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Hier habt ihr mein Leben.

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11.07.2021
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Hier habt ihr mein Leben.

„Nehmt es Euch, oder lasst es sein und macht damit, was ihr wollt.“


Ein Reisebericht
Auf einer Wanderung durch die Anden kamen wir an eine kleine Marienkapelle. Menschen haben sich in diese Einöde zurückgezogen, um nur ihrem Glauben zu leben. Wie klopften und Bruder Geronimo öffnete uns. „Kenn ich nicht dieses asketische Gesicht unter der häernen Kapuze?“, fragte ich mich. Richtig. Der Pater erzählte uns, dass er der frühere Senderchef eines einstmals für wenig zartfühlende Methoden bekannten TV-Kanals ist. Wie in aller Welt war er hierher geraten?

Das war so. Gerade, als er mal wieder im Puff eine Reportage darüber drehte, welches interessante Arbeitsfeld dort vor jungen Mädchen liegt, hatte er eine Marienerscheinung. Plötzlich, inmitten von den ganzen in Lack und Leder gehüllten Körpern, bei denen bloß die interessanten Stellen unbedeckt waren, stand sie vor ihm, mit dem Kind im Arm.

„Wenn du so weiter machst, wirst du wie dein Großvater“, bekam er zuhören. Von dem wusste man, dass er die letzten Jahrzehnte seines Lebens in geistiger Umnachtung in der Klapsmühle verbracht hatte. Davor war er lange Jahre Sensationsreporter.

„Kehr um, solange noch Zeit dazu ist.“ Er musste ihr geloben zu büßen. „Nach und nach wurden wir mehr“, erzählt er mir. Unter den Brüdern seien viele von den ehemaligen Kameraleuten und Aufnahmeleitern aus dem Team, erfahre ich.

Wir verabschieden uns von den Büßern und wünschten ihnen gutes Gelingen bei der Fortsetzung ihres frommen Werkes.

Er hat mich nicht erkannt.


Ich stehe mit leerem Blick vor dem Kühlschrank, öffne die Tür und gebe die Sicht frei auf ein aufgerissenes Päckchen A & P Salami und eine halbe Flasche Cola. Hiermit will ich also noch über die Woche kommen, und es ist erst Mittwoch. Trotz dieser schlechten Ernährungslage sehe ich alles andere als verhungert aus. Boshafte Gemüter würden jetzt denken: „Die soll doch an ihre Reserven gehen.“ Aber vielleicht gibt es bei der Tafel ja noch ein paar angestoßene Tomaten.

Die Kamera schwenkt in Großaufnahme auf meine Spüle, wo sich in einer Ecke frech eine Maus räkelt. Leute, die mich nicht leiden können und das sehen, reiben sich die Hände und stellen das Video der Sendung bei You-Tube rein.

Auch meine ehemaligen Klassenkameraden, mit denen ich Abitur gemacht habe, befällt bei meinem Anblick ein angenehmes Schaudern. Kurz und gut, ich bin gesellschaftlich erledigt. Aber das ist mir scheißegal.

Nachdem die Kameras ausgeschaltet sind, wird die chloroformierte Maus vorsichtig wieder in ihren Glasbehälter zurückgesetzt und aufbewahrt bis zum nächsten Drehtag.
Die Champagnerkorken knallen, und der bestellte Hummer wird geliefert, während die
A &P Salami, deren Farbe sowieso schon ins Grünliche tendiert hat, weiter einsam in meinem Kühlschrank vor sich hin modert.
Fickt euch, Ihr angestoßenen Tomaten von der Tafel. Jetzt wird gelebt. Das Kamerateam und ich lachen uns scheckig.

