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Hubert Selby: Der Dämon
Nein, es geht nicht um einen Dämon im herkömmlichen Sinne. Sondern um einen Mann, der von seinem Sexualdrang besessen ist, was ihm mehr und mehr zum Verhängnis wird. Vor allem hat er es auf verheiratete Frauen abgesehen, die von ihrem Ehemann nicht befriedigt werden und froh sind, dass endlich jemand da ist, der ihnen zuhört. Ist der Prot gelandet, macht er sich aus dem Staub, ohne dass den Frauen eine erneute Kontaktaufnahme möglich ist. Eine zeitlang trifft sich der Prot während seiner Mittagspause mit einer Frau und kommt deswegen oft ein paar Minuten zu spät zur Arbeit. Als er mit ihr in ein Hotel absteigt, erscheint er mehrere Stunden zu spät - ausgerechnet, als der Chef ihn für einen wichtigen Auftrag braucht. Es geht noch mal glimpflich aus und der Prot beschließt, sich von nun an mehr auf seine Arbeit zu konzentrieren. Aber sein Drang lässt ihm keine Ruhe, er kann sich nicht konzentrieren. Wieder verabredet er sich für die Mittagspause mit einer Frau, hatte dabei aber kaum Kontrolle über sich und begreift erst hinterher, was er gemacht hat. So geht es weiter, und wenn der Drang sich für eine Weile zurückzieht, dann stets nur, um ihn bei der Rückkehr noch heftiger niederzuschlagen.
Das Buch ist gespickt mit vielen nicht jugendfreien Handlungen, die zwar sehr ins Detail gehen, aber nur kurz angerissen sind. Wer auf erotische Literatur aus ist, den wird das Buch etwas unbefriedigt zurücklassen (außer, er will sich Appetit holen).
Man merkt, dass das Buch übersetzt wurde, denn einige wenige seltsame Sätze haben sich eingeschlichen:
"Ich soll wohl glauben, daß Sie werden haben auch nur einen Blick übrig für uns alte Schabracken, wenn ein so schönes Mädchen wie Linda ist da?" (selbiges S. 104)
Wörtliche Rede wurde durgehend nicht gekennzeichnet, außerdem enthält der Text an vielen Stellen ungewöhnlichen "Schmuck", z.B. vierfache Fragezeichen, Zeilenumbrüche und Einschübe mitten im Satz, unterbrechende Gedanken in Klammern oder Gedankenstrichen usw. Trotz des Er-Erzählers (der während der Gedankengänge von einem Ich-Erzähler abgelöst wird) entsteht so der Eindruck, alles spiele sich im Kopf des Prot ab, vieles rauscht vorbei wie ein Fluss von Gedanken. Der Leser verschmilzt mit dem Erzähler, wird mitgetragen als leise und ungehörte Stimme der Vernunft im Hinterkopf des Prot und liest sich durch lange Sätze, deren Ende nicht in Aussicht ist und wird mitgezogen auf den finsteren Abgrund der menschlichen Seele zu, als hätte der Prot ein Gewicht um den Hals hängen, das ihn unaufhaltsam und unerbittlich auf den Abgrund zuzieht, während der Leser im zuschreien möchte, doch endlich Vernunft anzunehmen, obwohl er weiß, dass der Prot genauso wenig dafür kann und selbst Opfer obwohl auch Täter ist und zum Ende hin fällt es den Leser schwerer, sich von den Sätzen loszureißen, als würde das Gewicht am Hals wachsen und wachsen und die Sätze hämmern in seinem Kopf wider, als wäre er selbst kurz davor, verrückt zu werden ...