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Hilflos - eine Karriere

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05.04.2016
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Hilflos - eine Karriere

Mein Auftrag hier in der Firma wird recht erfolgreich in wenigen Wochen, ja eher fast schon Tagen enden. Nur muss ich noch einen festangestellten Mitarbeiter finden, der zumindest den Bereich der Buchhaltung übernimmt. Seltsamerweise kommen auf die Ausschreibung wenig geeignete Bewerbungen. Unter den wenigen Interessanten, die ich mir zur Vorstellung einladen werde, ist mir eine besonders aufgefallen, die zumindest in der Papierform ungewöhnlich wirkt.

Der Ton der Bewerbung sehr zurückhaltend, eine akademische Ausbildung, diverse Praktika und dann eine 27 Jahre dauernde Beschäftigung bei einer Firma und darin fünf oder sechs wechselnde Funktionsbezeichnungen deren weitere Angaben eine konsequente Thematik zeigten, dennoch keine Vorstellung dessen ergeben, was die fantasievollen, wohl dem angloamerikanischen Sprachkreis entstammenden Kürzel umfassen könnten. Es sind ungewöhnliche, nicht mit den bekannten Mustern ‚Manager xy‘, ‚Head of‘, oder ‚Chief of‘ irgendwas auch immer Begrifflichkeiten, aus denen jedoch mit einiger Fantasie Aktivitäten im Reporting und Analysetätigkeiten im Finanzbuchhaltungsbereich vermutet werden können. Den Herren muss ich mir natürlich anschauen, auch wenn er eigentlich etwas aus dem erwarteten Altersrahmen fällt, aber die geäußerten Gehaltsvorstellungen ungewöhnlicher Weise gut im firmenseitig gewünschten Rahmen blieben.

Nach Absprache mit der Geschäftsführung und der Personalleitung geht eine kurzfristige Einladung an die paar interessanten Bewerber raus, Info an die entsprechenden Stellen im Hause, damit Personalangelegenheiten problemlos verbindlich angegangen werden können.

Am Tage X sind zwei Gespräche bereits erfolglos verlaufen. Weder die Fachkenntnisse noch der persönliche Eindruck der Bewerber lassen auch nur eine entfernte Ähnlichkeit zur Papierform erkennen, Ansprüche zur Leitung wären mit nichts als dem Begriff Leiter begründet. Es wirkt, als wären die Bewerbungen von Dritten erstellt worden. Nächster wird der geheimnisvolle Kandidat sein. Die mich begleitende Personalmanagerin hat nach den bisherigen Vorstellungen erstmal einen überraschend neuen Termin wahrzunehmen – sie könnte mir ruhig sagen, dass sie nach zwei enttäuschenden Stunden einfach keine Lust mehr hat, hier nutzlos Zeit abzusitzen, zumal die beiden Favoriten eh erst am kommenden Tag dran sein werden.

Pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt trifft der Kandidat ein. Ich bin mehr als verblüfft. Ich weiß nicht ob es Ihnen auch schon mal so ergangen ist – vor mir steht ein perfekter dunkelgrauer Maßanzug, teure Schuhe, Budapester Schuhe, eine zum weißen Hemd und dunkelgrauem Anzug passsende unifarbene dunkelrote Krawatte - darüber ein fast gesichtsloses Paar Augen unter grau-schwarzem dünnem Haar – fast wie eine dieser gesichtslosen Schaufensterpuppen, bei denen zwei im flachen Winkel zueinanderstehende Flächen an Stelle des Gesichts den Kopf komplettieren. Eine leise, dünne Stimme antwortet mit „Ja, Guten Tag“ auf meine Begrüßung und Namensnennung. Der Maßanzug folgt meiner einladend wegweisenden Geste ins Besprechungszimmer. Kurze Abfrage auf dem Weg zu meinem Platz an den aufgestellten O-Saft, Wasserflaschen und Kaffeekannen vorbei, ob er etwas zu trinken möchte. Das beantwortet er leise mit „Hmmm, ein Wasser bitte“. Er bekommt sein Wasser, ich meine Tasse Kaffee und nun sitze ich ihm gegenüber.
Auch wenn ich ihm direkt in die Augen schaue bleibt sein Blick wie auch sein Gesicht leer und für mich ausdruckslos. Die Augenbrauen sind nur ganz schwach angedeutet, stumpfe Augen und wohl wenige Wimpern, eine kleine unauffällige Nase über zwei dünnen grauen Lippen. Es ist verwirrend, so gar keinen Gesíchtsausdruck erkennen zu können.

