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Hitman Network
Klaus warf einen Blick auf den Display seines Smartphones. 19:36. Früher passierte es ihm öfter, dass er hinblickte, ohne sich die Uhrzeit zu merken, und nochmals hinschauen musste. Heute war er hochkonzentriert, bei allem was er tat. 19:36 - er wusste es immer noch.
Vorne war er schon, der Dicke. Das erste Mal, als Klaus ihn in körperlicher Gestalt gesehen hatte, hatte er ihn sich viel dicker vorgestellt. Die Fotos im Internet waren von einer Zeit, als der Dicke noch unproportional mehr Wert auf Lifestyle als auf Wellness gelegt hatte. Seit der seine geliebte, junge Rumänin kennengelernt habe, habe er wohl wieder mehr auf die eigene Figur geachtet, - so die gekränkte Noch-Ehefrau.
Klaus zupfte seinen Poncho glatt. Leichter Nieselregen hüllte ihn wie Nebel ein, ein wenig pfeifte der Wind. Der Regenponcho von Amazon für 1,99 hielt ihn vor Nässe geschützt. Der schwarze Polyester war bei Dunkelheit sicher keine gute Lebensversicherung im Straßenverkehr, schoss ihm durch den Kopf, so gut tarnte er ihn. Aber hier ging es ja nicht um die Tödlichkeit für ihn selbst. Wenn er sich daheim im Spiegel betrachtet hatte, hatte er mit übergezogener Kapuze wie der Sensenmann persönlich ausgesehen.
Er überquerte die Straße. Die Gummistiefel hatte er sich extra beim orthopädischen Schuhhaus mit Abrollsohlen anpassen lassen: Einerseits um bei seinen Senkfüßen keine Knieschmerzen beim Laufen zu bekommen, andererseits damit er nicht bei jeden Schritt, bei dem er sich an sein Ziel heranpirschte, irgendwelche verräterischen Quietschgeräusche von sich gab. Die Schuh-Anpassung hatte ihn 224,50 gekostet.
Um ihm herum Menschenleere in dieser spießigen, oberen mittelständischen Wohngegend mit alten Villen und ihren Vorgärten mit von Ranken umwucherten Spitzzäunen. 30 Meter trennten ihn noch vom Dicken, mit jedem lautlosen Schritt verringerte sich die Distanz. Tagelang hatte Klaus ihn beobachtet. Jedes Mal trug Klaus dabei verschiedene Outfits, unterschiedlich hohe Schuhabsätze, anders gestylte Frisuren, wenn keine wechselnden Kopfbedeckungen. Einmal stützte er sich auf alte Krücken, die er von 2002 einbehalten hatte, nachdem er sich einer Korrektur-Osteotomie unterzogen hatte. Manchmal trug er stärkenlose Brillen, die er vom Optiker gekauft hatte, zu besonders hellen Tageszeiten Sonnenbrillen. Heute blickte er aus nacktem Gesicht auf sein Ziel. Die Laserung seiner Augen vor 18 Monaten hatten ihn 2,300 pro Auge gekostet, dafür sah er 140 % scharf rechts und "nur" 115 % links. Der Seitenunterschied hatte ihm anfangs Fokussionsschwierigkeiten verursacht, nach einer Weile hatte sich sein Gehirn jedoch an die neue Bildverarbeitung gewöhnt. Der Vorteil, keine Brille zu tragen, bestand darin, auch bei Wind und Wetter gut arbeiten zu können. Keine Gläser, die beschlugen oder nass wurden.