Während ich in einen Hummer beiße, muss ich über meine „Fans“ schmunzeln, die mich jetzt dabei vermuten, wie ich einsam und allein, griesgrämig über einen Teller Wassersuppe gebeugt, ohne Heizung und Strom im Kämmerchen von meiner sozialen Brennpunktwohnung sitze. „Träumt weiter, ihr könnt mich mal kreuzweise.“

Durch den Champagner werden wir übermütig und werfen Eier und Tomaten gegen die Wände, übrigens abgelaufene Eier von der Tafel. Das wird für den nächsten Drehtag geniale Aufnahmen geben. Die Zuschauer, in ihren aufgeräumten Wohnzimmern, werden ins Schaudern kommen und die Einschaltzahlen werden in die Höhe gehen.

In der Hitze des Gefechts geht das gläserne Terrarium mit der Maus kaputt, und sie kann entkommen. Wir lassen uns alle auf die Knie nieder und robben auf dem Boden rum auf der Jagd nach der Flüchtigen. Weit kann sie ja nicht sein, bei der Dosis Chloroform, die wir ihr verabreicht haben. Die Freude ist groß, als sie Rainer Maria, unser Regieassistent, endlich fängt. Bis zum nächsten Dreh in einer Woche setzen wir sie einfach, in Ermangelung von einem geeigneten Gefäß, in den leeren Kühlschrank.


Ich trete, mein Köfferchen in der Hand, flotten Schrittes durch das historische Portal des Frauenknastes in der Alfredstraße in Lichtenberg in die Freiheit. Auf der Straße wartet schon das Film-Team auf mich. „Ich habe was für euch“, sage ich, denn ich habe im Laubsägekurs Geschenke für alle angefertigt. Meine Zellengenossin durfte leider nicht bei uns mitmachen, denn sie gehörte zu den Verdächtigen in dem sogenannten Scheibchenmord.

Ich verteile die Frühstücksuntersetzer in Form eines Walfisches an alle.
Das Brettchen für den zweiten Kameramann habe ich besonders liebevoll gestaltet, da er mir ein Päckchen mit einer Knackwurst und einer Stange Zigaretten geschickt hatte.

Was war geschehen?

Einige Monate zuvor
Zwei Kontrolleure näherten sich mir in der Straßenbahn. „Ihren Fahrausweis bitte!“ Ich drängle mich zum Ausgang. „Bleiben sie bitte stehen.“ Es gelingt mir an der Haltestelle aus der Bahn zu springen. Aber der eine verfolgt mich. Als er mich eingeholt hat, trete ich ihn gegen das Schienbein, worauf er zurückbleibt. „Wiedermal Glück gehabt“, denke ich. Falsch gedacht.
Eine Kamera hatte mich aufgenommen. Wegen wiederholtem Schwarzfahren und Widerstand gegen Kontrollbeamte gaben sie mir drei Monate.

Leider hat das Team keine Drehgenehmigung vom Direktor erhalten. Das war deshalb, weil er noch pappensatt vom letzten Mal war, als sie mir beim Sprecher ein Handy eingeschmuggelt hatten. Ein Jahr ist das jetzt her.

Ich steige in die Straßenbahn, natürlich ohne Ticket. „Hast du keine Angst, dass du wieder erwischt wirst?“, fragen sie mich. „Ach was solls“, antworte ich und zucke mit den Schultern.


Eine Frau mit Schlapphut ist im nächsten Film zu sehen. Im Hintergrund die Mauergalerie. Ihren Oberkiefer ziert ein einziger Zahn, und darunter sieht es auch nicht besser aus. Ihr Alter ist unbestimmbar, aber besonders sticht ihre auffällig rote Nase ins Blickfeld des Zuschauers.

Das bin ich auch.

Vor mir ein Papierkorb, in dem ich drei Plasteflaschen erblicke. Ich angle sie raus und stopfe sie in meinen Stoffbeutel, in dem sich schon andere befinden. „Jetzt ist mein Abendbrot gesichert“, sage ich in die Kamera. „Berlin scheint ein hartes Pflaster zu sein.“ Diesen Gedanken kann ich in den Augen der vorbeischlendernden Touristen, die hier nicht weit von der Oberbaumbrücke sehr zahlreich zu finden sind, aufblitzen sehen.

