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Heute vielleicht?

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17.12.2010
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Heute vielleicht?

17 Uhr
Endlich Feierabend. Es scheint immer eine Ewigkeit zwischen Arbeitsbeginn und Dienstschluss zu liegen. Jeden Tag stand er pünktlich um 6:55 Uhr an der Schranke, die zum Innenleben des monströsen Chemiewerkes führte. Immer dieselbe Frage: „Darf ich das Werksgelände betreten?“. Und natürlich kam die Antwort wie von einem Automaten: „Natürlich, Herr S. Einen schönen Tag.“ Jedes Mal, sagte er halbherzig, dass er ihm das gleiche wünsche, innerlich hoffte er aber, dass er einmal einen wirklich schönen Tag haben würde. Innerlich hoffte er, dass einer der riesigen Tanks ein Leck hätte oder die Elektronik spinnen würde, damit das Werk für einen Tag geschlossen wäre oder für eine Woche oder für immer.
Naja, beiseite mit den Gedanken, denn jetzt war es 17 Uhr.
Nun war es an der Zeit wieder in seine eigenen vier Wände zurückzukehren. Endlich. Vor Freude hätte er fast vergessen, noch einmal zu seinem Chef zu gehen. Es war jeden Freitag so, dass er sich nochmal von ihm verabschiedete. Eilig schritt er die Treppen in die zweite Etage hinauf, wo das Büro seines direkten Chefs lag.
Ein kurzes Klopfen signalisierte ihm, dass sein produktivster Angestellter wieder bereit für sein wohlverdientes Wochenende war. Herr S. war wirklich gut.
Ich sollte aufpassen, dass keiner meiner Bosse auf ihn aufmerksam wird, denn ansonsten kann ein Vermittler mir einen neuen Job suchen. So schnell würde er kein Jobangebot bekommen, zumindest nicht die Position, die ich momentan besitze und die Geheimhaltungsklausel verbietet mir, in einem Zeitraum von 6 Monaten bei einer Konkurrenzfirma anzufangen.
„Herein.“
Ein dunkelhaariger, etwas trainierter Mann, mit längeren gelockten Haaren trat ein. Er ging mit leicht gesenktem Kopf. Bei der letzten Fortbildung für Führungskräfte hatte er gelernt, dass diese Körperhaltung auf geringes Selbstbewusstsein schließen ließ, vielleicht war das sein Glück.
„Hallo Herr P. Wie geht es Ihnen?“
„Gut. Danke der Nachfrage. Wissen Sie, was ich mir überlegt habe?“
„Nein, was denn?“
Das war typisch Herr P. Jeden Freitag dasselbe. Er immer mit seinen Ideen. Mal sehen, was es diesmal war.
„Wie wäre es, wenn wir den Silikonen Sulfat beimischen würden, um die Aushärtungszeit zu verringern?“
„Das klingt ja interessant.“
Das letzte Mal, als sie auf die glorreiche Idee kamen, war der Sulfat-Anteil so hoch, dass die gesamte Masse so schnell ausgehärtet war, dass alles an der Mischmaschine hängen geblieben war. Er hatte noch schnell zwei Kollegen herbei gerufen, damit sie die Maschine retten konnten.
„Hatten wir nicht vor zwei Monaten eine ähnliche Versuchsreihe?“
„Meinen Sie Herr S.?“`
„Ja natürlich, damals war die Aushärtungszeit so gering, dass uns die Silikone noch während des Mischvorgangs in der Maschine ausgehärtet ist. Wir hatten nicht einmal die Zeit, um etwas für unsere Tests abzufüllen.“
„Oh, gut, dass sie mir das sagen, Herr S. Da müssen wir diesmal aufpassen. Dann müssen wir den Sulfat - Anteil sehr gering halten.“
Mensch, der Chef ist wirklich ein Genie, manchmal frage ich mich, warum er mein Boss ist.
„Also dann, Herr P., ich verabschiede mich ins Wochenende.“
„Ja, natürlich. Achso, haben Sie schon Pläne für Samstagnachmittag?“
„Leider ja.“
„Oh, das ist schade. Vielleicht ein anderes Mal?“
„Ja, natürlich“
„Ok, dann genießen Sie ihr Wochenende.“
„Danke, das wünsche ich ihnen auch.“
Danach verließ er das Büro. Gut gelaunt ging er eine Etage herab. Die Gänge waren wie leergefegt, als ob pünktlich um 17 Uhr alle Menschen aus den Räumen gebeamt würden.
Er ging in den Umkleideraum, öffnete seinen Spind, nahm seinen kleinen Rucksack heraus und tauschte seinen weißen Laborkittel gegen eine dünne Windjacke. Nachdem er den Spind wieder abgeschlossen hatte, warf er seine Arbeitskleidung in den großen Wäschekorb und verließ den Raum. Als er das Laborgebäude verließ, herrschte in der Forschungsabteilung Grabesstille. Man hätte das tippeln einer Maus hören können, ok, hier gab es keine Mäuse, aber wenn es welche gegeben hätte. Langsam schloss er sein Fahrrad ab, stieg auf und fuhr zu dem wohlbekannten Pförtnerhaus.
Diesmal fragte keiner. Er verließ das Werkgelände und war frei.
