte ist das ja nicht, Altäää! Eher eine Anekdote.
Vielleicht kannst du sie ja noch erweitern. Würde mich freuen.

Schönen Tag noch und beste Grüße,
GoMusic

 

Hej kybel,

bei dieser kleinen dialoglastigen Geschichte hatte ich Pastweka und friends vor Augen und das wäre sicher ein Vergnügen gewesen.
Für eine vergnügliche Kurzgeschichte reicht es mir leider nicht. Ich muss nicht sonderlich emanzipiert sein, damit auch ich

Erneutes Augenverdrehen bei meiner Frau.
;)

Ich drehte mich wieder um und schlüpfte in meine Badelatschen, die neben der Duschwanne standen und die ich als Hausschuhe benutzte.

Wofür ist das denn relevant?

Meine Frau war bereits wieder bis zu den Hüften im Gespräch mit meiner Mutter versunken.

Zum Glück hast du nicht 'Humor' 'getagt'. :D

Ein Nascherl für zwischendurch. Freundlicher Gruß, Kanji

 

Ja, dieser Text ist für Poetry Slams wie geschaffen. Mit guter Gewinnchance. Weil mitten aus dem Leben gegriffen, ist der Wiedererkennungswert sehr hoch, was bei Lesungen immer gut ist.

Frauen können tatsächlich stundenlang telefonieren. Auch ohne besonderen Grund, sondern einfach so. Habe schon mehr als ein halbstündiges Gespräch erlebt, bei dem die beiden eigentlich nur verabreden wollten, wo genau in der Stadt sie sich am gleichen Nachmittag treffen werden. Aber sie konnten bis dahin nicht warten mit all den „Neuigkeiten“ aus der Verwandtschaft, Freunden, Nachbarn und Nachbarskindern …

Mag der Text auch belanglos erscheinen, aber es ist gut, dass du das mal so deutlich aufgeschrieben und damit Frauen quasi den Spiegel vorgehalten hast. :thumbsup:

 

Entschuldigen Sie, meine Herren ;)

Frauen können tatsächlich stundenlang telefonieren.

Alle?

Mag der Text auch belanglos erscheinen, aber es ist gut, dass du das mal so deutlich aufgeschrieben und damit Frauen quasi den Spiegel vorgehalten hast.

Und den Männern?

Nääää, Alter!“, hörte ich meinen Kumpel Martin kreischen. „Kommste rüber? Hugo ist da! Gibt Bier!“

Ts-ts :shy: Was'n hier los?

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Ich bedanke mich schon mal für das tolle und zahlreiche Feedback und freue mich, dass sich so schnell so viele Leute mit dem Text auseinandergesetzt haben. Wenn sogar die Kommentare kommentiert werden, habe ich alles richtig gemacht. ;-)

 

Frauen können tatsächlich stundenlang telefonieren.
Alle?
Alle habe ich nicht gesagt. Musst du schon genauer lesen.


Und den Männern?
Der eine Satz? Der ist nur für Alibi, damit sich keine* diskriminiert fühlt, schließlich sind wir hier in einem Forum, in dem Political Correctnes großgeschrieben wird.


* Na ja, eine hat sich doch auf den Rockzipfel getreten gefühlt. :D

 

Frauen können tatsächlich stundenlang telefonieren.
aber es ist gut, dass du das mal so deutlich aufgeschrieben und damit Frauen quasi den Spiegel vorgehalten hast.

Lieber Dion,
ich weiß nicht, wie man deine beiden Sätze noch genauer lesen soll. Ich erkenne weder im ersten noch im zweiten ein "einige(n)", "manche(n)" oder sonstwas in der Art. Da steht die verallgemeinerte Form des weiblichen Geschlechts ohne Einschränkungen.
Du hast vielleicht nicht alle gemeint. Aber gesagt hast du's schon. Und je genauer man hinschaut, desto deutlicher wird's.

Na ja, eine hat sich doch auf den Rockzipfel getreten gefühlt.
Wird ja immer lustiger hier.

Freundlichen Gruß vom Sommerdieb.

---
Lieber kybel,

"krähen" tun in der Regel Babys und Kleinkinder. Vielleicht wolltest du an der Stelle diese Assoziation wecken, dann lass es gerne so stehen, andernfalls würde ich es durch ein altersangemesseneres Verb ersetzen.
Dein Text war amüsant zu lesen, allerdings fehlt auch mir zu einer richtigen Kurzgeschichte die Handlung. Dass diese Szene "mitten aus dem Leben gegriffen" ist, kann ich nicht behaupten, ich hätte jetzt eher gesagt, dass eine solche Szene schon so oft von den Medien aufbereitet und hochgepusht wurde, dass wir glauben, solche Szenen aus dem Alltag zu kennen.
Aber das kann ich natürlich nur mit meinem eigenen Erfahrungshorizont bewerten, sicherlich haben da andere Leser auch andere Erfahrungen mit gemacht.

Liebe Grüße,
Sommerdieb

 

Da steht die verallgemeinerte Form des weiblichen Geschlechts ohne Einschränkungen.
Du hast vielleicht nicht alle gemeint. Aber gesagt hast du's schon. Und je genauer man hinschaut, desto deutlicher wird's.
So? Um meine Wahl der Wörter zu konkretisieren: Wenn ich Frauen – ohne Artikel! – eine Eigenschaft zuschreibe, dann meine ich Frauen im Allgemeinen. Das ist einfach die Entsprechung im Plural für „eine Frau“ im Singular, d.h. mit einem unbestimmten Artikel. Daher sind hier irgendwelche Frauen gemeint, keine bestimmten und auch nicht alle. Und wenn doch bestimmt, dann natürlich nur diejenigen Frauen, auf die die Zuschreibung zutrifft oder die sich mit ihr identifizieren.

Falls du anderer Meinung bist, Sommerdieb, dann schlage ich vor, darüber in einem extra Thread zu diskutieren. Weil sonst der Eindruck entstehen könnte, wir wollen diese kleine Geschichte immer wieder hochpushen. :)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom