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Hey man, nice shot
"Hey man, nice shot!"
Ich drehte mich um und blickte in die zusammengekniffenen Augen eines fetten Mit-Vierzigers. Er hatte lediglich den kleinen Hügel erklommen, auf dem ich mich befand, doch Schweiß troff ihm von der Stirn, als schleppe er das Gewicht von zehn Männern. Unzählige kleine Sturzbäche folgten den fleischigen Tälern in seinem Gesicht und flossen über seinen nicht vorhandenen Hals, ehe sie im Kragen seines Hemdes versickerten, wie Wasser in der Wüste. Sein Atem kam stoßweise zwischen den dicken rosa Würsten hervor, die er Lippen nannte.
"Hab sie von unten gesehen. Sind wohl auch zum Jagen hier."
Nach Luft japsend und die Hände in die Hüften gestemmt sah er aus, wie das baldige Anschauungsobjekt eines Pathologen. Über seiner Schulter hing ein Jagdgewehr, dessen Riemen fast in den Falten seines Hemdes verschwand.
"Ist das eine Walther PPK?"
Ich starrte auf die Pistole in meiner Hand, als würde ich ihr zum ersten Mal gewahr. Ich drehte sie, um sie genauer zu betrachten, der kalte Stahl wog schwer in meiner Hand. Ein kleiner Straßengangster hatte sie mir aus dem Kofferraum seines Camaro verscherbelt, irgendwo in einer Seitenstraße. Sie hatte mich angeglänzt, fast als hätte sie auf mich gewartet. Ich fragte mich, wie viele Leben diese Waffe schon genommen hatte. Auf wie vielen Kugeln war Gevatter Tod persönlich geritten um eine Sanduhr anzuhalten?
"Hatte auch mal so eine. War mir aber etwas zu klein. Ich mag diese Dinger hier lieber."
Der Dicke versuchte, mit seinen ungelenken Fingern sein Gewehr zu erreichen, scheiterte aber bereits im Ansatz. Die unmittelbare Gefahr eines Herzinfarkts schien gebannt, denn sein Atem ging nun etwas ruhiger. Er stemmte die Hände allerdings immer noch in die Hüften, wahrscheinlich war er es nicht gewohnt, so lange aufrecht zu stehen. In dieser Haltung waren die dunklen Flecken in seinen Achseln nicht zu übersehen. Wie Gebirgsseen lagen sie zwischen den Ausläufern seines Schultermassivs.
"Das Vieh haben sie ja sauber erwischt."
Ich drehte mich wieder um und schaute auf den Baum, dessen Rinde mit Blut und Fleischfetzen besprenkelt war. Die restlichen Teile des Eichhörnchens, lagen um den Stamm des Baumes verteilt. Ich hatte es erschossen um zu sehen, ob die Waffe funktionierte. Ich konnte nicht sagen, daß ich meine Tat bereute, ich genoß sie aber auch nicht. Ich wollte die Waffe ausprobieren, das Eichhörnchen war ein Mittel zum Zweck. In gewisser Weise hatte ich seinem einfältigen Leben sogar einen Sinn gegeben. Der alte Sensenmann hatte sich also zumindest auf den Sattel einer Kugel geschwungen. Er hatte mich zu seinem Komplizen gemacht, ohne daß ich es merkte. Der Dicke gluckste, und ich drehte mich erneut, um in sein fleischiges Gesicht zu sehen.
"He, soll ich Ihnen was sagen?"
Nein.
"Hab hier neulich einen echten Elch erwischt. Hab das Vieh aber leider nur angeschossen. Hat drei Stunden vor sich hin geblutet, ehe es hinüber war. Hab's aber leider liegenlassen müssen. Die verdammten Biester stehen nämlich unter Naturschutz. 'Ne echte Schande ist das."
Ich blickte in die Augen des Mannes, doch ich sah nur Leere. Offensichtlich legte Gevatter Tod keine großen Maßstäbe an seine Helfer. Hier war eine aus dem Sumpf der Mittelständigkeit geborene Kreatur, von Burgern, billigem Bier und Fernsehshows genährt, mit einem 7mm Schwanzersatz über der Schulter. Ich fragte mich, wieviel Kraft sein Bauch aus einer Kugel nahm. Würde sie durchschlagen oder steckenbleiben, wie ein Löffel, den man in die Schüssel mit Wackelpudding fallen lassen hat. Unwillkürlich krümmten sich meine Finger fester um den Griff.
"Sie reden wohl nicht viel, was?"
Ich schaute die Pistole an. Fast zärtlich streichelten meine Finger über den Lauf, als mir klar wurde, daß der listige Lumpensammler sich schon auf den nächsten Ritt freute.