Hijo de la Luna
Hijo de la Luna
Süßes Wispern schleicht sich katzenhaft an meine Ohren, kitzelt sie warm und dringt in sie ein: Ramadha. Ich lehne meinen Kopf an seine Brust und spüre wie mein braunes, an den Längen kupfern-schimmerndes Haar seine Brust streichelt. Er hält mich fest in seinem aschgrauen Licht.
Ich ziehe meine erdfarbene Cordjacke mit angenähtem Blümchen an, nehme seine Hand und ziehe ihn hinaus. Jetzt ist es so leicht. Mit aufflackernder Kindesfreude tanzen wir durch einen der vielen Regentage des Nordens und lassen uns nicht los. Ich weiß, was Du denkst. Du spürst, was ich fühle.
Im Eiscafé beiße ich unglücklich auf einen Kirschkern. Es ist um diese Zeit nur für uns geöffnet, da sie in stiller Abstinenz gedenken. Er trinkt schwarzen Kaffee und haftet mit seinem Blick an allem, was ich tue. So beobachtet, eingeatmet und aufgenommen. Dein Atem küsst mich von Schulter bis Ohr. Wo lag noch einmal Italien?
In der Nacht leuchtet er mir den Weg. Und fliegt mit mir im Raum des Möglichen, der unerreichbar schien. Einmal noch zum Friedhof. Dort schenke ich dir Blumen. Was macht es schon, dass die Welt morgen untergehen könnte?
Die Tore des Stillstands sind weit geöffnet. Wusstest du, dass sie uns direkt hineinziehen werden? Die Ameisen des Uhrwerks. Früher hatte ich Angst vor fliegenden Ameisen. Ich bildete mir ein, sie töteten alle Mädchen. Deswegen versuchte ich immer, sie so vorsichtig wie möglich zu umlaufen. Wenn sie sich wie eine Heuschreckenplage ausbreiteten, sprang ich von einem freien Fleck zum anderen. Panisch, aber seltsam ruhig.
Wir lachen alleine. Die Welt implodiert weiter. Komisch, dass wir lachen können. Komisch, dass sie uns lachen lassen. Sie sehen es doch und wissen es. Warum lassen sie uns gewähren? Er sorgt dafür, dass ich mich nicht lange fürchte.
Eine zarte, weiche Stimme in mir schreit. Wiederholt immer denselben Ruf. Rezitiert ihr eigenes Gebet in gellender Verzweiflung. Ich verstehe sie nicht. Er übersetzt mir, was sie braucht. Ich drücke mein Gesicht an seinen Körper. Bis das reflektierende Licht seiner Augen meinen dunklen Blick zu seinem zieht.
Die Sonne geht auf und ich frage mich, warum ich ihn sehen kann. Du bist da. Wirklich da. Bei mir. Du willst tatsächlich noch bleiben. Ich ziehe dir ein blondes Härchen heraus. Der Preis für diesen Wagemut!
Wir setzen unser Spiel fort: Ich schiebe dich weg, schubse dich, stoße dich mit geladener Kraft. Und du machst einen Schritt, zwei Schritte, rückst mir so nahe an den Leib, das meine Elektrizität sich in schnellen Atemzügen entlädt. Bei der ersten Berührung zucken wir zurück, bei der zweiten schmelzen wir zusammen, die dritte geht schnell in die vierte über.
Ich trage ein weißes Sommerkleid mit roter Schleife. Er hat zwar keine Pomade im Haar, wie die Helden in den Filmen, die ich liebe, aber ein lebendiger Haufen von Honiglocken ist jetzt verführerischer. Wenn ich so glücklich bin, sehe ich überall blaue Lagunen.
Früher stellte ich mir vor, dass alle Probleme der Menschheit mit einem weltweiten brasilianischen Tanz gelöst werden könnten. Ich wollte nach Südamerika fliegen und ihn organisieren. Denn wenn man Menschen dafür begeistern will, dann sucht man am besten erst dort, wo es Euphorie gibt.
Er hört mir zu, er lächelt und träumt mit mir meine albernen Ideen weiter. Wir haben heute so viel gelacht, dass wir bestimmt allen anderen Menschen ihr Lachen für ganze zwei Tage gestohlen haben. Manchmal weiß ich nicht, ob ich mich für solch kindische Gedanken schämen sollte. Wieso liebst du das?
Ein einziges Chaos. Ich kann meine Schüchternheit, meine Zurückhaltung und meine stille, heimliche Überlegenheit nicht mehr finden. Weißt du, was du angerichtet hast? Es ist, als ob sich in mir ein Bermudadreieck aufgetan hat, um alles, was du nicht haben möchtest zu verschlucken. Gib mir doch wenigstens meinen Zynismus zurück!
Nachts, wenn ich ihn in seinem vollen Glanz leuchten sehe, fühle ich mich geborgen. Ja, er muss nun gehen. Es liegt in seiner Natur. Aber er hat seine Bahn. Und kommt wieder. Er ist eben ein Reisender mit zwölf Betten. Ich schlafe so lange. Denn ich habe keine Alpträume mehr. Und warte darauf, dass du mich wachküsst.