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Hochzeitstag in Rom
Wir hatten uns sechs Tage Urlaub gegönnt und wollten unseren fünften Hochzeitstag in Rom verbringen. Freunde hatten uns eine kleine gemütliche Pension in der Innenstadt nahe dem Bahnhof Termini empfohlen und wir hatten dort ein Zimmer für neun Tage gebucht.
Als unser Zug Freitag Mittag in Termini einlief, holte meine Frau die Unterlagen aus ihrer Handtasche, um noch einmal nach der Adresse zu schauen. „Das habe ich noch gar nicht bemerkt“, meinte sie ein wenig besorgt und schaute auf die Papiere.
„Ist die Pension gar nicht in Rom?“ fragte ich ironisch.
„Doch, ja, aber unsere Buchung läuft vom dreizehnten bis zum einundzwanzigsten.“
„Ja, neun Tage, ist doch alles in Ordnung.“
„Aber Freitag, der dreizehnte.“
„Ist das wichtig? Auch wenn heute Freitag, der dreizehnte ist, da wird nicht mehr und nicht weniger geschehen als an jedem beliebigen anderen Tag.“
„Ich habe aber von Freundinnen schon ganz andere Geschichten gehört.“
Meine Frau schien wirklich ein wenig Angst zu bekommen und nach einigem Nachdenken erklärte ich ihr: „Das liegt nur daran, dass Menschen, die auf solche Tage achten, sich auch genau alles negative merken, was Ihnen an diesem Tag passiert.“
„Ja, das könnte sein. Es ist aber auch denkbar, also es gibt da so einen englischen Spruch, aber der fällt mir im Augenblick nicht ein.“
„So ein Pech aber auch.“
Der Zug war längst angekommen und wir mussten uns sputen, um auszusteigen. So behielt ich erstaunlicherweise das letzte Wort und das war doch gewiss kein Unglück.
Der Weg zur Pension war tatsächlich nicht weit. Dort empfing uns allerdings nicht die Inhaberin, - unsere Freunde hatten uns versichert, sie spräche gut Deutsch - sondern ein junger Mann, dessen deutscher Wortschatz ebenso umfassend war, wie unserer italienischer. Er schien geradezu entsetzt zu sein, dass wir vor ihm standen. Ich legte die Buchungsbestätigung auf den Tresen und er tippte mit seinem Zeigefinger ständig darauf und redete und redete - immer schneller und energischer. Als wir nicht weiterkamen, zeigte er auf der Uhr, die an der Wand hing auf die sechs - anscheinend sollten wir also um 18 Uhr wiederkommen. Er stellte dann unsere Koffer in ein Büro hinter dem Empfangstresen, gab uns einen Haustürschlüssel und wir machten uns auf, in der folgenden Stunde wenigstens Rom zu erobern, wenn es mit dem Zimmer schon nicht klappte.
An der ersten Straßenecke saß eine fette schwarze Katze mitten auf dem Gehweg und bewegte sich kein bisschen, um uns vorbeizulassen. Wir beschlossen, auf die andere Straßenseite zu gehen und schlängelten uns durch die Autos, mit denen die Straße vollgestopft war. Auf der anderen Straßenseite bogen wir in eine schmale Gasse ein und gingen auf der Straße weiter. Die Häuser hatten durchweg viele Stockwerke und bei einem Blick nach oben sahen wir einen Park, der auf den Dächern zu liegen schien. Mehrere große Bäume überragten die Häuser und wir schauten interessiert nach oben. Beinahe hätten wir eine Leiter umgerannt, die quer über die Straße stand. Erschrocken blieben wir stehen: Die Leiter wackelte so stark, dass dem Mann, der im zweiten Stock die Hausfassade gelb anstrich, der Farbeimer aus der Hand fiel. Wir konnten nur auf den herabsausenden Eimer starren, der an einer Schnur befestigt war, die überraschenderweise sogar hielt. Die gelben Flecken auf Irmgards buntem Sommerkleid fielen kaum auf und mein braunes Jackett trug nun einen breiten gelben Strich auf dem Rücken, der nach Meinung meiner Frau richtig designermäßig aussah. „Entschuldigen Sie“, rief ich nach oben.
Und meine Frau ergänzte: „Das tut uns wirklich leid, Ist Ihnen etwas passiert? Ist alles in Ordnung?“
Der Mann reagierte mit für uns völlig unverständlichen Gesten und Beschimpfungen und begann den Eimer wieder hochzuziehen. Er schien sich nicht um uns zu kümmern, also gingen wir weiter.
