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Hotaru (neue Fassung)
Narvik lehnte im Schatten der ‚Nova’ und beobachtete Winston beim Verladen der neuen Container. Acht Uhr Vormittag, und es ist schon wieder wie im Backofen, dachte er. Das Raumschiff ruhte auf Platz 382 der Frachtabteilung für mittlere bis hochtoxische Entsorgungsgüter des Raumhafens „Said Sahil“ in der marokkanischen Halbwüste. Der Staub am Boden kräuselte sich unter einer schwachen Brise, in der Luft hing ein stechender Ölgeruch. Der Horizont war eine flimmernde, verschwommene Linie. Etwa ein Drittel aller Parkplätze waren belegt. Er wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und nahm die Sonnenbrille ab. Sorgfältig sprühte er eine neue Schicht Sonnenspray auf das blasse Gesicht und die Handrücken, die einzigen freiliegenden Hautstellen. Ein leichter Kühlungseffekt setzte ein und verschaffte ihm kurze Erleichterung. Er setzte die Brille wieder auf, leckte über aufgesprungene Lippen. Das weiße Leinenhemd war staubig, ebenso die dunkle Hose und die Stiefel. Der Wind zerzauste seine Haare, zerrte an den Kleidern.
„He Winston, letztes Angebot!“, rief er dem andern zu und schwenkte den Behälter mit dem Sonnenspray.
„Ich lass’ mich gerne braten. Soll gesund sein“, brummte der ältere Mann.
„Niemand verträgt nach zwei Monaten Innenansicht eines Raumschiffes soviel Sonne. Auch du nicht, Partner.“
„Wenn du’s sagst, Narvik. Wo zum Teufel steckt eigentlich Lilith, die sollte das hier schaukeln.“ Winstons Stimme wurde ärgerlich, während sein Arm einen Halbkreis um die Verladerampe der ‚Nova’ beschrieb. Er hatte die Deckhaare seiner grauen Mähne zusammengebunden, seine Gesichtsfarbe erinnerte Narvik bereits jetzt an einen gekochten Hummer.
Er runzelte die Stirn. „Keine Ahnung. Wird wohl wieder in irgendeinem Cyberspiel festsitzen und unser schwerverdientes Geld auf den Kopf hauen.“ Nach einem Achselzucken begann er, Sand aus seiner Nase zu entfernen. Er hegte eine Abneigung gegen die Halbwüste mit ihren stinkenden, grunzenden Kamelen die überall umherstreiften und deren Besitzer sich in ihren Schatten bewegten und versuchten, Plunder an die Schiffsbesatzungen zu verhökern. Er schnaubte genervt.
„Wenn der Kerl, der den Hafen hier geplant hat und sich zu Unrecht als Architekt bezeichnete, noch leben würde, hätte er sich schon jede Menge Feinde gemacht“, sagte er mehr zu sich selbst, er lechzte nach Abkühlung.
„Vor fünfzig Jahren, in den 2150-er-Jahren schien der Platz angemessen zu sein“, entgegnete Winston.
„Das ist lange her. Die Wüste soll damals wesentlich weiter entfernt gewesen sein. Ich checke mal, ob man in Salahddines Laden immer noch Zeitungen verkauft.“ Narvik schlenderte einem flachen Gebäude entgegen und rief Winston nach: „Soll ich dir was mitbringen?“
„Nur Lilith, falls du sie irgendwo findest. Ich bin nicht einmal sicher, was genau wir eigentlich transportieren!“
„Immer das gleiche Dreckszeug“, murmelte er in den Wind.
Winston, Narvik und Lilith gehörte die ‚Nova’ zu je einem Drittel. Narvik übernahm die Aufgabe des Navigators und Piloten, mit den meisten Routen und Planeten war er besser vertraut als ihr alter Bordcomputer. Der ältere Mann war für die Wartung und alle Reparaturen des Schiffes zuständig. Lilith fungierte als Händlerin, beschaffte die Aufträge und kümmerte sich um die Details des Geschäfts. Der Transport gefährlicher Abfallgüter war ihr Spezialgebiet.
Im Gebäude drehte sich träge ein Ventilator an der Decke und vermischte den beißenden Schweißgeruch vieler Menschen. Der Laden bot für die Menge an Leuten, die sich darin tummelten, viel zu wenig Platz. Narvik erspähte die Zeitschriftenabteilung auf der linken Seite. Sand knirschte im Eingangsbereich unter den Stiefeln, grauer Staub versperrte die Sicht durch die winzigen Fenster nach draußen, die trockene Luft verursachte ein Kratzen im Hals.
Das Angebot an Zeitungen, Zeitschriften und sogar Fachlexika war erstaunlich groß. Ein alter Drehstand mit gebrauchten Taschenbüchern quietschte eine längst vergangene Zeit herbei, von irgendwoher säuselte orientalische Musik.
