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Hexenstein

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26.08.2002
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Hexenstein

*
Die Hexe war tatsächlich hinter ihm her. Thilo rannte weiter durch den Wald, weiter über den nur von Mondlicht beschienenen Weg. Blieb noch einmal stehen und spähte zurück. Jetzt war sie nicht mehr zu sehen. Vielleicht war sie weg. Denn Hexen konnte es gar nicht geben. Nichts von all dem, was passierte, konnte es geben. Oder zumindest war es unwahrscheinlich. Mindestens so unwahrscheinlich wie ein Wolf, der vor Rotkäppchen und der Großmutter flüchtete, die mit Messer und Gabel hinter ihm her waren. In Thilos normalem Leben geschah ohnehin kaum etwas, das erwähnenswert gewesen wäre.
In seiner Version eines normalen Lebens saß er täglich von früh bis spät in seinem Büro, hockte am Rechner und programmierte an Computerspielen herum, konstruierte virtuelle Welten. Privatleben hatte er kaum, nicht mal das mit Fertigpizza und zwölf Bier abends vor der Glotze.
Zunächst war es prächtig gelaufen. Er hatte innerhalb weniger Stunden sogar zwei Frauen kennengelernt. Warum es auf einen Schlag alles andere als prächtig lief, wusste er nicht so genau. Aber jetzt musste er um sein Leben rennen, das wusste er.
Sie war hinter ihm her und sie sah nicht mehr so aus, wie er sie in Erinnerung hatte.
Aus dem Wald: ein Geräusch. Er erstarrte.

*
Es war Freitagabend gewesen, auf dem Weg ins Wochenende. Er traf auf die Erste der beiden Frauen, als er nur noch zehn oder fünfzehn Minuten Fahrt vom nächsten Kuhdorf entfernt war, durch das musste. Sie tauchte im Scheinwerferlicht auf wie eine große Schaufensterpuppe. Natürlich bremste er sofort. Eine Anhalterin! War es möglich, dass ihm das passierte? In gewissen Filmen waren bei solchen Sachen gewisse andere Sachen, von denen er träumte, nicht mehr ausgeschlossen.
Er stieß die Beifahrertür auf, kühle Luft wehte herein.
«Hallo!» Sie beugte sich ins Auto. «Da bist du ja endlich. Schön, dass du mich mitnimmst.»
«Nach Dahlburg? Wohnen Sie da?», fragte er.
Sie glich seiner Lieblingsdarstellerin in seinen Lieblings-Internet-Kurzfilmen. Feuerrotes Haar umrahmte ihr Gesicht. Es schien ihm, als hätte sie genau auf ihn gewartet. Auf ihn!
«Dahlburg?» Sie hatte sich schon in den Wagen gesetzt und schloss die Tür. «Nein, nicht direkt. Aber so ungefähr. Fahren wir los?»
Thilo fuhr an.
«Feierabend?», fragte sie.
«Ja», sagte Thilo, während sein Verstand verzweifelt versuchte, die passenden Worte zu finden. «Ich heiße Thilo …»
«Ich weiß, wie du heißt; ich bin Esmeralda. Du kannst mich duzen. Ich will sogar, dass du mich duzt.»
«Gut, gerne.» Immer wieder schlich sich sein Blick zu ihr, vergewisserte sich, dass sie wirklich neben ihm saß. Ja, das sah alles echt aus. Die Frau und die Straße; links Felder, rechts Wald, dann Wald auf beiden Seiten, das Licht der Scheinwerfer in der Kurve, alles echt.
«Halt.» Sie berührte seinen Arm. «Hier steige ich aus.»
Thilo bremste. «Jetzt schon? Mitten auf der Straße?»
«Es ist ein Stück im Wald», sagte sie. «Mit deinem Auto kommst du da nicht rein. – Dort, der Weg.» Sie lächelte ihn an, strich sich Haar aus dem Gesicht. «Keine Angst, wir sehen uns bald wieder; das ist nämlich alles kein Zufall; du wurdest mit zugestellt. Nur deshalb bist du überhaupt hier.» Sie öffnete die Tür. «Ich erkläre dir gerne alles, was dich interessiert, aber nicht jetzt, sondern wenn wir uns wiedersehen. Das willst du doch, oder? Und ich will das auch. Und noch viel mehr. Bis dahin!»
«Ich würde noch etwas essen gehen», sagte er schnell. «In Dahlburg, gibt es da einen Gasthof?»
Sie ist nicht unerheblich seltsam, dachte er, aber ihre Nähe so schnell wieder aufzugeben … dass das drohte, zwang ihm einen sanften Schmerz in die Brust.
«Ja, die Schwarze Eule», sagte sie. «Aber was da vorn kommt, das ist nicht Dahlburg.»
«Nein?» Thilo runzelte die Stirn. «Was dann?»
Sie holte zu einer Erklärung aus. «Du bist ein Mann, der an die Physik glaubt, oder? Es wird nichts ändern, wenn ich dir sage: Das da vorn ist nicht Dahlburg, sondern ein Geisterdorf, und es ist auf keiner Landkarte eingezeichnet, weil es aus einer anderen Dimension kommt und so, und darin hausen grauenhafte Wesen aus den Tiefen der Hölle. Aber ich sags dir natürlich trotzdem. Denn erstens glaubt einer, der an die Physik glaubt, nicht an Wesen aus den Tiefen der Hölle und zweitens interessierst du dich sowieso nicht für die Nebensächlichkeiten, oder?» Sie neigte sich zu ihm, er konnte ihre Haut riechen, ihr Haar.
Thilo zitterte. Schweiß perlte auf seiner Stirn. So nah war er noch nie dran gewesen. Normalerweise war er mindestens so weit weg davon wie ein Obdachloser von seiner ersten Million. Er spürte ihren Körper, der an seinem zog. Ihn heranzog.
Ich muss es bekommen, muss es bekommen, so dachte es in ihm ob er wollte oder nicht.
«Das Dorf … auf keiner Landkarte?», stammelte er.
«Für dich. Für euch. Das Dorf – existiert ab dem achten Tag der Woche. Bis zum Vierzehnten. Am Fünfzehnten ist wieder der Erste und es ist weg. Und so weiter und so weiter.» Sie lächelte.
«Die Woche hat doch nur sieben Tage», sagte Thilo.
«Unter anderem», sagte Esmeralda, «weil du das weißt, habe ich dich ausgewählt. Weil du rational bist. Das habe ich gesehen. In der Kugel. Keine Sorge, du gelangst ins Dorf, du bist ja sogar schon im zwölften Tag der Woche; schließlich habe ich dafür gesorgt, dass du zeitlich die falsche Ausfahrt nimmst, und solange ich … hörst du mir noch zu? Der zwölfte Tag der Woche ist natürlich – von deinen dimensionalen Möglichkeiten aus gesehen – entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft, aber niemals in der Gegenwart. Normalerweise.»
«Das ist physikalisch unmöglich!», sagte Thilo.
«Genau. Aber hast du dich schon mal gefragt, mein süßer Wissenschaftler, wie es sein kann, dass physikalisch überhaupt irgendetwas möglich ist

*
Jetzt sieht er sie. Eine dunkle Gestalt. Sie kommt über den Acker, aber keinesfalls auf ihren Beinen; das kann er ausschließen, weil sie keine Beine hat; jedenfalls keine an der Stelle, wo Beine sein sollten, und es sind auch keine menschlichen Beine, sondern etwas, das wie die Dornfortsätze eines Hirschkäfers aussieht. Nichts von alledem kann es geben, das weiß er absolut sicher. Es existiert, obwohl es unmöglich ist.
Er wendet sich ab und rennt in den Wald, aber er stolpert; sein Fuß bleibt hängen, er flucht, in irgendsoeinem verdammten Scheißdreck! Warum muss er immer so ein verfluchtes Pech haben! Er hat sich den Knöchel verstaucht. Liegt im Gestrüpp und kramt hastig in seinen Taschen nach dem Messer, das er immer dabei hat, seit seine Mutter es ihm geschenkt hat, als er dreizehn war. Er klappt es auf, sein kleines, rotes Taschenmesser mit einem Korkenzieher dran; während jemand in ihm fassungslos den Kopf schüttelt.


*
Die Luft im Gasthof war stickig; in einer der Ecken saßen die bärtigen alten Männer und rauchten, und sie wirkten so unterhaltsam wie der Kachelofen in der Ecke. Einer von ihnen besaß ein drittes Auge auf der Stirn, ein Zweiter hatte dafür nur eines, das zwischen seinen Nasen platziert war, die aus seinen Backenknochen wuchsen. Das war seltsam, aber noch seltsamer war der Effekt, den man auf den Landschaftsbildern an der Wand sehen konnte; wie der Wind durch die Bäume strich und die Äste sich bewegten. Manchmal ertönte der Ruf einer Eule. Thilo musste unbedingt nach den Algorithmen fragen, bevor er abreiste.

