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Horizont

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26.07.2017
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Horizont

Ich denke gerne an die Zeit zurück. An die Zeit, in der ich noch mit dir zusammen war. An die Zeit, in der wir uns sehen konnten, ohne unsere Augen zu verschließen.
Dieser kurze, von Liebe erfüllte Lebensabschnitt. Wie die Schirmchen eines Löwenzahns hielten wir zusammen, schwankten im sanften Sommerwind, bis letztendlich eine Böe kam und uns auseinander stob. Jeder flog davon.
Und du noch weiter, weit über den Horizont hinaus ließ dich der Wind treiben, bis du selbst für ihn zu weit entfernt warst.
Wie sollte ich dich da noch erkennen?
Du hattest einmal gesagt, dass Vergessen das wahre Sterben ist und dass der Tod nur ein Sichtfeld ist, das man überfliegen muss, um zu einer neuen Realität zu gelangen.
Ich hoffe du hast es geschafft, denn gestorben bist du nicht. Du bist immer noch hier. Ein Teil von mir. Ein Teil von der Löwenzahnblume.
Wenn ich meine Augen schließe und mich tragen lasse, dann spüre ich dich, dann sehe ich dich, dann bist du nicht mehr weit entfernt. Doch der Wind kann dich nun nicht mehr berühren, nur ich kann das. Du bist hier.
Meine Augen sind offen und ich stecke immer noch vor dem Horizont fest und kann nicht entkommen.
Ich stehe an deinem kalten Stein und sehe die Blumen, welche sanft und anmutig ihre Köpfe hin und her bewegen.
Der Himmel ist trüb, grau, wolkenverhangen, dennoch ähnelt er dir. Du warst nie eine offene Person, immer etwas verschlossen, verängstigt. Hast dich zu sehr um andere gekümmert und letztendlich die Lasten von Hunderten auf deinen schmalen Schultern tragen müssen, allen voran meine.
Es tut mir so leid. So unendlich leid.
Ich lasse mich auf die Erde fallen, spüre die Kälte, die Angst und Verzweiflung. Sie keimen in mir. Ich weiß es. Sie fangen an, Wurzeln zu schlagen und sich in meinem Inneren zu manifestieren.
Langsam hebe ich meinen Kopf, schließe die Augen und blicke in dein lachendes Gesicht. Du winkst mich zu dir.
Ich gehe vorsichtig auf dich zu, sehe den Horizont und bleibe vor ihm stehen.
Dein Gesicht wird blass und ich strecke meine Hand aus, doch anstatt dich zu berühren, deine Wärme zu spüren, die ich so dringend bräuchte, fasse ich an kalten, herzlosen Stein. Meine Lider öffnen sich.
Du bist nicht fort, nur in einer anderen Welt. Auf der sogenannten anderen Seite.
Tränen fließen über mein Gesicht und ich beginne zu schreien.
Sofort bemerke ich, wie sich eine feste Hand um meine Schulter schließt und mich auf die Füße zieht.
„Die Besuchszeit ist vorbei und der Gefangenen-Transport wartet nicht ewig. Ihr Prozess wird bald beginnen.“
Dein Horizont färbte sich rot. Dunkelrot. Blutrot.
Ich stehe immer noch hier und vermisse dich so sehr, obwohl ich dein Fährmann war.

 

Hallo JuleB,

erst einmal muss ich Dir sagen, dass Du einen ganz tollen Schreibstil hast. Man bekommt von Deinen Sätzen nicht genug, sie reißen einen förmlich mit in diese gedankenverlorene "Traumwelt".

Dennoch finde ich, dass Du künftig versuchen solltest, etwas Ordnung in deinen Schreibfluss zu bringen. Du benutzt mehrere Leitmotive, wie bspw. die Löwenzahblume, der Horizont, der kalte Stein. An sich ist es die richtige Herangehensweise. Ich bin allerdings der Meinung, dass Du dich bei einem so kurzen Text, auf ein wesentliches Element konzentrieren und dieses wie einen roten Faden durch Deinen Text gleiten lassen solltest.
Ich fand der Anfang ist Dir sehr gut gelungen. Dort beginnt der rote Faden mit der Löwenzahnblume. Diese hättest Du im späteren ruhig noch einmal erwähnen können, dann wäre der Text noch runder.

In der Mitte ist dann eine kleine Wendung, wenn der Mann sich selber Schuld gibt, da die tote Frau seine Lasten tragen musste. Dort lässt sich erstmals erahnen, dass er mit Schuld an ihrem Tod hat. Am Ende erfährt man dann, dass er der Mörder ist.