Der allgemeine Smalltalk zur Auflockerung werden mit einer monoton flachen Stimme eher einsilbilg erwidert, selbst offene Fragen, zum Beispiel wie denn die Fahrt war, wird knapp mit „ja“ beantwortet. Meinerseits erfolgt nun die Vorstellung der Firma, interessante Fakten die Erwartungen zur gestellten Aufgabe. Spreche ich so langweilig, dass mir gegenüber selbst die Wand bewegter erscheint? Mein Part ist zu Ende, „so weit also zur Aufgabe und wenn Sie keine weiteren Fragen dazu haben, würde ich von Ihnen gerne erfahren, wie und was Sie bisher in und seit ihrer Ausbildung gemacht haben. Es liest sich ja sehr interessant, aber ich konnte mit den Begriffen und Kurzbezeichnungen nicht so recht eine Vorstellung entwickeln, was das alles umfasst.“

Nun berichtet mein gegenüber von seinem Leben: den Eltern, Geschwister, Schule, Abitur, Studium und dann, es kommt etwas Stimme in die gleichförmige Erzählung, habe er drei Praktika gemacht. Er erläutert das Tätigkeitsspektrum des Ersten und warum ihm die Abteilung Verkaufsinnendienst nicht so zusagte, dann seine Praktikumstätigkeit im Lager- und Logistikbereich, ein wohl sehr verwirrender Eindruck, den er davon in Erinnerung behalten hat – und kommt dann zum dritten Praktikum im Rahmen der Finanzbuchhaltung und als Vorbereitungen für eine Vorstandssitzung musste er den Anteilsbesitz und Werte in Listung und graphisch darstellen.

Eigentlich möchte ich jetzt gerne einfallen und unterbrechen, dass das ja alles nur Praktika waren. Vielmehr würde mich seine bisherige berufliche Karriere interessieren – zögere aber doch, um den richtigen Zeitpunkt in dem ihn doch ersichtlich bewegenden und anstrengenden monotonen Monolog zu finden.

Da erhebt sich überraschend seine Stimmlage in Richtung Begeisterung, die Aufgabe habe er wohl so gut erfüllt, dass ihm der Vorstand direkt an allen Andern vorbei eine Anstellung nach dem Examen angeboten hat – egal wie das Ergebnis sein werde, veranlasste der zuständige Vorstand den sofortigen, vordatierten Einstellungsvertrag.

Das musste ja beeindruckend sein, schießt mir der Gedanke durch den Kopf und der Kandidat berichtet nun weiter, dass der Leiter der Finanzbuchhaltung nach Abschluss des Praktikums ihn freundlich verabschiedete. Aber bei seinem ersten Antrittstag wäre der völlig überrascht gewesen, dass eine Einstellung erfolgt war. Der Leiter habe ihn dann die damalige Listung komplettieren und aktualisieren lassen, noch drei weitere Auswertungen und Analysen über täglich anfallende Daten erstellen lassen, und das ab dann arbeitstäglich.

Er habe dann auch immer alles nachtragen müssen, wenn er mal erkrankt gewesen sei. Und die Stelle wäre seitens der Personalabteilung im Stellenplan erfasst, bewertet und eingefügt worden mit dem besonderen Vermerk der Wichtigkeit für den Vorstand. Da die entsprechenden routinemäßigen Gehaltserhöhungen wie auch die tarifliche Einordnung in sich stimmig sein mussten, kamen entsprechend neue Funktionstitel, deren Bedeutung der Kandidat ebenso wenig erklären konnte, wie mir diese Begriffe nichts sagten.

Seine Aufgaben wären jedenfalls die gleichen geblieben, zu Vorstandssitzungen fanden seine Ausarbeitungen immer gute Resonanz auch beim Abteilungsleiter. Selbst als der Vorstand nach ein paar Jahren wechselte, blieb es dabei, es war sein, und exklusiv nur sein Aufgabengebiet in der Firma, diese Anteilsbesitzliste zu führen. Beim Jahresabschluss hätte er das Lob der Wirtschaftsprüfer für die Ausführlichkeit und Korrektheit seiner Darstellung erhalten. Vorstand und Abteilungsleiter wechselten in den Jahren immer mal wieder, seine „dotted-line“ zum Vorstand als Stabsabteilung blieb. Die gehaltliche Entwicklung seiner Position war nun nicht sehr auffällig, um je besondere Beachtung zu finden. Er habe all die Jahre sein etwas abseits gelegenes Büro im Umfeld des Archivbereichs gehabt, von Zeit zu Zeit den Austausch seines PCs und den Zugang zu neu eingeführten Systemen bzw. bei Systemumstellungen Zugriffrechte zu den aktuell benötigten Informationen bekommen.

