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Hirten in den Hügeln

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03.07.2004
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Hirten in den Hügeln

Sterne funkelten in der klaren Nacht. Der Mond war fast voll und tauchte die Hügel in sanftes silbriges Licht. Am Lagerfeuer saßen vier Hirten und ein kleiner Hütejunge, der im Herbst zu ihnen gekommen war. In manchen Nächten durfte er mit den Erwachsenen aufbleiben, aber meistens schlief er gegen Morgen doch ein.
Die Hirten erzählten sich Geschichten, um wach zu bleiben und nicht von einem hungrigen Berglöwen überrascht zu werden.
„Wisst ihr noch, der alte Josse, als er einen Schatten auf dem Hügel sah?“ Ephraim schaute in die Runde.
Und Nathanael spann das Garn weiter: „Ich glaube, ich habe so vor mich hingedöst. Und da kreischte Josse los, als ob ihn ein Skorpion gestochen hätte. Dann schnappte er sich seinen Knüppel und rannte auf den Hügel. Es sah aus, als sei der Wüstendämon hinter ihm her.“
Ephraim übernahm wieder: „Kurz vor der Kuppe fiel er hin und blieb liegen. Wir dachten, ihm sei was passiert und liefen hin. Aber er lag auf dem Rücken im Sand und lachte, dass ihm die Tränen kamen.
‚Was hast Du? Was ist Dir geschehen?‘, fragte ich ihn noch ganz atemlos.
‚Mir ist nichts passiert, aber der Löwe hat sich so erschrocken, dass er in Purzelbäumen ins Tal gerollt ist.‘
Wir glaubten ihm kein Wort. ‚Du hast geträumt‘, spotteten wir. Aber am Morgen schauten wir nach und da sahen wir tatsächlich eine deutliche Spur im Sand, als ob ein schwerer Sack den Hügel heruntergerollt sei.“
Nach einer Weile warf Jakob ein: „Und dann, wisst ihr noch, vor zwei Jahren um diese Zeit.“
„Da war gar nichts“, fiel ihm Ephraim ins Wort und Jakob verstummte. Er schaute ganz erschrocken, vielleicht war er sogar errötet, aber in dem flackernden Feuerschein war das kaum auszumachen.
Nach längerer Stille fragte der kleine Benjamin: „Was war denn nun? Opa hat auch irgendwas gemurmelt, aber Mama hat nur gesagt, er solle keine Märchen erzählen.“
Die Hirten schwiegen. Die Zweige im Feuer knackten und sprühten Funken. Dann begann Nathanael: „Er wird es ja doch von irgendjemandem hören. Schließlich haben wir die Geschichte damals überall erzählt. Dann soll er lieber gleich die Wahrheit erfahren.“
„Wahrheit“, brummte Ephraim. „Unser karges Leben hier, das ist Wahrheit, alles anders sind Spinnereien und die bringen nur Unglück.“
„Nun sieh doch nicht immer alles so schrecklich. Wir besitzen wenig, aber ich bin mit meinem Leben zufrieden“, meldete sich der schweigsame Michael überraschend zu Wort.
Ephraim hielt tatsächlich seinen Mund und so berichtete Nathanael weiter: „Also es war in so einer Nacht wie heute. Wir hielten Wache, tranken warme Ziegenmilch und erzählten uns Geschichten. Auf einmal war der Himmel heller, als bei Vollmond. Damals schien gar kein Mond. Dafür sahen wir gewaltige Sterne, die funkelnd über den Himmel tanzten und sangen.“
„Was haben die Sterne denn gesungen?“
„Keine Ahnung“, stieß Ephraim hervor: „Freude, Frieden, Wohlstand, alles nur leere Worte.“ Nachdrücklich schloss er seinen Mund wieder und auch die Augen. Am liebsten hätte er noch seine Ohren verstopft.
„Ja, es war eigenartig“, erzählte Nathanael weiter. „Einer der Sterne kam ganz nahe heran und erzählte uns von einem neugeborenen Kind, das unser Helfer und Freund sei. In Bethlehem sollte es zur Welt gekommen sein, in der Höhle vom alten Abischar. Wir sind gleich losgelaufen und fanden wirklich ein Neugeborenes und seine Eltern. Na ja, Kinder werden immer geboren, warum nicht auch in einer Höhle. Aber es war schon komisch.“
„Was war denn komisch?“, fragte Benjamin den verstummten Nathanael.
„Ich kann es nicht erklären und jetzt, wenn ich daran denke, werde ich ganz traurig. Aber damals war es wie so ein warmes Gefühl, wir waren so voller Freude, dass wir die Schafe alleine ließen, nach Bethlehem rannten und allen Menschen unser Erlebnis erzählten.“
„Tolles Erlebnis“, meckerte Ephraim. „Schon am nächsten Abend saßen wir am Lagerfeuer und froren. Es war eine sehr kalte Nacht und da war nichts mehr zu spüren von irgendeiner Freunde oder gar von irgendeiner Wärme.“
„Aber ist denn noch etwas geschehen?“
„Was soll denn schon geschehen sein“, knurrte Ephraim. „Die Eltern verschwanden spurlos mit ihrem Kind. König Herodes schickte Soldaten, die alle kleinen Knaben abschlachteten. Das war so grausam, ich möchte nicht mehr daran erinnert werden. Von wegen Freude und Frieden.“
Alle erinnerten sich an diese Ereignisse und schwiegen. Aber nach einiger Zeit sprach Ephraim weiter: „Oder hat sich bei euch irgendetwas geändert? Unser Leben ist genau so hart und schwer, wie vor zwei Jahren oder vor zwanzig Jahren oder bei unseren Großvätern. Nein, wir haben nur mal wieder geträumt. Das ist bei unserem Volk nun mal so. Das wisst ihr doch auch. Immer wieder träumen unsere Propheten von einer wunderbaren Zeit, aber sie kommt nicht. Dafür erleiden wir Kriege, Vertreibung; Hungersnöte.“ Ephraim hob einen Stein auf und schleuderte ihn in das Dornengestrüpp neben dem Feuer. „Steine und Dornen. Nichts sonst. Nein, es gibt kein Paradies für uns. Niemals.“
In dieser Nacht sprach keiner mehr.

