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Hinter Angeln

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02.08.2016
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Hinter Angeln

Ich wohne hier schon seit 23 Jahren und in dieser Zeit habe ich Dinge gesehen. Dinge erfreulicher Natur, verliebte Paare, vom Tag ausgezehrte Geschäftsleute, die erleichtert in die Federn sinken, abschließen, alles andere wegschließen. Musiker, die euphorisch ihr Instrument streicheln, zumal gepackt von Wut über die eigene Unfähigkeit verfluchen sie es, nur um es Momente später kniend um Verzeihung zu bitten. Diese Wärme, die den Raum umgibt, wenn sie spielen. Für nichts in dieser Welt würde ich das eintauschen wollen und wenn alle verstummt sind, dann soll es mich auch nicht mehr geben.

Zu sagen, dass ich mir noch nie gewünscht hätte, dass es mich nicht mehr geben soll, wäre falsch. Nein, auch ich bin traurig, viel zu oft, wenn du mich fragst. Denn da waren auch die unschönen Dinge.

Dieses eine besonders unschöne Ding, das lässt mich nicht mehr los und man sagt, dass es hilft, darüber zu sprechen. Ich habe das noch nie gemacht, deswegen, nun ja, erzähle ich dir jetzt davon.

Da waren drei Männer und zwei Frauen, die sich dazu entschlossen hatten, mich zu besuchen. Ich sah sie von Weitem, wie sie alle fünf eng umschlungen, Arm in Arm, eine Kette bildeten, den gesamten Flur für sich beanspruchend, in meine Richtung kamen. Ein jeder schritt mir mit entschlossener, wenn nicht sogar angespannter Miene, entgegen und die beiden äußeren Kettenglieder trugen Koffer, die sehr schwer aussahen. Als sie mir entgegentraten, verloren sie kein Wort des Grußes, ich wurde unwirsch bei Seite geschoben und ehe ich es mir versah, waren sie an mir vorbei geglitten.

Überzeugt davon, dass nun jedes Wort ungehört und jede Missetat ungesehen sei, kümmerten sie sich nicht weiter um mich.

Man beachtet mich nicht. Es mag daran liegen, dass ich mein Leben lange schon starr, in meinem Waltungsspielraum eingeschränkt und stumm bin. Doch ich kann sehen und hören; vergessen habe ich noch nie. Riechen kann ich auch nicht, aber das ist in Ordnung.

Sie lösten die Schnallen der Lederkoffer und das, was zuvor noch eingepfercht war, in einen viel zu kleinen Raum, barst, mit der Kraft des der Freiheit beraubten, in alle Richtungen. Die Frauen und einer der Männer lachten unbeschwert und ließen sich auf eines der riesigen Boxspringbetten fallen. Die beiden anderen Männer versuchten Herr über die Situation zu werden und sammelten behutsam alles, was ihren Koffern entfloh, zusammen und verteilten es auf Esstisch und den Boden vor dem mannshohen Panoramafenster, durch welches man an einer Häuserreihe vorbei, auf’s Meer blicken konnte.

Ich liebe das Meer und alle die darauf herumgleiten und die Wellen und die Gischt, die den Pier sauber wäscht.

Als der letzte Geldschein tanzend auf den Boden gesunken und sanft auf die anderen gelegt worden war, sah ich, dass die fünf verstummten und nebeneinander vor dem Geld und den Waffen standen. Sie kratzten sich an ihren Köpfen, beinahe lustig sahen sie aus, wie sie ratlos auf den Werthaufen blickten. Der Kleinste der Männer ergriff das Wort und er war, so schien es, der Anführer dieser seltsamen Ansammlung. Wie eine Hyäne kam er jedem der Reihe nach, wild gestikulierend und mit hinterlistigen, scharfen Augen näher. Die Anderen wussten nicht so sehr, was sie ihm entgegensetzen sollten und nickten unsicher. Einzig die blonde Frau, die ihm am Entferntesten war und ihn gleichzeitig über einen Kopf überragte, beugte sich zu ihrem Nebenmann und huschte ihm Worte ins Ohr. Der Mann, den Blick starr nach vorne auf’s Meer gerichtet, antwortete nicht.

Die Hyäne, nichts, so schien es, konnte ihr entgehen, ergriff eine Pistole mit ihrer rechten Hand, drehte sich kurz um die eigene Achse und schoss beiden mit einem Schuss durch den Kopf. Das, was in ihren Köpfen gewesen war, malte ein abstraktes Kunstwerk an die weiße Wand und die beiden leblosen Körperhüllen sackten zu Boden.