Aus großen Augen kuckt mich eine Schulklasse an. Aus den Gesprächen entnehme ich, dass sie aus einer Montesorrischule in Bayern sind. Bestimmt werden einige was über mich schreiben, wenn sie später für den Lehrer mit dem ausgeleierten Pullover aus gelber Räufelwolle einen Aufsatz über die Klassenfahrt verfassen müssen. „Nicht so schlimm“, denke ich. „In Bayern kenne ich keinen.“

Ich stehe vor dem Flaschenautomaten im Supermarkt. Vergeblich versuche ich wieder und wieder eine Flasche in die Öffnung zu legen. Neben mir redet der Securitymann auf mich ein: „Diese Sorte nimmt der Automat nicht an. Sie müssen es woanders versuchen.“
Halsstarrig probiere ich es trotzdem immer weiter. Der Mann versucht mich wegzuzerren. Ich wehre mich. Flaschen klirren. Am Ende trage ich eine große Schnittwunde davon.

In der nächsten Einstellung komme ich mit meiner verbundenen Hand wieder in den Supermarkt zurück, für den man mir vier Wochen Hausverbot erteilt hat.
Der Securitymann hat ein schlechtes Gewissen und übersieht, dass ich eine Wodkaflasche in den ausladenden Taschen meines Mantels versenke. Auch die Verkäuferin an der Kasse, bei der ich einen Schokoriegel bezahle, hat das Hausverbot vergessen.
Der Grund dafür ist nicht christliche Nächstenliebe, sondern ihnen geht die Muffe, dass ich eine Anzeige wegen Körperverletzung mache. Das könnte den Markt teuer zu stehen kommen.

Ich möchte ich hier eigentlich mal ausnahmsweise nicht nur Kritisches über das sogenannte Armuts-TV schreiben.
Auf der einen Schulter der Filmleute sitzt ein Engelchen und rät: „Lass das lieber.“ und auf der anderen das Teufelchen, das ihnen ins Ohrflüstert: „Haltet mit der Kamera drauf.“

Den „bösen Buben“ vom Produktions-Team geht es wie Mephistopheles im Faust: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und manchmal auch was Gutes schafft.“* Jeder Klardenkende wird mir jetzt ´nen Vogel zeigen und fragen: „Was denn Gutes?“.
Aber immerhin wird ja auf die Situation von Leuten aufmerksam gemacht, die sonst unter den Tisch fallen.

Manchmal gelingen, wahrscheinlich meist ungewollt, ungeschminkte, ehrliche Momentaufnahmen von Menschen, die manchmal sogar die letzten von ihnen sind.
Das liegt auch daran, dass manche Protagonisten so ein starkes Eigenleben entwickeln, dass sie sogar das blöde Format sprengen.

Man ahnt, dass die freche Klappe einer Frau aus Luckenwalde bloß Fassade ist. Man nimmt Anteil wie bei dem Tod von jemandem in Altes Lager, der mir auf der Straße bloß als Suffkopp erschienen wäre und den ich jetzt aber ganz anders sehe. Ich möchte jetzt nicht dieses ekelige Wort Betroffenheit in den Mund nehmen.

Oder das Kumpeltrio in Weißenfels, einer Stadt im Süden Ostdeutschlands, aus der eine Freundin von mir und auch ein großer Philosoph stammen.

In einer Einstellung filmte die Kamera einen von ihnen, dessen Körper durch den Alkohol regelrecht ausgedörrt war, beim Gang durch die Stadt. Seine staksigen Beine, so dünn, dass sie einen an Stelzen erinnerten, erschienen in Großaufnahme dabei, wie sie unsicher, Schritt für Schritt und Fuß vor Fuß, Kontakt mit dem Straßenpflaster suchten, ähnlich wie die Beine einer Marionette an einem Faden.

Die Sendung ist immer gut, wenn die Leute vor der Kamera völlig offen reden, wie letztens als eine Alleinerziehende eingestand, dass sie keine Energie mehr hat, ewig nur zu kämpfen.
Hier bekommt man vor der Kamera vom Arzt Todesurteile verkündet, es werden aber auch Kinder vor der Kamera geboren. Im Kreissaal geht das Film- Team ja sowieso schon aus und ein.