Zunächst hockte er allein am Tisch. Aber nicht lange und er lernte die zweite Frau kennen. Sie war die hübsche blonde Bedienung, und Thilo hatte gehört, wie der Wirt sie «Magrat» genannt hatte. Beim dritten Bier setzte sie sich zu ihm. Zu ihm! Es war wie in einem Märchen.
«Wie ich sehe, geht es dir gut», sagte sie.
Er trank den letzten Schluck aus dem Krug, dann schob er ihn weg. «Ja, ich verbringe das Wochenende auf dem Land, also das soll ich machen, sagt mein Chef, um auszuspannen, Ruhe zu haben … ich habe einen wichtigen Job ... und ich ...»
«Das ist süß. Du brauchst deine Ruhe und da kommst du hierher. Na, Hauptsache, du hast uns gefunden», sagte sie und zeigte dann auf den Krug. «Willst noch eins?»
«Nein. Lieber nicht.» Thilo merkte, dass er schwitzte wie in der Sauna. Magrats ausladende Formen strahlten Hitze aus wie ein Lagerfeuer oder, größer noch, wie ein brennender Scheiterhaufen.
«Dann machen wir etwas anderes.» Sie zwinkerte und fasste ihn kurz an der Hand. «Ich zeig dir das Zimmer oben. Dein Bett. Ich würde auch mit dir reinkommen, aber das geht noch nicht, meinen Eisprung habe ich erst morgen.»
Thilo kratzte sich am Kopf. «Das ist natürlich ungünstig», sagte er.
Magrat lachte. «Alle Frauen haben den Eisprung am dreizehnten Tag. Und das nur alle sieben Jahre.»
Er nickte. Sein Verstand knallte gegen die Scheibe. Surrte, flog auf und ab, flog wieder und wieder gegen das Glas.
Ich muss das haben, endlich haben, dachte etwas anderes in ihm. Egal, was in dieser Gegend los ist, egal, was sie alle für einen Quark reden von der 14-Tage-Woche oder den Wesen aus der 5. Dimension oder den Kaulquappenkrokodilen im Fomalhaut-Sternsystem; auch wenn die beiden Frauen oder sogar alle Frauen hier irre sind, sie wollen dich. Dich!

Magrat stand auf und zog ihn von seinem Stuhl. Dann führte sie ihn die Treppe hoch zu dem kleinen Gästezimmer, in dem er schlafen sollte.
«Ich hoffe, du hast keine Angst vor mir», sagte sie. «Es stimmt doch, was ich sage, oder?»
Thilo nickte. Beweisen hätte er es nicht können, aber er hielt es nicht für ausgeschlossen, und er vermutete, sie interessierte sich nicht für Prozentzahlen.
«Heute geht es alles noch nicht, wir machen es morgen, Süßer.» Sie streichelte kurz über die Beule in seiner Hose, was einen Wonneschauer in alle Richtungen entsendete, und huschte die Treppe hinunter.
Morgen. Wir machen es morgen. Wir.

*
Thilo robbt in ein Gebüsch.
Ich bleibe ruhig liegen, ganz ruhig, es ist dunkel hier, und wenn ich sie nicht sehe, dann findet sie mich nicht … Nein, das geht nicht, besser scheint es, zu irgendeinem Haus zu kriechen und um Hilfe zu bitten.
Und nicht so allein zu sterben, wie ich gelebt habe, nur vor dem Computer, langweilige Spiele programmierend, von den Kollegen gemieden, dachte er. Für die war er so interessant wie ein kaputter Bildschirm, und für die Frauen war er noch nicht einmal vorhanden gewesen, bis jetzt ...
Thilo hielt inne und lauschte. Das Denken in ihm war gefährlich, er bekam nicht mehr mit, was in der echten Welt um ihn herum geschah. Falls es noch die echte war.

*
Bei Tagesanbruch war er hoch zum Dahlburger Hügel gefahren, hatte den Wagen stehen lassen und wanderte bei kühlem Oktoberwetter talwärts. Und da traf er am Wegesrand zufällig Esmeralda wieder, die offensichtlich auf ihn wartete.
«Da bist du ja!» Sie lief auf ihn zu.
«Hallo», sagte er.
«Erinnerst du dich noch an mich?», fragte sie.
«Natürlich.»
«Das ist fein. Ich lade dich ein, zu mir nach Hause. Heute Abend. Ich habe im Wald ein Lebkuchenhaus für uns beide und natürlich auch einen Backofen und das ganze Zeug. Erst gibt es was zu essen und danach lass dich überraschen.»
Thilo glotzte sie mit großen Augen an. Er hatte schon davon gehört, was solche rothaarigen Mädchen manchmal mit Männern anstellten.
«Aber nur, wenn mal nichts im Fernsehen läuft.» Sie lachte laut, dann reichte sie ihm
einen kleinen Gegenstand, der in der Vormittagssonne glitzerte. «Hier, für dich!»
«Was ist das?» Er griff zu.
«Ein Hexenstein», sagte sie. «Mein Ring. Damit mache ich dich untertan, sodass ich alles mit dir machen kann, was ich will. Und du willst es auch. Du hast es schon immer gewollt.»
Thilo schluckte. Ja. Endlich würde eine mit ihm machen, was sie wollte. Vielleicht durfte auch er machen, was sie wollte. Er nahm den Ring und streifte ihn sogleich über einen Finger. Selbst wenn der Unsinn mit dem Untertangemachtwerden stimmen sollte, das spielte keine Rolle mehr, die Fliege lag inzwischen auf dem Fensterbrett, ohne sich zu bewegen, die Beinchen nach oben.
«Sehr gut», sagte Esmeralda. «Ich bin nämlich eine Hexe und Hexen sagen immer die Wahrheit, schließlich brauchen sie deinen freien Willen, deine freie Entscheidung, was anderes ist nicht erlaubt. Und das zählt nur, wenn du über alles informiert bist. Also. Ich werde dich hypnotisieren und fesseln und so weiter, dann werde ich dich vögeln; alle Hexen und auch die übrigen weiblichen und fast weiblichen Monster in der Umgebung benötigen für die Fortpflanzung irdische Männer; die rationalen, die nur sehen, was sie beweisen können; weil es die gibt, sterben wir Monster nicht aus. Du und ich, wir treiben es, bis du mich geschwängert hast, und danach beiße ich dir den Kopf ab. Einverstanden?»
Thilos Kopf nickte vollautomatisch. Er hatte gegen die wichtigen Bestandteile des Geschehens keine Einwände.
«Ja, das klingt gut», sagte er.
«Wir sehen uns heute Abend, bei Sonnenuntergang, dort, wo du mich aus dem Auto gelassen hast. Und komm aus dem Gasthof direkt zu mir. Und mach nicht mit der blonden Schlampe dort rum, die meint es gar nicht gut mit dir; die beabsichtigt, dich in ihre Höhle zu locken und zu verführen, nur um schwanger zu werden; und anschließend tötet und frisst sie dich. Sie ist nichts als ein böser Ghul, eine Leichenfresserin, hast du verstanden?»
Thilo nickte. Klar hatte er verstanden. Jahrelang gar nichts und jetzt sogar zwei davon!
«Sie hat dich doch noch nicht bestiegen?», fragte Esmeralda.
«Nein», sagte Thilo. So viel Glück hatte er noch nicht gehabt.
«Das hätte auch keinen Sinn ergeben», sagte sie, küsste ihn und schwebte davon. Aus der Ferne winkte sie ihm noch einmal und verschwand im Wald.