Beim Herannahen sah er den Dicken haarscharf, wie der sich duckte, um seiner älteren Tochter die Schleifen zu binden. Als er fertig war und sich aufrichten wollte, blickte er in Klaus' Gesicht. In einem Sekundenbruchteil huschte Argwohn über die Augen des Dicken. Sie erkennen ihn an seinen ungeduldigen Augen, hatte die Auftragsgeberin ihm damals gesagt. Augen, die den Wert von nichts kennen. Dies war das erste Mal, das Klaus ihn aus so einer Nähe sah, ihm direkt ins Gesicht blickte, und ihm war, als empfände er diese Augen gar nicht als ungeduldig. Auf ihn wirkten sie nachdenklich, auf leise Weise sogar aufmerksam. Klaus spürte, wie sich dem eigenen Gesicht ein sanft bedauerndes Lächeln aufdrängte und der Dicke fast intuitiv das Lächeln erwiderte, bevor Klaus den linken Arm um den Hals des Dicken legte, sich mit dem gesamten Eigengewicht zur rechten Seite neigte und in die Hocke ging. Damit der Dicke die Bewegung mitmachte, hatte sich Klaus bereits im Vorfeld Bleigürtel von bis zu 40 kg Gesamtgewicht angelegt, um das Eigengewicht auf 110 kg zu steigern. Die 10-kg-Bleigürtel hatten jeweils 19,99 gekostet, in der Gesamtsumme somit 79,96.
Seinen rechten Ellbogen drückte Klaus dem Dicken ins Gesicht, womit er den Nacken des Dicken auf das eigene gebeugte rechte Knie presste. Unter der Hose trug Klaus am rechten Knie einen Knieschoner für Skate-Boarder, an dem er eine Schraube aus Kaltstauchstahl von 4 cm Länge und 36,48 mm Außengewinde fixiert hatte. In einem Augenblick fokussierte sich die gesamte muskuläre Anspannung seines Körpers und baute ein gewaltiges Momentum auf, das sich im nächsten Augenblick in die Kraft entlud, welche das Genick des Dicken gegen die Schraube an seinem Knie presste. Ein kurzes Knacken und die Augen des Dicken erstarrten für die Ewigkeit in ihrem letzten Ausdruck der Überraschung.
Sofort blickte Klaus auf und zischte das größere Mädchen an: "Einen Mucks, eine Bewegung, und ich mach deine Schwester tot." Die beiden Kinder standen regungslos da, gaben kein Geräusch von sich. Nicht einmal die kleine 4-jährige weinte, zu perplex, um zu reagieren. Klaus sah, wie sich im Schritt der 8-jährigen ein nasser Fleck ausbreitete, konnte sogar den Geruch warmen, frischen Urins wahrnehmen, das sich durch die nasskalte, unruhige Luft dampfartig ausbreitete. Blitzschnell zückte Klaus das Midazolam-Nasenspray aus der Tasche seiner Regenjacke, drückte sie der Kleinen in die Nase. Er zählte keine 3 Sekunden und das Kind sank zu Boden. Als die Große loslaufen wollte, hatte er sie an einem Bein gepackt, mit einem kräftigen Zug lag sie auf dem Boden. Er riss ihre Mütze vom Kopf, packte die Haare, presste ihr den Spraykopf in ein Nasenloch und drückte auf den Releaser. 4 Sekunden. Er reihte die beiden Kinder am Zaun des Vorgartens sitzend auf, gab beiden noch etwas Spray nach, kontrollierte mit einem Handspiegel seiner Mutter ihren Atembeschlag auf der Spiegelfläche. Keine vitale Bedrohung. Sauber gemacht, wirklich sauber. Klaus stand aus der knieenden Position auf und drückte schnell vier Mal hintereinander auf die Hausklingel. Dann stahl er sich schnellen Schrittes davon, bog um die Ecke und war für die Geliebte des Dicken nicht mehr sichtbar, als sie aus dem Haus gestürmt kam, um ihren toten Geliebten und die beiden bewusstlosen Kinder vorzufinden.