Als nun ein neuer Bereichsleiter Finanzen/Administration mit Zuständigkeit für die IT vor einigen Monaten eingestellt worden war, der das System erneuern und zukunftsgerichtet gestalten sollte, wäre dieser über den Umstellungsantrag für die Stelle gestolpert und hätte ihn als Erster in all den Jahren persönlich aufgesucht und befragt, was er wie und womit mache, von wem die Daten kommen und an wen er berichte. Der habe dann kurz mit dem Vorstand und dem Abteilungsleiter gesprochen. Nun sei die Stelle überraschend aus dem Stellenplan gestrichen worden, und deshalb sei er auf der Suche nach einer neuen verantwortungsvollen Aufgabe.

Zugegeben bin ich baff – überrascht. Vermutlich habe ich keinen besonders intelligenten Geschichtsausdruck aufgesetzt, als ich noch mal den Umfang seiner Tätigkeit wiederhole und abfrage, ob ich das richtig so verstanden hätte und welche weiteren Aufgaben noch mit seiner Stelle verbunden gewesen seien. Denn er hebt plötzlich die Augenbrauen, zögert etwas und irritiert schwenken seine Pupillen von links nach rechts und hin und her – ein flaches stimmlos fragend artikuliertes „Nein“ und verzögert „warum?“. Ich schwenke kurz in eine nett allgemeine Floskel, „ es hätte ja sein können“ und danke ihm aufatmend für seine Schilderung. „Wir werden uns dann bei Ihnen melden, ich werde über das Interview berichten, es stehen ja noch einige Gespräche aus, herzlichen Dank für Ihr Kommen und gute Heimfahrt.“

Der Kandidat verlässt den Besprechungsraum – und ich fühle mich zugegeben hilflos. Hilflos - war das eine Karriere? Habe ich das eben wirklich erlebt oder träume ich nur?

Aber vor der Tür sehe ich noch die Silhouette des Maßanzugs in den Aufzug verschwinden.

 

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Auhan!

Eine seltsame Variante der Literatur der Arbeitswelt lieferstu hier ab. Keine Ahnung, aber La Paloma pfeifen!

Der erste Absatz hat es schon in sich, das gesteigerte Adjektiv „recht erfolgreich“ zeigt es an. Entweder, er ist von Erfolg gekrönt, also eins zu eins (Theorie zu Praxis, nix ist erfolgreicher als die richtige Theorie), dann genügte „mein Auftrag endet in wenigen Tage erfolgreich“, oder er ist es eben nicht und muss sich zum Ende hin in sprachlichen Girlanden winden. Denn was ist „recht“ erfolgreich, keineswegs 100 % (wenn's schon ums Rechnungswesen geht). Also 99 %, das merken Vorgesetzte/Auftraggeber gar nicht und selbst 95 % werden kaufmännisch auf(!)gerundet. „Recht“ erfolgreich ist also – ich mach's so konkret, wie ein „recht“ nur sein kann – 75, vielleicht auch nur 50,1 % bis 94,9 %, alles noch 100 %, kaufmännisch gerundet.

Nach dem „ja“ würd ich den Sprecher/Schreiber eine Atempause mittels eines Kommas gönnen, seltsamer ist an sich der Komparativ von seltsam, wenn er aber die Weise usurpiert ists ...er… nur ein Bindeglied wie etwa das s in achtungsvoll. Seltsamerweise ist halt nur ein Wort und die "interessanten" sind die "Interessenten", die sich halt beworben haben. Bleibt also

„Mein Auftrag hier in der Firma wird erfolgreich in wenigen Tagen enden. Nur muss ich noch einen Bewerber finden, der zumindest die Buchhaltung übernimmt. Seltsamerweise kommen auf die Ausschreibung wenig Bewerbungen. Unter den wenigen Interessenten, die ich mir zur Vorstellung einladen werde, ist mir eine besonders aufgefallen, die zumindest in der Papierform ungewöhnlich wirkt."