Mittags erreichte er die Schwarze Eule, und kaum saß er, da gesellte sich Magrat zu ihm; ihre Lippen waren knallrot und sie duftete dunkel.
Thilo wusste warum und zitterte. Aber erst einmal schien ihr Gesichtsausdruck darauf hinzudeuten, dass sie mit ihm reden musste. Davon hatte er schon gehört, das war kein so gutes Zeichen. Und tatsächlich, gleich ging es los.
«Woher hast du das?», rief Magrat und zeigte auf seine Hand. Bevor er antworten konnte, ging es gleich weiter, ein schneller Schwall von Worten: «Du hast das von ihr, stimmt es? Von diesem Hexenmiststück aus dem Wald …»
«Hexenmiststück? Wer soll das sein?», sagte Thilo.
«Tu nicht so!», sagte sie. «Ich spüre diesen Stein! Aber ich habe dich zuerst gesehen, also gehörst du mir. Pass auf, wir dürfen jetzt keine Zeit verlieren! Du läufst jetzt sofort zu dem kleinen Schuppen am Waldrand, versteckst dich dort und wartest, bis ich komme; ich muss noch eine Kleinigkeit erledigen, aber glaub mir, du wirst es nicht bereuen, wenn ich bei dir bin und dich behandle.» Ihre Stimme änderte sich zurück ins Sanfte. «Ich hol dir mit dem hier die Marmelade raus!» Ihre Zunge fuhr aus dem Mund und strich ihm über die Nase, was geringfügig weniger befremdlich gewirkt hätte, wenn ihr Gesicht nicht über einen halben Meter von seinem entfernt gewesen wäre. Die Männer am Tisch in der Ecke blickten (mit mehr oder weniger vielen Augen) herüber.
«Du weißt, wo der Schuppen steht?»
Er nickte und stöhnte.
«Was alles dich erwartet, erzähl ich dir, wenn wir allein sind, und nun los!» Magrat zerrte ihn hoch und bugsierte ihn zur Tür. Dann stieß sie ihn auf die Straße. «Und beeil dich, denn sie darf dich nicht vorher kriegen, das kannst du mir glauben! Sie hat dich belogen. Sie wird nicht mit dir vögeln, oder hast du irgendwas an dem Märchen mit Hänsel und Gretel nicht verstanden? Hat die böse Hexe denn mit dem Hänsel gevögelt? Sag mir, ob sie das hat!»
Da hatte sie recht. So war es nicht gewesen. Magrat schien Bescheid zu wissen, und es war offensichtlich ihr Wunsch, ihn vor Bösem zu bewahren, vor Esmeralda. Wenn sie recht hatte, könnte sein Traum allerdings platzen; sein Traum, mit beiden zu schlafen.
Magrat schubste ihn und er taumelte einige Schritte. Sein Kopf fühlte sich betäubt an, empfindungslos wie ein großer weißer Radiergummi, und schmerzfrei.
Sie zeigte ihm die Richtung, in die er wollte.

Er ging los, hinaus aus dem Dorf, auf den Weg, der zum Schuppen am Waldrand führte. Plötzlich ging unerwartet und schnell die Sonne unter, als hätte jemand auf Zeitraffer gedrückt; nach zwölf Sekunden war es Nacht und der Mond stand am Himmel; das verbesserte Thilos Stimmung kaum. Die hatte ohnehin eine Abschürfung bekommen.
Er wollte irgendetwas denken, aber er wusste nicht, womit. Normalerweise hätte er zunächst die verschiedenen Fakten geordnet, im zweiten Schritt die Daten verdichtet und dann zur Veranschaulichung übersichtliche Diagramme erstellt. Aber er hatte ja sein Laptop nicht dabei. Danke, liebe Kollegen, dass ihr mir geraten habt, ohne alle Technik in das Wochenende zu fahren. Als ob ihr gehofft hättet, dass ich allein nicht mehr zurückfinde.
Thilo ging weiter, schaute sich um; niemand folgte ihm, keine Magrat, kein Wirt, keine Dorfbewohner.
Er schüttelte den Kopf. Zumindest galten noch immer (und wie immer) die Gesetze der Schwerkraft.
Und erst, wenn die nicht mehr gelten sollten, könnte es problematisch werden, dachte es in ihm.

Er blieb stehen, ihm war, als hätte er etwas gehört, er wandte sich um. Das Dorf lag schon einige hundert Meter zurück und er erblickte die Gestalt, die hinter ihm herkam, hinter ihm herkam mit verrenkten Bewegungen, als hätte ihr jemand die Arme und Beine ausgerissen und falsch herum wieder am verdrehten Körper angebracht: die Knie nach hinten, den Kopf auf der linken Schulter und auf der rechten etwas wie der Kopf eines etwas zu großen … er sah es nicht richtig, aber das Ganze sah unbefriedigend wenig danach aus, als ob es auf direktem Weg zu Sex führen konnte. Es war besser, Abstand zu dieser … Sache einzuhalten.

*
Er erreicht den Schuppen, trotz des Knöchels. Zieht die Tür auf, schleppt sich ins Innere und legt sich in eine der finsteren Ecken.
Dann Erschrecken! Ein Geräusch an der Tür!
Mit einem knarrenden Laut öffnet sie sich.
Im Eingang steht Magrat.
«Gott sei Dank!», sagt er. «Du bist es!»
Sie bleibt an der Tür stehen und schnuppert wie ein Hund. «Wo ist die scheiß Hexe?»
«Ich weiß nicht», sagt er. «Irgendwo. Sie hat mich verfolgt.»
«Sie hat dich noch nicht …?»
Thilo schüttelt den Kopf.
Magrat schließt die Tür hinter sich. «Um ein Haar wäre sie mir zuvorkommen – und jetzt zieh die Hose aus!»
«Hose aus? Jetzt gleich?» Er starrt sie an.
«Natürlich jetzt gleich! Worauf sollte ich warten? Ich bin fruchtbar! Ich will schleunig ein Kind von dir!»
Sie zieht ihre Jacke aus, streift ihr Kleid ab. Steht mit einem Mal nackt und groß vor ihm, ihre Brüste schaukeln unfasslich. «Mach es mir!», ruft sie und stürzt sich auf ihn. Sie zerrt ihm die Hose herunter, setzt sich auf ihn. Drei Sekunden, bis er es glauben kann, dann schließt er die Augen mit einem Grunzen.
Er hört ein Krachen und öffnet sie wieder. Die Rückwand der Hütte neigt sich nach außen, hebt und schiebt sich seitlich weg. Er sieht Magrats lachendes Gesicht, das sich seinem nähert für einen Kuss. Dahinter erscheint mit verrenkten Gliedern die Esmeralda-Kreatur; ihre Pranken packen Magrats Haare und zerren ihren Kopf nach oben. Magrat brüllt, während ihr Mund sich öffnet, immer weiter öffnet, zu einem gewaltigen Schlund und größer wird als ihr Schädel, auf dem sich anstelle des Haars jetzt lange fette dreckig-rosa Würmer krümmen. Die Tentakel peitschen durch die Luft. Thilo beginnt zu schreien. Esmeralda reißt den Magrat-Kraken von ihm herunter und zetert: «Nimm deine verwesten Drecksfinger von ihm! Ich habe ihn zuerst gesehen! Ich habe ihn hergeholt! Mir wird er ein Kind machen!» – «Nein, mir, du erbärmliche Missgeburt, mir macht er eins!» Magrat gelingt es, sich umzudrehen, wenigstens vielen ihrer Teile. Thilo sieht eine schnelle Bewegung, zwei schwarz geschuppte, dicke, hornige Ranken umkreisen Magrats Kopf; die schlägt mit einer ihrer Tentakelklauen in Esmeraldas Gesicht. Danach ist nicht mehr fehlerfrei zu unterscheiden, welche Körperteile zu wem gehören, es erscheint sogar fraglich, ob die Körperteile noch selbst wissen, zu wem sie gehören. Immerhin haben die kämpfenden Furien hinreichend Luft, um (trotz der physikalischen Auseinandersetzung) herumzubrüllen – wobei es weiter um Familienplanung geht. Während blutig spritzende Fleischfetzen durch den Schuppen fliegen.
Thilo dreht sich auf den Bauch. Ich muss wegkriechen! schreit jemand in seinem Kopf, dem er wirklich wichtig ist. Es gibt kaum Platz auszuweichen, als das empfängnisbereite weibliche Gebilde ineinander verkrallt in seine Richtung stürzt. Etwas massiv Stacheliges schleudert auf seinen Kopf zu, er will die Hände heben und …

*
«Und das, was ist das?», fragte sein Chef und deutete auf eine Stelle. Die Blicke aller Anwesenden folgten seinem Finger.
«Das da ist jetzt», erklärte Thilo, «der abgerissene Kopf von dem weiblichen Ghul. Leider sind vorn die Augen eingedrückt, da sieht man kaum noch was. Die sind blau gewesen.»
Zufrieden entnahm er den Gesichtern seiner Kollegen, dass sie von seinen Urlaubsfotos beeindruckt waren. Einige der Körperteile der Monster waren gegen die Wände der Scheune geschmiert, aber die meisten Sachen lagen auf dem Boden verstreut herum, in unterschiedlich großen Portionen; offene Knochenbrüche in Fleischmanschetten, Bluttümpel am Boden und die zerfetzten Innereien zwischendrin vermittelten das Bild eines Kampfs, wie man ihn seit den Heldentaten der Antike nur noch in Ausnahmefällen zu sehen bekam.
Das war es also gewesen, was man ein Liebesspiel nannte, überdies auch noch mit zwei Frauen gleichzeitig. Die um ihn gekämpft hatten. Obwohl er nur ganz am Anfang zur vollen Teilnahme berechtigt gewesen war, füllte ihn Stolz aus. Um ihn war es gegangen, seinetwegen war alles passiert.