Narvik nahm sich ein Exemplar des „Magazins für interstellare Raumfahrt“ und begann darin zu blättern. Dem Aufhänger zufolge sollten die Treibstoffkosten in den nächsten Tagen erhöht werden. Auch das noch, dachte er, so kurz nach der kostspieligen Generalinspektion der ‚Nova’. Sie waren ohnehin meistens knapp bei Kasse und der jetzige Auftrag war ihr vorläufig letzter.
In Gedanken sah er sich bereits in einen zähen Standard-Nahrungsriegel ohne Geschmack beißen, als ihn jemand anrempelte, so dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
„In einer Sardinenbüchse hat man bequemer Platz“, sagte ein Fremder.
Narvik sah auf. Ein Muskelprotz, einen Kopf größer als er selbst, baute sich neben ihm auf und streckte ihm eine riesige Hand entgegen. Die braungebrannte Haut stand in bemerkenswertem Gegensatz zu dem kurz geschorenen, blondierten Haar. Unter den Arm hatte er einen Koffer geklemmt, stahlblaue Augen fixierten Narvik.
„Also Sie sind der Dritte im Bunde. Nett, Sie persönlich kennen zu lernen.“
„Sollte ich Sie vielleicht kennen?“ Narvik ergriff die Hand.
„Nennen Sie mich einfach Blue. Ich habe einen Deal mit Ihren beiden Kollegen.“ Der Riese streckte das Kinn in Liliths Richtung vor, die plötzlich knapp hinter ihm stand, sich auf die Zehenspitzen stellte und über seine Schulter beugte, um zu sehen, was er las.
„Hi Partner, ich sehe, du hast dich mit unserem Passagier bereits bekannt gemacht.“
„Passagier?“, entgegnete er und witterte Ärger.
„Mhmm.“ Sie machte einen Schritt nach vorn und nahm ihm das Magazin aus der Hand. „Wir werden Blue mitnehmen. Tripox liegt auf unserer Route, dort werden wir ihn absetzen. Winston hat bereits grünes Licht gegeben und mir gesagt, wo du dich versteckst.“
„Du scheinst vergessen zu haben, dass wir ein Frachtschiff besitzen und keinen Chauffeurdienst.“ Er wandte sich an den Riesen: „Wir transportieren toxisches Zeug, keine Reisenden, und die Entscheidung darüber fälle immer noch ich.“
„Blue zahlt uns eine angemessene Summe. Ich meine, eine wirklich angemessene. Die Treibstoffkosten sollen erhöht werden?“ Ihre smaragdgrünen Haare umspielten die schmalen Schultern, die dunklen Augen sahen verschwörerisch zu ihm auf, während sie mit dem aufgeschlagenen Heft vor seiner Nase herumwedelte.
„Sie scheinen Lil ja schwer beeindruckt zu haben, Blue.“ Narvik nahm Lilith das Magazin wieder aus der Hand und blätterte weiter. „Niedlichen Namen haben Sie sich zugelegt, soll wohl die Augenfarbe unterstreichen.“ Mit unbeteiligter Mine zog er eine Augenbraue hoch.
„Mein Name ist nicht von Belang. Die Sache ist simpel. Sie nehmen mich mit und erhalten dafür ein ansehnliches Sümmchen.“
Lilith beugte sich näher zu Narvik heran und flüsterte ihm eine Zahl ins Ohr, worauf ihm ein Pfiff durch die Zähne entfuhr.
„Tripox liegt nicht direkt auf unserer Flugbahn. Wir müssten sie etwas abändern und eine Verzögerung von mindestens …“, er überlegte einen Augenblick, „drei Tagen und zwei Stunden in Kauf nehmen. Liegt das noch im Rahmen, Lil?“
„Wir haben fünf Tage Spielraum.“
„Gut. Was wollen Sie eigentlich dort? Die besten Roulettespieler der Galaxis herausfordern, oder vielleicht tripoxianische Frauen treffen? Die sollen eine ziemlich aphrodisische Wirkung besitzen.“
„Nein, nein, ich bin Biologe und nicht an Vergnügungen dieser Art interessiert. Auf Tripox existiert eine weitgehend unerforschte Fauna“, wehrte der Mann namens Blue ab.
„Und warum fliegen Sie nicht mit dem nächsten öffentlichen Passagierschiff?“
„Das startet erst in vier Monaten. Manche Arten stehen bereits jetzt kurz vor dem Aussterben.“
„Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie sich mit der Summe, die Sie sparen, einen lebenslangen Vorrat an Jetons für Gammoi 3 anlegen könnten?“
„Hören Sie, ich will nicht ankommen, wenn nur noch Bakterien und Einzeller übrig sind. Heutzutage sterben Tierarten schneller aus, als man ‚Chance verpasst’ sagen kann. Geld ist für mich irrelevant“, stellte der Blonde klar.
Fünfzehn Minuten später war der Deal perfekt.
„Sagt Ihnen der alte Spruch ‚Nur Bares ist Wahres’ etwas?“, fragte Narvik.
