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Hexenquest - Der Entenbaum
Der Vollmond spiegelte sich in der nassen Straße. Kein anständiger Bürger war um diese Zeit noch unterwegs. Das einzige Geräusch, das Salvia hören konnte waren ihre eigenen Schritte, die von den Häusern zurückgeworfen wurden. Wirklich nur ihre eigenen Schritte, oder war da noch etwas anderes? Sie blieb stehen und schaute über ihre Schulter. Es war nichts zu sehen oder zu hören. Allerdings lag ein süßlicher Geruch in der Luft, den sie nicht einordnen konnte. Eilig setzte sie ihren Weg fort. Erneut glaubte sie etwas zu hören. Es klang weniger wie die Schritte eines Menschen, als die eines großen Tiers. Salvia beeilte sich, aber das Geräusch verschwand nicht. Im Gegenteil, es wurde lauter. Schließlich kam Sie zu einer Treppe, so schnell sie konnte lief sie hoch. Auf der höchsten Stufe drehte sich die junge Frau um und stellte ihren Verfolger.
Ein riesiger Hund stieg ein wenig unbeholfen die Treppe nach oben. Er hatte einen haarlosen, mageren Körper mit nachtschwarzer Haut und einen skelettartigen Schädel. Aus seinem Rücken ragte eine Reihe scharfer Stacheln.
Salvias Lippen formten ein Lächeln.
Rems Finger spielten mit dem Knauf seines Schwerts, normalerweise half ihm das beim Nachdenken. Er brauchte ein halbes Dutzend kräftiger Holzfäller. Jedoch war es bereits Vormittag und alle waren im Wald bei der Arbeit, keine Chance, sie dort zu finden. Was hätten die großen Helden in seiner Situation getan? Wie hatte Beispielsweise Orfon der Lichtbringer seine Gefährten kennen gelernt? Soweit Rem sich an die alten Balladen erinnerte hatte Orfon seine Begleiter immer an irgendeiner Kreuzung getroffen. Der Gedanke drängte sich auf, dass die Balladen mehr die Unterhaltung der Zuhörer als Ziel hatte und nicht die genaue Wiedergabe von Ereignissen. Wenn die Lösung für sein Problem nicht um die nächste Straßenecke spazierte, würde er zugeben müssen, dass er ein Versprechen gegeben hatte, das er nicht einhalten konnte.
Eine junge Frau kam um die Straßenecke und schleifte einen riesigen Hund mit skelettartigem Schädel hinter sich her. Sie hatte lange, rote Haare, trug ein hellblaues Kleid und Marschsandalen. Und was am wichtigsten war: Sie schleifte einen riesigen Hund mit skelettartigem Schädel hinter sich her. Je länger Rem sie ansah, umso neugieriger wurde er. Wie hatte sie das Ungeheuer getötet? Sicher nicht mit dem kurzen Dolch an ihrem Gürtel. Der Hund hatte auch, soweit Rem es sehen konnte, kein Anzeigen von Schnitten oder Stichen, aber große Teile seines Körpers waren verbrannt. Plötzlich wurde es im klar, die Frau musste eine Zauberin sein.
„Willst du nur zusehen oder hilfst du mir?“, rief sie ihm zu.
Rem zögerte kurz, dann fasste er mit an.
„Habt Ihr den Stachelhund etwa mit Magie getötet?“, fragte er.
„Allerdings. War viel einfacher, als ihn hierher zu bringen.“
Zusammen schafften sie den Hund zur Wachbaracke.
„Der Kopf hätte gereicht“, sagte der Wachhabende und gab Salvia zwei Silberstücke. „Deshalb nennt man es Kopfgeld.“
„In der letzten Stadt habe ich nur den Kopf gebracht. Der Wachmann hat behauptet er seine eine Fälschung. Wir haben gestritten, er ist wütend geworden, ich bin wütend geworden und am Ende ist die Baracke abgebrannt. So ist es für alle viel angenehmer.“
Der Wachmann lachte laut und schickte sie dann nach draußen.
„Sagt bitte dem Schinder Bescheid, damit er das Teil abholt“, rief er ihnen nach.
„Also dann, man sieht sich“, verabschiedete Salvia sich.
„Einen Moment, ich brauche bei etwas Eure Hilfe.“
Sie blieb stehen.
„Seht Ihr, ich arbeite für die roten Dragoner“, fuhr er fort. „Ich sollte für eine Monsterjagd Leute anheuern, aber ich habe niemanden gefunden. Das ich Euch begegnet bin ist ein echter Glücksfall. Kommt, mein Chef wartet im 'Kupferkessel', er wird alles erklären.“
„Schon zurück?“ fragte ein Elf, der an einem der Tische beim Essen saß. „Hast du die Arbeiter aufgetrieben?“
„Viel besser, ich habe eine Zauberin. Den Baum zu verbrennen, ist doch sicher einfacher, als ihn zu fällen“
„Ich bin keine Zauberin, sondern eine Hexe“, brummte Salvia.
