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18.01.2015
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Die Nacht besitzt die Kraft einen Menschen all das denken zu lassen, was er am helllichten Tag versucht hat zu verdrängen. Vermutlich stammt von daher jene schier unergründbare Angst vor dem Alleinsein bei Nacht, die einen zu ersticken droht. Erträglicher wird es in Grüppchen. Sie sorgen für Ablenkung, können aber die menschliche Festplatte nicht reinigen. Wieso sollte es auch einen leichten Weg geben?
In einem kleinen Restaurant, unweit einer Partymeile, hat sich eine solche Gruppe versammelt. Insgesamt sind es fünf Leute: Drei Frauen, zwei Männer. Küsse, Liebkosungen und kecke Blicke zeigen sofort, wer hier zu wem gehört. Dabei wird deutlich, dass die Frau in der Mitte niemanden hat. Ständig sieht sie auf ihre Uhr. Es ist spät, sehr spät sogar. Keiner am Tisch scheint ihren abwesenden Blick zu bemerken. Wie sollen sie auch, wenn sich jeder nur um sich selbst und sein eigenes Wohlbefinden kümmert? Keiner will das Leid der anderen Leute wahrnehmen. Welch herzlose Monster. Nur ich sehe ihre glasigen blauen Augen, die geschwollenen Tränensäcke, die tiefen schwarzen Ringe unterhalb ihrer Augen. Als wieder Leben in ihre Augen tritt lächelt sie sanft, tippt kurz auf ihre Uhr und sagt, dass sie langsam mal nach Hause müsse, da sie morgen einen wichtigen Termin habe, den sie unter keinen Umständen verpassen darf. Sie legt ihren geldlichen Anteil auf den Tisch, umarmt jeden ihrer Freunde und verlässt lächelnd das Lokal. Dass ihr Lächeln eine Maske ist erkennt, wie überraschend, niemand. Auch ich beschließe das Lokal zu verlassen und folge ihr unauffällig. Von meinem Standpunkt aus kann ich sehen, dass sie ihre Arme eng um ihren Oberkörper geschlungen hat. Verständlich, der Wind pfeift aus allen Löchern. Er schenkt mir ihren Duft und ihr Schluchzen. „Wie kann man nur eine solche Traurigkeit im Herzen tragen?“, denke ich und beschleunige gleichzeitig meine Schritte.
Ich weiß, dass sie mich bis jetzt noch nicht bemerkt hat, spüre es förmlich. Ich hebe meine Hand, damit ich ihre Schulter fassen kann. Ich würde sie herumdrehen und ihr sagen, dass sie von nun an nie wieder traurig sein muss, dass es von nun an jemanden gibt, der immer für sie da ist, der ihren Schmerz auf seinen Schultern trägt. Und dann würden wir uns umarmen, zu ihr gehen und uns unterhalten. Wie normale Menschen das eben machen. Ach, wie wäre das schön.
Stattdessen fühle ich wieder dieses Biest in mir. Es quetscht sich durch jede Spalte meines Körpers, nimmt mich voll und ganz ein. Ich fühle, dass ich voll und ganz erregt bin. Mein Atem wird schneller, als ich direkt hinter ihr bin. Ihr Duft kriecht in meine Nase. Himmlisch. Ich fasse sie an ihrer Schulter, drehe sie ruckartig um und lächel in ihr schockiertes Gesicht.

„Ich werde den Schmerz von dir nehmen.“, flüstere ich.​
Dann zerre ich sie ins Gebüsch, drücke ihr mit einer Hand so fest auf den Hals, dass sie keinen Laut mehr von sich geben kann, ja kaum mehr atmen kann, und reiße ihr die Kleider vom Leib. Ich weiß nicht, wieso sie sich nicht wehrt. Sie hat viele Gelegenheiten dazu. Vielleicht ist sie ihres Lebens schon vollständig leid geworden? Oh, wenn ich es doch nur in diesen blauen, tränenreichen, verschmierten Augen ergründen könnte. Möglicherweise ist sie sich auch bewusst, dass ich ihr nur helfen möchte? Ja, sie wird es ahnen. Immerhin lieben wir uns. Ich stoße mich in sie, immer und immer wieder, bis es mir kommt. Dann erst spüre ich, dass meine Handfläche voll mit ihren Tränen ist. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. „Ich werde dir helfen.“
Als am nächsten Morgen über den Fund einer weiblichen Leiche im nahegelegenen Park berichtet wurde, saß ich in meinem Sessel und weinte bitterlich.
„Gut, dass ich dir geholfen habe.“​

 

Hallo Chingkata,

schwierig, dir etwas Sinnvolles zu schreiben, dein Text macht es einem nicht einfach. Ich finde die Einleitung, wo du über die Nacht etc. sprichst, erst im Rückblick angebracht. Unter dem Gesichtspunkt des Mordes macht die Einleitung natürlich Sinn, beim ersten Lesen wollte ich eigentlich schon wegklicken, da ich dachte: Moment mal, wird das hier ein Essay?

Ich finde die Beschreibung der Einsamkeit des Opfers im großen Mittelteil gelungen. Ich hatte wirklich Mitleid mit ihr. Diese zwischenmenschliche Kälte kenne ich jedenfalls auch, die überall zu herrschen scheint, aber von fröhlichem Beisammensein - meist durch Alkohol und laute Musik verstärkt - überdeckt wird.

Der Mord am Schluss kam etwas überraschend, aber nicht völlig, denn beim Verfolgungsweg ahnte ich so etwas schon.

Im Prinzip ein gut geschriebener Text - nur mit dem Mord stelle ich mir die Frage, was das soll? Das erzählende Ich hat also eine wie auch immer geartete pathologische Störung. Dies hast du gut beschrieben. Ich hätte mir nur irgendwie mehr über diese Frau gewünscht, die da stirbt - und den Mord sozusagen weggewünscht. Vielleicht hast du das ja auch so beabsichtigt.

Insgesamt aber schon ein Text, der schwierig ist, weil du in solcher Kürze sehr viel einwirfst. Aber hat mich unterhalten und nachdenklich gestimmt.

 
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Hallo Chingkata,

ich fand die einleitenden Zeilen intressant und gut geschrieben. Der Anfang ließ nicht vermuten, was am Ende geschieht. Ab der Mitte habe ich geahnt, das ein Irrer unterwegs ist. Die Vergewaltigung muss sicher nicht detaireicher beschrieben werden, aber der Täter hatte ein zu leichtes Spiel. Ruckzuck ins Gebüsch? Vielleicht könntest du noch ein wenig die Umgebung beschreiben, eben das es einsam, menschenleer, verlassen etc. war. Bis dorthin konnte ich gut folgen, die Tat war mir zu schnell. Aber anyway, wie immer Geschmackssache. Nicht unbedingt mein Genre, deine Geschichte, habe sie dennoch gut und gerne gelesen. Vor allem, da es dir gelingt, in wirklich wenigen Sätzen eine Rude Geschichte zu formen. Viele Grüße dieBiene

 

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