 

Hallo Neutronenstern,

danke für Deine Kritik. Ich habe den Text zwar mehrmals durchgearbeitet, aber das hast Du ja auch bemerkt, dass Fehler - hoffentlich alle - entfernt sind. Was ich mit der fehlenden Spannung mache - darüber muss ich nachdenken. Ich fürchte, meine kleinen Geschichten sind selten spannend.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Bas,

danke, dass Dir meine Geschichte gefallen hat. Und dass Skorpione stechen, sollte ich eigentlich wissen. Stand denen schon Auge in Auge gegenüber.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hi Jobär!

Ich war/bin eigentlich ganz froh, dass X-Mas endlich wieder vorbei ist - ich oute mich direkt mal als Weihnachtsmuffel und erklärter Winterhasser!! Eigentlich hätte ich deine Geschichte dann ja auch ignorieren müssen, als ich in der Beschreibung "Weihnachten" gesehen habe! :D

Nun ja - hab ich aber nicht und ich fand deine Story nicht schlecht, aber umgehauen hat sie micht nicht. Handwerklich sehr professionell und gut geschrieben. Sie liest sich angenehm und die Dialoge passen gut in den historischen Kontext. Ein gutes Maß an einem entsprechenden Sprachduktus - nicht zu viel oder zu wenig. Insofern ist dieser Aspekt deiner Geschichte ohne Zweifel Top!
Was allerdings die Handlung angeht - tja, da schließe ich mich dem Neutronenstern und Bas an. Nach dem Lesen habe ich mehr oder weniger ungerührt die Schulter gezuckt. Das ist jetzt nicht grad ein dickes Kompliment, aber andererseits - wer steht hier auf Lobhudelei?!;)

Von daher mein Fazit: Geschrieben: flott - Handlung: so what!?:)

Fühl dich trotzdem herzlich gegrüßt
Eisenmann

 

Lieber Eisenmann,

wenn ich mir die Kritiken anschaue, die ich vor zehn Jahren bekommen habe - da genieße ich Dein Lob ebenso wie das Deiner Vorschreiber (zeitlich gesehen). Ich kann eigentlich jedem neuen Wortkrieger bei negativen Kritiken nur raten: Immer weiter schreiben - auch wenn es Jahre dauern kann.

Und zu der dahinplätschernden Handlung: Ich hatte schon einmal in einem anderen Thread erzählt, dass ich überwiegend Geschichten für Senioren schreibe. Und das bedeutet:
- Kurze Geschichten - die Aufmerksamkeitsspanne von Senioren ist manchmal geringer als die eines Grundschülers.
- Geschichten mit dem Aha-Effekt: 'Das kommt mir irgendwie bekannt vor.' Da können Spannung und Cliffhanger usw. eher negativ wirken, da sie nicht so schnell verstanden werden.
- ein wenig zum Nachdenken. Füŕ mich ist es das Schönste, wenn sich aus einer Geschichte ein Gespräch ergibt. Auch die sind nur kurz, aber ich sehe: Die Geschichte ist angekommen. Zwei Geschichten sind mir da besonders im Gedächtnis: Sonntag-morgen (Schon über zehn Jahre alt) und Buchenhain.
Nun aber genug des Eigenlobs. Ich wollte einfach mal erklären, warum ich so langweilige Geschichten schreibe.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,

Ich wäre gerne dabei gewesen dort am Hirtenfeuer, als sich die Hirten unter dem Sternenhimmel die Geschichte vom Löwen und den tanzenden und singenden Sternen erzählten.

Übrigens, ich finde es schön, dass Du Geschichten für Senioren schreibst. Ich gehöre auch dazu.
Bei den Kommentaren wird deutlich, und das auch bei meinen Geschichten, dass die jüngere Generation anders tickt. Sie will Action und Spannung.
Ich finde, wir sollten uns nicht beirren lassen. Mir jedenfalls machst Du mit Deinen Geschichten Freude.

Und noch etwas. Du sprichst in der Geschichte ein Problem an, das schon viel Kopfzerbrechen gemacht hat. Das Friedens-Kind in der Krippe ist gekommen und doch gibt es weiterhin Kriege, Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Da kommen einem schon Fragen.
Aber es kommt eine Zeit, da werden Friede und Gerechtigkeit die Oberhand gewinnen.

Lieber jobär, ich danke Dir für diese Geschichte.
Alles Gute wünscht Dir
Marai

 

Liebe Marai,

vielen Dank für Deine wärmenden Worte. "Wo ist denn Gottes Herrschaft, Gottesfriede ... ?" fragten die Menschen Jesus damals und fragen viele auch heute. Aber wer sich mit dieer Thematik nicht nur abstrakt-theoretisch auseinandersetzt, erlebt diesen Frieden als etwas, das auch heute wirkt - in allem Elend, in das wir Menschen die Welt immer weiter stürzen.

Liebe Grüße

Jobär

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber jobär,

Ich sehe es auch so. Dieser Friede ist heute im persönlichen Leben erlebbar, sogar in schwierigen Situationen.

Liebe Grüsse
Marai

 

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