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Holo-Hunter
Ich fetzte auf meinem Jetped die A3 Richtung Köln runter und setzte gerade zum Überholen auf der rechten Spur an, als da dieses Mädel stand.
Einfach so auf der Standspur der Autobahn!
Ich versuchte im Vorbeifliegen so viel wie möglich von ihr mitzubekommen, und sah dann wieder nach vorne.
Leider zu spät. Wie aus dem Nichts schoss das Heck des Lasters heran. Panisch riss ich die Arme hoch. Ich konnte nicht mal zu Ende fluchen, als ich schon dagegenbretterte.
Doch es krachte nicht und ich flog auch nicht. Stattdessen knipste jemand dieses unglaublich helle Licht an, dass ich die Augen schließen musste. Für einen kurzen Augenblick schwebte ich einfach so in dieser Helligkeit.
Dann machte es Ratsch.
Ich riss die Augen auf und stolperte nach vorne, immer noch die Arme erhoben. Verdutzt rappelte ich mich hoch und sah mich um.
Dreck, Müll und Staub. Eine große sonnendurchflutete Halle. An einem Ende entdeckte ich zwei Fahrzeuge älterer Bauart, die noch mit Benzin fuhren. Sahen aber noch passabel aus. Auf der anderen Seite füllte eine monströse Maschine die ganze Ecke aus. Schläuche, Rohre, Anzeigen und Eingabeterminals konnte ich sofort identifizieren.
»Fragst dich, wo du bist, was?« krächzte mir plötzlich einer ins Ohr. Vor Schreck sprang ich einen halben Meter in die Luft.
»Mann, was soll der Scheiß? Willst du mich umbringen?!« blökte ich zurück, immer noch den Schrecken des Unfalls in den Knochen.
Die Figur kicherte. Verdreckter Mantel und Schmuddelhose, zerschlissene Schuhe. Aus dem Mantel ragte ein dünner Hals, auf dem ein knochiger, mit struppigem Haar gesäumter Kopf, saß.
»He he, umbringen. Das erledigst du selber, wenn du weiterhin so über die Piste fetzt«, giggelte er.
»Red kein Mist, ich check das schon. Nur wenn so unvermittelt Laster aus dem Boden wachsen, wird´s halt eng.« versetzte ich.
»Kein schlechter Trick, die Kleine, wie?« freute sich das Männchen, »brauchten nur eine Sekunde für die Aktion. Die anderen auf der Bahn haben kaum was mitgekriegt.«
Toll, was für ein Trottel ich war.
»Und wieso hab ich nichts gespürt? Ich bin immerhin gegen einen Laster geknallt, oder?«, entgegnete ich.
Der kriegte sich gar nicht mehr ein.
»Voll nem Holo aufgesessen, Alter. Dahinter war eine Stoppbüchse, die dich aufgefangen hat. Geiles Teil. Und gemerkt hast du nix wegen der Betäubungspfeile. Aber genug gequatscht.«
Er griff in seine Manteltasche, förderte ein kleines Gerät mit Display und Knöpfen zutage und drückte eine Taste.
Zack, war es dunkel und ich hörte so etwas wie ›Fffft tschok‹. Bevor ich es richtig kapierte, ich merkte, dass ich noch längst nicht auf dem Damm war, konnte ich wieder sehen.
Und glotzte in den Lauf einer Knarre. Ich erschrak und schlug instinktiv nach der Waffe. Doch der neu aufgetauchte Glatzkopf schien damit gerechnet zu haben und riss sie rechtzeitig weg. Kurz darauf sah mich das Rohr erneut an, nur diesmal aus einem respektvollerem Abstand.
»Willkommen bei den ›Freien Jägern‹, « nuschelte er und sah mich mit starren Augen an. »Bist noch ein bisschen langsam, aber das wird noch?«, fügte er hinzu.
Ich starrte zurück, versuchte ihn einzuschätzen. Athletisch gebaut. Helle Augen, die mich wachsam musterten.