Zieht man die Verbindung aus der mittleres Passage: "Hast dich zu sehr um andere gekümmert und letztendlich die Lasten von Hunderten auf deinen schmalen Schultern tragen müssen, allen voran meine.
Es tut mir so leid. So unendlich leid. ", und dem Schluss: "Ich stehe immer noch hier und vermisse dich so sehr, obwohl ich dein Fährmann war.", dann sticht heraus, dass er sie getötet hat, um sie zu erlösen. Nicht böswillig gemeint, sondern er gewährt ihr ein anderes Leben "weit über dem Horizont", wo sie weiterlebt, da er weiter an sie denkt.
Da seine Gedanken an sie nur positiv sind, lässt sich noch mehr sein Schmerz erahnen, den er erlitt, um sie zu erlösen.

Ich bin wirklich begeistert von dem Text und freue mich, mehr von Dir zu lesen! :-)

Viele Grüße,
Smartie

 
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Ich stehe immer noch hier und vermisse dich so sehr, obwohl ich dein Fährmann war.

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

liebe JuleB,

nicht so sehr die Liebe ist ein seltsames Spiel, weil sie von einem zum andern ginge - wie Connie Francis im gleichnamigen Schlager seinerzeit (eigentlich: Ihrerzeit) besang -, sondern was sie mit uns anstellt, welche Veränderungen in und mit uns vor sich gehen.

Und erwiesen und Allgemeingut ist, dass wo Licht ist, Schatten ist, und das ist in Liebesangelegenheiten die Eifersucht, jenes Gefühl, dass auf einen Anspruch auf Alleinbesitz in einer Beziehung abzielt und im besten Fall zur Trennung, im schlimmsten Fall aber zum Mord / Totschlag führt, um eine geliebte Person für immer für sich zu behalten.

Die Liebe an sich überschreitet allein schon unseren Horizont (selbst wenn Forscher die biologischen Vorgänge schon entschlüsselt haben) und so hat Dein Titel schon den Horizont als Grenze des Gesichtskreises überschritten, als Ort, wo Himmel und Erde sich küssen und das Morgenrot Hoffnung auf einen neuen Tag gibt und beim Abendrot jeder weiß, was alles vom Vorgenommen und Erwarteten eben nicht erreicht wurde. Eben da beginnt Dein kleiner, melancholischer Text über die verlorene Liebe - durch welche böse Tat auch immer - der (mythologische) Fährmann im einleitenden Zitat verrät da einiges ... Obwohl Charon kein Täter und nur ausführender Diener war ...

Bisken Moserei

Hier ist was bei der Übertragung schiefgelaufen

.... bis du selbst für ihn zu weit entfernt warst.
Wie sollte ich dich da noch erkennen?
Es ist aber zu erkennen, was da eigentlich stehen sollte ...

Hier ist ein Komma (wg. der Infinitivgruppen, die von Substantiven abhängen) nachzutragen

...fangen an[,] Wurzeln zu schlagen und sich in meinem Inneren zu manifestieren.

Und im Gegensatz zu anderen Leuten wie einem Schultheißen in einem Text von mir, galub ich dem/der Icherzähler/in sogar, wenn gesagt wird
Es tut mir so leid. So unendlich leid.
Wobei auch hier ein bisschen Schatten drauffällt als Selbstmitleid.

Dein Schreibstil ist m. E. sehr gefällig und man darf neugierig sein auf kommende Werke,

findet der

Friedel

 

Hallo JuleB

Ich war berührt von deiner Geschichte und dein Schreibstil passt mir sehr. Vielleicht ist es etwas unrealistisch, dass ein Gefangener seine Besuchszeit am Grab seines Opfers verbringt. Da du aber mit sehr viel Gefühl und Respekt, auch mit ein bisschen Selbstmitleid den Protagonist und seine Welt und Liebe beschreibst, ist es für mich sehr real geworden. Ich konnte mitgehen und empfand es beim ersten Lesen als unwichtig. Ich war erleichtert, wo eine fest Hand, sich um seine Schulter schliesst.

Und dennoch bleibt der Schluss unrealistisch. Und beim zweiten Mal Lesen hat mein Kopf mitgespielt. Er sagt mir, dass keine Mitarbeiter eines Gefängnisses einen Mörder auf das Grab begleiten würde. Da würden so viele Sicherheitsmassnahmen mitspielen.
Ich wünschte mir einen Schluss, der weiter, in dieser Traumwelt sich abspielt, weiss aber auch gerade nicht wie.

Griessli silea

 
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Lieber Friedel,
es bedeutet mir sehr viel, dass dir mein Text so gefällt.
Natürlich bedanke ich mich ebenfalls für deine Ratschläge und Anmerkungen.
Ich finde es beeindruckend, wie intensiv du dich mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast.
Abermals kann ich nur Danke sagen :)

P.S. Du hast eine unheimliche Allgemeinbildung! Ich bin total überwältigt.

Liebe Silea,
auch dir danke ich sehr. Ich freue mich, dass dir mein Text gefällt und das du dir die Zeit genommen hast ihn ein weiteres Mal zu lesen, bevor du geurteilt hast.

