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Hingesunken alten Träumen

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13.09.2007
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Hingesunken alten Träumen

Ach möge dieser Sommer doch ewig währen! Dieser Sommer mit seinem schier endlosen Sonnenscheine, der die ganze Welt gülden verkläret. Singen muss ich, jauchzen, jubilieren, grad wie die Vögelein in den Bäumen am nahen Waldessaume. Auch wenn Mutter spricht, mein Singen gleiche dem Krächzen der Krähe, dem Quietschen unserer rostigen Türangel, dem Jaulen eines auf dem Schwanze getretenen Hundes, so klingt es doch in meinen Ohren gar lieblich wie der Engelein Chor. Ich springe über unsere Wiese, weich das Gras unter meinen nackten Füßen. Zu den Rosen, zu den duftenden Rosen! Haben sie jemals solch vollen Duft verströmet, jemals so prachtvoll geblühet, wie in diesem Sommer?

„Ja, ich bin ja schon still, schon still, Mutter“, öffne ich mühsam die Augen.
Das ist nicht Mutter, die mir mit den Fäusten droht und kreischt:
„Sei still, still, sonst schmeiß ich dich, dich, aus der Chorende, de, de, de, de ...“
Ich nicke im Takt. Die Alte dreht sich um und zischt im Weggehen: „Taktgefühl, tack, tack.“
„Was für ein wunderbarer Sommer, so schöne Rosen“, rufe ich ihr nach.
Sie bleibt stehen, dreht sich um, hebt ihre Fäuste, fährt die Zeigefinger aus:
„Takt, tack!“, zerhackt sie die Luft.
Ich muss nach meinen Rosen sehen! Es wär so schad um meine Rosen. Springe ich, will ich springen, aus dem Sessel, da ist was, ein Brett ist im Weg, dummes Brett, schieb es weg, weg. Endlich! Ich muss zu meinen Rosen. So viele Leute hier, uralte, gut, dass ich nicht ... wie alt ich bin? Achtzehn, grad mal achtzehn Jahr, da hab ich gut lachen, haha hihi hi, dort steht mein Opa. „Kommst du mit zu den Rosen?“
„Ich bin sicher, wir drehen das Ding, wenn du nur die Bullen ablenkst!“, schnarrt er schneidig.
„Solch schöner Sommer ...“
Opa schlurft dahin, wohin?
Ich springe weiter: „Gab es jemals ...“
Eine ganz alte Frau, voller Runzeln, wackelt mit ihrem Gebiss und brabbelt:
„Ja, ja, das machst du gut, und schmeckt, hmmm, gut, gut.“
„Der Sommer, ich muss zu meinen ...“
„Weg daa, ausdewe, rumm-rumm, aus de We!“, knurrt eine Uraltfrau, nein ein Mann, bärtig und riesendick, schiebt ein Rolldings vor sich her mit Affenzahn.
„ICH MUSS ZU MEINEN ROSEN! LASS LOS!“, schlag ich nach dem weißen Fräulein.
„Frau von Bernstein, ganz ruhig, Besuch für Sie, ich bringe Sie hin!“
„Nein, ich muss ...“
„Ja ja, zu den Rosen, na klar, sie hat welche dabei, so schöne habe ich noch nie gesehen, ja ja, dieser Sommer, hm?“
„Dieser Sommer, solch schönen Sommer, gab es jemals ...“
„Nein, gab's noch nie. Wie haben Sie's eigentlich wieder geschafft, aus dem Stuhl zu kommen, hm? Nächstes Mal schnalle ich Sie fest.“
„Jauchzen muss ich...“
„Jubilieren, grad wie die Vöglein, ja ja, schauen Sie, da ist ihre Enkelin.“
„Warum gehst du, gehst du nicht mit zu den Rosen?“, rufe ich ihr nach.
„Oma? Hallo, Omi, hier bin ich! Ich hab dir Rosen mitgebracht!“
„So so. Schöne Rosen, wollen Sie meine Rosen sehen? Ich heiße Klara, Mama nennt mich Klärchen. Und Sie?“
„Ich auch. Ich hab doch deinen Namen bekommen, Omi, das weißt du doch! Komm, wir gehen zu den Rosen, aber vorher stellen wir diese da ins Wasser“, hakt das schöne Kind mich unter. Ich glaube, sie will meine Freundin sein.
„Heißt du auch Klara?“
„Ja, Oma.“
„Na so was!“
Wir beide gehen in ein Zimmer, mein Zimmer, das sind meine Sachen da drin: Grammophon, Porzellanpuppen, Ohrensessel mit geblümten Kissen, weich und ...
„Nein, Oma Klara, jetzt nicht schlafen! Wir wollen doch zu den Rosen, komm, jetzt komm.
Ich bin müde und ich gähne: „Heißt du auch Klara, na so was.“
„Ja, jetzt komm!“
Klara zieht mich hoch, die hat Kraft, die Klara! Jetzt kitzelt sie mich unterm Arm.
Ich: „Haha hihi hi.“
Sie lacht auch, wir sind wohl gute Freundinnen.
„Singen wir wie die Klärchen!“
„Wie die Lerchen, meinst du. Wenn wir draußen sind, ich kann doch auch nicht singen, Oma, du Klärchen.“

