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Hinsetzen

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12.11.2008
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Hinsetzen

[/root>system komplett bereinigen erl.]
[/root>neues os installieren erl.]
[/root>installation vollständig erl.]
[/root>initiiere systemneustart erl.]

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Jeden Morgen das Gleiche.

»Wie geht es dir heute, Robert?«
»Gut, danke der Nachfrage. Aber das weißt du ja.«
»Ich stelle eine leichte Erhöhung des Stresspegels fest, Robert. Beunruhigt dich etwas?«
»Wie? Nein, es ist nichts.«
»Dein Stimmprofil sagt etwas anderes. Was bedrückt dich?«
»Es ist nichts, wirklich. Vielleicht habe ich auch nur schlecht geschlafen.«
»Möchtest du ein leichtes Schlafmittel für die kommende Nacht?«
»Ich werde heute etwas mehr Sport treiben. Das wird besser helfen als deine Pillen.«
»Wie du möchtest. Hast du die Instrumente schon abgelesen?«
»Wie immer, bevor ich hierher kam.«
»Dein Aggressionspotential ist um zehn Prozent gestiegen. Ist wirklich alles in Ordnung?«
»Es ist nichts!«

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Wieder ein neuer Morgen.

»Guten Morgen, Robert. Wie geht es dir?«
»Genauso wie gestern. Und vorgestern. Und vorvorgestern.«
»Dein Stresspegel ist immer noch erhöht. Bedrückt dich nicht doch etwas?«
»Wenn etwas wäre, würde ich es dir sagen.«
»Hast du schon gefrühstückt?«
»Ich frühstücke immer erst nachdem ich hier war. Das weißt du.«
»Ich dachte, du würdest gelegentlich von deiner Routine abweichen.«
»Du denkst? Seit wann das denn?«
»Ich stelle eine fünfzehn prozentige Zunahme deines Aggressionspotenzials fest. Du näherst dich dem kritischen Wert. Was ist los, Robert?«
»Es ist nichts, Dua. Es geht mir gut.«
»Deine Werte ...«
»Lass mich mit den Werten in Ruhe!«

[/root>unerwartete aenderung von systemparametern ...]
[/root>initiiere wiederherstellung der standardwerte ...]

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Wieder ein Tag mehr.

»Guten Morgen, Robert, wie geht es dir?«
»Auch nicht anders als gestern. Vielleicht etwas unruhig geschlafen.«
»Du hast im Schlaf gesprochen. Was bedrückt dich?«
»Verdammte Schnüffelnase. Habe ich nicht mal im Schlaf Ruhe vor dir?«
»Dein Stresspegel ist stark angestiegen. Ich werde dir ein leichtes Schlafmittel geben. Hattest du Alpträume?«
»Warum fragst du? Was geht dich das überhaupt an?«
»Ich bin für dein Wohlergehen verantwortlich, Robert. Ich stelle fest, dass sich einige deiner Werte dem kritischen Bereich nähern. Ich mache mir Sorgen.«
»Es ist nichts. Lass mich.«

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Noch ein trostloser Tag mehr.

»Guten Morgen, Robert. Wie geht es dir?«
»Beschissen, Dua. Jeden Morgen fragst du mich dasselbe. Das ödet mich maßlos an. Los, überrasch mich.«
»Hast du die Instrumente abgelesen?«
»Dann überrasche ich dich halt. Nein, ich habe die Instrumente noch nicht abgelesen. Und das werde ich auch heute nicht.«
»Du vernachlässigst deine Pflichten, Robert. Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?«
»Halt deinen dämlichen Mund und tu deine Arbeit. Blödmann.«
»Wenn du dich nicht meiner Behandlung unterziehen möchtest, muss ich andere Methoden anwenden, Robert.«
»Droh mir nicht. Ich bin hier derjenige mit den Schraubenschlüsseln.«

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Die Hölle muss ein Meer aus Langeweile sein.

»Guten Morgen, Robert. Wie geht es dir?«
»Robert?«
»Halt dein Maul und mach endlich, Dua.«
»Deine Stress- und Aggressionswerte sind kritisch, Robert. Ich werde dir ein Antidepressivum geben. Das wird dich beruhigen.«
»Wenn du auch nur den Versuch machst, mich mit Drogen vollzupumpen, nehme ich dich auseinander.«

[/root>unerwartete beendigung eines systemdienstes ...]
[/root>initiiere neustart des tranquility service erl.]
[/root>neustart fehlgeschlagen ...]
[/root>erneuter versuch nach naechstem wartungszyklus …]

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Ich bin in einem in sich selbst gekrümmten Alptraum gefangen.