Ich habe den Eindruck, viele sind froh, dass sich Jemand für ihre Situation interessiert. Den Intelligentesten unter ihnen ist schon klar, was ihnen blühen könnte, aber sie wagen trotzig die Flucht nach vorn. Ich habe mir mal geschockt die hasserfüllten Kommentare im Internet durchgelesen.
Ich selber habe an der Situation der Abgefilmten noch nie etwas Beneidenswertes entdecken können.

Meine Landsleute aus Rostock Groß Klein haben sich ebenfalls vom Drehteam bequatschen lassen. Meine gutmütige Landsmännin, die Rostockerin Sandra, ihre Kinder und ihre Hunde und Katzen, sind auch mit von der Partie in der Sendung über den Blockmacherring. Jetzt ist ihnen nicht nur allein das Jugendamt auf der Spur sondern auch noch das Veterinäramt, das alle Tiere einkassiert hat.

Ich habe auch nie begriffen, warum die Leute vom Sender, wenn sie schon die Leute bloßstellen, ihnen bei Schwierigkeiten nicht wenigstens juristische Hilfe anbieten. Die Filmproduktionen haben ja alle ihre eignen Anwälte.
Dadurch könnten sie sich bei denen revanchieren, die ihnen durch ihre Auskunftsbereitschaft ihren Lebensunterhalt sichern. Denn das Jobcenter kuckt auch mit. Stattdessen lassen sie sie ins offene Messer laufen.

Dagegen scheint dem Rollstuhlfahrer Kowalski aus Groß Klein das Interesse an ihm sichtlich gut zu bekommen.

Die Besseren unter den Machern der Sendung werden schon manchmal heftig mit Gewissensbissen zu kämpfen haben.
Es ist auch makaber, wenn man den Eindruck hat, dass die Gefilmten das Team für ihre Freunde zu halten beginnen, was ja natürlich absolut nicht der Fall ist. Das wird noch ein böses Erwachen geben.

Persönlich kenne ich auch jemanden, dem übel durch so ein Format mitgespielt wurde. Ich traf sie in einem Kiezcafe.
Aus Naivität und für kleines Geld ließ sie sich bereden, ihre ziemlich unaufgeräumte Wohnung filmen zu lassen. Drei Putzkräfte brauchten angeblich acht Stunden um dort Ordnung zu machen. Natürlich spotteten alle ihre Bekannten über sie, obwohl die meisten, die sich in diesem Café aufhielten, auch nicht besser waren.

Die Geschichte dahinter, über die sich die, die dieses Machwerk verbockt haben, bestimmt keine Gedanken gemacht haben, ist, dass sie ein Opfer der berüchtigten Jugendwerkhöfe ist, die Bezeichnung Kinderknäste würde es eher treffen.
Sie und ihre Geschwister wurden jahrelang vom Vater missbraucht, fielen dadurch in der Schule wegen abweichendem Verhalten auf und wurden in solch eine Einrichtung gesperrt, wo sie ihr noch den Rest gaben. Man machte es sich leicht im Arbeiter- und Bauernstaat.

Ich hatte meinen Beitrag auch schon an eine Straßenzeitung geschickt, aber keine Antwort erhalten. Wahrscheinlich haben sie das völlig falsch verstanden und alles wortwörtlich genommen. Hätte ich irgendwelchen rührseligen Firlefanz geschrieben, wäre es bestimmt veröffentlicht worden. Oder sie wollten es sich nicht mit dem Sender verderben, denn die sitzen am längeren Hebel und haben die besseren Anwälte.
Der obere Teil ist natürlich als Persiflage gemeint auf diese unsäglichen Sendungen, wobei nicht die in den Filmen gezeigten Leute durch den Kakao gezogen werden sollen, sondern das verlogene Format. Ich finde, es wird dort schon genug auf die Tränendrüsen gedrückt. Das brauche ich nicht auch noch zumachen.
Aber wenn man soviel Scheiß auf einmal sieht, dann muss man einfach kontern.


