Hallo an alle,
in aller Bescheidenheit möchte ich darauf hinweisen, dass sich das Berufsbild des Verlagslektors in der Zwischenzeit stark gewandelt hat; er liest kaum noch. Wenn ihm ein Newcomer ein fehlerhaftes Manuskript (Orthographie, Grammatik, Stilistik, Sprachebenen) schickt, wird er es noch nicht einmal zurückschicken, sondern verägert in den Mülleimer werfen.
Hier Auszüge aus einem Artikel in der "Zeit" von Hella Kemper zum Berufsbild des Lektors:
"Das Berufsbild des Lektors hat sich gewandelt: Der auf das Buch konzentrierte Entdecker ist passé, gefragt ist heutzutage der Produktmanager mit Sinn für den Markt. Lektoren fürs Idealistische, Vertriebsexperten fürs Realistische - diese Arbeitsteilung funktioniert nicht mehr. Aus dem aufs Buch konzentrierten Entdecker, der in engem Kontakt zum Autor einen Text redigiert, an Sätzen feilt und über den Aufbau diskutiert, ist ein Produktmanager mit Sinn für den Markt geworden. Zwischen Werbung, PR-Maschinerie, Klappentext und Vertrieb organisiert er ein Buch."
Verlage erwarten von neuen Autoren ein fehlerfreies Manuskript - wenn DANN noch die Idee und Story stimmt, kann man weiterreden. Literarische Agenturen bieten manchmal ein Lektorat an, aber nur gegen Geld und wenn sie sicher sind, das Manuskript vermitteln zu können.
Aus dem gleichen Artikel:
"Nicht nur die Textarbeit, auch das Entdecken und Heranziehen junger Autoren müssen die festen Lektoren mehr und mehr ehemaligen Kollegen überlassen. Agenten spüren Talente auf, vermitteln Kontakte zu Verlagen, managen den Schriftsteller. Im angelsächsischen Raum gibt es sie schon lange, in Deutschland arbeiten inzwischen knapp 100 von ihnen. Auch Heike Wilhelmi war einmal feste Lektorin, erst zehn Jahre bei Rowohlt, dann in München beim Ariston Verlag. Jetzt ist sie Literaturagentin für Sachbücher. Die 40-Jährige macht zusammen mit dem Autor eine Idee angebotsfertig: Konzept, Text, Vorlektorat. "Wir Agenten verstehen uns nicht nur als Entdecker, sondern auch als Fürsprecher der Autoren", sagt sie. "Wir sind die Makler ihrer Bücher."
So ist es - Lektoren machen die Texte angebotsfertig. DAS ist ihr Job.
Wenn sich bei uns Autoren melden, die über wenig Geld verfügen, aber einen Roman beurteilt haben wollen, machen wir manchmal ein paradigmatisches Lektorat von 50 Seiten; oft wissen die Autoren dann, in welche Richtung die Reise gehen sollte und können allein weiterlektorieren/korrigieren/schreiben. Das ist dann eine Art Parallelcoaching.
Aber ich kann nur dringend davor warnen, bei Verlagen als Newcomer auf ein Lektorat zu pochen.
Das Ding muss stehen, bevor ihr es abschickt!
Schöne Grüße,
Claudine