Rem überlegte, was er über Hexer wusste. Als Kind hatte er mal einen Zauberer gesehen, der durch sein Dorf gereist war. Jedenfalls vermuteten sie, dass er ein Zauberer war, weil er einen Langen Bart hatte, einen Stab und einen spitzen Hut trug. Wochenlang hatte man über nichts anderes gesprochen. Aber einem Hexer war er nie begegnet.
„Gibt es da einen Unterschied?“, fragte er schließlich. „Ich habe gedacht Hexe ist bloß ein Schimpfwort für Zauberin.“
„Ob Zauberin oder Hexe spielt keine Rolle“, ergriff Cion das Wort. „Eine Demonstration eurer Fähigkeiten ist allerdings schon notwendig. Aber wo bleiben meine Manieren? Ich bin Cion, Mitglied der roten Dragoner.“
Er hielt seine Hand so, dass Salvia einen silbernen Siegelring mit einen Drachen, sowie den Buchstaben „CI“ sehen konnte.
„Ich bin Salvia die Feuerhexe. Ich zünde Sachen an.“
Rem war zum Bersten gespannt. Endlich würde er Magie sehen. Ein Spektakel, das er sicher nicht so schnell vergessen würde. Sie ging mit ihren Finger nah an eine Kerze. Eine kurze Bewegung des Fingers und der Docht brannte.
„Beeindruckend, nicht war? Es kostet mich einiges an Konzentration, dass nicht gleich der ganze Tisch in Flammen aufgeht.“
Cion schien dieser Beweis zu genügen. Er fuhr fort: „Meine Gilde wurde um Hilfe gebeten, weil in der Gegend immer wieder Stachelhunde, wie Rem sie getauft hat, gesichtet wurden. Wir haben schon einige zur Strecke gebracht, aber es tauchen immer wieder neue auf. Gestern haben wir jedenfalls einen entscheidenden Hinweis erhalten. Ein Jäger hat auf einer Lichtung einen Entenbaum entdeckt.“
„Ist das ein Baum, der Federn anstatt Blätter hat und der quakt, wenn man Brot danach wirft?“
Cion atmete tief durch.
„Ein Baum, an dem Monster wachsen. Es wird allgemein angenommen, dass er so heißt, weil das erste gesichtete Monster einer Ente ähnelte. Jedenfalls jagen die Monster und füttern den Baum mit der Beute. In die Stadt haben sie sich aber bisher nicht getraut.Um in zu vernichten wollten wir ein paar Holzfäller anheuern. Allerdings macht Magie die Sache viel einfacher. Was sagt ihr, könnt ihr einen riesigen Monsterbaum verbrennen?“
„Es gibt nur einen Weg das herauszufinden, nicht wahr? Wann geht es los?“
„Nach dem Frühstück“, antwortete Cion und bestellte noch mehr.
Nach einer guten Stunde Fußmarsch fanden sie die Stelle, die der Jäger beschrieben hatte.
„Es stinkt genauso, wie das Vieh gestern“, bemerkte Salvia.
Sie legten ihr Gepäck ab und schlichen vorsichtig durch das Unterholz auf die Quelle des Geruchs zu.
Sie erreichten eine Lichtung, auf der nicht mal ein einziger Grashalm stand. In der Mitte wuchst ein grotesker Baum. Seine Zweige waren dick und Verdreht. Sie trugen riesige Früchte, die größten hatten fast zwei Schritt Durchmesser. Obwohl nicht der geringste Wind wehte, wiegten sich die Zweige hin und her. Die nackte Erde um den Stamm war aufgewühlt, als hätte man etwas vergraben.
„Er ist größer, als ich dachte. Nicht mehr lange und sie hätten die Armee mobilisieren müssen. Denkt dran, der Baum wird sich wehren“, flüsterte Cion und zog sein Sichelschwert.
Mit gezückten Waffen rannten sie auf die Lichtung. Der Baum reagierte auf ihre Anwesenheit. Die Äste zuckten und die beiden größten Früchte fielen vom Baum. Lange Stacheln schlitzten die Hülle von innen auf und zwei große Hunde schlüpften. Salvia streckte ihre rechte Hand aus, mit einem Rauschen erschien über ihrer Handfläche eine Flamme, ihre Lippen formten ein Lächeln.
Die Hexe holte aus und warf die Flamme nach den Hunden. Der Treffer riss einem sein Vorderbein ab. Trotz des fehlenden Beins griff der Hund an.
„Dein Auftritt, Schwertkämpfer!“, rief sie.
Rem schwang nach dem skelettartigen Kopf. Der Hund fing das Schwert mit den Zähnen ab und versucht es Rem aus der Hand zu reißen. Mit einer zweiten Flamme traf Salvia den Rücken, der Hund ließ los. Rem schwang das Schwert erneut. Grünes Blut tropfte auf den Boden und das Ungeheuer blieb regungslos liegen.