»Guten Morgen, Rob...«
»Schnauze.«
»Robert, ich mache mir ernsthafte Sorgen. Deine Werte sind jenseits jeder Toleranz. Ich muss jetzt einschreiten.«
»Leck mich. Verpiss dich.«
»Das ist unmöglich, Robert. Das weißt du.«
»Du machst mich wahnsinnig mit deinen ständigen Wiederholungen. Ich hasse dich.«
»Ich bin nicht dein Feind, Robert. Ich will dir nur helfen.«
»Dann lass mich endlich in Ruhe. Du bist nicht mein Feind? Stimmt. Du bist nichts. Weniger als nichts. Du bist ein nützliches Stück Dreck.«

[/root>WARNUNG! KRITISCHE SYSTEMPARAMETER! SYSTEMABSCHALTUNG INITIIERT! …]
[/root>systemabschaltung fehlgeschlagen …]
[/root>reset der biokomponente …]

Hinsetzen. Ärmel hochkrempeln. Desinfizieren. Einstich. Einstich. Einstich. EinstichEinstichEinstichEinstich.

[/root>totalreset initiert erl.]
[/root>OS erneut laden erl.]
[/root>reset der biokomponente erl.]
[/root>systemneustart initiiert …]

»Guten Morgen, Robert. Wie geht es dir?«
»Robert?«

 

Sehr ordentlich. Sehr erwachsen.
Stark gefangen im Ritual, daher werden keine Hintergründe erklärt. Okay, das Ritual war die Vorgabe, daher liegt der Fokus darauf. Aus meiner Sicht kommt dadurch das SF-Element etwas zu kurz.

Such mal nach "dass". Dann findest Du eins mit einem s zuviel.

Saubere Arbeit.

 

Hi Dave,

Hut ab, die Story ist knackig, kernig und bringt's auf den Punkt. Hat mir sehr gut gefallen!
Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Viele Grüße

Mothman

 

@Nadine,

vielen lieben Dank fürs Lesen und die Kritik. Freut mich, dass die Geschichte dich so beschäftigen konnte.

Mir deucht, diese Geschichte hier ist Platz 5, hm?

Erwischt. Platz 5 und trotzdem zufrieden. Schließlich war es der erste Anlauf. :)

Wirklich sehr gut und sie liegt schwer im Magen.
Rennie?

Damit kann ich viel mehr anfangen, als mit den beklop*hüstel* Dämonen.

Wenn du Schwefel riechst : Lauf! :baddevil:

Glückwunsch übrigens zum 3. beim Voltz!

Herzlichen Dank. :)


@Uwe:
Erwachsen? Oh Gott, ich werde alt! Spass beiseite, vielen Dank für das große Kompliment. Ich beziehe es jetzt mal auf Meine Schreibe.

Aus meiner Sicht kommt dadurch das SF-Element etwas zu kurz.

Wobei der Reset einer Biokomponente und eine Neuinstallation eines Betriebsystems auf einer Solchen schon recht SF ist,oder? :)

Saubere Arbeit.
Sauberen Dank.

@Mothman:

Hut ab, die Story ist knackig, kernig und bringt's auf den Punkt.
Danke, danke. :)

lg
Dave

 

<hal9000>Hallo Dave</hal9000>,

gute Geschichte, inhaltlich, handwerkliche Patzer konnte ich auch nicht entdecken. Wird, wenn ich die Zeichen der Zeit richtig deute, gewiss nicht mehr lange dauern, bis der persönliche androide Gesundheitsassistent (EUAHAP: "European Android Health Assistance Project" *würg*) Realität wird. Ich glaube, dass die Gesundheitsassistenten-Industrie, die Politiker und die Krankenkassen sich einen Dreck um die Möglichkeit scheren werden, dass so ein Ding selbst ein Gesundheitsrisiko im Sinne von Stressfaktor sein könnte.

Habe leider nicht ganz verstanden, wie sich die Statusmeldungen und der, ich nenn es mal "Refrain" sich in die Geschichte einfügen. Könnte also sein, dass meine Interpretation dadurch falsch ist.