»Muss das sein?« fragte ich vorsichtig und schielte auf die Wumme.
»Wie?« machte er bloß.
»Ich meine das Ding vor meiner Nase, Bruder. Das brauchst du nicht.«
Die ganze Art der Beiden verriet mir, dass sie mir nicht an die Wäsche wollten, dafür war alles zu sehr inszeniert.
Ich war jetzt neugierig auf ihre Story und dachte nicht an Flucht. Obwohl ich wusste, dass ich mich damit in arge Gefahr begab. Nicht wegen Glatze und dem Kleinen, sondern wegen des Auftrags, für den ich eigentlich unterwegs war.
Eine Gestalt, die im Schatten der schmalen Gasse stand, hatte mir mittels einer ordentlichen Bezahlung die Aufgabe gestellt, zwei schwere Taschen auf dem schnellstmöglichen Wege nach Köln zu einer bestimmten Adresse zu schaffen. Und bevor ich entgegnen konnte, dass das ein Flieger sicher viel besser erledigte, hatte er mir die Taschen vor die Füße gestellt und gemurmelt:
»Vergiss die Flieger, du bist der Richtige!« Und als ich die Gepäckstücke aufgenommen hatte, fügte er hinzu: »Ach ja, abgeben und weg. Nicht vergessen, Danny.«
Dann hatte es in der Gasse geraschelt und der Kerl war verschwunden.
Wer so einen Haufen Geld ausgab, wollte natürlich auch, dass der Auftrag ausgeführt wurde. Doch im Moment konnte ich nicht viel unternehmen. Nicht, bevor ich nicht wieder voll da war.
»Du hast recht«, stimmte Glatze mir schließlich zu, »Immerhin haben wir uns nicht die ganze Mühe gemacht, um dich gleich danach umzunieten.«
Er ließ die Hand mit der Waffe sinken.
»Du fragst dich sicher, was eine Stoppbüchse ist?«, nahm er den Faden seines Kumpels auf. Ich nickte bloß.
»Das Zeug sieht aus wie Styropor. Ist aber noch leichter. Und bremst alles ab, was in es hinein fliegt. Ganz weich.«
Ich vermutete, dass das helle Licht auch damit zu tun hatte. Irgendein Nebeneffekt beim Aufprall.
»Und du denkst natürlich, ›Hey, was wollen die Penner von mir‹, nicht wahr?«
»Erfasst, Blitzmurmel!«, entgegnete ich und hoffte sofort, damit nicht zu weit gegangen zu sein. Dabei glänzte seine Glatze ganz herrlich im streifigen Licht der Sonne. Er kniff die Augen zusammen und blickte an mir vorbei. Ich wagte nicht, nachzusehen, was ihn da interessieren mochte.
»Schon mal was von den Sonden gehört, Danny-Boy?«
Jetzt war ich verblüfft, der kannte tatsächlich meinen Namen! Das war hier also eine gut geplante Entführung.
Ja, ich hatte von den Sonden gehört, wer nicht? Es gab jede Menge Gerüchte, aber kaum Beweise, die der Öffentlichkeit gezeigt wurden. Zwar berichteten die Medien immer wieder von Aktionen im Zusammenhang mit der Suche nach diesen ominösen kleinen Robotern, doch da war nichts Handfestes dran. Woher kamen sie, wer hatte sie geschickt? Was war ihr Auftrag?
Es gab keine Antworten.
Nur die Gerüchte und die Meldungen.
»Hab ich. Und ihr jagt die etwa auch, oder was?«
»Treffer, du Flitzer. Aber du schaust, als würdest du das nicht glauben.«
»Genau« sagte ich und grinste ihn breit an.
»Na dann werf doch mal einen Blick auf das hier! Pete.«
Der Kleine nestelte an seiner Fernbedienung herum.