Was für ein schöner Sommer! Ach wenn dieser Sommer doch ewig währet! Wir setzen uns auf die Bank, die grüne neben den Rosen. Mein Klärchen streicht mir über die Wange, und ich streiche ihr über die Wange, wir sind die besten Freundinnen. Sie kramt ein schwarzes Kästchen aus ihrem Rucksack, streckt es weit nach vorn und ruft: „Sag cheese!“
„Nicht schießen“, erwidere ich, da macht es klick.
Wir sind im Kästchen, so ein kleiner Photographierapparat, na so was.
„Schau, Omi!“, lacht sie.
„Bist Du das?“
„Ja, ich und Du, Klara und Klara.“
„Du heißt auch Klara, na so was.“
Verstohlen betrachte ich meine Freundin. So so. Froh bin ich, dass ich jung und hübsch bin. Daneben sieht die ganz schön alt aus. Armes Klärchen.

 
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Hallo Damaris,

da ich zu deinem ersten Absatz keine Angabe eines anderen Autors finde, gehe ich mal davon aus, dass es sich um deine ‚Komposition’ handelt. Wenn ja, müsstest du da vielleicht ein paar Stellen korrigieren:

AchK wenn dieser Sommer doch ewig währet!

Hier müsste wohl richtigerweise der Konj. II stehen: ‚währte
Wenn’s dich interessiert, schau mal hier: http://www.duden.de/rechtschreibung/waehren

Dieser Sommer mit seinen (seinem) ewig währenden Sonnenscheine, der die ganze Welt gülden verkläret.
‚verkläret’ ist nur als Konj. I, 2. Pers. Plural möglich: ihr verkläret …

… Haben sie jemals solch vollen Duft verströmet, jemals so prachtvoll geblühet, wie in diesem Sommer?

‚haben verströmet’, ‚haben geblühet’
Klingt zwar toll, ist aber falsch: Partizip von ‚verströmen’ ist ‚verströmt’
http://www.duden.de/rechtschreibung/verstroemen

Also, wenn’s schon besonders lyrisch-pathetisch sein soll, dann bitte richtig – oder den für diese nicht besonders Duden-konforme Konjugation zuständigen Autor nennen.

Damaris, ich weiß, dass meine Anmerkungen mit der folgenden Geschichte nicht viel zu tun haben. Aber diese kleinen Holpersteine warfen mich erst mal aus deinem Text. Später deshalb vielleicht mehr zu deiner eigentlichen Geschichte.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Damaris
obwohl mich dein Kleinod jetzt nicht vom Hocker haut, (dazu ist es zu kurz und szenenhaft,) so hast du meiner Meinung nach die Gradwanderung zwischen Lyrik und Prosa gerade noch gemeistert.
Allerdings wünschte ich mir, dass du deiner altersdementen Protagonistin mehr vertrauen und - wie zu Beginn - näher bei ihr bleiben würdest.
Mit dem Auftritt des Pflegers wechselt mir die Perspektive zu plötzlich, der Ton wird anders und ich verliere die Empathie mit Oma und das finde ich irgendwie schade.
Vielleicht kannst du da mit feiner Klinge noch was drehen, die Sätze der Pfleger/Enkelin mehr erahnen lassen, statt konkret hinzuschreiben. Mann, ich kanns grad schlecht beschreiben.