Und dann den armen Kleist geben, der sich nicht mehr wehren kann – mit deflationärer Kommasetzung

Der Ton der Bewerbung[, // alternativ: ist] sehr zurückhaltend, eine akademische Ausbildung, diverse Praktika und dann eine 27 Jahre dauernde Beschäftigung [in // bei klingt, als säße sie vor der Tür, also bei der Fa.] einer Firma und darin fünf oder sechs wechselnde Funktionsbezeichnungen[,] deren weitere Angaben eine konsequente Thematik zeigten, dennoch keine Vorstellung dessen ergeben, was die fantasievollen, wohl dem angloamerikanischen Sprachkreis entstammenden Kürzel umfassen könnten.

Aber es gleicht sich alles aus: Hier ersetzt die Konjunktion oder ganz gut das Komma
..., nicht mit den bekannten Mustern ‚Manager xy‘, ‚Head of‘[...] oder ‚Chief of‘ irgendwas auch immer Begrifflichkeiten, aus denen jedoch mit einiger Fantasie Aktivitäten im Reporting und Analysetätigkeiten im Finanzbuchhaltungsbereich vermutet werden können.

Zwischendurch: Studierstu gerade BWL?,
was ein Vollbart mit was hintendran fragt.

Der allgemeine Smalltalk zur Auflockerung werden mit einer monoton flachen Stimme eher einsilbilg erwidert, …

Ich mach's kurz:

Die Überlegenheit gegenüber dem Bewerber, die Dein Erzähler zu haben vorgibt, ist keine. Er selbst steckt in dem Problem, das er dem Bewerber unterstellt. Wäre eine Bewerbung mit den Schnitzern Deiner Geschichte gekommen, sie wanderte ohne große Bedenken, was zu verpassen, in der großen Ablage. Warum sollte man dieses karriere-gefährdende Papier weiter in Umlauf lassen? Der Plural von Praktikum ist übrigens schlicht Praktika.

Empfehlen kann ich Dir eigentlich nur die ersten hundert Seiten des Rechtschreibdudens, Konzentrations- und Rechtschreibübungen und langen Sätzen aus dem Weg zu gehen, solang man nicht die Übersicht behalten kann.

Nix für ungut, meint der

Friedel,
der trotzdessen ein schönes Wochenende wünscht und sich jetzt um Wales kümmert ...

 
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Hallo Auhan,

also, ich muss gestehen, als ich den Text das erste Mal gelesen habe, war ich genauso hilflos wie der Ich-Erzähler, aber das war bei Enrobs Text genauso, und hat nichts zu bedeuten.

Als ich dann etwas Abstand genommen habe und reflektierte fielen mir schnell die zentralen Gegensätze, aus denen die Geschichte gebaut war, auf.

Da sind zum einen die Bewerber vor dem "besonderen" Kandidaten, diese liegen im Rahmen des Erwarteten, was aber nur am Gegensatz klar wird. Als normal gelten hochtrabene Bezeichungen wie "‚Manager xy‘, ‚Head of‘, oder ‚Chief of" und sind die erste wichtige Information, denn diese werden als gewöhnlich dargestellt, wirklich pikant wird das aber erst, als alle "Standard"-Bewerber sich quasi als Hochstapler herausstellen, ihre Bewerbungen waren passend, aber sie waren nur professionell erstellt und es war nichts dahinter. Eindeutig eine Kritik an der Praxis in diesem Berufsfeld.

Interessant ist auch, dass die Gehaltsanforderungen des Kandidaten gut im Rahmen liegen, was zusammen mit einer nahezu konstanten Gehaltsentwicklung stark daraufhin deutet, dass diese recht bescheiden sind, woraus wiederum folgt, dass die Stelle trotz des ganzen Drumherums schlecht bezahlt ist. Also wieder eine Kritik.

Der Ich-Erzähler bleibt sehr blass, man weiß nichts außer dass er die Stelle verlässt, ich würde ihn als prinzipiell fähig, sonst aber für die Branche gewöhnlich klassifzieren. Beim Vorstellungsgespräch gibt es seitens ihm keinerlei Aufffälligkeiten.

