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Holzwurmliebe

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13.06.2002
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Holzwurmliebe

Es war einmal ein kleiner Holzwurm namens Paul. Paul lebte zusammen mit dem Eichhörnchen Norbert in einer Art Wohngemeinschaft in einer Buche. Diese wiederum stand in einem Wäldchen in der Nähe von Bielefeld.
Norbert wohnte in der Dachgeschoßwohnung, also in der Krone des Baumes, denn von dort hatte er die beste Aussicht auf die Umgebung. Paul fand das ganz praktisch, denn er selber hatte Höhenangst und darum lebte er weiter unten in einer Höhle im Baumstamm. Die hatte er damals persönlich angelegt. Früher hatte er auf einem Schiff gewohnt und dort die Masten angefressen, aber irgendwann fühlte er einfach, daß er alt wurde und langsam seßhaft werden könnte.

Eines Tages dann, es war ein sonniger Dienstag morgen, der Tau glitzerte noch auf der Wiese, das Sonnenlicht brach sich romantisch in den Tropfen und malte kleine Regenbögen auf die Grashalme, ein Laubfrosch quakte den Mond an, merkte, daß der Mond an diesem Morgen gar nicht am Himmel zu sehen war, sprang ein wenig beschämt in einen Teich, ärgerte einige Wasserflöhe, fühlte sich ein wenig besser, setzte sich auf ein Seerosenblatt und verfiel in einen sanften Mittagsschlaf, wobei er die frühe Stunde mit Absicht ignorierte.
An diesem Morgen also schlug Norbert Alarm. Er hatte einen Holzwurm gesehen, der langsam und gemächlich über die nahegelegene Wiese trottete. Er sagte seinem Freund Bescheid und als der diesen offensichtlich weiblichen Wurm sah, war er sofort Feuer und Flamme. Schnell wie der Blitz rannte er in seinen Bau, kämmte sich die Haare, putzte die Zähne, zog sich eine frische Unterhose an, bemerkte, daß er all diese Sachen als Holzwurm gar nicht hatte, legte sie deswegen wieder in die Schublade zurück, verließ seine Höhle und nagte in die Baumrinde ein großes Herz.

Es war sehr schönes Herz, mit zwei Höckern oben und einer Spitze unten. Es hatte alles, was ein richtiges Herz ausmachte, dachte Paul und aus der Perspektive eines Holzwurmes war das auch durchaus richtig. Jedoch beachtete der andere Holzwurm dieses Meisterwerk moderner Holzwurm-Liebes-Lyrik nicht, sondern schlenderte stattdessen einfach an dem Baum vorbei. Paul sprang vom Baum, landete in einem Hundehaufen, putzte sich notdürftig mittels eines Löwenzahnblattes, pflückte einen Strauß Blumen (in Wirklichkeit hob er einfach ein paar herumliegende Löwenzahnschirmchen vom Boden auf und band sie zusammen), und folgte seiner Angebeteten.

„Hallo, ich bin der Paul...“ sagte er, als er ihr endlich, ein wenig außer Atem zwar, aber so glücklich, wie selten zuvor in seinem Leben, gegenüberstand, und ihr in die strahlend blauen Augen blickte.
„Ich bin die Uschi.“ antwortete Uschi ein wenig pikiert angesichts des dreckigen Paul, dessen Katzenwäsche vorhin nicht allzuviel gebracht hatte.
„Ich... Ich habe dir... Blumen gepflückt...“
„Oh, das ist aber nett von dir, danke... Paul...“ Sie wurde rot und versuchte, Pauls Blicken auszuweichen. Unschlüssig und ein wenig schüchtern spielte sie mit den Löwenzahnschirmchen in ihren Händen, nicht sicher, wie sie reagieren sollte, denn eigentlich war er ja ganz niedlich.
„Weißt du, ich habe dich vorhin auf der Wiese gesehen und...“ begann Paul.
„Ja...?“
„Und da habe ich...“
„Raus damit.“
„Ich... ich... es ist zu kitschig, du würdest lachen.“
„Ich lache grundsätzlich nicht über Holzwürmer.“
„Puh, da bin ich aber froh, weil ich bin einer.“
„Ja, ich auch.“ Das ermutigte Paul, denn zumindest seine Kenntnisse in der Wurmanatomie hatten nicht nachgelassen, im Gegensatz zu seiner normalen Selbstsicherheit.
„Na gut, also ich habe dir was gebastelt.“ sagte er ein wenig nervös.
„Ein Schaukelpferd? Das wollte ich schon immer haben!“
„Bitte? Nein... nein, das weniger... dreh dich einfach mal um.“ Sie tat es und fiel in Ohnmacht.