*Zitat sehr frei wiedergegeben

 

Hallo @Frieda Kreuz,

wenn ich gleich mal mit Textkritik anfangen darf ...

„Nehmt es Euch oder lasst es sein und macht damit, was ihr wollt.“
Hier besteht ein Bruch: ... "lasst es sein und macht damit, was ihr wollt."Mit dem Sein-Lassen kann man nicht machen, was man will.

'Nehmt es euch, macht damit was ihr wollt oder lasst es sein.'

Auch meine ehemaligen Klassenkameraden, mit denen ich Abitur gemacht habe, befällt bei meinem Anblick ein angenehmes Schaudern. Kurz und gut, ich bin gesellschaftlich erledigt. Aber das ist mir scheißegal.
"angenehmes Schaudern", gefällt mir gut, dieses Oxymoron.

„Berlin scheint ein hartes Pflaster zu sein.“ Diesen Gedanken kann ich in den Augen der vorbeischlendernden Touristen, die hier nicht weit von der Oberbaumbrücke sehr zahlreich zu finden sind, aufblitzen sehen.
Ganz allgemein finde ich, dass man zuviel in den Augen anderer Leute sieht (eher 'Gesichtsausdruck').

Der Satz ist unnötig verschachtelt:
Diesen Gedanken kann ich in den Augen der vorbeischlendernden Touristen sehen, die hier bei der Oberbaumbrücke zahlreich zu finden sind.
(Eigentlich ist der zweite Satzteil überflüssig.

Hätte ich irgendwelchen rührseligen Firlefanz geschrieben, wäre ich bestimmt veröffentlicht worden.
wäre er bestimmt (es geht um den Firlefanz).

Aber hier möchte ich eigentlich auch mal ausnahmsweise nicht nur kritisches über das sogenannte Armuts-TV schreiben.
Kritisches

Das brauche ich nicht auch noch zumachen.
zu machen (das muss ich nicht auch noch machen)


Mir hat der Stil deines Textes und die zugrunde liegende Idee gut gefallen. Ach die Anklänge grotesken Humors (z.B. die betäubte Maus) sind ansprechend!

Und jetzt kommts:sconf:: Ab hier

Der obere Teil ist natürlich eine Persiflage, wobei nicht die in den Filmen gezeigten Leute durch den Kakao gezogen werden sollen, sondern das verlogene Sendeformat.

machst du deinen schönen Text durch analytische Erklärungen (fast schon eine Erörterung) kaputt (zumindest für mein Empfinden).
Man versteht doch, dass es dir um das Aufzeigen der Problematik des sozialen Nach-Unten-Tretens geht, um Verlogenheit.
Wenn du aufzeigen willst, wie sehr manche unter einer Situation leiden, die filmisch ausgeschlachtet wird - warum dann nicht eine entsprechende Parallelhandlung (Anschlusshandlung) aufmachen, anstelle der Erklärung?

Jeder Klardenkende wird mir jetzt ´nen Vogel zeigen und fragen: „Was denn Gutes?“.

Ein wenig 'Gutes' beschreibst du, aber auch Negatives. Das lässt sich auch innerhalb des Plots darstellen.

Nach prima Beginn jetzt eher:sad:

lG,

Woltochinon

 

Hallo @Woltochinon,
so einfach ist das gar nicht, den zweiten Teil zu ändern. Eigentlich soll er mich ja von dem Verdacht reinwaschen, dass ich mich auf Kosten Schwächerer lustig mache. Das dachten wahrscheinlich auch die Jungs vom "Straßenfeger", die meinen Beitrag nicht wollten. Dabei würde diese Zeitung ein bisschen Humor gut verkraften können. Ich habe sie mir zwar schon lange nicht mehr gekauft - gebe den Verkäufern aber immer ein Geldstück - einfach deshalb, weil mir die Geschichten darin früher immer zu sentimental waren.