Blue grinste und tippte auf den Koffer. „Yep. Das gesamte Heu ist hier drinnen.“
„Fabelhaft. Ich sehe, wir verstehen uns. Wir starten morgen um drei Uhr Nachmittag. Noch was, Blue, falls Sie vorhaben, während unserer Reise die marsianischen Pocken zu bekommen, sollten Sie wissen, dass wir nur die medizinische Mindestversorgung an Bord mitführen. Lil, du zeigst unserem Gast die ‚Nova’, sobald die Übergabe erfolgt ist.“
Lilith und Blue verließen den Laden und stapften in Richtung Parkplatz 382 davon.
Narvik kaufte kurze Zeit darauf ein Taschenbuch von einem Kurt Krake ohne genau zu wissen warum, und ging dann mit Salahddine, dem Besitzer des Ladens, ins Hinterzimmer.
„Irgendwelche Neuerungen am Markt?“ fragte er. Sein Faible für exotische Drogen war ungebrochen, seit ihn die Wirkung des verbesserten Ralintil in völlig fremde Sphären des Bewusstseins geschleudert hatte.
In gebrochenem Englisch bekam er zur Antwort: „Ganz neues Mittel eingetroffen, Wirkstoff aus Kakteen von Coppertu 4 gewonnen. Genannt KC 4“
„Wie wirkt es?“
„Beeinflusst Wechsel von Gehirnstoff. Macht Gefühl von Unbesiegbarkeit. Erhöht körperliche Kraft. Blutdruck und Puls steigt.“ Der Marokkaner holte ein kleines Fläschchen hervor und gab es Narvik.
„Die Anwendung?“
„Wie Nasenspray. Du möchtest einmal probieren?“
„Für unbesiegbar halte ich mich auch ohne das Zeug. Ich werde es dennoch versuchen. Sind Nebenwirkungen bekannt?“ Er sprühte eine kleine Menge in ein Nasenloch und zog es schniefend hoch.
„Keine bekannt bis jetzt. Wirkung hält drei bis vier Stunden.“
„Was ist die maximale Dosis und was passiert bei einer Überdosis?“ Sein Puls beschleunigte sich bereits, er hörte das Blut ungewöhnlich laut in den Ohren rauschen.
„Zweimal sprühen das höchste. Zuviel hatte noch niemand. Du Interesse? Wenn kaufen, du Ralintil zum halben Preis bekommen.“
Narvik kaufte drei Fläschchen KC 4 sowie zwei Packungen Ralintil.
Pünktlich um drei Uhr des folgenden Tages waren alle Container verstaut, die Besatzung vollständig und Blue in dem leer stehenden, ungenutzten Quartier. Narvik leitete die Startsequenz ein und überließ alles weitere dem Autopiloten, nachdem sie die Umlaufbahn hinter sich gelassen hatten. Die Drehung des inneren Schiffsbereichs setzte ein und erzeugte dadurch eine Fliehkraft, die etwa einem Viertel der Erdanziehungskraft entsprach. Dieser Teil glich einem riesigen Hamsterlaufrad, alle Quartiere, die Kontrollstationen und die Hauptbrücke verteilten sich auf den sich drehenden Außenbereich.
Bald darauf gingen alle ihren Interessen nach. Lilith hatte sich ins interstellare Netz eingeklinkt und spielte „Jaguarjagd 21“, Winston bastelte an einer Verteilerspule herum und Narvik las die aktuellen Planetenberichte. Fünf Stunden später hatten sie die dritte W-Schleuse, ein bezolltes, nutzbar gemachtes Wurmloch, ohne Kontrolle passiert. Narvik prüfte die Flugbahn von seinem Quartier aus und nahm eine Kurskorrektur von 0,0013 Grad vor. Danach streckte er sich, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.
Als er sie wieder öffnete, spiegelte sich etwas auf der Konsole vor seinem Gesicht. Überrascht drehte er sich im Stuhl herum. Blue stand dicht hinter ihm. Der dünne, hautenge Raumanzug, den alle trugen, wirkte an ihm beinahe lächerlich.
„Sie haben bestimmt schon etwas von Hotaru gehört, nicht wahr Narvik?“
„Ich weiß mehr über Planeten als Sie über Kraftfutter. Ein Japaner hat ihn entdeckt und ihm den japanischen Namen für Glühwürmchen gegeben, der zugleich ein weiblicher Vorname ist. Seit Jahrzehnten offiziell gesperrt, Berichten zufolge soll er Halluzinationen von Glühwürmchen auslösen und die Leute verrückt spielen lassen, warum ist allerdings nicht bekannt. Wenn man außerdem vorhat, sich für alle Zeiten in ein Fischstäbchen frosten zu lassen, ist es genau der richtige Ort, um das zu erreichen. Wir fliegen in acht Minuten praktisch daran vorbei. Warum interessiert sich ein Biologe dafür? Dort unten gibt’s keinerlei Leben, zumindest keine reales.“
„Hotaru ... ruft uns.“ Blue trat einen Schritt auf Narvik zu. „Wir müssen zu ihm! Dort existiert eine Lebensform! Hören Sie sie denn nicht auch?“
„Wie bitte?“ Narvik sprang vom Stuhl hoch. „Ich höre nur Ihr dämliches Geschwätz.“ War Blue etwa irgendwie in den Bann des Planeten geraten? Er erinnerte sich undeutlich an Berichte, bei denen Schiffe ohne offensichtlichen Grund auf Hotaru gelandet waren. Viele davon waren, nachdem sie ein Notsignal ausgesandt hatten, nie wieder gesichtet worden und blieben verschollen im Bermudadreieck des Weltraums.