Zuhause angekommen schmiss er den Poncho und seine schwarzen Gummihandschuhe in die mit Wasser und Industrie-Waschmitteln vorgefüllte Badewanne. Er setzte sich an seinen noch eingeschalteten Laptop, löste die Bildschirmsperre und öffnete eine MP3 mit Johann Strauß - An der schönen blauen Donau. Mit einem Bleistift kritzelte er auf ein Blatt Löschpapier:
Neuanschaffungen:
Schwarze Latexhandschuhe ............... 7,07
Regenponcho .................................. 1,99
+ Versandkosten ............................. 3,50
Schuhe mit Anpassung .................. 224,50
Bleigürtel ...................................... 79,86
Zylinderkopfschaftschraube ............... 1,37
Anteiliger Preis Augenlaser / Aufträge = 4.600 / 7 = 657,14
Summe ....................................... 975,43
1 ฿ = 410,45 €
16,392 ฿ = 6729 €
- 975,43 € = 5752,67 €
/ 975,43 € = 5,90
also ein Gewinn von 490 % steuerfrei. Nur im Drogenhandel wurden noch höhere Gewinne erzielt. Man konnte nur neidisch auf die Dealer sein. Aber was für eine Arbeit, all diese sogenannten High-Risk, High-Reward-Berufe. Ein bisschen stolz war er schon auf sich, ein Teil dieser Welt von Geld und Gewalt zu sein, die für gewöhnliche Menschen nur im Rahmen fiktiver Filmkunst Berührungspunkte hatte.
Er öffnete den TOR-Browser, verband sich mit dem Deepweb und loggte sich in seinen Firmen-internen Chat ein. Einer seiner beiden Kollegen von ihrer gemeinsamen Homepage "Hit4Pay" war schon da.
Hitman2:
hey thx dude, holidays goin well, venice is SO BRILLIANT, love it. totally saving my marriage. now i DO understand the saying "to see venice and die". btw we could perfectly make this our new homepage slogan. hows work? any new contracts?
Hitman3 (*Anmerkung vom Autor: Klaus selbst):
usually like always: sleep. meditation. work. meditation. sleep. meditation. classical music. hooker (from the greece darknet escort site). meditation. work. BUT today CLOSE CLOSE CLOSE ฿฿฿฿฿฿฿฿฿฿฿฿ motherf***er yeah baby
Hitman2:
holy mother of f**k! always be closin. congratulations bro!!! who was it?
Hitman3:
some high class manager of some hospital group. check the news the next days. youll see. his jealous ex-wife wanted him to get a nose job (*Anmerkung des Autors: "nose job" = Codewort für Auftragsmord zwischen Klaus und seinen beiden Kollegen)
Hitman2:
nice dude, was it difficult?
Hitman3:
i had to do it in front of his two little girls.
Hitman2:
WTF!?!? u know our rule no children under 16 and no top ten politicians? we gotta kill u for any violations. and if u didnt kill them we still gotta kill u cause u left witnesses
Hitman3:
fk off! i sedated them with a special medicine. one that can erase their memories. ever heard of midazolam? google it. they wont remember nothin that did not happen at least before lunch.
Hitman2:
fancy! truly. i have to give u that. where did ya learn that kind of shit?
Hitman3:
for that i had to do my researches in the pedo forum. damn this really pushed me to my limits for real
Hitman2:
...
Hitman3:
dont ... me
Hitman2:
poor guy. get some holidays
Abgebrühte Hundesöhne waren das, die ihm den Tipp mit dem Spray gegeben haben. Sie waren wohl schon aber unzählige Male damit davongekommen. Das Darknet war ein abscheulicher Ort, daran bestanden keine Zweifel.
Übrigens - die völlig unkreativen Namen "Hitman 1, 2 und 3" waren auf 1' Mist gewachsen. Zuständig für die administrativen Funktionen ihrer Website, hatte das Arschloch einfach mal kreative Vorschläge wie "TonyMontana666", "HIV" oder "฿illythekid" ignoriert und übergangen.
Nachdem Klaus die Bitcoins eingetauscht hatte, schaltete er den TOR-Browser aus und öffnete Firefox, was nicht wirklich nötig war. Er tat es aber trotzdem, weil ihm das Gefühl gefiel, nicht auf illegale Seiten zugreifen zu können. Und die illegalen Seiten nicht auf ihn. Was würde er sich anschauen? Vielleicht ein Video auf Youtube? Nein, er hatte eine bessere Idee. Auf dieser einen Internet-Seite war noch dieses Krimi-Dinner zum Sonderpreis für nur 79 € für zwei Personen im Angebot. Martha war so ein Fan davon, es wäre bestimmt das perfekte Geburtstagsgeschenk für sie.