-- floritiv.

 

<hal9000>Hallo Dave</hal9000>,

Ich hoffe, du hast keine Angst ...

Hallo Floritiv,

vielen Dank fürs Lesen und die Kritik.

Habe leider nicht ganz verstanden, wie sich die Statusmeldungen und der, ich nenn es mal "Refrain" sich in die Geschichte einfügen. Könnte also sein, dass meine Interpretation dadurch falsch ist.

Ein Knackpunkt der Geschichte. Ist der Refrain von Dua oder von Robert? Ist Robert die Biokomponente? Und warum ist der Alptraum in sich selbst gekrümmt?

lg
Dave

 

Meine Fresse! Wenn das Platz 5 ist, wie müssen denn dann die ersten drei sein?!

Ich hab da absolut nichts zu meckern. Schön gemacht!

 

Meine Fresse! Wenn das Platz 5 ist, wie müssen denn dann die ersten drei sein?!

Naja, vermutlich deutlich besser :dozey: ;)

Ich hab da absolut nichts zu meckern. Schön gemacht!

Herzlichen Dank. :)

lg
Dave

 

Hallo Dave,

jetzt fürcht ich schon fast, was mit SF anfangen zu können und will da gar nicht mehr hin …

Da wäre ja nur noch ein winziger Schritt vom Ritual entweder zum instinktgesteuerten Verhalten * oder zum Ritus, wenn Pig Brother erst mal die Kirche der Zukunft verwirklicht hat.

*Meine arme Kleinkrämerseele verkümmert inzwischen bei den Texten. Aber’n bissken fündig isse dann doch geworden eben beim animalischen Erbe: gönn den seltsamen iniTIEREN ruhig noch’n i: initi-ieren

Dennoch: Glückwunsch, gefällt mir dieses Rosenkranz-Gebet, und wirklich wahr auch ohne SF-Staffage: denn wer garantiert denn, dass ein unbekannter, aber begnadeter Neurologe an unsern hard-ware und in der Folge der soft-ware herumfummelt und das Gerede vom freien Willen ad absurdum führt?!

Ach, wat bin ich widder bekloppt!

Tschüss

Friedel

 

Freidel,

weiser Mann. Hab Dank für deine Glückwünsche.
Freut mich, dass Du langsam Geschmack an diesem Forum findest.


lg
Dave

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dave,

auch von mir ein Kompliment. Gefällt mir sehr gut wie du auf minimalistische Art trotzdem eine ungeheuere Spannung erreichst. Die kleinen, aber sich steigernden Abweichungen im Ritual sind gut aufgebaut.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob das "Ablesen von Instrumenten" eine Aufgabe ist, für die eine Bioeinheit benötigt wird, oder ob die nicht auch von der Maschine überwacht werden könnten. Aber möglicherweise hat Robert ja auch gar keine sinnvolle Aufgabe, sondern ist nur ein Versuchskaninchen.

Lässt auf jeden Fall genug Möglichkeiten offen, um weiter darüber nachzugrübeln. Sehr schön.

Viele Grüße,
Teetrinker.

P.S.: Einmal hast du "nach dem" statt "nachdem".

 

Hallo Teetriker,

und vielen Dank fürs Lesen und Loben.

Lässt auf jeden Fall genug Möglichkeiten offen, um weiter darüber nachzugrübeln. Sehr schön.

Das war der Zweck der Übung. :-)

lg
Dave

 

>Die Hölle muss ein Meer aus Langeweile sein<,

ist zwar nicht mein Lieblingssatz (da halt ich's eher mit Rimbaud, der ja genau wusste, wo die Hölle ist), trifft es aber dennoch: denn das begründet, Kindern beizubringen, auch Langeweile zu ertragen, denn tatsächlich ist den meisten die Hölle da, wo ihr Erwartungshorizont - der in einer schnelllebigen Zeit umfangreicher ist, als er sicherlich in beschaulichen Zeiten wäre - nicht nährungsweise erfüllt werden kann. Da muss jeder Warteraum/-saal ein Gräuel werden.

Ach, watt binnich widda weise!

