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Himmelblaue Katzenaugen
Es war ein Freitag, das weiß ich noch.
Meine Eltern brachten sie zurück nach Hause. Alle freuten sich. In ihren Gesichtern herrschte bunter Sommerregen. Alle außer mir.
Ich war noch jung, ich verstand es nicht. Ich kannte sie auch gar nicht. Meine Eltern hatten sie mir verschwiegen.
Sie ließen das Mädchen bei uns wohnen. Ich musste mein Zimmer freiräumen. Viele meiner Spielsachen mussten weg. Sogar meine Katze, mein geliebtes Haustier. Die Fremde hatte eine Katzenallergie.
Anfangs hatte ich Angst vor ihr. Die Angst besserte sich nicht, als sie eines morgens ohne Haare aufwachte.
Meine Eltern kümmerten sich von da an nur noch um sie. Als wäre ich gar nicht da.
Ich sah sie als Etwas, das ein Teil meines Lebens wegnahm. Ein Etwas, mit dem ich mein Leben teilen musste.
Doch ohne Haare fielen mir ihre Augen auf. Himmelblaue Augen. Ich kannte sie irgendwoher, aber mir fiel es nicht ein, bis ich eines Nachts von meiner Katze träumte und Emmas Augen wiedererkannte. Himmelblaue Katzenaugen.
Ich fing an ihr zu vertrauen. Und bereute es nicht. Drei, vier Jahre vergingen.
Wir lernten uns besser kennen, hatten Spaß zusammen. Emma brachte mir viel bei und half mir immer, egal worum es ging.
Bis sie krank wurde. Die Ärzte sprachen über einen Rückfall. Ich spürte, wie sie immer schwächer wurde. Sie versuchte es vor mir zu verbergen, doch es gelang ihr nicht. Ich war nicht mehr die Kleine, Dumme, die nichts verstand.
Ein halbes Jahr später waren ich und meine Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus. Dort waren mein Vater und Emma. Es regnete in unser aller vier Gesichtern. Kalter grauer Herbstregen.
Dann sehe ich, wie sich die himmelblauen Katzenaugen meiner großen Schwester schließen.