Den zweiten Absatz kann ich schlecht satirisch gestalten, weil es da um echte Menschen geht. Ich verstehe Dich aber schon. Es ist auch schwer den Spagat zu finden zwischen der totalen Ablehnung vom Hartz IV-TV und dem Zugeständnis, dass dort nicht alles schlecht ist. Manche, der Gezeigten stehen dazu gefilmt zu werden und leben mit den Konsequenzen wie z.B ein behinderter Mann, der kaum noch von der Couch bis zur Tür kommt und sich seine Sorgen öffentlich von der Seele redet.

Nicht zu vergessen, die vielen, vielen einsamen Alleinerziehenden, die die Sendungen bevölkern. Auf Süchtige und Alkoholiker bekommt man auch einen anderen Blickwinkel, aber ich weiß natürlich, dass diese Leute vom Sender keinerlei soziales Gewissen haben, und solche positiven Dinge unwillkürlich geschehen. Wenn sie eines hätten, wären sie bestimmt in ihrem Job fehl am Platze. Das meiste dort ist rücksichtslose Bloßstellerei, aber eben nicht alles. Man muss immer beide Seiten sehen.
Gruß FK

 

Hätte ich irgendwelchen rührseligen Firlefanz geschrieben, wäre es bestimmt veröffentlicht worden.

Auf einer Wanderung durch die Anden ...
hm, da bin ich ein ganz schön neidisch, hab's nur per Zug und auch einen erheblichen Teil am Ende zu Fuß (kein Scheiß) bis Bratislava geschafft und fühlte mich da wie in Holland … und das zu Zeiten des Generals Svoboda („Wahrheit“),

liebe @Frieda Kreuz ,

aber Nachkommen der Inkas zu besuchen wird mir wohl nicht mehr gelingen (außer sie „besuchten“ Mitteleuropa [und wären keine verkleideten Mitglieder der Kelly-Familiy] und die Buffalo-Bill-Show mit Sitting Bull [der es gleichwohl geschafft hat, dass ich ein paar Brocken Dakota radebrechen kann, was aber wegen geringer Verwendung immer weniger wird (meinem Spanisch ist das auch anzumerken und Tschechisch beschränkt sich inzwischen auf die Bestellung – da liegstu wahrscheinlich beim Erraten gar nicht mal falsch, weil es auch ähnlich klingt wie das Pivot-Element in der Mathematik (und Pfuisik) jenseits der Grundrechenarten , aber wesentlich besser schmeckt.

Aber 'n bissken zu Deinem feinen Text ...

Trotz dieser schlechten Ernährungslage sehe ich alles andere als verhungert aus.
Selbstironie ist der Schlüssel zu gelingendem, trefflichen Humor.

Aber warum hör ich hier

„Nehmt es Euch, oder lasst es sein und macht damit, was ihr wollt.“
so was wie Resignation heraus? – Wozu es m. E. keinen Grund gibt, schon allein, wenn auch ältere, inzwischen aus dem Gebrauch geratende Vokabeln wie zB
,,, der häernen Kapuze...“, ….
bewahrt werden.

paar Anmerkungen

Gerade, als er mal wieder im Puff eine Reportage darüber drehte, welches …
Behauptet nicht schon das „wieder“ nicht, dass sich etwas wiederholt und sei es, dass er schon mal – egal wie viel – Reportagen über den Puff erstellt oder gelesen hat?

Plötzlich, inmitten von den ganzen in Lack und Leder gehüllten Körpern, bei …
gibts da auch halbe oder dreiviertel verhüllte Körper?

… denen bloß die interessanten Stellen unbedeckt waren, stand sie vor ihm, mit dem Kind im Arm.
Komma weg vorm „mit“,

Wir verabschieden uns von den Büßern und wünschten ihnen gutes Gelingen bei der Fortsetzung ihres frommen Werkes.
Einheit der Zeitenfolge einhalten – wie übrigens auch hier
Er hat mich nicht erkannt.