Im nächsten Augenblick schwebte eine fußballgroße silbrig schimmernde Kugel zwischen uns und summte vor sich hin. Rundherum waren kleine knopfartige Erhebungen angebracht, in denen ich Linsen zu erkennen glaubte. Oben ragten drei Antennen aus dem Ding.
Ich war zusammengezuckt. Ich starrte es an und verlor beinahe meinen Verstand. Keine Schnüre, kein Propeller oder Düsen. Es hing einfach in der Luft und ... glotzte mich an!
»Scheiße!«, entfuhr es mir. Ich stolperte rückwärts und rempelte dabei den Zwerg an.
»Hey!«, schrie Glatze und hob abrupt die Hand mit der Knarre.
»Nicht doch!« rief ich und ließ mich einfach fallen.
»Aber ...«, begann der Zwerg und wurde durch den Knall des Schusses unterbrochen. Er schrie auf und ich sah mich gehetzt um. Keine Möglichkeit, sich irgendwo vor diesem Wahnsinnigen zu verstecken. Also blieb nur der Weg nach vorne.
»Lass den Quatsch, ich hau schon nicht ab«, rief ich Glatze zu und robbte zu dem Getroffenen.
»Alles klar bei dir?« fragte ich ihn hastig.
»Ja Mann, es tut nur scheiße weh!«
»Ich weiß, aber das vergeht. Gib mal deine Fernsteuerung.«
Für einen Moment fürchtete ich, er würde trotzig die Herausgabe verweigern, doch dann schien er ein Einsehen zu haben.
»Hier, aber du weißt gar nicht ...«
»Macht nix, Kleiner« presste ich hervor und griff danach. Im nächsten Moment war mein Daumen auf der violetten Taste.
Die Dunkelheit war perfekt und ich spurtete los. In die Richtung, in der ich den glatzköpfigen Wahnsinnigen vermutete.
Doch plötzlich war die samtene Schwärze verschwunden und direkt vor mir schwebte die Kugel auf Kopfhöhe.
›Nicht schon wieder‹, schoss es mir durch den Kopf.
Im letzten Moment riss ich die Arme hoch und diesmal krachte es wirklich, als ich dagegen stieß.
»Mann, Mann. Du machst es uns schwer, Danny.«
Ich saß auf einem Stuhl und vor mir kniete Glatze.
»Hast du eigentlich einen Namen?« hauchte ich noch ganz schwach.
»Nenn mich Lars. Was war das gerade?«
»Das frag ich dich. Ich erschreck mich und du ballerst deinen Kumpel nieder.«
»Lenk nicht ab, Pappnase!«
Zum ersten Mal klang seine Stimme fest. Die ganze scheinbare Leichtigkeit von vorhin war bei der vergangenen Aktion verdunstet.
»Nichts. So reagier ich, wenn Typen mit Schießprügeln auf mich zielen. Okay?« giftete ich und sah ihm ins Gesicht.
Da war ein Funkeln in seinen Augen, doch er blieb stark und wich meinem Blick nicht aus.
»Gut, ich glaube dir mal. Hab auch keine andere Wahl.«
Kein Wort über sein Ausrasten, über seinen Kumpel, der irgendwo mit Schmerzen im Körper herumlag.
»Diese Dinger kommen nicht von der Erde, klar? Dafür können die zu viel. Fliegen, Hologramme aufbauen. Und tarnen. Keiner unserer Ingenieure begreift wirklich, was das für eine Technik ist.«
Wollte der mich verarschen? Nicht von der Erde?
»Woher sind die dann? Vom Mars oder was?«, entfuhr es mir.
»Red kein Quatsch. Der ist doch Wüste. Nein, von richtig weit weg. Hat echt ne Zeit gedauert, bis wir begriffen haben, was das bedeutet.«
Ich war baff. Wir hatten Besuch bekommen. Die Meldungen und Gerüchte sagten die Wahrheit. Wenigstens was die Existenz der Dinger anging. Aber dass sie ... das war schon heftig.
