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How to be her superhero
Rebecca drängelt sich durch die dichte Menge. Wo ist er? Um sie herum greifen die Partygäste nach Häppchen, nippen an ihren Sektgläsern und unterhalten sich. Ein blau-weißes Banner an der Saalwand verkündet Happy Halloween wünscht KPMG. Durch die Lautsprecher schallt Je ne regrette rien. Der rechte Stöckelschuh reibt an ihrer Ferse und das glitzernde Kröhnchen ihres Cinderellakostüms droht, einen Abgang über ihren Hinterkopf machen. Hastig greift sie danach und rückt es auf ihrem Kopf zurecht. Wo ist er, wo ist Superman? Ihr Blick scannt die Grüppchen im Saal und verweilt unwillkürlich auf dem rot-gelben S auf der breiten Brust eines Mannes. Da ist er! Ihr Blick gleitet von seinem strahlenden Lächeln, welches Zähne so weiß wie Klaviertaten feilegt, zu seinem Gesprächspartner. Pamela aus der Buchhaltung entblößt mit tiefem Ausschnitt ihr D-Körbchen. Sie trägt Katzenohren und hat sich Schnurhaare auf die Wangen geschminkt. Eine Woge von Emotionen durchspült ihren Körper. Mit roten Wangen marschiert sie festen Schrittes auf Superman und die Katze zu.
„Ähem“, räuspert sie sich und tippt Superman auf der Schulter an. Dieser dreht sich um und sein Lächeln strahlt um ein paar Grad heller.
„Hallo Rebecca. Ich habe gerade davon erzählt, wie dein Orientierungssinn unterirdisch ist und du immer wieder verloren gehst.“
Rebecca zwingt ihre Mundwinkel um ein paar Millimeter nach oben. „Das stimmt, gerade eben bin ich auch verloren gegangen. Aber du hast ja dich auch ohne mich gut unterhalten und Spaß gehabt.“ Sie nimmt Pamela ins Visier, deren Lächeln bröckelte unter ihrem Makeup.
Pamela fährt sich nervös durch die Haare. „Ich geh mal rüber zu den Controllern, die besaufen sich sonst ohne mich. Schönen Abend noch euch beiden.“ Mit schwingenden Hüften stöckelte sie davon, die Katzenohren wippen bei jedem Schritt.
„Rebecca, was ist denn los? Wieso bist du so unfreundlich zu meiner Arbeitskollegin?“ Paul runzelt die Stirn.
„Ich kann es nicht fassen. Ich gehe aufs Klo, lasse dich kurz alleine, und du flirtest mit diesem Flittchen. Ich wusste von Anfang an, dass sie auf dich steht und Aufmerksamkeit von dir will!“, brüllt Rebecca. Der Mann im Kostüm von Garfield dreht sich zu ihnen und tuschelt mit dem Zombie neben ihm, während er genüsslich Shrimps isst.
„Ich… ich habe mich doch nur unterhalten. Ich habe sogar über dich gesprochen und wie süß ich es finde, dass du so orientierungslos bist.“ Superman verliert Körperspannung und seine Schultern sacken nach vorne, das S auf seiner Brust wirft falten.
„Papperlapapp. Ich habe genau gesehen, wie du sie angelächelt hast!“ Rebecca knallt ihren rechten Highheel auf den Parkettboden, prompt durchfährt sie stechender Schmerz.
„Dir kann man auch nichts recht machen. Ich habe dir gerade erklärt, dass ich nicht mir ihr geflirtet habe.“
„Weißt du, seitdem wir vor sechs Monaten zusammengekommen sind, vermute ich, dass du mir fremd gehen wirst, und.. und..“
„Ich kann es nicht glauben. Ich unterhalte mich mit einer Arbeitskollegin auf einer Party von der Arbeit und du unterstellst mir, dass ich dich betrüge und verlasse. Das muss ich erstmal wegstecken.“ Er dreht sich um und verschwindet in der Menge. Rebecca steht in der Mitte des Saals, um sie herum lauter lachende Grüppchen aus Menschen. Non, je ne regrette rien tönt durch den Saal.
Sie läuft Richtung Buffet und schnappt sich zwei Sektgläser. Was habe ich getan? Habe ich ihn verjagt? Endgültig? Dabei möchte ich nicht, dass er mit mir Schluss macht. Und seine Kolleginnen haben es definitiv auf ihn abgesehen. Sie ballt die Faust. Er hat mich schlecht behandelt und jetzt bin ich wütend auf ihn. Oder hat er das? Tränen kullern ihr über die Wangen. Sie wischt sie mit der freien Hand weg und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Sektglas. Und jetzt betäube ich meine Angst mit Alkohol. Die Schleusen öffnen sich komplett und sie beginnt zu weinen wie ein kleines Baby. Sie rennt zur Toilette.
Mit leicht geröteten Augen kommt sie zurück in den Festsaal. Die Krone sitzt mittig auf ihrem Kopf, Klopapier hängt an ihrem linken Stiletto.
„Rebecca, du hast Klopapier an deinem Schuh.“ Sie errötet und zupft es sich weg. Paul ist wieder da und schaut sie an ein wie ein Hundewelpe, der sein Geschäft in der Wohnung verrichtet hat.
„Es tut mit Leid, eben habe ich mich nicht wie dein Superheld verhalten.“
„Danke, dass du dich entschuldigst. Ich mich auch nicht, ich war wütend auf dich.“ Sie mustert ihn abschätzend und seufzt dann. „Eigentlich habe ich Angst, dass du mich verlässt. Als ich dich mit Pamela gesehen habe, ist diese Angst in mir hochgeschossen.“ Sie tippt sich an ihr Krönchen. „Ein Kostüm macht noch keine Prinzessin, ich sollte an mir arbeiten, um weniger abzudrehen.“
„Danke, dass du so ehrlich bist.“ Er umarmt sie und küsst sie. „Und ich arbeite daran, dein Superman zu sein, neben dem du dich immer entspannen kannst.“ Sie kichern und schlendern Händchen haltend durch die Menge.