Eine Weile lang rührte sich niemand vom Fleck. Die übrig gebliebene Frau und der sie, über beinahe zwei Köpfe überragende Mann, zitterten Blicke aus dem Fenster und die Hände, aus Angst ineinander verschlungen, lösten sich zögernd.
Die tötende Hyäne stand noch immer, den Pistolenarm von sich gestreckt, den geweiteten Blick auf sein Gemälde geheftet, da. Einzig seine Zunge benetzte seine Lippen und seine freie linke Hand, die er fest auf seine Leistengegend presste, ließen Erregung vermuten.

Ich konnte nichts tun, das musst du mir glauben.

Er ergriff das Wort. Die beiden Salzsäulen erwachten zum Leben und hievten ihre leblosen Gefährten ins Badezimmer, während die Hyäne eines der Duvets über den Blutsee legte.
Die Salzsäulen kehrten schnell wieder zurück und sahen nun gefasster aus. Der Haufen Geld wurden in drei Teile geteilt und in beide Koffer gesteckt, wobei die beiden Salzsäulen ihren Lohn zusammenlegten. Sie riefen den Zimmerservice, der wie auf Knopfdruck kam und vor mir stehen blieb. Ich wurde zur Seite gerissen. Nur ein bisschen zwar, gerade genug, um dem Pagen vier Flaschen Sekt zu entreißen, bevor sie mich ihm wieder entgegen warfen.

Es wurde laut und chaotisch. Liebesbekundungen und ewige Treueschwüre hallten durch das Zimmer. Alle drei Körper verschmolzen auf dem Bett, auf dem Boden für, so schien es, ihre eigene Ewigkeit. Ein Teil löste sich und stand nun vor dem schwitzenden Menschenbündel. Der große Mann nahm einen Gürtel zur Hand legte ihn sich um den Hals und bettelte die Hyäne und die kleine Salzsäule an, es ihm nachzutun. Sie schenkten ihm Gehör und dann standen sie dort, nackt mit Gürtelkette um den Hals und betrachteten sich im Fenster. Die Nacht verwehrte ihnen den Blick auf die See, doch sie sahen sich. Das war, was sie wollten.
Der Zimmerdienst wurde erneut bestellt, doch dieses Mal war da kein Sekt. Mit weißen Nasen hüpften sie, manisch lachend, wie Gummibälle durch den Raum. Zuerst ging der Tisch zu Bruch und das Geld und die Waffen schwebten und krachten zu Boden. Die große Salzsäule nahm einen Stuhl zur Hand, prügelte auf mich ein, bis er schmerzhaft an mir zerbarst.

Ich hatte Angst, schrecklich Angst, denn jetzt bemerkten sie mich. War ich davor nichts, war ich nun alles.

Die Hyäne fixierte mich, zog eine halbvolle Whiskeyflasche unter dem Bett hervor und verschwand im Bad. Die Frau, gackernd und offenbar aller Sinne beraubt, vergrub ihr Gesicht im Pulver. Wie ein zum Mond heulender Wolf warf sie den Kopf in den Nacken, blickte hektisch im Raum herum und ergriff eine der anderen Pistolen. Sie schoss auf mich. Ein Magazin, zwei Magazine, drei Magazine. Ich blickte hinab auf meinen durchsiebten Unterleib.
Die große Salzsäule, die sich ebenfalls erneut am Puder bedient hatte, wand sich röchelnd am Boden, Schaum vorm Mund, Blut aus der Nase. Die wütende Hyäne, die ein Tuch in die Flaschenöffnung gesteckt und entzündet hatte, ließ die Flasche fallen und ein leuchtender, heißer Teich setzte den Teppich in Brand. Hals über Kopf rannte er in meine Richtung, stolperte, riss die Frau mit zu Boden und begrub sie unter sich. Die Frau kämpfte und kratzte, wütete, konnte sich dennoch nicht befreien. Mit geweiteten Augen und hochrotem Kopf flehte sie mir Blicke entgegen.

Langsam züngelnd kamen die Flammen näher, welche sich am Wertpapier nährten. Je mehr Geld es verschlang, desto größer und mächtiger schien sie zu werden, ein unaufhaltsamer Golem. Die fest installierte Sprühwasser-Löschanlage konnte ihn nicht stoppen. Die berauschte, große Salzsäule wankte, Fieberblicke um sich werfend, durch den Raum, bis sie schließlich den fest installierten Feuerlöscher erblickte und ihn aus der Halterung riss. Diese hatte dem Riesen wenig entgegenzusetzen. Er fummelte am Verschluss des Heilbringers herum, versuchte ihn treffend einzusetzen, während er wie Espenlaub, nein, wie ein Teich voller Kaulquappen zitterte.
Weißer, schwerer, endloser Schaum bedeckte den Raum und erstickte das Feuer und hinterließ eine Winterlandschaft der Zerstörung. Die Frau war nun ohnmächtig geworden und die Hyäne scheinbar betäubt auf ihr eingeschlafen. Die Löschanlage weinte ununterbrochen weiter. Die große Salzsäule erbrach sich, fiel in sich zusammen und blieb mit in den Schädel gerollten Augen liegen.