Glatze wedelte mit der Hand und das Kugelding schob sich in mein Sichtfeld.
»Glücklicherweise muss man das Ganze nicht komplett kapieren, weißt du?«, fuhr er fort und ich betrachtete Lars das erste Mal genauer. Er war besser gekleidet als der Kleine. Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Lederhose. Aber auch seine Stiefel sahen sehr mitgenommen aus. Seine Haut war so blass, wie das von seinem Kumpel.
»Mal da was verändert, mal da gedreht und schon gehorchen die Biester einem«, fuhr er fort und ich hatte sofort ein ungutes Gefühl.
Die hatten ein außerirdisches Ei eingefangen, verstanden nicht, wie es tickte, und fummelten darin herum. Und glaubten tatsächlich, sie könnten es benutzen.
Obwohl, bisher sah es wirklich so aus, denn es reagierte auf jeden Befehl.
»Und was habe ich damit zu tun?« stellte ich die Kernfrage.
Jetzt grinste Lars mich breit an.
»Was denkst du wohl? Wir möchten gerne, dass du für uns jagst. Du bist schnell, du bist gut. Und Sachen von A nach B zu transportieren ist echt unter deiner Würde.«
Womit wir wieder bei meinem Auftrag waren. Und einem Teil des unguten Gefühls, das mich mehr und mehr beschlich. Wie war das noch? Ich sollte die Taschen schnellstmöglich nach Köln bringen. Und dann ›abgeben und weg‹!
Im Nachhinein betrachtet klang das sehr ominös. Der Empfänger würde die Lieferung nicht mögen, soviel war klar.
»Was hast du denn Schönes dabei gehabt?« fragte Lars in meine Grübeleien hinein. Ich folgte seinem Blick und sah neben der seltsamen Maschine mein Jetped stehen. Mein Erstaunen darüber, dass es den Unfall ebenfalls unbeschadet überstanden hatte, hielt sich in Grenzen. Denn mittlerweile hatte sich ein Gedanke in meinem Kopf eingenistet, der sich nicht mehr vertreiben ließ.
Ich blickte zu Lars auf.
»Wie gut könnt ihr eigentlich mit Bomben umgehen?«
»Diese verdammten Bots. Haben genau gewusst, was wir vorhatten«, tobte Glatze und kickte einen Stein in den Fluss.
»Hey, die Dinger sind nicht blöde, Lars«, meinte Pete. Nachdem wir dem Inferno entkommen waren und seine Wunde versorgt hatten, war er schnell wieder auf die Beine gekommen. Er war seinem Boss nicht mal böse.
»Glücklicherweise haben wir Danny in diese Halle gebracht und nicht in unsere Station. Mann, mir wird jetzt noch schlecht!«, fügte er hinzu.
»Und haben mich benutzt, um euch auszuschalten. Mein Auftraggeber, ein Robot. Ich werd bekloppt.«
Die Erkenntnis schmerzte, dass die unbedingte Verschwiegenheit unserer Zunft auch so ein Scheiß möglich machte. Wir fragten nicht danach, was in den Taschen war.
Doch die Tatsache, dass da Sonden, Roboter und andere außerirdische Apparate auf der Erde herumwuselten, traf mich wie ein Schlag. Und um ein Haar wär ich noch zu einem Handlanger dieser Dinger geworden.
»Wir waren so sicher, was die Beherrschung anging. Verdammt«, fluchte Lars und ließ sich wütend in den Sand fallen.
»Die Regierung hat da bessere Möglichkeiten.« sagte Pete.
»Warum schließt ihr euch nicht einer anderen freien Truppe an. Die wollen diese Blechviecher doch auch ausrotten!«
Auf einmal starrten mich beide an, als wäre ich ein Gespenst, oder schlimmer noch, einer dieser Apparate.
»Was ist denn?« fragte ich verblüfft.
»Ausrotten?« blafften beide.
»Nicht?« kam meine zögerliche Frage.