Im Gegensatz zu dem "Hauptcharakter" der Geschichte, dem "besonderen" Bewerber. "Zurückhaltender Ton", keine lange Karriere mit vielen gut klingenden Posten, sondern ehrliche Orientierung in sinnnvollem Rahmen, so deute ich die 3 Praktika, und dann eine bodenständige, konstante Festanstellung. Die Bezeichnungen, die dem Erzähler rein gar nichts sagen, die offensichtlich nur das Fehlen von Beförderungen kaschieren sollen, sind eine Seltsamkeit, die anderen sind die Bedingungen seiner Einstellung: er soll auf Grund einer scheinbar besonders guten Leistung unabhängig vom Prüfungsergebnis eingestellt werden. Daneben dann sein zurückhaltendes und sehr wenig auffälliges Verhalten, wieder ein Gegensatz zu den Gepflogenheiten, sonst aber absolut tadellos, wie die perfetke Kleidung zeigt. Der Gegensatz, dem Gewiss auch ein angedeutetes Urteil innewohnt (nämlich das die Arbeitswelt verlogen und auf Luft aufgebaut ist und deshalb jemand wirklich ehrliches Ratlosigkeit hervorruft) wird aber noch stärker ausgemalt, durch die jetzt wirklich sehr seltsamen weiteren Bedingungen seines Berufslebens.

Denn der der ihm das Versprechen gab, wundert sich über seine Einstellung im Nachhinein; der Grund kann meiner Meinung nach nur darin liegen, dass eine Empfehlung nur auf Basis von Qualitäten allein obwohl man es meinen müsste oft kein Grund zur Einstellung ist. Einmal etabliert wird er aber als Kuriosum und damit auch als Beweis einer einmaligen positiven Besonderheit erhalten die von höchster Stelle geschützt wird, wenn auch unter strenger Kontrolle und mit, wie man am Gehalt erkennt, ebenso ungewöhnlich durchschnittlichen Behandlung.

Später wird er dann - nach langem ehrlichen Verdienst - wegrationalisiert, der einmalige Fehler jemanden wegen seiner Fähigkeiten einzustellen, wird ausgemerzt.

Der Fall ist in damit in jeder Hinsicht ungewöhnlich, sodass der normale Karrieremensch zutiefst verwirrt und verunsichtert reagiert, weil er in aller Ehrlichkeit und Kompetenz - und darin liegt die Pointe - einer Karriere wie man sie kennt massiv widerspricht.

Insgesamt gut gemacht, ich hätte mir gewünscht, dass die Aussage die Gebräuche in diesem Bereich auf eine höhere Bedeutungsebene in irgend einer Form übertragen worden wäre, weil so bleibt sie doch speziell, aber durchaus sehr poiniert konstruiert.

Freundliche Grüße

Bael

 

Hallo Friedel,
danke, dass Du meine Geschichte gelesen hast und Deine entsprechenden Anmerkungen und Rechtschreibkorrekturen. Danke. Geh ich auf Basis Deiner jugendlichen 2.Person Singular-Konstruktion und Deiner 100% Erfüllungs-Theorie recht in der Annahme, Germanist a.D.?
Was mich irritiert, ist Deine Interpretation einer "persönlichen Überlegenheit" aus der relativen Überlegenheit eines Verantwortlichen in einer Firma gegenüber dem Bewerber für einen Teilbereich. D.h. Kenntnis der Anforderungen gegenüber den vom Bewerber berichteten Aktivitäten.

Danke Bael auch für Deinen Kommentar und Deine Interpretation der Geschichte, die Deine Erwartung in Hinblick auf Aussage und Bedeutung leider nicht befriedigen konnte. Ich stehe selbst auf Geschichten in der Geschichte - doch oft bleibt es halt bei der Oberfläche.

 

Nix zu danken,

Auhan.

Geh ich auf Basis Deiner jugendlichen 2.Person Singular-Konstruktion und Deiner 100% Erfüllungs-Theorie recht in der Annahme, Germanist a.D.?

Du liegst ausgesprochen falsch in Deiner Annahme. Aber ich kenn die Riten und Gebräuche der Bewerbung, weiß wo Bewerbungen landen, die fehlerbehaftet, übertrieben oder gar schleimig sind. Und die Seite, die über die Bewerbung entscheidet ist - selbst wenn der größte Dummkopf da säße - die am längeren Hebel und somit die überlegene. Bewerber sind auch i. d. R. keine Heilsbringer, sondern einfach Menschen, die sich verändern wollen oder müssen. Bei Letztgenannten kommt noch der größere Druck, unter dem sie stehen, was die andere Seite dann wieder stärkt. Wenn ein Unternehmen den vermutlichen Heilsbringer braucht, holt es sich den. Headhunting sozusagen, da braucht sich niemand bewerben.