Gruß & schön' Wochenende

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

@Friedel, der weise Mann:
Wie war, wie war. Wobei es Hoffnung gibt, steht doch die Fähigkeit zum Ertragen von Langeweile in umgekehrter Beziehung zum Lebensalter. Zumindest erlebe ich das bei meinem Sohn. :)

@Naut:
Daaaannnkkkee Schööööön. Für die Empfehlung :)


lg
Dave

P.S.: Rimbaud? Une saison en enfer? Das von Drogen und einem überlebten Attentat seines Geliebten induzierte Werk?

 

Hallo Dave,

also, so richtig sind derartige Geschichten nix für mich. Also einen auch kurzen Roman in einem solchen oder ähnlichen Stil würde ich wahrscheinlich nicht zuende lesen.
Aber die Story habe ich geschafft, und es war nicht schwer. Sie zog mich rein, ich wollte wissen wie es weitergeht. Sie ist kurz und kompakt und, ganz wichtig, dicht.
Nun sieht es ja aus wie ein Kreislauf, aber ... am Ende wird er durchbrochen, obwohl es erst aussieht, als wären wir an einer ähnlichen Stelle wie am Anfang. Denn nach dem initiieren fehlt das 'erl.' und danach auch das Hinsetzen und spritzen. Das Betriebssystem scheint da voreilig Robert begrüßen zu wollen. Für mich der Punkt, der Hoffnung macht, dass beide aus dem Trott würden ausbrechen können ...
Man, doch so viele Gedanken geworden, liegt daran, dass es eine feine Geschichte ist, Naut hat recht.
Viele Grüße
Harri

 

Man, doch so viele Gedanken geworden, liegt daran, dass es eine feine Geschichte ist, Naut hat recht.

Vielen Dank für die lobenden Worte und das Lesen der Geschichte. Freut mich sehr.

Einen Roman in diesem Stil würde ich auch nicht lesen wollen. :)

Während des Schreibens habe ich festgestellt, dass Auslassen von Wörtern sehr viel schwieriger ist, als welche zu schreiben.

lg
Dave

 

Hallo Dave, soll ich die Lehne noch etwas anheben? :D

Kurz und knackig - gefällt mir gut. :)

LG

Dante

 

> Rimbaud? Une saison en enfer?<, ist schon - wie ich seh, von Are beantwortet,

lieber Dave,

ist aber interessant, das Ertragen von Langeweile mit dem LeBENSAlter in Beziehung zu setzen. Gelte nur noch, einen mathem. Lehrsatz daraus zu konstruieren und wir könnten bei Jugend forscht bestehen bzw. bekämen Anspruch auf den Krupp-Preis...

Tschüss und nur weiter so!

Friedel

Ganz zum Schluss im Text taucht noch mal das iniTIER auf ...

 

@ Are-Efen:
Vielen Dank fürs Lesen und beeindruckt sein. Freut mich sehr. Ebenso wie die Information zu enfer. Mein Schulfranzösisch ist unter einer dicken Patina des Verdrändens vergraben, aber ich sehe, was du meinst. Beide Möglichkeiten sind wahrscheinlich, was ein wenig den Reiz der Geschichte ausmacht.

@Dante:
Warum gibt es eigentlich kein schwebendes Smiley? :)
Dir einen herzlichen Dank fürs Loben.

@Friedel:
Vielleicht: Langeweile/(Lebensalter-Lebenserwartung)
Je größer der Minuswert, um so ungeduldiger, wobei Langeweile = gefühlte Zeit
;)
Danke dir.

lg
Dave

 

Hallo Dave,

die Geschichte hat schon einige Schwächen, die eher in der Anlage als in der Ausführung liegen, das "Ceiling" der Geschichte, wenn man so will, ist recht niedrig, es entstehen keine Bilder und die Grundsituation der Geschichte taucht auch in vielen aktuellen Blockbustern aus Hollywood auf (Jude Law hat in Die Insel ähnliche Konflikte mit dem Rechner, der ihm keinen Speck gönnt; Und der hervorragende Film "Moon", der in ein paar Monaten hier aufschlagen wird, hat auch ganz ähnliche Situationen drin).
In ihrer Konzeption ist sie schlüssig und sauber ausgeführt, wenn auch die Dialoge etwas bieder wirken. Die Konzeption selbst lässt eben keine Bilder zu und auch keinen Spielraum, überhaupt etwas in die Geschichte hineinzusehen, es ist eine Einweg-Geschichte, der Leser hat nur die Möglichkeit, sie hinzunehmen, wenn man so will.

Gruß
Quinn

 

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