Mit einem Mal war alle Farbe aus Blues Gesicht verschwunden. Er verhakte die Finger ineinander, begann eine Melodie zu summen und wippte mit dem Oberkörper abwechselnd von vorn nach hinten wie ein Schaukelpferd.
Augenblicke später bebte der Boden, irgendwo barst Metall und der Alarm wurde ausgelöst. Die Beleuchtung fiel großteils aus. Synchron zu dem ohrenbetäubenden Geräusch blinkten die roten Signallichter im Boden. Plötzlich verlangsamte sich die Rotationsgeschwindigkeit und die künstliche Gravitation wurde schwächer.
„Verdammt, welche Weichbirne hat mir gerade die Führung bei Jaguarjagd versaut?“, kreischte Lilith durch den Kommunikator.
„Lil, tu mir einen Gefallen und vergiss einmal deine unnützen Spiele! Sieh mal nach Blue, der ist in meinem Quartier. Irgendetwas stimmt hier nicht. Wir müssen den ursprünglichen Kurs verlassen haben. Winston! He, alter Mann, melde dich!“
Narvik machte sich auf den Weg zur Brücke, um Zugang zur Hauptsteuerung zu erlangen. Blue schaukelte immer noch summend in Narviks Quartier herum, wie weggetreten.
Endlich erreichte er die Brücke. Winston stand vor der Hauptcomputer-Konsole und starrte wie hypnotisiert durch das Sichtfenster. Sie befanden sich im Anflug auf Hotaru. Narvik erkannte, dass sie bereits in einen niedrigen Orbit eingeschwenkt hatten. Wahrscheinlich war der Eintrittswinkel in die Atmosphäre zu steil gewesen. Das hatte vermutlich den Alarm ausgelöst. Eine blaugrün leuchtende, flache Kuppel, die etwa zur Hälfe im Schatten lag, hob sich vom pechschwarzen Hintergrund ab wie ein riesiger, schimmeliger Teller, Hotaru.
„Winston! Geh’ von der Konsole weg!“ fuhr er ihn an. „Du kannst doch die ‚Nova’ überhaupt nicht bedienen!“ Schnell deaktivierte er den Alarm. Der Schutzschild hatte schwerere Schäden verhindert. Allerdings hatten die Sensoren einen Container gemeldet, der sich aus der Verankerung gelöst hatte.
„Planänderung, Lil. Checke mal, ob alle Container noch intakt sind, aber sei vorsichtig! Winston ist in den Bann von Hotaru geraten, falls das möglich ist, und Blue wahrscheinlich auch. Winston ist auf der Brücke, ich kümmere mich um ihn. Er hat den Landevorgang eingeleitet. Ich versuche, hochzuziehen. Bestätigen.“
Keine Antwort. „Lilith, bestätigen!“
„Bestätigen!“ Zornig unterbrach er die Energieversorgung zu Liliths Quartier.
„Wer auch immer das war, schuldet mir dreihundertdreißigtausend Jaguarpunkte!“
Narvik wiederholte eilig das vorhin Gesagte, während er auf Winston zustolperte. Liliths Spielsucht konnte sie alle den Hals kosten, dachte Narvik erbost.
„Aber wie ... konnte denn ... okay, ich checke die Container“, meldete sie sich endlich.
Unvermittelt fühlte sich Narvik merkwürdig. Ein Gefühl, als ob irgendetwas an seinem Verstand zerren würde, ließ ihn kurz inne halten. Etwas nicht Greifbares, Beängstigendes, von dem irgendeine Art von Gefahr ausging, war offenkundig präsent.
„Winston, reiß dich zusammen, kämpf dagegen an!“
Der Angesprochene drehte den Kopf. Die durch den Sonnenbrand entstandenen Hautfetzen hingen von seinem Gesicht und verliehen ihm, gemeinsam mit den halbgeschlossenen Augen, ein bizarres Aussehen, beinahe wie ein Zombie.
„Wir werden gerufen, hörst du es auch schon?“, säuselte er.
„Nein, das ist nur eine Halluzination. Es ist nicht real!“ Doch während er die Worte ausstieß, war er sich nicht mehr sicher.
„Unsere Fracht ist okay“, meldete sich Lilith wieder. „Und jetzt lande den Vogel“, fügte sie trocken und sehr langsam hinzu.