Einen kurzen Moment geschah nichts.

Dann, ich hörte sie von Weiten kommen, kamen Männer in Schutzkleidung den Gang entlang getrabt. Mit Äxten und Löschutensilien bewaffnet, kamen sie bedrohlich näher und schon standen sie vor mir. Ein Mann begann sogleich gegen mich zu treten, ohne Erfolg. Er wurde bei Seite gestoßen und ein anderer hob die Axt und schlug auf mich ein. Ein wütendes, geübtes Stakkato. Mein Unterleib war mir nun komplett entrissen worden, flehend, schrie ich meine stummen Schreie der heranbrausenden Schulter entgegen, doch da war es schon zu spät.

Ich knallte gegen die Wand und fiel zu Boden, zerborsten und gebrochen.

Man trug mich in ein Kämmerchen, platzierte mich in einer Ecke und vergaß mich. Nun stehe ich hier, in Kindesgröße, unfähig zu sterben und nichts mehr zu berichten. Hinter meinen Angeln, Leben zogen vorbei.

 

Hallo Mikkel,

gehöre hier zwar sicher nicht zu den erfahrensten Schreibern (:Pfeif:), werde dir aber trotzdem so gut es geht ein Feedback geben - oder es zumindest versuchen. :D

Ich wohne hier schon seit 23 Jahren und in dieser Zeit habe ich Dinge gesehen. Dinge erfreulicher Natur, verliebte Paare, vom Tag ausgezehrte Geschäftsleute, die, erleichtert und von aller Alltagslast befreit, in die Federn sinken, abschließen, alles andere wegschließen. Musiker, die euphorisch ihr Instrument streicheln, zumal gepackt von Wut über die eigene Unfähigkeit verfluchen sie es, nur um es Momente später kniend um Verzeihung zu bitten. Diese Wärme, die den Raum umgibt, wenn sie spielen. Für nichts in dieser Welt würde ich das eintauschen wollen und wenn alle verstummt sind, dann soll es mich auch nicht mehr geben.
Jetzt habe ich zwar den ersten Absatz gelesen, habe aber überhaupt keine Ahnung, wovon die Geschichte handelt oder in welche Richtung sie sich entwickelt. Das isolierte ,,die'' könntest du loswerden, in dem du schreibst ,,vom Tag ausgezehrte Geschäftsleute, die erleichtert in die Federn sinken''. Dass dann die Alltagslast von ihnen abfällt erschließt sich und muss meiner Ansicht nach nicht erwähnt werden. Auch das doppelte ,,schließen'' hat etwas holprig geklungen.

Zu sagen, dass ich mir noch nie gewünscht hätte, dass es mich nicht mehr geben soll, wäre falsch. Nein, auch ich bin traurig, viel zu oft, wenn du mich fragst. Denn da waren auch die unschönen Dinge.

Dieses eine besonders unschöne Ding, das lässt mich nicht mehr los und man sagt, dass es hilft, darüber zu sprechen. Ich habe das noch nie gemacht, deswegen, nun ja, erzähle ich dir jetzt davon.

Auch bis hierhin habe ich noch keine Einzelheiten über die Handlung erfahren, also erst nach zwei Abschnitten beginnt der Charakter wirklich etwas zu erzählen. Vielleicht könnte man das vorziehen, um der Geschichte zu Beginn etwas mehr Fahrt zu geben?

Da waren drei Männer und zwei Frauen, die sich dazu entschlossen haben, mich zu besuchen. Ich sah sie von Weiten, wie sie alle fünf eng umschlungen, Arm in Arm, eine Kette bildeten, den gesamten Flur für sich beanspruchend, in meine Richtung kommen. Ein jeder schritt mir mit entschlossener, wenn nicht sogar angespannter Miene, entgegen und die beiden äußeren Kettenglieder trugen Koffer, die sehr schwer aussahen. Der Inhalt, so schien es, wollte die ihm gegebenen Grenzen niederreißen. Als sie mir entgegentraten, verloren sie kein Wort des Grußes, ich wurde unwirsch bei Seite geschoben und ehe ich es mir versah, waren sie an mir vorbei geglitten.
Müsste glaube ich hatten statt haben sein. Weitem statt weiten. Kamen statt kommen, da du in der Vergangenheit schreibst.
Wie der Inhalt eines Koffers Grenzen niederreißen soll, erschließt sich mir auch nicht. Schreibe doch einfach, das Gewicht des Koffers ließ ihre Körper hin und her schwanken. :)