Vor ihnen stand Norbert. „Du hast mir ein stinkendes Eichhörnchen gebastelt?“ fauchte Uschi Paul an, als sie wieder zu sich kam.
„Was? Ach du meinst Norbert! Nein, den nicht, hinter ihm...“ er drehte den Kopf in Richtung ihrer alten Buche und sah... nichts. Na gut, er sah nicht wirklich nichts. Eigentlich war der Baum komplett vorhanden, die Blätter, die Äste, die Rinde, alles war da, nur irgendwie in der falschen Reihenfolge.
„Was ist mit unserem Baum passiert?“ fragte er Norbert, der, wie er jetzt erst feststellte, ziemlich verärgert dreinblickte.
„Dein blödes Herz hat dem Baum den Rest gegeben. Der war so morsch und ist dann zusammengebrochen! Wir sind quasi Obdachlos.“
„Oh verdammt! Meine Unterhosen.“
„Du hast Unterhosen? Du bist ein Holzwurm.“
„Ja, komisch nicht.“ antwortete Paul lakonisch.
„Und was machen wir jetzt?“
„Wir?“ Paul war ein wenig überrascht, diese Frage ausgerechnet aus Uschis Mund zu hören.
„Ja, jetzt wo wir beide ein Liebespaar sind, müssen wir doch irgendwo wohnen. Schon wegen der Kinder.“
„Kinder?“
„Ja ich will ganz viele und einen kleinen Garten mit einem Zaun und Blumen und im Badezimmer möchte ich ein Duftbäumchen damit es da immer nach Zitrone duftet und das Eichhörnchen kann dann auf unsere Kinder aufpassen wenn wir zusammen die Teppiche aussuchen natürlich muß es sich vorher waschen und dann will ich noch...“ sagte sie, aber dann merkte sie, daß Norbert und Paul zwischenzeitlich die Flucht ergriffen hatten und schlich langsam von dannen.

...

Seitdem sind viele Tage vergangen, viele Hähne haben den Morgen begrüßt, viele Wölfe und ein Frosch haben den Mond angebellt und noch mehr Eintagsfliegengenerationen verließen unsere Erde. An jenem Tag also fanden Norbert und Paul endlich ein neues Zuhause. Seitdem leben sie glücklich und zufrieden in einer Dachskommune unter der Erde.
Uschi hingegen fand doch noch ihren Traumprinzen. Es war ein Floh, der auf einem Pferd lebte. Und immer, wenn sie einen Baum umstürzen hörte, dachte sie an den kleinen, dreckigen Holzwurm, und dann zerdrückte sie manchmal eine winzige Träne in ihrem Auge.

 

Hallo Gnoebel,

Mir hat deine Geschichte gut gefallen, da sie einen gewissen Charme versprüht, was mich beim Lesen öfter schmunzeln ließ. Sehr phantasievoll. Am besten gefällt mir das hier, auch wenn der Laubfrosch mit der Handlung gar nichts zu tun hat:

...ein Laubfrosch quakte den Mond an, merkte, daß der Mond an diesem Morgen gar nicht am Himmel zu sehen war, sprang ein wenig beschämt in einen Teich, ärgerte einige Wasserflöhe, fühlte sich ein wenig besser, setzte sich auf ein Seerosenblatt und verfiel in einen sanften Mittagsschlaf, wobei er die frühe Stunde mit Absicht ignorierte
Diese Situation kann ich mir bildlich sehr gut vorstellen.

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob deine KG in dieser Rubrik gut aufgehoben ist. Vielleicht passte sie besser in Humor oder auch Phantasy / Märchen.

Grüße
Cat

 

Moin Moin

Erstmal vielen Dank für die nette Kritik, schön, daß sie Dir gefallen hat. Als ich die Geschichte geschrieben hatte, kam für mich eigentlich nur Seltsam als Rubrik in Frage, aber jetzt wo dus sagst und ich nochmal drüber nachgedacht habe, denk ich, daß du recht hast, denn so seltsam ist sie gar nicht...

Was muß ich denn machen, damit ich den Kram nach Humor verschieben kann?

 

Ich glaube, da musst du dich an einen der Mods wenden, der die Geschichte dann verschiebt.

 

Hallo gnoebel!
Ich finde deine Geschichte lustig. Habe eigentlich die ganze Zeit über schmunzeln müssen.

Jedoch beachtete der andere Holzwurm dieses Meisterwerk moderner Holzwurm-Liebes-Lyrik nicht, sondern schlenderte stattdessen einfach an dem Baum vorbei.
moderne Holzwurm-Lyrik?? Hier musse ich lachen. Gefällt mir.
Ich den lockeren Stil, in dem du hier geschrieben hast.