Nicht auch noch Lilith, dachte Narvik mit einer Mischung aus Ärger und Resignation. Er war auf sich allein gestellt. Unsanft stieß er Winston zur Seite und gab einen neuen Kurs ein. Plötzlich drang ein verlockendes Summen in seinen Verstand und übertönte alles andere. Die Schaltfläche zur Kursbestätigung blinkte noch. Er betätigte sie nicht.
Narvik wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war. Lilith und Winston standen über ihn gebeugt. Blues Stöhnen waberte von weit her durch die Luft.
Er richtete sich auf und spürte einen Stich im linken Knie. Ihm war seltsam heiß und Übelkeit stieg in ihm auf. Das Atmen fiel schwer.
„Das nennt man wohl Bruchlandung. Wie fühlst du dich?“, fragte Winston, während er Narvik auf die Beine half.
„Bruchlandung? Wir sind gelandet? Aber ich hatte doch ... den Kurs korrigiert ... Mir geht’s gut. Ein Knie hat was abbekommen. Wo ist Blue, ist er in Ordnung?“
„Wissen wir nicht“, sagte Lilith. „Ich bin auch eben erst zu mir gekommen, im Frachtraum. Niemand hat sich gemeldet, deshalb bin ich gleich zur Brücke und habe euch hier gefunden.“
„Zuletzt war er in meinem Quartier. Los, sehen wir mal nach.“
Als sie Blue fanden, lag der abgetrennte, linke Unterarm wie ein Stück blutendes Holz neben ihrem Passagier. Er hatte die Augen geschlossen, das Gesicht war eine schmerzverzerrte Fratze. Die Wunde blutete stark.
„Und ich hatte ihn noch gewarnt. So eine elende Sauerei in meinem Quartier!“ Er holte rasch zwei Druckverbände unter der Pritsche hervor und stülpte je ein saugglockenartiges Gerät über den Armstumpf und eines über das blutende Ende des abgerissenen Körperteils. Der sofort einsetzende Überdruck stoppte die Blutung augenblicklich.
„Die schmerzhemmende Wirkung wird gleich einsetzen“, versuchte er Blue, der offenbar unter Schock stand, aber immerhin noch am Leben war, zu beruhigen. „Winston, Lilith, ihr wisst, was zu tun ist. Beeilung Leute!“
Sie nickten wortlos. Lilith hob den Arm auf, erschauderte kurz, riss sich aber nach einem scharfen Kommentar von Narvik zusammen, eilte dann auf die spärlich ausgestattete Krankenstation. Sie aktivierte den badewannenförmigen, durchsichtigen Tank, der sich über Düsen mit einer transparenten Nährlösung gurgelnd auffüllte, die Heizstäbe sprangen mit einem Klicken an, die Konsolen begannen zu blinken, Staub wirbelte hoch.
Winston wartete mit Narvik, bis der Verletzte zu sich kam und aufstehen konnte. Sie stützten ihn und halfen ihm auf die Station. Der Tank war inzwischen einsatzbereit.
„Lil, welcher Nano-Reparatursatz ist im Fall einer Abtrennung erforderlich?“, fragte Narvik unter dem massigen Arm von Blue hervor.
„Sag’ du es mir, Narvik. Ich bin nur eine Händlerin.“
„Und ich Navigator. Winston, du bist doch Experte im Reparieren, hast du eine Ahnung, ob der Arm noch geflickt werden kann?“
„Der Kurs für Gliedmaßenreparatur liegt schon eine Weile zurück. Setzen wir ihn erst einmal in den Tank“, schlug Winston vor.
„Na dann rein in die Wanne.“ Narvik tätschelte Blues Wangen und stellte erleichtert fest, dass sich dessen Gesichtsausdruck klärte.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in so ein primitives Becken steigen müsste“, gab er, blass geworden, zur Antwort. „Funktioniert es überhaupt noch?“
„Ziehen Sie alles aus und das hier an“, forderte Lilith ihn auf und streckte ihm eine Art Badehose entgegen. „Keine Sorge, der Tank ist voll funktionsfähig. Wir drehen uns um, wenn Ihnen das lieber ist.“
Nachdem sich Blue umgezogen hatte, stieg er in die warme Flüssigkeit und legte sich soweit hinein, bis nur noch der Kopf herausragte. Lilith legte den Arm ebenfalls hinein und entfernte die Druckverbände. Sie schoben gemeinsam den durchsichtigen Deckel auf die offene, obere Fläche. Das Ende, das in der Form eines Halses eingekerbt war, schoben sie auf Blues Kopf zu.
Winston hatte inzwischen einige Reparatursätze vor sich ausgebreitet, steckte die Anschlüsse in die Schnittstelle der Konsole und las deren jeweilige Funktion ab, wobei er immer wieder brummte und neue Kombinationen ausprobierte, die mehr Erfolg zu versprechen schienen.
Narvik rieb sich das schmerzende Knie, ihm war immer noch übel.
„Und?“, fragte er.