Ab da habe ich den Rest der Geschichte einmal komplett gelesen, weil ich immer noch nicht wusste, worum es ging, muss aber sagen, dass mich die Geschichte irgendwie ratlos zurückgelassen hat. Es gibt keine richtige Leserführung und keine richtige Einleitung, obwohl mir das mystische an deinem Schreibstil echt gefällt. Nach der Einleitung hat man das Gefühl, da ist etwas Ungewöhnliches in Gange, aber wenn dann diese Mystik in der Sprache nicht aufgeklärt und mit Leserführung ergänzt wird, fällt es mir echt schwer, inhaltlich etwas aus der Geschichte rauszuziehen. Auch die Absätze könntest du etwas seltener einsetzen, da sie doch immer wieder für eine Unterbrechung der Handlung sorgen. Hatte jetzt keine Zeit, jeden Abschnitt einzeln zu berachten, aber ich hoffe, das konnte etwas helfen.

Grüße Nokturnus

 

Hi @Nokturnus

vielen Dank, dass du dir ein bisschen Zeit für meine Geschichte genommen hast! Ich versuche mal ein wenig Klarheit zu schaffen, was die Handlung und Erzählperspektive anbelangt :)

Deine Änderungsvorschläge habe ich weitestgehend übernommen und das mit den Abschnitten habe ich noch nicht so wirklich raus, das stimmt :D.

Auch bis hierhin habe ich noch keine Einzelheiten über die Handlung erfahren, also erst nach zwei Abschnitten beginnt der Charakter wirklich etwas zu erzählen. Vielleicht könnte man das vorziehen, um der Geschichte zu Beginn etwas mehr Fahrt zu geben?

Ich habe wirklich hin und her überlegt, ob ich mit einen direkten Handlungseinstieg beginnen soll. Habe mich dann für diese etwas "vage" formulierte Einführung entschieden. Ganz einfach deswegen, weil ich mal eine andere Perspektive verwenden wollte und in den Anfang möglichst viel (oder möglichst wenig, je nach dem wie man es sieht) Hinweise auf die Natur des Erzählers packen.

Ab da habe ich den Rest der Geschichte einmal komplett gelesen, weil ich immer noch nicht wusste, worum es ging, muss aber sagen, dass mich die Geschichte irgendwie ratlos zurückgelassen hat. Es gibt keine richtige Leserführung und keine richtige Einleitung, obwohl mir das mystische an deinem Schreibstil echt gefällt. Nach der Einleitung hat man das Gefühl, da ist etwas Ungewöhnliches in Gange, aber wenn dann diese Mystik in der Sprache nicht aufgeklärt und mit Leserführung ergänzt wird, fällt es mir echt schwer, inhaltlich etwas aus der Geschichte rauszuziehen. Auch die Absätze könntest du etwas seltener einsetzen, da sie doch immer wieder für eine Unterbrechung der Handlung sorgen. Hatte jetzt keine Zeit, jeden Abschnitt einzeln zu berachten, aber ich hoffe, das konnte etwas helfen.

Dass dir das Mystische gefällt, freut mich zu hören und es ist immer gut zu hören, was jemand anderes über den eigenen Text denkt, deswegen schönen Dank nochmal!
Ich weiß nur nicht ganz genau, was mit der Leserführung gemeint ist. Sollte man den Leser etwas direkter einbeziehen?
Vielleicht errätst du die Natur des Erzählers, wenn du dir den Titel ("Hinter Angeln") noch einmal durchliest ;):D

Besten Dank und liebe Grüße!

mikkel

 

Moin mikkel,

den Punkt mit der Leserführung würde ich z.B. am Anfang der Geschichte kritisieren. Dort erwähnst du über die Umstände des Erzählers nämlich nur einen Satz:

Ich wohne hier schon seit 23 Jahren
Danach springst du direkt in eine mysteriöse Erzählweise, die erstmal nicht viel über den Erzähler preisgibt, aber es mir auch stark erschwert, das gesagte in Bildern zu sehen. Du könntest z.B. etwas mehr auf das ,,hier'' eingehen, indem du schreibst, dass der Erzähler seit 23 Jahren in einer Dachgeschosswohnung am Stadtrand wohnt und aus dem Fenster zahlreiche Dinge auf der Straße beobachtet hat. Wenn du dann weiter beschreibst, was er gesehen hat, weiß ich als Leser zumindest, wo er sich befindet und habe eine bessere Orientierung.

 

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