Ein paar Stellen, die mich stolpern liessen:

Opa schlurft dahin, wohin?
Ich springe weiter: „Gab es jemals ...“
Eine ganz alte Frau, voller Runzeln, wackelt mit ihrem Gebiss und brabbelt:
Sehe keinen Zusammenhang, verstehe ich nicht. Sie sprang bereits? Gedanklich, oder wie?

Endlich! Ich muss zu meinen Rosen. So viele Leute hier, uralte, gut, dass ich nicht ... wie alt ich bin? Achtzehn, grad mal achtzehn Jahr, da hab ich gut lachen, haha hihi hi, dort steht mein Opa.
„Kommst du mit zu den Rosen?“
„Ich bin sicher, wir drehen das Ding, wenn du nur die Bullen ablenkst!“, schnarrt er schneidig.
Verwirrend, das schwarze fragte zuerst Opa. Dann, mit dem zweiten Satz, erkannte ich es als Omas Rosenfrage.

Ich bin müde und ich gähne:
Reine Regieanweisung, aus Sicht der Oma kann gähnen weg.

Ja, Damaris. Irgendwie hat es einen angenehmen Flow, worauf ich den Korrekturmodus einach ausgeschaltet habe. Wenn du den Text jetzt noch näher bei deiner Erzählerin lässt, ja, dann könnte er mir sogar richtig gefallen.
Liebe Grüsse, dot

 

Hallo Barnhelm, hallo dot,
erstmal vielen Dank für euer Interesse und eure Kritik.

Der erste Absatz ist auch von mir. Ich will damit in die Traumwelt der Dementen einsteigen, deshalb diese veraltete Sprache. Das der Simmer doch ewig währet ... Habe schon im Vorfeld darüber nachgedacht und meine, das so ähnlich in alten Romanen gelesen zu haben. Das er doch nie vergehen soll, soll es bedeuten.
Den Grammatikfehler hab ich ausgemerzt.

Das mit der wörtlichen Rede, lieber dot, die zur Protagonistin und nicht zum Opa gehört, habe ich verdeutlicht, in dem ich den Absatz weggelassen habe.

So konnte ich von jeden von euch beiden etwas verwenden, vielen Dank, auch für das Lob. Ich bleib dran.
LG Damaris

 
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"Das ist klassisch", heißt es irgendwo bei Nestroy (Qualtinger konnt's am besten vor sich hinziehen) und der Titel tut so seine Wirkung,

liebe damaris,

aber "Entlaubet ist uns der walde, / gegen diesem winter kalt, / betrübet werd ich balde, / mein feines lieb macht mich alt. / Das ich die schönste mus meiden, / die mir gefallen thut, / bringt mir manchfeltig leiden; / macht mir ein schweren mut. ..." stammt aus dem Ambraser Liederbuch, schon da sind die weichen Endungen wie in diesem Falle walde und balde statt der harten Wald und bald selten und wenn, dann des Reimes und Rhythmus wegen (in einigen mhd. Verseschmieden war es aber üblich, dass man aber auch die weiche Endung im Schriftbild mit angab und dem "Walt" im härteren Fall(e) ..., und genau so will's mir zu Anfang erscheinen "währet" und "währenden", aber Klara (alt) wird ja nun so alt auch nicht sein. Der krasse Gegensatz zu den singenden und klingenden Äußerung ist dann das kurz angebundene, harte

Es wär so schad um meine Rosen.
denn der Konj. II wird ja nicht nur durchs Prät. und seine Umlautung, sondern auch durchs Endungs-e (war/wäre) gebildet. Aber wäre es nicht arg müßig, einer älteren Dame Duden.de in die eigene, kleine Welt zu schleudern? Aber dann doch noch der Verdacht, dass man dem Hunde "auf den Schwanz getreten" sei ...

Gern gelesen vom

Friedel

 

Lieber Friedel,
es stimmt schon, dass die Dame für diese Sprache viel zu jung ist. Sie hat in ihrer Kindheit und Jugend viele der ganz alten Schmonzetten verschlungen, davon quillt nun ihr Langzeitgedächtnis über, dagegen ist der Duden machtlos ...
Ich lese gerade den Dicken Charles, erst "D. Copperfield" und nun "Große Erwartungen", der lässt alles was geht auf E enden. Erst fand ich es schön nostalgisch (erinnerte mich an die Bücher meiner Oma), mittlerweile nervt es. Diese Geschichte dient quasi meiner Problembewältigung - schon kann ich seine Werke wieder genießen.