„Moment noch, ich hab’s gleich.“
„Leute, wir stecken ganz schön in der Bredoullie“, begann Lilith, die an der Konsole Daten ablas, „die Schwerkraft hier ist verdammt hoch, außerdem scheint der Schaden beträchtlich zu sein.“
„Winston, so wie’s aussieht, du hast heute noch ’ne Menge zu tun“, sagte Narvik, „vielleicht hätten wir doch in eine Reparatureinheit investieren sollen. Panasonic hatte doch vor kurzem ein Sonderangebot, wenn ich mich nicht irre.“
Der alte Mann schien ihn nicht gehört zu haben.
„Die Zusammenstellung der Nanos ist fertig.“ Er reichte Lilith die Ampulle, die sie in die entsprechende Vorrichtung am Tank einführte.
02:00:45 begann an der Anzeige zu blinken und dann rückwärts zu zählen. Die Flüssigkeit hatte sich durch das Blut in eine groteske Version von Rosenwasser verwandelt.
„Ich werde dann mal Putzfrau spielen“, sagte Narvik, und dann an Blue gewandt, der wie ein jämmerlicher Koloss aussah: „Unterhaltungsprogramm ist gestrichen, solange wir nicht genau wissen, wie viel Schaden die ‚Nova’ genommen hat. Versuchen Sie sich zu entspannen. In weniger als drei Stunden ist alles vorbei und Sie werden sich wie ein neuer Mensch fühlen.“
Die hohe Schwerkraft Hotarus machte bald allen zu schaffen. Winston geriet schnell außer Atem und das verzögerte die Reparaturen. Liliths Wangen waren knallrot und die Haare standen wirr umher, während sie die Container noch einmal überprüfte. Narviks Knie brannte höllisch, er humpelte, nachdem er das blutige Chaos in seinem Quartier entfernt hatte, wie ein Kriegsveteran durch alle Decks und stöberte nach unentdeckten Rissen in der Außenhaut, die ihr alter Computer möglicherweise übersehen hatte. Alle waren zu beschäftigt, um über die möglichen Gefahren ihres unfreiwilligen Aufenthalts auf dem Planeten nachzudenken.
Nach über einer Stunde waren die manuellen Scans abgeschlossen, wenigstens die Hülle war soweit intakt.
Auf dem Weg zurück ins Quartier hielt er vor der Krankenstation inne, ging hinein und blieb schließlich vor dem blubbernden Tank stehen. Blue döste mit geschlossenen Augen vor sich hin. Die Nanos waren natürlich nicht mit freiem Auge zu erkennen, aber der Fortschritt der medizinischen Robotereinheiten war bereits sichtbar, die oberflächlichen Verletzungen waren verschwunden, der halbabgetrennte Daumen wieder unversehrt und der Arm an der Stelle, wo er hingehörte.
Blue machte die Augen auf, schien aber nicht überrascht.
„Wie fühlt sich der Patient?“, erkundigte sich Narvik.
„Komisch. Dieses Summen ... was ist das?“
„Hör ich nicht. Möglicherweise ein Nebeneffekt der Nanos.“
Narvik ging wieder, ignorierte Blues Protest auf Wunsch nach Ablenkung. Ihm war nicht nach Plauderei, er wollte eine Dosis KC 4 probieren, allein.
In seinem Quartier hing immer noch der Geruch von Blut, als er es betrat und das Fläschchen hervorholte.
Lilith kam kurze Zeit später zu ihm, blieb neben der Pritsche, auf der er lag, stehen und beäugte ihn irgendwie misstrauisch, wie ihm schien.
„Hey. Unserer Fracht geht’s immer noch gut. Wie steht’s um dein Knie?“
„Besser als um Blues Arm“, antwortete er, obwohl er sicher war, dass ihr Passagier dank des Tankes unter weniger Schmerzen litt.
„Was um alles in der Welt ist vorhin nur passiert?“
„Wenn wir das herausbekämen, wäre das Universum um ein Rätsel ärmer. Ich konnte keine zusätzlichen Schäden ausmachen.“
„Sehen wir mal nach, wie Winston vorankommt, was meinst du?“
„Na schön“, sagte er, seufzte aber innerlich. Winston würde das schon gebacken kriegen, so wie immer.
Narvik stand auf und humpelte los, Lilith folgte ihm in geringem Abstand. Plötzlich stoppte sie abrupt, drehte sich nach rechts und heftete den Blick auf etwas, das außerhalb einer kleinen Luke zu sein schien. Reglos blieb sie stehen.
„Sieh doch. Glühwürmchen.“ Ihre Stimme klang vor Aufregung elektrisiert. „Sie sind … betörend. Es müssen Millionen sein. Ihre Lichter … einfach phantastisch.“
Narviks Puls und Blutdruck waren inzwischen gestiegen, er fühlte eine unbändige Kraft in seinen Gliedern. Die Pupillen waren geweitet, die Blutkonzentration an Sauerstoff und Zucker gestiegen. Er wollte dieses Gefühl einen Augenblick lang auskosten. Doch dann fühlte er, dass etwas nicht stimmte. Irgendetwas war mit Lilith geschehen. Er wandte sich um. Sie war verschwunden.