Die Gasse öffnete sich dann auf einen großen Platz. An einem Ende stand ein großes Marmor-Wasserbecken mit einem Springbrunnen. Sicher war die gegenüber liegende Kirche eine Sehenswürdigkeit, aber mehr konnten wir mangels Reiseführer kaum feststellen. Der Platz war fast leer, mur einige kleine Grüppchen standen verstreut und schienen die Kirche zu betrachten oder auch zu fotografieren. Ich sagte zu meiner Frau: „Auf zum Wasser, ich komm hier bald um vor Hitze.“
„Oh ja, ich auch, nirgendwo gibt es hier Schatten.“
Wir gingen also zum Springbrunnen, vor dem einige Japaner standen und fotografierten. Ich suchte mir einen freien Platz, zog mein Jackett aus, krempelte die Hemdärmel hoch und tauchte meine Hände in das Wasser. Plötzlich stieß mich jemand an und ich landete prompt mit dem Kopf unter Wasser. Prustend kam ich wieder hoch, jemand zog mich vom Beckenrand fort und dann hört ich „Sumimasen“.
„Wie bitte?“ Ich schaute mein Gegenüber an. Ein Japaner, der kleiner war als ich und der sich jetzt mit seiner Kamera in der Hand mehrmals vor mir tief verneigte und wiederholte „Sumimasen“
„Ich weiß zwar nicht, was Sie meinen, aber bitte, Sumimasen.“ erwiderte ich und verneigte mich ebenfalls. Das schien nicht nur diesen Japaner zu erfreuen. Inzwischen waren einige andere Japaner herangekommen, lachten mich an und einer von ihnen erklärte mir auf deutsch:
„Sumimasen heißt Entschuldigen Sie bitte, aber es heißt auch Danke. Sie haben also ganz korrekt geantwortet. Dieser Unfall ist wirklich unangenehm.“
„Nun ja, heute ist ja der dreizehnte.“, erwiderte ich. Da die Japaner offensichtlich nicht verstanden, was ich meinte, erklärte ich: „Freitag der dreizehnte ist ein Unglückstag.“
Der deutsch sprechende Japaner übersetze und alle Umstehenden lachten freundlich.
„Habe ich was Lustiges gesagt?“
„Oh, nein, wir lachen auch, wenn etwas Unangenehmes geschieht. Und in Japan ist eine andere Zahl die Unglückszahl, die wir möglichst nicht einmal aussprechen, nämlich die vier.“
„Nun , mein Kopf ist wunderbar erfrischt und ich denke, die Haare werden schnell trocken, also gar nichts passiert.“ Mit diesen Worten verbeugte ich mich wieder, die Japaner verneigten sich ebenfalls und wir gingen auseinander.
Ich suchte dann meine Frau und fand sie im Schatten eines Gebäudes am Rande des Platzes. Die Entdeckerlust war uns wohl vergangen, außerdem war es bald achtzehn Uhr, also machten wir uns auf den Rückweg.
Als wir feucht und mit Farbe verziert am Tresen standen, kam eine ältere Dame aus dem Büro, die über unser Aussehen herzlich lachte. Sie legte Decken auf zwei Sessel im Foyer und bat uns recht energisch, Platz zu nehmen.
Die Dame - sie stellte sich uns mit ihrem Vornamen vor und war die Besitzerin der Pension -sprach recht gut Deutsch, wie wir schnell bemerkten und lauschte interessiert unseren ersten Erlebnissen in Rom. Unsere schlechte Laune wurde durch Ihr Lachen schnell verscheucht und gegen Ende unserer Geschichte waren auch wir wieder recht fröhlich.
„Sie haben uns mit Ihrer Anreise überrascht.“, sage sie dann.
„Wieso, wir haben doch das Zimmer ab Freitag dem dreizehnten gebucht?“
„Ja, Sie haben ab dem dreizehnten gebucht, aber heute ist Venerdi - Freitag der zwölfte. Der dreizehnte ist morgen, Sabato - Samstag."
„Dann ist heute gar kein Unglückstag“, platzte Irmgard heraus.
Unsere Wirtin sah uns erst erstaunt an, dann fing sie wieder an zu lachen und erwiderte: „Da haben sie wohl für eine für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung gesorgt. In Italien halten übrigens viele Freitag den siebzehnten für einen Unglückstag.“
Als wir zu unserem Zimmer gingen, meinte Irmgard auf der Treppe: „Das wollte ich im Zug doch noch sagen: Selfulfilling prophecy. Aber du hast mich ja mal wieder gar nicht zu Wort kommen lassen.“