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Hoffnung
Ich habe extra eher Feierabend gemacht, um Besorgungen zu machen und um meine Wohnung ein bisschen romantisch herzurichten. Sabrina liebte meine kleine, zwei Zimmer große Dachgeschosswohnung. Die Dachschrägen im Schlafzimmer, wo wir uns eigentlich die meiste Zeit aufhielten, würden sie immer daran erinnern, dass sie in einem Zelt läge. Sie beobachtete gerne den Sternenhimmel durch dass große Dachfenster. „Das erinnert mich immer an das Zelten früher mit meinen Eltern“, hat sie einmal gesagt, „da habe ich auch immer die Sterne beobachtet.“
Ich werde was leckeres kochen, wenn Sabrina heute Abend zu mir kommt. Sie hat mir versprochen, dass sie endlich mit ihrem Mann sprechen will, endlich zu mir stehen will. Das sagt sie mir schon seit Monaten, seit Jahren eigentlich , so lange geht unsere Affäre nun schon. Wir lieben uns und wollen endlich zueinander stehen.
Wir verabschieden uns nach einem romantischen Abendessen und leidenschaftlichem Sex. Meine Hoffnungen sind groß, dass wir endlich eine richtige Beziehung haben können, mit allem was dazu gehört und ich erwarte sehnsüchtig die Nachricht von Sabrina, dass dem jetzt nichts mehr im Weg steht. Doch ich warte vergebens, tagelang höre ich nichts von ihr und sie reagiert nicht auf die Nachrichten, die ich ihr schicke. In meiner Verzweiflung frage ich eine gute Freundin von ihr, die wir gemeinsam kennen. Sie erzählt mir, dass Sabrinas Mann unsere Affäre rausbekommen hat, es Riesenstreit gab und sie erstmal wieder zur Ruhe kommen müsste. Warum sagt sie mir das nicht selber ? Ich mache mir Sorgen um sie, auch darum, ob sie unsere Beziehung vielleicht jetzt nicht mehr will.
Doch dann steht sie ein paar Tage später vor meiner Tür, mit einem Koffer in der Hand und lächelt mich verhalten an. Sie erzählt mir von den letzten Tagen, dem Streit mit ihrem Mann, von Luca ihrem fünfjährigen Sohn, der die Welt nicht mehr verstand, als sie ihm erklärte, was los sei und das sie ausziehen würde. Ich freue mich trotzdem, dass sie bei mir ist. Auch wenn es ihr nicht gut geht aber das ist normal, denke ich und es braucht Zeit, bis alle sich an die neue Situation gewöhnt haben und dann wird endlich alles gut.
Doch das wird es nicht, sie vermisst ihren Sohn so sehr, der bei seinem Vater wohnt, da er der Hausmann ist und für den Kleinen gesorgt hat, während Sabrina tagsüber arbeiten war. Wir streiten uns immer mehr und immer heftiger. Eine Beziehung habe ich mir anders vorgestellt, ich weiß, dass es den Umständen geschuldet ist und es macht mich und auch Sabrina nicht glücklich. Schließlich packt sie ihren Koffer und geht, sie will zurück zu Luca und ihrem Mann.
Für mich bricht eine Welt zusammen. Das, was ich mir seit Jahren ausgemalt habe, das was ich immer wollte funktioniert einfach nicht. Ich habe so lange darauf gewartet, habe immer wieder zurückgesteckt. Meine Freunde haben sich abgewendet, gemeint, ich verrenne mich in etwas, was keine Zukunft hat. Ich habe mich mit meiner Familie zerstritten, die mich für verrückt erklärt hatten. Das alles habe ich auf mich genommen, weil ich immer an unsere Liebe geglaubt habe. unsere gemeinsame Freundin erzählt mir, dass Sabrinas Mann sie abgewiesen hat, sie nicht wieder aufgenommen hat. Hoffnung keimt in mir auf, alles wird gut werden, sage ich mir. Wir brauchen alle ein bisschen Zeit um klarzukommen, alles war zu überstürzt. In ein paar Wochen wird Sabrina sich an unsere Liebe und an unsere schöne und leidenschaftliche Zeit erinnern, denn das ist es was zählt, die Liebe. Dann können wir nochmal von ganz vorne anfangen und endlich glücklich werden.
Doch Sabrina ist tot, sie hat sich das Leben genommen, erfahre ich von Ihrer Freundin. Ich kann es nicht fassen, ich will es nicht glauben. Ich falle ins Bodenlose. Keiner ist da, der mir helfen kann. Mein Leben. Es ist bedeutungslos geworden. Alles ist bedeutungslos geworden.
Ich schaue zum Horizont, der hier oben auf der Brücke, über allem endlos scheint, blicke ein letztes Mal hinauf in den Himmel, in freudiger Erwartung.
Dann schließe ich die Augen und springe.