„Lil?“ rief er, ohne eine Antwort zu erhalten. Auch der Kommunikator blieb stumm. Beunruhigt hinkte er den Weg zurück, am Tank vorbei und dann noch weiter zum Frachtraum. „Lilith!“ hallte es durch den gigantischen Raum. Die meterhohen, zylinderförmigen Container erhoben sich vor ihm und brachen den Schrei, verzerrten
ihn und warfen bizarre Wortfetzen zurück. Er versuchte weiter, sie zu kontakten.
Plötzlich setzte sich die Laderampe in Bewegung, bläuliche Lichter erstrahlten am Boden und dann sah er seine Partnerin. Sie ging auf die entstehende Öffnung zu. Ihre Augen waren leer, die Arme hingen wie Fremdkörper herab. Er schrie noch mehrere Male, aber sie reagierte nicht.
Bald war die Rampe weit genug geöffnet, um sie hindurch lassen zu können. Offenbar hatte sie genau das vor, denn sie schritt mechanisch, beinahe wie ferngesteuert, darauf zu. Das flirrende Schutzschild überzog die ‚Nova’ in einem Abstand von knapp fünf Metern. Es ließ zwar nichts von außen hindurch, wohl aber von drinnen nach draußen. Sobald sie es passiert hätte, wäre der Rückweg verschlossen und die minus 185 Grad Celsius kalte Atmosphäre würde ihre Haut vereisen und die Lungen zerquetschen.
Narvik spürte plötzlich, wie Blut in seine Glieder schoss, er musste augenblicklich handeln, bevor es zu spät war. Lilith war jetzt nur noch zwei Schritte von der felsigen Planetenoberfläche entfernt. Er ignorierte den bohrenden Schmerz im Knie und hastete auf sie zu. Außerhalb des Schiffes erblickte er plötzlich Lichter, unglaublich viele Lichtpunkte, die in konzentrischen Kreisen durch die dünne Atmosphäre schwirrten. War Lilith in ihren Bann geraten? Er spürte wieder das Zerren an seinem Verstand. Aber dieses Mal wehrte er sich verbissener, mit Erfolg. Die Lichter wurden schwächer. Er musste Lilith helfen, taumelte auf sie zu.
Er packte ihren Körper und hob sie hoch wie ein Baby. Das Zerren wurde wieder stärker, beinahe körperlich fühlbar. Er versuchte, sich auf seine Partnerin zu konzentrieren. Liliths Atem ging stockend, sie zitterte. Ihre Haare kitzelten sein Gesicht, Jasminduft, kaum wahrnehmbar. Der weiche Körper drückte gegen seinen. Wie lang die Wimpern in ihrem zierlichen Gesicht waren. Im Hintergrund summten die Lichter verführerisch.
Irgendwie schaffte er es, wieder ins Schiff zu gelangen und die Rampe zu schließen. Dann stellte er sie neben sich auf die Beine und ergriff ihre Schultern, damit sie nicht stürzte. Ihr Gesichtsausdruck klärte sich stückweise.
„Was sollte das denn Lil, verdammt?“
„Was ... was mache ich in der Frachtabteilung?“, fragte sie verwirrt. „Wir wollten doch zu Winston.“
„Du hast die Rampe geöffnet und bist schnurstracks rausmarschiert. Hätte ich dich nicht rechtzeitig gefunden, würdest du jetzt einen Totentanz mit den Glühwürmchen aufführen.“
„Die Lichter, ja, und dieses ... dieses eigenartige Summen“, sagte sie tonlos.
„Davon hat Blue auch gesprochen. Komm mit, wir sehen mal nach den beiden.“
Auf dem Weg zurück versuchten sie, Winston über den Kommunikator zu erreichen, der meldete sich jedoch nicht.
Zu diesem Zeitpunkt lag der Leib von Winston bereits zwischen spitzen Felsen, wenige Meter von der zweiten Schiffsrampe entfernt. Die Kälte hatte ihn bis auf die Knochen zerfressen, die Lichter schwirrten wie Fliegen um die Leiche, als Narvik und Lilith dort eintrafen. Ein Sturm brach los, der Knochen und gefrorene Hautfetzen in alle Winde zerstreute.
Lilith schrie auf, warf sich an Narvik, der entsetzt den Blick abwandte und sie an sich drückte.
„Winston, er ist ... oh Gott“, brachte sie schluchzend hervor.
„Ich weiß.“ Etwas besseres fiel ihm nicht ein. „Komm, weg von hier“, fügte er nach einer Weile hinzu, während er den Schließmechanismus für die Rampe betätigte. „Sehen wir nach unserem Passagier.“
Lilith nickte stumm, immer noch an Narvik geklammert, dann stolperten sie gemeinsam zur Krankenstation.
00:00:25 blinkte die Anzeige. Die Nährlösung waberte wieder transparent um den bulligen Körper ihres Fluggastes, der Arm war bis auf einige Schrammen vollkommen intakt.