Die anderen äußerten Interesse, da auch mal hinzufahren, und fragten ihn, wo genau diese Ortschaft lag, die er gefunden hatte.
«Das ist nicht für jeden geeignet», antwortete Thilo und sammelte die Fotos wieder ein.
Die Idee zu einem neuen, wundervollen Computerspiel war in seinen Kopf geraten und er wollte schnell zu seinem Rechner.

 

Hallo @FlicFlac

Horror und Humor finde ich eine anspruchsvolle Kombi, die aber direkt gute Unterhaltung verspricht bzw. versprechen kann. Okay, schon Humor allein ist nicht einfach zu schreiben, aber das weißt Du ja viel besser als ich. Humorige Texte scheinen dein Spezialgebiet zu sein, wenn ich so in den Backlog deiner Geschichten reinsehe. Außerdem habe ich nun auch schon ein paar Sachen von Dir gelesen und meist waren die humorig (und bei vielem davon konnte ich auch mitlachen). Soweit ich mich erinnere, trägst Du die Geschichten auch live vor Publikum vor. Vielleicht funktioniert der vorliegende Text besser, wenn der vorgetragen wird, denn ich muss sagen, mit der Geschichte hier hatte ich meine liebe Mühe. Das fängt leider schon direkt beim Humor an:

Leute kennenlernen und Freunde finden. Oder eine Frau, die mit ihm schlief.
In seiner Version eines normalen Lebens saß er täglich von früh bis spät in seinem Büro, hockte am Rechner und programmierte an Computerspielen herum, konstruierte virtuelle Welten.
Ja, der einsame Nerd, der Computerspieler, er ist verschlossen, er hat keine Freunde und schon gar keine Freundin (er träumt aber ständig von einer bzw. von Sex). Das ist so die volle Klischeekanone. Klar kann das in einem humorigen Text funktionieren, das sage ich nicht. Aber es weckt einfach sogleich eine Erwartungshaltung, die bei mir nicht unbedingt positiv besetzt ist, weil ich das mit dem Nerd, der endlich eine Frau abbekommen und sein Sozialleben in den Griff kriegen will, einfach schon zu oft gelesen und gesehen hab. Gerade die beiden oben zitierten Stellen haben bei mir -- überspitzt gesagt -- als Reaktion ein Augenrollen und Seufzen verursacht, aber eigentlich wird die tägliche Arbeit im Büro dann doch besser und weniger verbraucht als erwartet geschildert. Also resultierte irgendwo trotzdem ein positiver Effekt daraus. Dennoch würde ich mir überlegen, den Text insgesamt etwas subtiler zu machen. Im weiteren Verlauf wird da rücksichtslos die Brechstange rausgeholt und der Text schreit mir förmlich ins Gesicht: Schlüpfriger Humor! Alles überzeichnet! Lachen, jetzt! So funktioniert das aber für mich nicht (zumindest 'auf dem Papier').

Thilo verstand sie gut, obwohl es kein Hobby von ihm war, Zeit mit Menschen zu verbringen.
Mmmh, finde das ein wenig übererklärt, würde es deshalb streichen. Die Aussage zuvor, dass der Protagonist nicht gerne oder keine neuen Leute kennenlernt oder kennenlernen kann, finde ich ausreichend.

Seine Kollegen – und keiner von ihnen hätte im Fach «Geselliges Miteinander» mehr als eine 4 minus bekommen – hielten ihn für langweiliger als einen defekten Radiowecker.
Dass sie ihn mit einem defekten Radiowecker vergleichen, finde ich ganz gut, aber ich hätte es hier nicht einfach so als Behauptung gebracht. An der Stelle könnte man vielleicht mehr zeigen, was seine Kollegen über Thilo denken, indem Du zwei, drei der gemeinsten Beispiele bringst, wie sie ihn die letzten Jahre so betitelt haben. Und auch: Machen ihm solchen Bezeichnungen nichts aus? Schluckt er das einfach still in sich hinein, ohne jegliche emotionale Reaktion? Seine Einschätzung, dass die Kollegen beim geselligen Miteinander nur eine Vier Minus bekommen, geht für mich in die richtige Richtung, er scheint aber insgesamt recht emotionslos gegenüber seinem Leben (außer, dass er halt unbedingt ficken will).

Aber wirklich ein Dorn im Auge war ihnen, dass er sein Leben am liebsten im Büro verbrachte und gar kein Privatleben zu haben schien, nicht einmal das mit einer Fertigpizza und zwölf Bier abends vor dem Fernseher.
Auch wenn das Leben mit Fertigpizza und zwölf Bier ebenfalls recht klischeebehaftet ist, musste ich aufgrund der Formulierung hier dennoch lachen :thumbsup:

Er hatte innerhalb weniger Stunden mit mehr als doppelt so vielen Frauen zu tun als in den zwölf Jahren zuvor. (Wenigstens, solange die nicht mitzählten, die man anklicken musste, damit sie sich bewegten.) Zwei vollkommene und vollständige junge Frauen.
Ich weiss nicht, das in Klammern würde ich streichen. Es ist sehr naheliegend, dass er sich irgendwelche Pornos am PC reinzieht. Wenn das eher so in die Schmuddel-Humor-Ecke abzielen soll, ist es bisher aber noch recht harmlos. Was ist hier mit 'vollständig' gemeint? Also ich denke, der Erzähler spricht hier davon, dass Thilo eben echte, also reale Frauen trifft, die nicht nur aus Pixel auf einem Bildschirm bestehen. Das mit dem 'vollständig' gibt der Aussage aber eine etwas spezielle Färbung, weil bei mir ist da gleich die Frage aufgekommen, ob er sich manchmal Pornos reinzieht, wo Amputierte oder sonst körperlich Versehrte miteinander vögeln :D:dozey: Zum ersten Satz (im Zitat): Gibt es keine einzige Frau in seinem Büro? Sehr klischeehaft, oder? Okay, wie gesagt, bei Humor ist es sicherlich so eine Sache, eben mit diversen Klischees zu spielen und diese auch zu überhöhen, aber mir war das ehrlich gesagt, hier zu Beginn, insgesamt eine etwas zu hohe Klischeedichte. Ich nehme an, das ist selbstverständlich so gewollt, aber meins ist das irgendwie nicht ... Habe auch schon andere Texte kommentiert, wo dann geschrieben wurde: Mensch, natürlich sind die Klischees gewollt, diese machen ja die Geschichte aus! Nee, da bin ich raus.

Sie war hinter ihm her und sie sah nicht mehr so aus, wie er sie positiv in Erinnerung hatte.
Ich denke, das brauchst Du nicht extra zu erwähnen.

Was ich beim Einstieg etwas ungünstig finde ist, dass seine Flucht da mit einer längeren Rückblende unterbrochen wird. Es geht in dem Sinne direkt mit Action los, die dann aber extrem verlangsamt wird, weil erstmal Thilos Hintergründe (das Büro, sein sozialer Status etc.) erläutert und erklärt werden. Erst am Ende des Absatzes sind wir wieder bei Thilo im Wald. Will sagen: Ich würde das umstellen, zuerst Thilo einführen und dann erst darauf eingehen, in welcher Situation er sich momentan befindet, weil so hatte ich Mühe, mich darauf einzulassen und habe mich gefragt, wieso der Erzähler mich da erstmal wieder aus der Szene rausholt bzw. extrem rauszoomt, anstatt bei Thilo zu bleiben und die Spannung weiter anzuziehen. Es hat für mich vom Ablauf her also nicht recht funktioniert, ich hatte Orientierungsschwierigkeiten. Aber liegt vielleicht auch nur an mir.

Er traf auf die Erste der beiden Frauen
Ohne Gewähr: Ich hätte hier 'die erste' klein geschrieben, weil 'die erste Frau', oder?

Sie ist nicht unerheblich seltsam, dachte er
Wieso so um die Ecke formuliert und nicht einfach: Sie ist seltsam, dachte er?

Ich muss es bekommen, muss es bekommen, so dachte es in ihm.
Mmmh, ich finde die Stelle, an der Thilo die erste Frau trifft, so ein wenig unangenehm (wobei, so sollte es wahrscheinlich rüberkommen), weil der Thilo die Frauen sehr zu objektifizieren scheint. Kann man machen, ein Text mit solchem Sujet verdirbt mir persönlich dann die Lust am Weiterlesen aber ein wenig, weil mein Humor ist's eher nicht.

sein Fuß bleibt hängen, in irgendsoeinem verdammten Scheißdreck;
Was für einem Scheissdreck? Stolpert er über eine Wurzel? Ich finde den Ausdruck an der Stelle unpassend.