So, irgendwie fällt mir nicht mehr ein.

bye und tschö

P.S. ich seh grad, dass die Geschichte schon etwas älter ist :D...hat aber, wie ich finde, zu wenig Beachtung bekommen.

 

:D Hallöchen!

Ich fand die Geschichte einfach super! Meine Lieblingsstellen sind die, wo die Unterhosen vorkommen! Die sind einfach ein Wahnsinn!


Schnell wie der Blitz rannte er in seinen Bau, kämmte sich die Haare, putzte die Zähne, zog sich eine frische Unterhose an, bemerkte, daß er all diese Sachen als Holzwurm gar nicht hatte, legte sie deswegen wieder in die Schublade zurück, verließ seine Höhle und nagte in die Baumrinde ein großes Herz.

lg mara

 

25.06.2002 - so lange bin ich nun schon dabei? Kinder, wie die Zeit verfliegt... :D

Vielen Dank fürs Ausbuddeln, Lesen und Kommentieren. Es freut mich immer, wenn meine Texte auf Gefallen stoßen.

 

Hallo gnoebel,

eine sehr vergnügliche Geschichte mit vielen schönen Textstellen (Cat und mara haben die beiden schönsten schon zitiert) ist Dir hier gelungen. Keine Humor-Geschichte, bei der man lauthlas losprustet, sondern eine, bei der man ununterbrochen vor sich hin schmunzelt. Ich hatte viel Spaß beim Lesen.

Ich glaube, auch etwas älteren Kindern würde die Geschichte gefallen.

Deine Sprache ist flüssig. Die Sätze fließen Dir locker aus der Feder. :)

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

1)"aber irgendwann fühlte er einfach, daß er alt werde und langsam seßhaft werden könnte." --> ich glaube, es muß heißen, dass er alt wurde und...

2) "Paul war ein wenig überrascht, diese Frag ausgerechnet" --> Frage

In dem Teil, in dem Uschi atemlos über ihre Zukunftswünsche berichtet, könntest Du gerne noch einige Kommata setzen. Ich weiß, dass Du ohne Punkt und Komma geschrieben hast, weill Uschi alles so heraussprudelt, finde aber, dass ein paar Kommata das Lesen erleichtern würden.


Liebe Grüße
Barbara

 

Moin Barbara,

Freut mich, daß dir meine Geschichte gefallen hat. Ich wollte hier einfach ein kleines, niedliches Märchen schreiben, welches den Leser (egal, welcher Altersstufe) ein wenig gute Laune verschafft. Wenn das funktioniert hat, freut mich das sehr.

Vielen Dank für die beiden gefundenen Fehler, das werde ich gleich mal ausbessern. Was den Redeschwall betrifft: Da hast du natürlich Recht, es ließe sich mit Kommas besser lesen, aber ich habe an der Stelle keine Kommas gesetzt, weil sie es eben sprichwörtlich "ohne Punkt und Komma" raussprudelt. Ich denke, diesen kleinen stilistischen Gag werde ich drinlassen. Solange der Leser merkt, daß ich hier nicht meine Schwächen in der Zeichensetzung auslebe, sondern es wirklich Absicht ist, geht das schon in Ordnung, würde ich sagen. ;)

 

Hallo gnöbel! Deine Geschichte lädt zum schmunzeln ein, was ich auch die ganze Zeit getan habe! Wirklich knuddelig!
Die anderen haben schon so schön zitiert: Da kann ich nix hinzufügen! Richtig gut!

Gruß Joker

 

Moin Jo,

Danke für Buddeln, Lesen und Kommentieren.

Man merkt dieser Geschichte an, dass sie etwas älter ist, denn du hast dich seitdem extrem verbessert, wie ich finde.
Danke, das hör ich echt gern (ja, wirklich)
erinnerst du dich an diese Kritik? Das hast du unter Northers Krawatten-Wurm-Geschichte geschrieben.
Ja, und direkt darunter schrob ich: Stört mich hier aber nicht besonders, da der Text sehr comicartig ist - daher paßt das schon.
Ich hab nichts gegen Würmer mit Armen und Beinen, solange es in den Kontext paßt. Das war bei Northers Text der Fall und ist es hier mMn auch, da beide sehr comichaft geschrieben sind.
Fazit: Stellenweise lustig, aber insgesamt nicht humorvoll genug.
Hmmm... Freut mich, daß du es lustig fandest aber den Satz versteh ich irgendwie nicht so recht. Was ist denn der Unterschied zwischen lustig und humorvoll?

 

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