- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Hilfe
Ihre Schritte hallten in der engen, feuchten Gasse von der begrenzenden Mauer wieder. In den Pfützen spiegelte sich der kalte Schein des Mondes, am Himmel erblickte man keine Wolke, keine Sterne. Der Geruch des eben gefallenen Regens erfüllte die Luft, machte sich stickig, als würde man von einer Hand am Hals gehalten werden. Das Atmen viel schwer. Es war schon spät, die Stadt war menschenleer.
Sie fühlte sich unwohl, alleine in der Nacht, obwohl es nicht kalt war, fröstelte sie.
Ein Schatten schob sich aus der Seitengasse und heftete sich an den Ihrigen. Sie war in Gedanken, dachte darüber nach was einer jungen Frau wie ihr so alleine in einer großen Stadt, im Dunkel der Nacht, passieren könne. Die Zeitungen waren ja voll davon.
Eine Straßenlaterne flackerte, warf ihr fahles Licht in ein Schaufenster, auf die leeren Gesichter der Puppen. Sie warfen das Licht von ihren Fratzen zurück, ohne zu blinzeln, sahen hin, ohne zu sehen.
Sie bemerkte den Schatten hinter sich, beschleunigte ihre Schritte. Adrenalin schoss durch ihre Adern, der Herzschlag beschleunigte.
Der bedrohliche Wiederhall der Schritte des Schatten erhöhte nun auch seine Geschwindigkeit. Hektischer Blick über die Schulter. Schatten bekam ein Gesicht. Dunkles Haar. Dunkle Augen. Ein Mann. Ein Mann verfolgte sie, sie war allein. "Laufen", dachte sie. Doch der Mann kam immer näher, schien sich dabei nicht groß anzustrengen und rief etwas in gebrochenem Deutsch. Starker Akzent. Südländisch. Dunkler Hautton.
Klick.
Der Schatten fiel zu Boden. Ein weiterer Man mit bulligem Aussehen kam aus einer Seitengasse, zog ihrem Angreifer die Füße weg. Unter den Schlägen des Schlagstocks ihres Retters wand sich der Schatten. Schrie. Er konnte Bluten. Der Schatten. Aus Fleisch und Blut. Ihr Retter schlug weiter auf den Schatten ein, erfreute sich an den Schreinen, das Gesicht im Licht der Laterne zu einem Grinsen entstellt.
"Dreckspack.", nuschelte er.
Er ließ von dem am Boden liegendem Mann ab, drehte sich zu ihr. Sie war wirklich schön, trotz ihrer vor Angst weit aufgerissenen, blauen Augen strahlte ihr Haar.
"D...Danke", stammelte sie, "Sie haben mich gerettet"
"Kein Problem, war eh auf Rattenjagd. Ich begleite dich ein Stück,DIE sind ja inzwischen Überall."
Spuckte auf den Boden. Legte Arm um sie, als seien sie schon viele Jahre Freunde.
Der Schatten lag auf dem Boden, konnte sich nicht bewegen, nichts rufen, wand sich vor Schmerzen.
Sie gingen weiter, ließen den Mann am Boden liegen. Ihr Retter und sie bogen in die kleine Seitenstraße ein, aus der er kam. Schmutz. Überall. Überall stapelten sich die Überquellenden Mülltonnen, dazwischen lagen aufgerissene, schwarze Müllsäcke, vollgestopft mit den Resten, die der Mensch bei der Nahrungsaufnahme übrig ließ. Festmahl für Ratten.
Plötzlich drückte ihr Retter sie an die Wand, sein Gesicht berührte fast das Ihre. "Streub dich nicht. Hab dich vor der Ratte gerettet. Sei mal 'n bisschen dankbar..." Sie wollte schreien, doch er hielt ihr seine Hand auf den Mund. Er begann sie am Hals zu küssen. Tränen liefen über seinen Handrücken. Egal.
Er beugte sie über eine Mülltonne, ihre Tränen und Schreie erstickten, erstickten in einem Sack voll Überfluss. Voll mit dem Überfluss derer, die den Sack so unbedacht dort hin warfen. Die Straßenlaterne beleuchtete den Retter. Den Retter und sein Bett aus Überfluss.
Noch immer lag der Mann voller Schmerzen auf dem nassen Pflaster. Mit zitternden Händen griff er nach einer feuchten, zerbrochenen Zigarette. "Ein...Feuerzeug...", röchelte er, bevor sich auch über seine Wahrnehmung der Schatten der Nacht legte.