Immerhin war es ihm damit schon einmal gelungen, für eine Weile ein Eichhörnchen in Schach zu halten, das ihn im Stadtpark böse angestarrt hatte.
Das mit dem Messer, dass ihm seine Mutter mit dreizehn zur Selbstverteidigung geschenkt hat, fand ich noch lustig, aber hier und auch andernorts führst Du meiner Meinung nach deinen Charakter vor (später im Text wird das noch extrem auf die Spitze getrieben): Er ist so ängstlich, dass er sein Messer gegen ein Eichhörnchen gezogen hat. Nee, sorry, das wirkt comic-haft und zieht bei mir auch auf der Humorebene nicht. Hat Thilo überhaupt irgendeine positive Eigenschaft? (muss er nicht haben, aber ich kriege so langsam das Gefühl, der Autor zieht einfach über den Charakter her und macht ihn lächerlich bis auf die Knochen -> das funktioniert bei mir höchstens, wenn der Charakter ein kompletter Arsch ist, aber so lese ich ihn nicht unbedingt)

Vermutlich gab es ein sicheres Atommülllager, nicht weit von hier.
Naja, eher ein unsicheres Atommülllager, oder? :D Aber es soll wohl aussagen, das da ganz sicher ein Atommülllager in der Nähe ist. Vermutlich ist da sicher eins? Ist das der Witz? Ich würde 'sicher' streichen.

Zunächst hockte er allein an seinem Tisch.
Zunächst hockte er allein am Tisch, würde ich schreiben, bei dieser Formulierung 'seinem Tisch' denke ich automatisch irgendwie daran, dass er öfters dort sein muss, weil es sozusagen sein Stammtisch ist, also sein Tisch.

Beim dritten Bier setzte sie sich zu ihm. Zu ihm setzte sie sich. Es war wie in einem Märchen.
Das wiederholende Element hier bricht mit dem restlichen Stil, wirkt unmelodisch, fremdköperartig, unterbricht den Flow. Aber ich verstehe schon, er ist halt bass erstaunt, dass sich ihm da eine Frau nähert. Zumindest ein Ausrufezeichen nach dem unterstrichenen Satz würde ich setzen.

Fassungslos vor Glück starrte er ihr unauffällig in den Ausschnitt.
Unauffällig starren? Auch hier nehme ich an, es ist mit einem Augenzwinkern gemeint ... Bei mir funkt das aber nicht so richtig. Ich glaube, der Humor ist mir einfach zu platt.

«Willst noch eins?»
Das fiel für mich aus ihrer Sprechweise. Ich finde, sie hätte hier besser 'Willst Du noch eins?' gesagt, weil sie ihn zuvor auch immer in der Höflichkeitsform des Du angeredet hat.

Thilo merkte, dass er schwitzte wie in der Sauna. Magrats ausladende Formen strahlten Hitze aus wie Feuer, wie ein Lagerfeuer oder, größer noch, wie ein brennender Scheiterhaufen.
Wie in der Sauna, wie Feuer, wie ein Lagerfeuer, wie ein brennender Scheiterhaufen: Die Verstärkungen haben für mich eher einen gegenteiligen Effekt, da mir persönlich too much, vier verschiedene Formulierungen, alle mit Hitze und Feuer, die genau dasselbe aussagen: Thilo brennt vor Begierde.

Gewiss, das alles war höchstens unzureichend normal, so viel stand fest.
Okay, vielleicht muss ich meine Anmerkung von weiter oben etwas relativieren, es scheint ein Stilmittel des Erzählers zu sein, sich so verschroben auszudrücken, mir persönlich sagt das aber weiterhin nicht so viel, es macht den Text nur umständlicher zu lesen. Außerdem ist der Typ doch ein PC-Nerd, mir fehlt etwas diese nerdige Ader, von der auch der Erzähler ruhig etwas mehr transportieren könnte (ein PC-Nerd charakterisiert sich ja nicht nur über fehlenden Kontakt zum anderen Geschlecht und sozialer Isolation). Für mich passt dieses Verschrobene nicht recht zu meiner Vorstellung von Thilo als Gameentwickler, es klingt eher nach altem Professor (auch diese Dinge wegen der Physik etc.).

Ja, ich bin ausgetrocknet, ich bin durstig, verdurstet bin ich fast, inmitten all der Springbrunnen um mich herum. Ich kann nicht mehr warten, ich muss trinken, endlich trinken, endlich diesen höllischen Durst löschen!
Den Durst? Der muss doch sein Lendenfeuer löschen in all den Springbrunnen :D Oder steht er auf Golden Showers? :P

Thilo robbt in ein Gebüsch.
Hier war ich erst ziemlich verwirrt, was nun abgeht. Aber dann der Schlag mit der flachen Hand vor die Stirn: Der Thilo ist ja immer noch auf der Flucht und das ganze Drumherum mit dem 'Kennenlernen' der Frauen ist ja alles retrospektiv erzählt! Die beiden Erzählstränge laufen für mich zu losgelöst voneinander bzw. ich habe an der Stelle den Faden längst aus den Augen verloren, der seine Flucht beschreibt (auch weil durch das Retrospektive sämtliches Gehetztsein und die Angstgefühle einer Flucht verloren gehen).



Ich mache hier mal einen Schnitt. Normalerweise hätte ich spätestens jetzt aufgehört zu lesen, weil mich die Story nicht einfangen konnte. Warum das so ist, habe ich oben mit meinen Kommentaren auszudrücken versucht. Werde deine Geschichte aber trotzdem mal noch fertiglesen, um vielleicht eine Art Fazit formulieren zu können:

Also, es gibt noch eine dritte Ebene: Die, wo Thilo im Büro ist und seinen Kollegen von den Ferien erzählt. Er ist da somit nochmal heile rausgekommen. Die Blutorgie gegen Schluss habe ich ehrlich gesagt nur noch überflogen. Ganz am Ende stellt sich dann raus, das hat alles nur in diesem PC-Spiel stattgefunden (er hat das halt gespielt oder ist selbst Teil des Spiels): Also auf der vierten Ebene (Flucht, Geschehnisse im Dorf, Büro, Spiel). Ich sehe den Effort, aber für mich hat der Humor nicht gezündet. Was natürlich das Todesurteil für eine witzige Geschichte ist. Die verschiedenen Erzählebenen sind -- wie bereits zuvor gesagt -- für mich zu wenig miteinander verzahnt und gerade zu Beginn hatte ich da den Eindruck, ziemlich unsanft hin- und hergeworfen zu werden. Es gibt ja die Stelle, wo sich diese Wandbilder in ihren Rahmen bewegen und Laute aus ihnen erklingen und Thilo sich gedanklich notiert, nach den Algorithmen zu fragen. Aber das hat für mich nicht ausgereicht, da ein vollständiges Bild zusammenzukriegen, also für mich gab es zu wenig Hinweise, dass sich das in einem Spiel abspielt, das Feeling war für mich nicht richtig (da gäbe es viele Möglichkeiten, dies zu verdeutlichen: Lags, Grafikfehler, Treppeneffekte an Objekten aufgrund schlechtem Antialiasing, wasweißich / Und ja: Ich oute mich hier mal als Gelegenheitsgamer! :D). Weshalb die beiden Ebenen am Schluss, das Büro, das Spiel, dann eher ins Leere gelaufen sind und drangetackert wirkten.

Ansonsten: Der notgeile Nerd Thilo blieb mir fremd und wirkte meist sehr schablonenhaft (wie auch die Frauen), die Handlung aus Sex und Blut ist mir zu plump zusammengestrickt und ich vermisse etwas Eindringliches, etwas das mich erreicht, aber ich sehe da nur Oberflächlichkeit bzw. eben für mich zu flachen Humor. Da sich der Text an keiner Stelle auch nur ein Quäntchen ernst nimmt, wird halt alles unter diesem 'ich-hab-schwere-Not-und-will-endlich-mal-ein-Rohr-verlegen'-Humor begraben, was beides -- die Handlung und die Charaktere -- für mich schlussendlich nicht interessant genug macht (wenn ich das richtig interpretiert habe und alles in einem Videospiel stattfindet, ist das mMn trotzdem keine Ausrede für die eindimensionalen Charaktere, das Storytelling und die Charakterisierung in modernen Spielen ist teilweise echt richtig geil gemacht / Auch interessant: Environmental Storytelling).

All das ist natürlich nur meine Meinung/mein Humorgeschmack. Ich steh einfach auf leiseren, etwas feinfühligeren Humor, nicht auf den mit der Brechstange. Und wie immer: Andere mögen es ganz anders sehen und beurteilen. Trotz der ganzen Kritik freue ich mich auf deine nächste Story, weil ich weiß, dass Du auch Sachen schreibst, die mich abholen. Falls ich bei diesem Text irgendwie unfair kommentiert haben sollte, dann sag mir das auf jeden Fall!