Leute, die mich nicht leiden können und das sehen, reiben sich die Hände und stellen das Video der Sendung bei You-Tube rein.
¿Kann das r nicht weg? Ist doch nicht der Kongress der Weißwäscher, die weiß Gott awas auch immer reinwaschen ...

Fickt euch, Ihr angestoßenen Tomaten von der Tafel. Jetzt wird gelebt.
Ha, zwo Exemplare für meinen Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen!“ vor der Ausrottung,
wie auch hier!
„Träumt weiter, ihr könnt mich mal kreuzweise.“

Durch den Champagner werden wir übermütig und werfen Eier und Tomaten gegen die Wände, übrigens abgelaufene Eier von der Tafel.
So werden gammelnde Eier noch sinnvoll eingesetzt! Sollte man nicht alle faulen Eier überm Kreml oder noch besser über Truthennes Liebesschlösschen auf der Krim abwerfen¿

Bis zum nächsten Dreh in einer Woche setzen wir sie einfach, in Ermangelung von einem geeigneten Gefäß, in den leeren Kühlschrank.
Der ist hoffentlich abgetaut ...

„Ihren Fahrausweis bitte!“ Ich drängle mich zum Ausgang. „Bleiben sie bitte stehen.“
Warum gelingt am Ende nicht, was am Anfang der Satzfolge klappt!?

Wiedermal Glück gehabt“, denke ich. Falsch gedacht.
Besser auseinander – es verkürzt eigentlich ein „wieder einmal“

Wegen wiederholtem Schwarzfahren und Widerstand gegen Kontrollbeamte gaben sie mir drei Monate.
„wegen“ erfordert idR den Genitiv (der ja auch inzwischen bedrohte Art ist wie das !)

„Hast du keine Angst, dass du wieder erwischt wirst?“, fragen sie mich. „AchKOMMA was solls“, antworte ich und zucke mit den Schultern.
Nicht, dass das Komma im Koma liegt bei Dear ...

Aus großen Augen kuckt mich eine Schulklasse an.
Nix falsch – aber wenn ich das harte „kucken“ seh, fürchte ich das weichere, charmantere „gucken“ als vom Aussterben bedroht ...

Der obere Teil ist natürlich als Persiflage gemeint …
Ich denk schon, dass das der durchschnittliche Leser auch so wahrnimmt ...

Das brauche ich nicht auch noch zumachen.
Nee, Du willst nix schließen („zumachen“), sondern etwas tun, bist bereit, etwas zu tun

Auf der einen Schulter der Filmleute sitzt ein Engelchen und rät: „Lass das lieber.“ und auf der anderen das Teufelchen, das ihnen ins Ohrflüstert: „Haltet mit der Kamera drauf.“
Schreit da nicht alles „rette das Ausrufezeichen!“?

Jeder Klardenkende wird mir jetzt ´nen Vogel zeigen und fragen: „Was denn Gutes?“.
Was will der Punkt am Ende?

Aber immerhin wird ja auf die Situation von Leuten aufmerksam gemacht, die sonst unter den Tisch fallen.
Stehn die denn nicht wieder auf?
Aber ist das nicht so – irgendwann hat eine/r die Schnauze voll und steht auf …, in der vollsten Bedeutungsvielfalt des Wortes … Und solang er nicht braune Kacke im Munde führt ... darf es ruhig ein Auf-stand sein ...

Ich möchte jetzt nicht dieses ekelige Wort Betroffenheit in den Mund nehmen.
Was’n daran schändlich¿

Ich habe den Eindruck, viele sind froh, dass sich Jemand für ihre Situation interessiert.
Jedermann, aber „jemand“ nur am Satzanfang "Jemand"

Meine Landsleute aus Rostock Groß Klein haben sich ebenfalls vom Drehteam bequatschen lassen.
Ist mir da was beim Reinkopieren durcheinandergeraten? -
Ah, dank Kowalski, klar
Dagegen scheint dem Rollstuhlfahrer Kowalski aus Groß Klein das Interesse an ihm sichtlich gut zu bekommen.