Währenddessen griff Cion das zweite Monster an. Mit einem Wurfring traf er das linke Auge. Von der Verletzung unbeeindruckt sprang der Stachelhund Cion an. Der Elf sprang nach links, um auf die nun blinde Seite zu kommen und schlug dem Hund mit der Stumpfen Seite seines Schwerts den Schädel ein.
Salvia nutzte die Chance und warf einen Feuerball auf den Entenbaum. Sie versengte ein paar Äste und kleinere Früchte, das Feuer ging aber wieder aus.
„Das reicht nicht!“, rief Cion.
„Gebt mir Deckung!“, rief sie zurück.
Sie klatschte einmal laut in die Hände. Zwischen ihren Handflächen flammte eine Spirale auf, die langsam, aber sicher wuchs. Rem stellte sich vor Salvia, er konnte die Hitze in seinem Nacken deutlich spüren. Als wäre er sich der Gefahr bewusst, warf der Baum vier der kleineren Früchte ab. Die neuen Stachelhunde hatten eine weiße Haut, wie unreife Kastanien.
Mit einem mächtigen Hieb spaltete Rem dem ersten den Schädel. Bevor er sein Schwert wieder heben konnte, biss ihm ein Hund in die Seite. Trotz der Rüstung konnte er die Zähne spüren. Mit den Schwertknauf stieß er ihn weg und rammte ihm die Spitze in den Leib.
„Aus dem Weg!“, rief Salvia.
Rem fuhr herum. Die Feuerspirale hatte jetzt einen Durchmesser von fast einem Schritt, hastig warf Rem sich auf den Boden. Sie hob ihre Hände und schrie laut. Die Feuerspirale wuchs zu einer großen Schlange an, die auf den Baum zuschoss. Der Aufprall war so heftig, dass unreife Früchte vom Baum geschleudert wurden und das Holz splitterte. Wenige Augenblicke später stand er lichterloh in Flammen. Gebannt starrte Rem auf auf das Feuer. Ein paar kleinere Stachelhunde schlüpften, aber sie fielen nach wenigen Schritten tot um.
Salvia ging in die Knie und atmete tief durch.
„Alles in Ordnung?“, fragte Rem.
Als Antwort bekam er nur ein Keuchen.
„Sie muss sich nur ausruhen“, sagte Cion. „Aber bei dir müssen wir dringend etwas unternehmen. Mit Bisswunden ist nicht zu spaßen. Vor allem bei Monstern.“
Der Elf holte ihr Gepäck aus den Büschen. Er packte Brot und Hartkäse aus. Rem musste kämpfen, um auch nur einen Bissen herunter zu bekommen, die Anspannung vom Kampf saß ihm noch in den Knochen. Als es bei besten Willen nicht mehr ging, nahm er eine Flasche aus Cions Gepäck. Sie war mit einer klaren, roten Flüssigkeit gefüllt. Ein hilfreiches Etikett warnte davor, den Inhalt auf nüchternen Magen einzunehmen. Er nahm einen Schluck. Es kostete Rem einiges an Überwindung, den Trank nicht sofort wieder auszuspucken. Dabei war der Geschmack nicht mal annähern das Schlimmste.
Zuerst spürte Rem nur ein leichtes Brennen, wo der Stachelhund ihn gebissen hatte, dann wurde es immer stärker. Ihm brach der kalte Schweiß aus. Irgendwie musste er sich ablenken. Vielleicht half es, wenn er sich mit Salvia unterhielt.
„Ist es eigentlich schwierig eine Zauberin zu werden? Man muss doch sicher eine Menge Bücher lesen.“
„Der Alte hat gesagt, dass ich Bücher sowieso nicht begreife, darum war meine Ausbildung größtenteils praktisch. Lass es mich so sagen, von dem Zeug hier habe ich eine ganze Menge gebraucht. Weißt du, was am unheimlichsten an Heiltränken ist? Wenn man genug trinkt, fängt man an es zu mögen.“
Endlich ließ der Schmerz nach. Rem kontrollierte die Wunde. Es war als wäre sie nie da gewesen. Eigentlich hatte er gehofft, eine beeindruckende Narbe zurückzubehalten.
Cion kam mit einem Sack über der Schulter zurück.
„Ich habe die unreifen Früchte eingesammelt. Ein paar brauchen wir für das Kopfgeld, den Rest können wir an einen Alchemisten verkaufen.“
„Rem.“, sagte Salvia. „Danke, dass du mir eben Deckung gegeben hast. Du hättest sonst dem Stachelhund ausweichen können, nicht war? So etwas hat noch nie jemand für mich getan.“
„Kein Problem.“
Salvia wendete ihren Blick ab.
„Da ist noch etwas, was ich dir sagen muss.“ Sie schubste Rem in einen Brombeerbusch. „Nenn mich nicht Zauberin.“