Zu guter Letzt: Nimm mir das nicht krumm, aber am Ende muss ich -- bezogen auf diesen Text -- leider wählen:

Neues Spiel? Y(es) or N(o)
N(o).

Beste Grüße,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @deserted-monkey,

vielen Dank für deine Anmerkungen. Gerade weil ich weiß, dass du mit der Genre-Kombination etwas anfangen kannst (normalerweise), hat 'dein Wort' für mich ein besonderes Gewicht.

In der Regel bin ich von einer Geschichte überzeugt, bevor ich sie hier reinstelle. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass das eine oder andere noch nicht rund ist; aber unterm Strich.
Mit der hier habe ich lange gezögert.
Im Vorfeld hatte ich schon (bei etwa 6-8 Leserinnen und Lesern) durchwachsene bis negative Feedbacks, sonderbarerweise aber auch 2 sehr gute; habe an dem Text dann weitergewerkelt, aber einfach selbst kein gutes Gefühl bekommen.

Und gezögert habe ich lange, weil ich hier mit nichts anderem als Verriss rechnete und Bedenken hatte, Leute zu vergraulen; also Leute, die meine Texte gern lesen, zu enttäuschen. Aber ich muss einräumen, ich hab mich verrannt.

Ich habe die Story hier reingestellt, weil ich das Ganze jetzt gern nutzen möchte, was draus zu lernen; und dazu brauche ich Begründungen für das Nicht-funktionieren. Natürlich habe ich auch meine eigene Analyse schon :) Und natürlich ist es ein Dorn in meinem Fuß, das nicht hingekriegt zu haben. Warum? Eine Idee dazu später.

Die Story war anfangs eine Auftrags-Sache, ohne Humor, eine 'echte Horrorstory' einige Sachen waren vorgegeben -- das Setting war also nicht initiativ von mir selbst. (Nerd auf dem Land, 'Monster' und surreale Geschehnisse) Als das nicht so recht gelang, dachte ich, ich mache eine Groteske aus dem Txt. Dies zur Vorgeschichte. Diese 'Transformation' ist mir entglitten. (Trotzdem ich von 1 Seite hörte, es sei geglückt, was ich zu dem Zeitpunkt gar nicht glauben konnte).
Dazu kommt, dass kaum ein Leser oder eine Leserin -- das eigentliche Thema in dem Text gefunden hat. Und da kann ich nur konstatieren, dass das Ding verhunzt ist. Jetzt gehts drum, es als 'Erfahrung' zu verwerten.

Viel Text zur Einleitung. Aber wie gesagt, auch dein Verriss @deserted-monkey kommt nicht unerwartet ;)

Außerdem habe ich nun auch schon ein paar Sachen von Dir gelesen und meist waren die humorig (und bei vielem davon konnte ich auch mitlachen)

Danke. Der Punkt ist, diese Story war vorher eine 'ernste' und der Humor wurde später 'aufgesetzt'. Dabei habe ich aber Teile der vorigen Ruine stehen lassen und das hatte einige Effekte. Zum Beispiel ist der Erzählton nicht homogen und die Figuren sind das gleichfalls nicht. Denn anfangs sollten das echte Figuren sein, später aber im Grunde 'Karikaturen', also überhaupt nicht mehr echt, sondern Klischees in Denken und Handeln. Nur, dass ich die Teile stehen ließ, wo die Figur unmittelbar ihr Erleben teilt. Thilo sollte später in seinen Eckdaten eine Funktion sein, aber da die vorigen Parts weiter vorhanden sind, die suggerieren, es gehe um ihn, ist das nicht gelungen.

Vielleicht funktioniert der vorliegende Text besser, wenn der vorgetragen wird
Das bezweifle ich auch.

Ja, der einsame Nerd, der Computerspieler, er ist verschlossen, er hat keine Freunde und schon gar keine Freundin (er träumt aber ständig von einer bzw. von Sex).
Tatsächlich sollte er auch nur das sein: ein Abziehbild. Die anderen Figuren (die Frauen) sind auch nur seine Interpretationen, daher ebenso platt und pubertär wie seine eigenen Fantasien.

Seine Kollegen – und keiner von ihnen hätte im Fach «Geselliges Miteinander» mehr als eine 4 minus bekommen – hielten ihn für langweiliger als einen defekten Radiowecker.
Dass sie ihn mit einem defekten Radiowecker vergleichen, finde ich ganz gut, aber ich hätte es hier nicht einfach so als Behauptung gebracht. An der Stelle könnte man vielleicht mehr zeigen, was seine Kollegen über Thilo denken, indem Du zwei, drei der gemeinsten Beispiele bringst, wie sie ihn die letzten Jahre so betitelt haben.
Ja, das Problem ist jedoch, dass weder er als Person noch die Kollegen als Charaktere eine Rolle spielen. Der ganze Absatz führt in die Irre. Und, wie du auch später anmerkst, auch zu weit weg vom eigentlichen Geschehen. Konsequenterweise müsste ich die gesamte Sequenz löschen, Thilo kurz einführen und dann gleich auf die Landstraße bringen. Seine Schwachstelle (kein Sex/keine Liebe in seinem Leben, die von den Frauen genutzt wird, indem sie ihm zeigen, was er zu sehen erhofft, während er alles ausblendet, was seinen Wunsch gefährden könnte, könnte man kurz andeuten. Der Erzählstil müsste völlig gerafft und auktorial erzählend sein.
Es geht in dem Text auch nicht um Sex, alle diese Teile müsste ich extrem reduzieren.
Klarer Fall, ich wollte/konnte nicht loslassen von dem schon Geschriebenen.

Sie ist nicht unerheblich seltsam, dachte er
Wieso so um die Ecke formuliert und nicht einfach: Sie ist seltsam, dachte er?
Wegen der Überraschung; das ist tatsächlich etwas, was beim Vorlesen gut ist.
Ich muss es bekommen, muss es bekommen, so dachte es in ihm.
Mmmh, ich finde die Stelle, an der Thilo die erste Frau trifft, so ein wenig unangenehm (wobei, so sollte es wahrscheinlich rüberkommen), weil der Thilo die Frauen sehr zu objektifizieren scheint.
Ja, genau das tut er. (Irgendwer hat mir da 'Sexismus' vorgeworfen.)

Andersrum wird auch er nur benutzt -- und für diesen Zweck manipuliert. Gut und Böse sollten sich auflösen (im Unterschied zu Märchen) und dies ebenso wie 'Realität' zu einer Angelegenheit von Interpretation und Deutung werden. Es sollte unklar sein, ob das alles sich wirklich abspielt oder ein Traum, ein Drogentrip oder ein Computerspiel ist.

Das mit dem 'vollständig' gibt der Aussage aber eine etwas spezielle Färbung, weil bei mir ist da gleich die Frage aufgekommen, ob er sich manchmal Pornos reinzieht, wo Amputierte oder sonst körperlich Versehrte miteinander vögeln
Okay, das wäre unabsichtlich. Das müsste ich dann ändern, wenn ich den Text weiterbearbeiten würde (sehr wahrscheinlich lösche ich ihn aber einfach, nachdem die Diskussion beendet ist).

Habe auch schon andere Texte kommentiert, wo dann geschrieben wurde: Mensch, natürlich sind die Klischees gewollt, diese machen ja die Geschichte aus! Nee, da bin ich raus.
Ja, das ist ein bekanntes Problem. In Satire/Groteske geht es häufig nicht um Figuren und deren Entwicklung, sondern um bestimmte (ja, klischeehafte) Denk- und Verhaltensweisen, die übertrieben werden. Die Figuren sind dann nicht viel dimensional, sondern habe eine Funktion. @lakita sagte vor Kurzem mal: Sie sind "Träger des satirischen Inhalts" oder so ähnlich :)

Es ist also auch eine Frage der Erwartunshaltung und des persönlichens Geschmacks.

Hier ist aber nicht der Leser für das Durcheinander verantwortlich, sondern der Schreiber, also ich.

h raus.
Sie war hinter ihm her und sie sah nicht mehr so aus, wie er sie positiv in Erinnerung hatte.
Ich denke, das brauchst Du nicht extra zu erwähnen.
Ja, stimme zu.