Ja, der liebe Schluss
Ich war mir auch nicht ganz sicher, wie ich es beenden sollte, daher wählte ich eine recht einfache Variante.
Vielleicht werde ich nochmal inspiriert und schreibe weiter.

Danke

 
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Hallo Bas,

ich habe deinen (relativ langen und ausführlichen) Kommentar zu der anderen, bereits gelöschten Geschichte der Autorin hier herausgenommen.
Das ist hier Off-Topic und hat für allen anderen Wortkrieger keinen Mehrwert, da der Text ja bereits gelöscht ist.
Ich schicke ihn euch beiden per PN hinterher, damit deine wertvolle Arbeit nicht verloren geht. Weitere Antworten, Kommentare etc. zur gelöschten Story dann bitte per PN untereinander.
Danke für euer Verständnis.

Beste Grüße,
GoMusic

 
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Hallo Bas,
vielen Dank für deine Anmerkungen.
Ich bin eher der Typ für längere Geschichten, wollte es aber erstmal mit solch einem Gedankenstrom probieren.
Anscheinend ist er nicht ganz schlecht, aber einfach nicht die Art von Text, die viele hier lesen.

Ich probiere mich demnächst an einer wirklichen Kurzgeschichte mit echten und gut ausgebauten Charakteren.


Dann zu meinem anderen Text, den der liebe GoMusic mit deinem Kommentar kommentiert hat (per PN):
Durch deine sehr hilfreichen Erläuterungen ist mir eine Idee in den Sinn gekommen, die ich auf jeden Fall umsetzen werde.
Ich webe den Gedankenstrom einfach mit in eine neue Geschichte ein, dann kann er bestehen bleiben und gleichzeitig erschaffe ich weitere Handlungsstränge, die wahrscheinlich zum besseren Verständnis führen.

Also nochmal vielen Dank :)

Danke :)
Das hat mir sehr geholfen.

Hallo maria.meerhaba
erstmal vielen Dank für deine Antwort.
Natürlich musste ich, als jüngerer Schreiber erstmal kräftig schlucken bei deiner Kritik, aber schließlich sind wir hier nicht im Kindergarten, sondern in einem Autorenforum.
Da muss man sowas wegstecken können.

Ich werde mich definitiv an einer etwas umfangreicheren Geschichte versuchen.
Vielleicht sind solche philosophischen Gedankenströme einfach nicht das richtige für diese Website.

Ohne arrogant klingen zu wollen, denke ich schon, dass ich ein bisschen Talent habe, ich muss es nur weiter ausbauen und meinen eigenen Stil finden.

Nochmals vielen Dank.

 

Hallo JuleB
herzlich Willkommmen.
Nur ein kleiner Hinweis, zeitnahe Antworten bitte zukünftig in einen Post schreiben.
Hab die bisherigen mal zusammengeführt und den Doppelpost gelöscht. :)

Lieben Gruß von Novak

 

An die Zeit, in der ich noch mit dir zusammen war. An die Zeit, in der wir uns sehen konnten, ohne unsere Augen zu verschließen.

Du verrätst hier schon im zweiten Satz alles. Kein guter Einstieg. Warum sollte ich jetzt weiterlesen? Dann der nächste Satz: Und jetzt können sie sich nur noch mit verschlossenen Augen sehen? Wie geht das? Haben die Löcher in den Augenlidern?

Wie die Schirmchen eines Löwenzahns hielten wir zusammen, schwankten im sanften Sommerwind, bis letztendlich eine Böe kam und uns auseinander stob.
Das passt vorne und hinten nicht. Du willst als Bild die Liebe beschreiben: die schwanken dann im Sommerwind. Hä? Das liest sich auch fürchterlich gestelzt.

Und du noch weiter, weit über den Horizont hinaus ließ dich der Wind treiben, bis du selbst für ihn zu weit entfernt warst.
Für wen war er zu weit enfernt?

Und was hat dieser Satz: Wie sollte ich dich da noch erkennen? , mit dem davor zu tun?

Der Rest von diesem Text ist ganz ähnlich: Kalendersprüche. Schiefe Bilder. Stilblütiges. Versatzstücke: Fährmann, Tod, Sichtfeld, Realität, Knast, Blutrot. Du hast dir viel vorgenommen. Ich denke, man kann auch auf dieser Kürze etwas erzählen, aber das nur am Rande. Ich merke vor allem, du willst schön schreiben. Du willst poetisch schreiben. Meistens, allermeistens geht das in die Hose, wenn man es plant. Dir fehlt vor allem sprachliche Präzision. Dir fehlt es noch an Rhythmus. Da ist auch nichts Philophisches in diesem Text, das sind höchstens Allgemeinplätze. Existenzielle Fragestellungen werden nicht erhoben. Macht aber alles nichts. Du bist jung, du hast Energie, und du hast die richtige Einstellung. Weiterschreiben.

Gruss, Jimmy

 

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