Ein kaufm. Beruf (oder auch der des Chemielaboranten) schließt nicht aus, dass man sich für Sprache interessiert und für Geschichte. Da kommt es vor, dass man auch Mittelhochdeutsch lernt und das Du ans Verb hängt wie eine Endung, verstehstu?, das eigentlich nix anderes ist als das verstehze aus Soziolekten.

Im übrigen neige ich seit eh zu studentischem Verhalten. Einer muss es ja tun, wenn die eigentlichen Verhaltensträger verschult sind und fleißig büffeln, um Karriere zu machen ...

So, jetzt muss ich mich aufmchen nach Lille!

Schönen Sonntag noch, wünscht der

Friedel

 

Hallo Auhan,

eine interessante Geschichte, die durchaus so manche Kritik an den typischen Bewerbungsverfahren enthält. Die Selbstvermarktung der Bewerber und der Arbeitgeber durch kreative Jobbezeichnungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Als eine Bekannte von mir nach einem Studienfach an der FH suchte, stieß sie auf Facility Management. Etwas desillusioniert fasste sie damals die Studienbeschreibung zusammen als "Studium zum Hausmeister".

Und nun zu Deiner Geschichte:

vor mir steht ein perfekter dunkelgrauer Maßanzug, teure Schuhe, Budapester Schuhe, eine zum weißen Hemd und dunkelgrauem Anzug passsende unifarbene dunkelrote Krawatte - darüber ein fast gesichtsloses Paar Augen unter grau-schwarzem dünnem Haar

Da dachte ich sofort an die grauen Männer aus Momo :-)

Um gestohlene (Lebens-)Zeit geht es dann ja auch quasi in Deiner Geschichte. Aber auch irgendwo um Perspektivlosigkeit. Da hat nun Dein Protagonist Jahre lang seine Aufgabe ordentlich und überdurchschnittlich erfüllt, aber letztlich will dann niemand seine Erfahrung schätzen oder gar gebrauchen. Das ist angesichts der Industrie 4.0 nicht zu abwegig. Stellen, die einst von Menschen besetzt wurden, werden wie selbstverständlich von der Technologie erobert. Die einst wertvollen Spezialisten werden von der Bundesagentur zur Umschulung geschickt. In Deinem Protagonisten spitzt sich das Problem natürlich zu, da er jahrelang einer eigentlich recht sinnentleerten Tätigkeit nachging.

An Deinem Wortlaut will ich gar nicht nörgeln. Am Anfang gefiele mir nur "Interessenten" besser als "Interessanten".

Einzig auszusetzen habe ich, dass ich vom Ende irgendwie "mehr" erwartet hätte. Die Personen bleiben sich aber irgendwie fremd, suchen keine Berührungspunkte zueinander, vielmehr verabschieden sich Deine Protagonisten stotternd bzw. gefühllos.

Trotzdem, wie hier so schön im Forum gesagt wird, gern (und mit Interesse) gelesen.

Eine gute Nacht
wünscht die Mädy

 
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Hallo Auhan

Hallo Auhan

Eine durchaus berechtigte Kritik an der heutigen Stellenbewerbungsfront, wo Stellensuchende ihren kleinen Rucksack aufzupolstern versuchen, dagegen mehr oder weniger geschulte Human Resource Assistents (brrr) die Vorauswahl anhand vorgefertigter Fragebögen treffen.

Mein Highlight:

Vermutlich habe ich keinen besonders intelligenten Geschichtsausdruck aufgesetzt, als ich noch mal den Umfang seiner Tätigkeit wiederhole und abfrage, ob ich das richtig so verstanden hätte und welche weiteren Aufgaben noch mit seiner Stelle verbunden gewesen seien. Denn er hebt plötzlich die Augenbrauen, zögert etwas und irritiert schwenken seine Pupillen von links nach rechts und hin und her – ein flaches stimmlos fragend artikuliertes „Nein“ und verzögert „warum?“. Ich schwenke kurz in eine nett allgemeine Floskel, „[ ]es hätte ja sein können“ und danke ihm aufatmend für seine Schilderung.

noch etwas Textkram

Vorstand und Abteilungsleiter wechselten im den Jahren immer mal wieder, seine „dotted-liine“ zum Vorstand als Stabsabteilung blieb.
in den Jahren / dotted-line

Aber vor der Tür sehe ich noch die Silhouette des Maßanzugs in den Aufzug verschwinden.
WW - ev. statt dessen Fahrstuhl?