Was ich beim Einstieg etwas ungünstig finde ist, dass seine Flucht da mit einer längeren Rückblende unterbrochen wird. Es geht in dem Sinne direkt mit Action los, die dann aber extrem verlangsamt wird, weil erstmal Thilos Hintergründe (das Büro, sein sozialer Status etc.) erläutert und erklärt werden. Erst am Ende des Absatzes sind wir wieder bei Thilo im Wald. Will sagen: Ich würde das umstellen, zuerst Thilo einführen und dann erst darauf eingehen, in welcher Situation er sich momentan befindet, weil so hatte ich Mühe, mich darauf einzulassen und habe mich gefragt, wieso der Erzähler mich da erstmal wieder aus der Szene rausholt bzw. extrem rauszoomt, anstatt bei Thilo zu bleiben und die Spannung weiter anzuziehen. Es hat für mich vom Ablauf her also nicht recht funktioniert, ich hatte Orientierungsschwierigkeiten. Aber liegt vielleicht auch nur an mir.
Die Rückblende wurde immer länger, weil ich für die echte Horrorstory ein genaues Setting brauchte; allerdings wollte ich mit einer spannenden Szene einsteigen (wegen 'Horrorspannung').
Inzwischen denke ich, ich müsste einfach große Teile rigoros streichen.
(Aber, wie auch immer, es gab auch 3 Leser, die das spannend und gelungen fanden und das hat mich darin bestärkt, irgendwie zu versuchen, es zu erhalten, 'zu retten'.)

Er ist so ängstlich, dass er sein Messer gegen ein Eichhörnchen gezogen hat. Nee, sorry, das wirkt comic-haft und zieht bei mir auch auf der Humorebene nicht.
Ja, schon gesagt, er soll eine Comicfigur sein. Ich will keine Identifikation des Lesers mit ihm. Ich will eine distanzierte Sicht. Aber das kommuniziert nicht gut mit den alten Bauteilen, wo ich Spannung aufbauen wollte -- denn für Spannung brauche ich die Identifikation. Und dann verendet das Ding als Hybrid.

Danke dir, gerade durch deinen ausführlichen Kommentar kann ich da einiges jetzt erkennen.

Vermutlich gab es ein sicheres Atommülllager, nicht weit von hier.
Naja, eher ein unsicheres Atommülllager, oder? :D Aber es soll wohl aussagen, das da ganz sicher ein Atommülllager in der Nähe ist. Vermutlich ist da sicher eins? Ist das der Witz? Ich würde 'sicher' streichen.
Nein, da ist der Witz auf ner anderen Ebene. Niemand würde sagen: 'Komm, lass uns ein unsicheres Atommülllager bauen'. Insofern sind alle Atommülllager 'sichere Atommülllager'. Leider passt es hier aber nicht rein, da hast du recht.

Zunächst hockte er allein an seinem Tisch.
Zunächst hockte er allein am Tisch, würde ich schreiben, bei dieser Formulierung 'seinem Tisch' denke ich automatisch irgendwie daran, dass er öfters dort sein muss, weil es sozusagen sein Stammtisch ist, also sein Tisch.
Ja, ist angemerkt, falls es noch zu einer neuen Version kommt ...

Ganz am Ende stellt sich dann raus, das hat alles nur in diesem PC-Spiel stattgefunden (er hat das halt gespielt oder ist selbst Teil des Spiels): Also auf der vierten Ebene (Flucht, Geschehnisse im Dorf, Büro, Spiel).
Nein, es sollte sich nicht herausstellen, sondern nur 1 von mehreren Möglichkeiten sein.

die Handlung aus Sex und Blut ist mir zu plump zusammengestrickt und ich vermisse etwas Eindringliches, etwas das mich erreicht, aber ich sehe da nur Oberflächlichkeit bzw. eben für mich zu flachen Humor.
Tatsächlich habe ich mir schon was dabei gedacht, sehe aber, dass es für niemand sichtbar ist -- und leider selbst für die nicht, die den Text etwas gnädiger beurteilen.

Trotz der ganzen Kritik freue ich mich auf deine nächste Story, weil ich weiß, dass Du auch Sachen schreibst, die mich abholen. Falls ich bei diesem Text irgendwie unfair kommentiert haben sollte, dann sag mir das auf jeden Fall!
Alles gut, @deserted-monkey, nix unfair. Ich bin froh über deine Kommentierung. Hat mir geholfen.

Im Grunde wär angezeigt, die Story stilistisch anders und ganz neu zu schreiben. Und deutlich kürzer. (Oder, auch diese Meinung gibt es, eine lange dramatische Novelle mit viel Hintergrund und tiefen Figuren). Leider bin ich aus persönlichen bzw gesundheitlichen Gründen zur Zeit schlecht in der Lage. Aber mal sehen!

Gruß von Flac

 

Hallo @FlicFlac,

erstmal gute Besserung, falls du immer noch gesundheitlich zu kämpfen hast. Get well soon!

Meine Kernpunkte ähneln denen von @deserted-monkey, darum fasse ich mich mal kurz. Erster Rausschmeißer wäre für mich tatsächlich auch der IT-Nerd, Computerspieler, der noch nie Brüste angefasst hat und in seinem Zimmer im Keller seiner Mutter mit Ü40 wütende Kommentare ins Netz schreibt, wenn der Schauspieler, der im nächsten Star Trek den Captain Kirk mimt, für ihn eine Fehlbesetzung ist. Das letzte ist jetzt von mir, aber darauf läuft es ja hinaus. Wo das ab von der Klischee-Diskussion meines Erachtens der Geschichte schadet, ist erstens dieser Einstieg, wo minutiös beschrieben wird, was er für ein Typ ist, anstatt es im Laufe der Geschichte einzuweben, die ja im Grunde erst nach dem ersten Sternchen beginnt.

Zweitens überdrehst du es mitunter so krass, dass Sinn und Zweck der Geschichte zu sein scheinen, sich über diesen Menschen lustig zu machen. Leute so vorführen hat fast immer was Unangenehmes, und vor allem kommt in den spannenden Momenten nicht recht Spannung auf, irgendwie sympathisch muss die Figur dafür schon gezeichnet sein, und das macht man am besten, indem man ihr ein bisschen Menschlichkeit lässt.

Das ist auch wichtig für die Horrorszenen, wenn Humor und Horror sich wirklich abwechseln sollen. Wie dm schon schrieb, das ist die ganz große Kunst, weil Humor normalerweise verwässert, im Horror die Stimmung versaut, was ich unter anderem deshalb weiß, weil es mir selbst schon öfter passiert ist. Du hast da ein paar Szenen drin, die könnten einem durchaus beunruhigende Bilder in den Kopf setzen, was aber nicht gelingt, weil du stilistisch eigentlich durchgehend beim Humor bleibst. Hier ist mir das zum Beispiel aufgefallen:

und es sind auch keine menschlichen Beine, sondern etwas, das wie die Dornfortsätze eines Hirschkäfers aussieht und, ganz ehrlich? Nichts von alledem kann es geben, das weiß er absolut sicher. Es existiert, obwohl es unmöglich ist, und das kann man kaum eine Glückssträhne nennen.
Er wendet sich ab und rennt in den Wald, aber er stolpert; sein Fuß bleibt hängen, in irgendsoeinem verdammten Scheißdreck;
Ohne das Fette bleibt Horror, der plötzlich durch die Alberei bricht. Das könnte recht effektvoll sein.

Also, das wären so die beiden Stellschrauben, die ich vorschlagen würde. Dass er nicht so mit Frauen kann und sich lieber vor dem Bildschirm in Phantasiewelten flüchtet okay, aber einfach nicht so dick, nicht so „Guckt euch mal den Loser an hier“. Und zweitens die Sprache. Wenn’s lustig sein soll, kann die ja lustig sein. Aber wenn nicht, dann eben auch lassen. Ich glaube wirklich, so ließe sich mehr da rausholen.

Viele Grüße
JC

 

Hallo @Proof -- vielen Dank für deinen Kommentar. (Hatte gehofft, noch was von dir zu hören, weil du in meinem Kopf als 'Horror-Spezialist' gespeichert bist.

Ich hab lange gebraucht für die Entscheidung, da überhaupt noch was dran zu machen, weil ich eigentlich an ganz anderen Sachen dran bin. Der Fehler war, einfach den 'ernsten Thrillertext', als der misslang, mit Grotesken und Humorteilen anzureichern. Was alles nicht recht zusammenpasst.

Erster Rausschmeißer wäre für mich tatsächlich auch der IT-Nerd, Computerspieler, der noch nie Brüste angefasst hat und in seinem Zimmer im Keller seiner Mutter mit Ü40 wütende Kommentare ins Netz schreibt, wenn der Schauspieler, der im nächsten Star Trek den Captain Kirk mimt, für ihn eine Fehlbesetzung ist. Das letzte ist jetzt von mir, aber darauf läuft es ja hinaus. Wo das ab von der Klischee-Diskussion meines Erachtens der Geschichte schadet, ist erstens dieser Einstieg, wo minutiös beschrieben wird, was er für ein Typ ist, anstatt es im Laufe der Geschichte einzuweben, die ja im Grunde erst nach dem ersten Sternchen beginnt.