Schön, dass du es dennoch gerne gelesen hast!
LG Damaris

 

Welche/n Übersetzer Dickens' hat das antike Stück,

liebe Damaris?

Wahnsinn!

Schönen Sonntag vom

Friedel

 

Hallo Damaris,

was mir gut gefällt ist die Heiterkeit in dem Erleben der alten Dame, was sie freut, was sie kurz verstört, wie sie immer wieder in ihre Spur zurückkehrt und wie sie ihre Umgebung in ihr Weltbild einbaut. An manchen Stellen finde ich das sehr überzeugend, an anderen nicht so.

Ach wenn dieser Sommer doch ewig währet!

Es wurde schon erwähnt, zuerst von Barnhelm aber mich störte das "währet" sehr, mir kommt auch "währte" richtig vor. Das haut mich raus.

Dieser Sommer mit seinem ewig währenden Sonnenscheine,

Diese Wortwiederholung laste ich zu diesem Zeitpunkt noch dir als Autorin an. Und bin auch im weiteren Verlauf nicht ganz überzeugt, ob das Absicht ist.

Was ist "Chorende"?

Springe ich, will ich springen, aus dem Sessel, da ist was, ein Brett ist im Weg, dummes Brett, schieb es weg, weg.

Das gefällt mir.

So viele Leute hier, uralte, gut, dass ich nicht ... wie alt ich bin? Achtzehn, grad mal achtzehn Jahr, da hab ich gut lachen, haha hihi hi, dort steht mein Opa.

Das Fettgedruckte ist mir zu offensichtlich Erklärung für den Leser. Das kommt noch mehrere Male und auch die Schlußpointe zielt darauf ab, dass sie sich für jung hält. Da würde ich den Lesern mehr zutrauen.

„Ich bin sicher, wir drehen das Ding, wenn du nur die Bullen ablenkst!“, schnarrt er schneidig.

Ich weiß zwar nicht, ob jemand das wirklich sagt, aber das macht nichts, der Satz ist super.

„Ja ja, zu den Rosen, na klar, sie hat welche dabei, so schöne habe ich noch nie gesehen, ja ja, dieser Sommer, hm?“

Schön, wie die Pflegerin schon alles auswendig kann. Sie wird selber schon die Verse im Kopf haben, wenn sie irgendwo Rosen sieht.

„Ich auch. Ich hab doch deinen Namen bekommen, Omi, das weißt du doch! Komm, wir gehen zu den Rosen, aber vorher stellen wir diese da ins Wasser“, hakt das schöne Kind mich unter. Ich glaube, sie will meine Freundin sein.

Auch mit den Namen, eine schöne Idee, das alte und das junge Klärchen. Obwohl sie ihre Enkelin nicht erkennt, völlig egal, das Gefühl ist sofort liebevoll.

Sie kramt ein schwarzes Kästchen aus ihrem Rucksack, streckt es weit nach vorn und ruft: „Sag cheese!“
„Nicht schießen“, erwidere ich, da macht es klick.

Das kannte ich noch nicht, mit "Cheese" und "schießen". Hier passt es toll, zeigt die Kluft zwischen den Generationen.

„Du heißt auch Klara, na so was.“

Gut die mehrfache Wiederholung.

Eine schöne Geschichte, mit liebenswerten Protagonistinnen.

Liebe Grüße von Chutney.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney,

vielen Dank für Deine Kritik und Dein Lob, Du hast mir damit sehr geholfen (ebenso barnhelm, der auch den 1. Satz bemängelt hat). Habe den 1. und 2. Satz geändert, mir gefällt es jetzt auch besser.

Chorende ist der Kinderkirchenchor (bei den Protestanten), hab ich selbst mitgesungen, ich glaube, das war gestern oder vorgestern. :read::Pfeif:

Schön, wie Du meine Geschichte erlebt hast, freut mich ganz dolle.

Lieber Friedel, mein Kindle hat die erste Deutschübersetzung vom Charles überarbeitet. Nun, wo ich mich dran gewöhnt habe, gehen denen die Es aus. :sealed:

Liebe Grüße Damaris

 

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