„Der alte Mann ist nach draußen gegangen, nicht wahr?“, sagte Blue, ohne die Augen zu öffnen, als Narvik und Lilith eintraten. „So etwas war zu erwarten.“
„Woher ... verdammt Blue, wir haben keine Lust auf Spielchen, unser Partner ist da draußen krepiert, und damit auch der einzige, der wusste, wie man diese Schüssel repariert!“, zischte Narvik.
„Ganz ruhig, Mann. Einer reicht uns völlig.“
„Uns?“ Narvik und Lilith warfen sich einen fassungslosen Blick zu. „Was zum Neptun soll das heißen, hä? Sag schon, sonst reiß ich dir persönlich den zweiten Arm aus!“
Blue lag immer noch völlig relaxt im Tank, seufzte, als müsste er kleinen Kindern etwas erklären, grinste dann unvermittelt, öffnete die Augen und begann, leise zu lachen.
„Menschen sind so einfach gestrickt. Gib ihnen etwas Geld, und schon hast du sie an der Angel. Was ihr jetzt anstellt ist uns egal, wir haben, was wir wollten. Leckere Lebensenergie, ausreichend für die nächsten fünf Jahre. Erdenjahre, natürlich.“ Damit lachte er wieder, lauter und lauter, prustete am Ende. Dann schob er den Deckel zur Seite, immer noch lachend, stand auf und stieg tropfend aus der Wanne.
Narvik schossen die wildesten Gedanken durch den Kopf, er hätte auf sein Gefühl hören sollen, das ihm bei der ersten Begegnung mit Blue gewarnt hatte, der Kerl brächte Ärger. Saturndreck! Er verstand immer noch nicht genau, was das alles zu bedeuten hatte, wusste nur, dass er Blue so nicht davonkommen lassen konnte.
Der Hüne kam direkt auf die beiden zu, lachte jetzt mit geschlossenem Mund, beachtete sie nicht weiter und tappte in Richtung der zweiten Rampe.
Narvik wollte ihn eben von hinten anfallen, als ihn Lilith zurückhielt und wortlos auf die Füße von Blue deutete. Bei jedem Schritt puffte etwas Unbekanntes hoch, erst nur ein wenig, das sich aber mit jedem weiteren Schritt zu verdoppeln schien, bis es die Füße, wenig später die Beine einhüllte, sie umwaberte. Es waren die selben Lichter, die sie draußen gesehen hatten, die Lichter, die so sehr an Glühwürmchen erinnerten, dem Planeten seinen Namen beschert hatten.
„Wir stecken in der tiefsten Bredoullie unseres Lebens“, stellte Narvik fest.
„Allerdings“, bestätigte Lilith.
Vorsichtig folgten sie der mit Lichtern bis zur Hüfte eingehüllten Gestalt, beobachteten, wie sie die Rampe erneut öffnete, weiter darauf zuging, weiter eingehüllt wurde und schließlich als Schwarm kleiner Lichtpunkte das Schiff verließ.
„Falls wir das hier überleben, erinnere mich daran, wie köstlich Standard-Nahrungsriegel schmecken“, sagte Narvik, während er die Rampe erneut schloss, mit einem Gefühl das er nicht zuordnen konnte.
„Nur, wenn du mich daran erinnerst, keine dubiosen Kerle mehr aufzugabeln.“
Sie setzten ein Notsignal inklusive Warnung ab, deaktivierten alle nicht lebensnotwendigen Systeme und versuchten, die ‚Nova’ zu reparieren. Natürlich war es zwecklos, aber es war immerhin besser, als untätig herumzusitzen.
Eine Woche später lagen beide auf der Pritsche in Narviks Quartier, benebelt von einer Mischung aus KC 4 und Ralintil, den Tod erwartend, aber nicht, ohne vorher noch ein wenig Spaß zu haben, und hätten die Nachricht des Rettungsteams beinahe übersehen.
„He, Todgeweihter Nummer zwei, was blinkt denn da so lustig?“, fragte Lilith kichernd und deutete auf die Konsole.
„Sieh doch nach, Todgeweihte Nummer eins.“ Mit diesen Worten ergriff Narvik abermals das Buch von Kurt Krake und erfreute sich an den Buchstaben, die wie kleine Ranken empor schnellten, nach ihm langten, seine Nase kitzelten. Der sich bewegende Wildwuchs bildete jetzt eine Hand, die mit dem Daumen in Richtung der blinkenden Lichter zeigte, dann eine sich verabschiedende Geste vollführte und schließlich in sich zusammensank.
Er stand auf, stellte sich neben Lilith und las die Nachricht. Ein Rettungsteam der Beta-Gruppe, die unplanmäßig in diesem Sektor eine zweite Mission abgewickelt hatte, erkundigte sich nach ihrer Liquidität, um entscheiden zu können, eine Bergung in Erwägung zu ziehen oder nicht.
„Blues Geld ist immer noch da“, sagte Lilith, während sie den Koffer, der unter der Pritsche deponiert gewesen war, in Augenschein nahm.
Sie sahen sich an brachen in schallendes Gelächter aus.
FIN