Persönlich kenne ich auch jemanden, der übel durch so ein Format mitgespielt wurde. Ich traf sie in einem Kiezcafe.
dem übel … mitgespielt wurde, selbst wenn dieser jemand weiblich ist ...
Natürlich spotteten alle ihre Bekannten über sie, obwohl die meisten, die sich in diesem Cafe aufhielten, auch nicht besser waren.
Café

Hätte ich irgendwelchen rührseligen Firlefanz geschrieben, wäre es bestimmt veröffentlicht worden.
Jede Wette, dass Du verlörest & doch gern gelesen,

vom Freatle,
der jetzt “A Day in the Life“ hören wird ...


*Zitat sehr frei wiedergegeben

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Friedrichard,
freut mich, dass es Dir gefallen hat. Scheinbar haben nicht alle gemerkt, dass es sich um eine Verulkung handelt. Die Leute von der "Motz", denen ich den Text gesandt hatte, dachten wohl, ich meine das ernst, und ich will mich auf Kosten Schwächerer lustig machen. Deshalb bin ich lieber auf Nummer sicher gegangen.
Es werden auch viele an mir zweifeln und sich wundern, warum ich diesen bloßstellerischen Sendungen etwas positives abgewinnen kann.
Im Grunde sind sie ja wie die Bild-Zeitung, nur gefährlicher, da das Leben der Leute vor einem Millionenpublikum über die Fernseher flimmert und nicht nur in einem Zeitungsartikel über sie geschrieben wird.
Auch mit ihren Zeitungsartikeln haben sie schon viele Leute in den Selbstmord getrieben. Ich denke da nur an die Serie über den faulsten Lehrling der Republik oder das mit der Frau, die sich angeblich aus Angst vor dem Frühjahrsputz umgebracht hat. In Wirklichkeit war sie depressiv. Ihr Mann wurde danach so gehänselt, dass er sich auch das Leben nahm.
Die Jungs von der Bild-Zeitung und auch die von Hartz IV - TV haben schon einiges auf dem Kerbholz.
Trotzdem wird in den Sendungen ein Stück ungeschminkte Realität des Lebens in Deutschland gezeigt. Leute, die sich im Überlebenskampf aufreiben, aber auch Strategien entwickeln um durchzukommen.
Kein Geld, Älterwerden, Trennungen, Alkoholismus, Alleinerziehung, Mieterhöhungen, Ärger mit dem Amt, alles wovon die meisten von uns nicht verschont bleiben, auch wenn sie einer regulären Tätigkeit nachgehen. Ganz normales Leben eben.
Viele halten ja bloß eine Fassade aufrecht, und bei ihnen sieht es auch nicht anders aus. Wie ich schon schrieb, schadet das nicht allen, das sie vor der Kamera standen. Ein schwerkranker Mann bekam Zuspruch und Unterstützung, bei jemandem meldete sich seine Tochter.
Auch die Sendungen über die Benz-Barracken sind positiv hervorzuheben. Die meisten der Gezeigten werden aber skrupellos vorgeführt und der Häme und dem Spott der Zuschauer ausgeliefert.
Bei den beschriebenen Geschehnissen im Supermarkt habe ich mich ziemlich genau an eine Szene aus der Reportage von Spiegel-TV über den Pennymarkt auf der Reeperbahn gehalten.
Das mit der Frau, die gerade aus dem Knast kommt, wo sie wegen Schwarzfahrens gesessen hat, ist angelehnt an einen der Filme, wo jemand wegen demselben Delikt zu sage und schreibe achthundert Mark Strafe verurteilt wurde. Ist doch albern.
Sozusagen will man einem nackten Mann in die Tasche greifen, in diesem Fall einer Frau. Sie kommt in einer Einstellung gerade aus dem Amtsgericht, und steigt gleich wieder ohne Ticket in die Straßenbahn.
Wenn in einem der Filme jemandem wieder mal ein Karte im Automaten steckenbleibt, werden in mir Erinnerungen wach.

Gruß FK

 

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