Fazit:
Im Mittelteil etwas langfädig, ansonsten gern gelesen.

Gruss dot

 

Ich dreh mal die Reihenfolge um -
danke dotslash für die Teppfihler-Korrekturhinweise - sieht man selbst nicht, will sie vermutlich nicht sehen. Das mit dem Anzug und Aufzug habe ich gerade als Klang Duplikation gewollt, Sinnbild für mechanisches Funktionieren.

Was die Ausgestaltung der Bewerbungen betrifft, liegt das ja nicht unbedingt nur an den Bewerbern. Da mischen (und mischten) immer schon Berater mit, die Tipps gaben, sich für den Empfänger interessant zu machen. Klar, wer schreibt "hiermit bewerbe ich mich um die Stelle und zeige meine Eignung im beiliegenden Lebenslauf" der kann sich diesen Satz auch sparen - nur kümmern sich die "Berater" in den seltensten Fällen auch darum, wie das tatsächlich sachgerecht umgesetzt wird, nicht nur Muster übernommen werden. Der zweite Faktor ist der, dass heute doch die Ausbildung den Faktor Zeit betont - möglichst viel Stoff auf einmal in kürzester Zeit. Das kann kein Mensch richtig "lernen" - es ist zuviel. Also wird vermehrt auf die Prüfung hin gelernt. Damit die Prüfung kein Desaster wird, möglichst in Multiple Choice mit ankreuzen wie beim Führerschein - Wenn freier Text gefordert - Auswendiglernen des Themas. Nur bleibt das nicht im Kopf, oder wurde in der kurzen Zeit "Wissen". Bei der Prüfung klappts - 1+ weil gekonnt. Am Tag nach der Prüfung bereits vergessen, weil für die nächste Prüfung gelernt werden muss. Mit der Methode kann nichts Vernünftiges rauskommen - ein paar wenige "Genies" ausgenommen -die dann wirklich exzeptionell sind - nur 80% nützt das Einser-Zeugnis so wenig wie die Abgasbescheinigung von VW beim Auto.


Danke auch Maedy - ja, das Momo-Motiv veranlasste mich, den Maßanzug als Sinnbild für eine graue blasse Person zu nehmen.

Was die Thematik angeht, ging es mir nicht nur um die Bewerbungsfront - sondern ebenfalls um die Berufslandschaft und die Pflege des so oft als der wichtigste Teil der Firma bezeichnete, den Produktionsfaktor "Humankapital".

Tatsächlich hat sich die Geschichte vor sehr vielen Jahren ereignet. Aber selbst wenn man die Geschichte als aktuell erachtet, rechnet 27 Jahre zurück, da waren PCs noch nicht so selbstverständlich wie heute. Das war inklusive der Informationsbeschaffung zeitraubende Handarbeit im wahren Wortsinn. Und gerade deshalb eine tägliche Verfolgung nur einer besonderen Lage oder strategischen Ursache geschuldet - sonst nicht sinnvoll. Mit zunehmender PC- und entsprechender Software-Ausstattung wurde die Aufgabe einfacher. Die Informationsbeschaffung hängt da zwar ein paar Jahre nach - blieb damals auch nach wie vor schwieriger als heute.

Nur dass man diese Aufgabe von keiner Seite mal hinterfragt hat, sich jemand um "Personalentwicklung" Gedanken gemacht hätte - das ist das Bedauerliche an der Geschichte. Dass der Mitarbeiter da selbst stillgehalten hat, das war sein Problem - wer für eine Gruppe, eine Abteilung oder gar einen Bereich Verantwortung übernehmen soll, der darf nicht nur Anweisungen befolgen, der muss aktiv Veränderungen beachten und rechtzeitig reagieren. Deswegen ist auch keine Überheblichkeit gegenüber dem Bewerber angebracht - sondern ergibt sich die Hilflosigkeit, so einen Kandidaten eigentlich nirgendwo direkt einsetzen zu können, ohne ihn komplett neu anzulernen, nicht nur an betriebliche Besonderheiten anpassen.

 

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