Genau. Genau so wird es sein, ich werd das weitgehend entfernen und noch so einiges mehr.
Mal schauen, wie das dann klingt. Wenn es so weit ist, informiere ich noch mal. Wie gesagt, ich versuch das als Übung.

sich über diesen Menschen lustig zu machen. Leute so vorführen hat fast immer was Unangenehmes, und vor allem kommt in den spannenden Momenten nicht recht Spannung auf, irgendwie sympathisch muss die Figur dafür schon gezeichnet sein, und das macht man am besten, indem man ihr ein bisschen Menschlichkeit lässt.
Tatsächlich: Lustig machen wollte ich mich nicht über ihn, und er sollte auch nicht komplett unsympathisch sein, eher hilflos und gefangen in seinen pubertären Vorstellungen.


Hier ist mir das zum Beispiel aufgefallen:
und es sind auch keine menschlichen Beine, sondern etwas, das wie die Dornfortsätze eines Hirschkäfers aussieht und, ganz ehrlich? Nichts von alledem kann es geben, das weiß er absolut sicher. Es existiert, obwohl es unmöglich ist, und das kann man kaum eine Glückssträhne nennen.
Er wendet sich ab und rennt in den Wald, aber er stolpert; sein Fuß bleibt hängen, in irgendsoeinem verdammten Scheißdreck;
Ohne das Fette bleibt Horror, der plötzlich durch die Alberei bricht. Das könnte recht effektvoll sein.
Ja, da muss ich einiges wegräumen.

Danke dir und sorry für die späte Antwort!

Gruß von Flac

 

@Proof @deserted-monkey -- nur zu Info, ich habe entsprechend gekürzt ...

Erster Rausschmeißer wäre für mich tatsächlich auch der IT-Nerd, Computerspieler, der noch nie Brüste angefasst hat und in seinem Zimmer im Keller seiner Mutter mit Ü40 wütende Kommentare ins Netz schreibt, wenn der Schauspieler, der im nächsten Star Trek den Captain Kirk mimt, für ihn eine Fehlbesetzung ist. Das letzte ist jetzt von mir, aber darauf läuft es ja hinaus. Wo das ab von der Klischee-Diskussion meines Erachtens der Geschichte schadet, ist erstens dieser Einstieg, wo minutiös beschrieben wird, was er für ein Typ ist, anstatt es im Laufe der Geschichte einzuweben, die ja im Grunde erst nach dem ersten Sternchen beginnt.
Geschehen.
Genau. Genau so wird es sein, ich werd das weitgehend entfernen und noch so einiges mehr.
Mal schauen, wie das dann klingt. Wenn es so weit ist, informiere ich noch mal. Wie gesagt, ich versuch das als Übung.
Trennung von Humor und Grusel: geschehen, denke ich.

 

Hallo @FlicFlac,

soweit ich mich an die erste Version erinnern kann, hast du die beiden Haupt-Kritikpunkte umgesetzt (Ich sehe gerade, schreibst es auch im vorangegangenen Post …). Sprich: Der Prot ist jetzt nicht mehr so eine ganz heftige Karikatur, und in den eher gruseligen Momenten hast du bei der Gag-Sprache auf die Bremse gedrückt. Ich jedenfalls finde, die Geschichte profitiert davon, jetzt fällt es mir leichter, dranzubleiben und mitzudenken.

Streckenweise sind mir die lustigen Parts immer noch ein bisschen zu drüber, etwas zu albern (so Begriffe wie Kuhdorf), aber wenn man Humor schreibt, muss man da natürlich mit leben, der ist Geschmacksache. Was ich objektiv noch kritisieren würde an den witzigen Stellen, ist so was:

Er hatte innerhalb weniger Stunden sogar zwei Frauen kennengelernt. Es war ein Wunder!
Das Drangehängte walzt den Witz aus, erklärt ihn. Ohne ist stärker.

zwölf Bier
Zwölf Bier ist mir auch zu viel. Als Umschreibung von „viel Bier“ wäre es mir zu platt, und falls wirklich zwölf Bier gemeint sind … Ich glaube Leute, die abends allein vor dem Fernseher zwölf Bier trinken, die haben Probleme, ich weiß nicht, ob das unter einen Hut geht mit Computerspiele programmieren; da brauchst glaube ich schon die Gehirnzellen für, die du dir unter diesen Umständen weggesoffen hättest. Also mit anderen Worten, da leidet für mich die Glaubwürdigkeit in der Charakterisierung ein bisschen.

Die Luft im Gasthof war stickig;
Diesen Absatz fand ich recht lehrbuchmäßig. Wenn die Ungeheuerlichkeiten nicht einfach beschrieben, sondern so organisch ins Erzählte eingewoben werden. Dass der Typ mit den drei Augen sich mit dem mit den zwei Nasen streitet. Es wird quasi erzählt, dass du in einer Parallelwelt gelandet bist, in der Leute mit drei Augen leben, aber ohne, dass du’s merkst. Das fand ich gut.

Was alles dich erwartet
dich alles?

dachte es in ihm.
Ist das Absicht? Kommt mir so vor, aber ich verstehe es nicht ganz.


Viele Grüße
JC

 

Hallo @Proof, vielen Dank dir fürs noch mal Anschauen!

Ich jedenfalls finde, die Geschichte profitiert davon, jetzt fällt es mir leichter, dranzubleiben und mitzudenken.
Danke. Ich habe nach deiner letzte Kommentierung den ersten Abschnitt erneut gekürzt.
Streckenweise sind mir die lustigen Parts immer noch ein bisschen zu drüber, etwas zu albern (so Begriffe wie Kuhdorf), aber wenn man Humor schreibt, muss man da natürlich mit leben, der ist Geschmacksache. Was ich objektiv noch kritisieren würde an den witzigen Stellen, ist so was:
Er hatte innerhalb weniger Stunden sogar zwei Frauen kennengelernt. Es war ein Wunder!
Der Wunder-Satz ist nun weg, den hatte ich übersehen.
Allerdings ist das, was ich schreiben wollte, eine Groteske, da sollen die Dinge wie in einem Zerrspiegel, Traum, Drogentrip und übertrieben daherkommen. Vor allem die Übertreibung ist Stilmittel. Das Denken des Prot ist unangemessen. 'Kuhdorf' denkt er sich bzw. 'denkt sich in ihm'.

Was alles dich erwartet
dich alles?
Betonungssache. Hier soll die Betonung auf 'alles' leigen, nicht auf 'dich', denn das ist die Verheißung, dieses 'alles' ist sein Garten Eden :)

dachte es in ihm.
Ist das Absicht? Kommt mir so vor, aber ich verstehe es nicht ganz.

Ja, Absicht; ist unkonventionell, klar, beschreibt es jedoch korrekt. Vieles im Kopf 'denkt sich' ja von selbst, manchmal auch, ohne dass man dies will, oft jedoch, ohne dass es ein bewusstes Denken ist. Daher finde ich die Form zutreffend; sie kommt im Text mehrfach vor. Ist ein Irrtum zu glauben, 'mein Bewusstsein wäre mit meinen Gedanken identisch'. Da ist viel Automatik implementierter Introjekte beteiligt.
Dem wollte ich in der Formulierung entsprechen.

Gruß von Flac

 

@FlicFlac
Hallo Du, ich finde Deine Geschichte super fetzig, sie hat mir großen Spaß gemacht! Sie ist absurd und etwas überzeichnet, dadurch kommt man schnell in die Handlung hinein. Die Idee ist kreativ und konsequent durchgesponnen, und die Gedanken und Gefühle des Protagonisten gut nachvollziehbar (z.B. dass er gar keine Angst hat, sondern nur an die Erfüllung seiner bis zum Anschlag getriggerten Begierden denkt). Ich habe mit ihm sehr mitgelitten! Die Namen der am Plot beteiligten Personen finde ich ebenfalls gut gewählt, ich habe sie mir gut vorstellen können. Auch das Ende war für mich nicht vorhersehbar...
Alles in allem ein unterhaltsames Leseerlebnis.
LG Krino

 

Hallo @Krino,

vielen Dank dir für deinen Kommentar! (Und noch dazu dein bislang einziger in diesem Forum)

(z.B. dass er gar keine Angst hat, sondern nur an die Erfüllung seiner bis zum Anschlag getriggerten Begierden denkt)
Nun, es ist eine Groteske, daher sind die Figuren so.

Alles in allem ein unterhaltsames Leseerlebnis.
Das freut mich, zumal das Ding da sehr kontrovers diskutiert wurde (nicht nur hier) und, ich glaube 4-mal, komplett überarbeitet.

Viel Spaß dir noch hier im Forum!

Gruß von Flac

 

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