Dafür hatte sein Abiturschnitt also 1,8 sein müssen, damit ein Mensch über ihn bestimmte, der meistens das Wissen seines Mitarbeiters brauchte, um seinen Job ordentlich machen zu können. Ein erfülltes Leben sieht anders aus.
Schon nach einigen Minuten sah er schon das wohlbekannte blau- gelbe Schild des Lidl Discounters. So praktisch diese Geschäfte auch waren, sie waren wie Unkraut, kaum waren sie einmal in der Stadt, wurden es immer mehr. Nur dieser war ihm ans Herz gewachsen, da in ihm eine der schönsten Frauen arbeitete, die er kannte.
Schnell war sein Fahrrad wieder angeschlossen und er betrat das Geschäft. Langsam bahnte er sich seinen Weg und blieb vor dem Brotregal stehen. Mischbrot oder Körnerbrot, das war hier die Frage, nicht „sein oder nicht sein“. Als er mit der Ausbildung zum Chemielaboranten begonnen hatte, war ihm alles noch so wunderbar vorgekommen. Neue Erkenntnisse gewinnen, die Forschung voranbringen und neue Wege finden, das waren seine Ziele gewesen. Aufstieg, Karriere und eine Familie waren seine Vorstellungen vom perfekten Leben gewesen. Was war daraus geworden? Familienvater war er nicht, sein Boss war anscheinend nicht für den Beruf geeignet und Freundin war auch keine in Sicht. Da war er also anscheinend mehr als nur einmal vom richtigen Weg abgekommen. Es hätte auch schlimmer kommen können, die Frage war, wollte er nicht vielleicht einiges in Kauf nehmen, nur um etwas anderes zu bekommen?
„Können Sie sich nicht schneller entscheiden?“. Die wütende Stimme einer entnervten Frau riss ihn aus seinen Gedanken. „Meine Kinder würden heute noch gerne Brot zum Abendbrot und nicht zum Frühstück essen.“ Energisch griff sie nach dem letzten Mischbrot und ging mit einem Tempo weiter, bei dem jeder Marathonläufer neidisch geworden wäre. Es gab nur noch ein Körnerbrot, nun ja damit konnte er auch leben. Nun nur noch eine Packung Salami und schon war sein Wocheneinkauf auch erledigt. Langsam näherte er sich der Kasse. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Als er das Abiturzeugnis in den Händen hielt, hatte er gehofft, dass damit die Angebote gemeint waren, aber nun waren es die Einkaufskassen in der Lidl Fiale. Wie Dinge sich ändern konnten. An Kasse zwei saß wieder die nette Verkäuferin, für die sein Herz Gefühle hatte, sein Verstand ihm aber sagte, dass daraus nie etwas werden würde. Er stellte sich an Kasse zwei an. Als seine Einkäufe langsam über den Scanner wanderten, fragte sie ihn lächelnd:“ Na der Wocheneinkauf schon erledigt?“
„Für diese Woche ja.“ Am liebsten hätte es ihm gefallen, wenn sein Mund die Frage: Und was machen Sie am Wochenende? angeschlossen hätte, aber es wollte nicht gelingen.
Genauso wie bei seiner ersten großen Liebe. Seine Schüchternheit hatte dazu geführt, dass er ihr nie gestand, dass er in sie verliebt war und als es endlich doch so weit war, erzählte sie ihm, dass sie einen Freund gefunden hatte, der zu ihr passt. Dieses Strahlen in ihren Augen, wie die ersten Sterne am Nachthimmel. Er hatte es nicht tun können, ihr Glück zu zerstören, nur damit er glücklich werden könnte. Das Schweigen an jenem Tag begleitete ihn noch immer, aber vielleicht verschwand es ja auch eines Tages, genauso wie seine Freunde und die Freude am Beruf.
„Das macht dann 2,23€. Möchtest du einen Beutel?“
„Nein, Danke. Ein schönes Wochenende“
„Ich muss leider arbeiten, aber trotzdem danke.“
„Also dann bis bald.“
„Bis bald.“
Er griff nach dem Brot, der Salami und den Kassenbon und verließ den Supermarkt.
War dieser Dialog gerade wirklich geschehen? Gab da jemand ihm nochmal eine zweite Chance? Er warf einen kurzen Blick auf den Kassenzettel um den Namen, der Kassiererin zu erfahren. Melina stand mit starren Buchstaben darauf. Mit einem Mal fiel ihm ein kleines, mit Kuli, gemaltes Herz aus Fragezeichen auf. War das von ihr oder nur ein Scherz? Die entscheidende Frage war, wie war es da hin gekommen?
Sollte er sie wegen des Wochenendes fragen? Aber was, wenn es schief gehen sollte? Was, wenn er sich Hals über Kopf in sie verliebte und sie dann beim näheren Kennenlernen doch nicht mehr attraktiv findet?
Die gesamte Heimfahrt dachte er über diese Fragen nach und ehe er es sich versah, stand er vor der Tür seiner Wohnung.
Langsam, als ob er es verhindern wollte, schloss er den Eingang zu seiner Bleibe auf. Es wirkte alles sehr verlassen, als ob sich niemand darum kümmern würde. Die Blumen fingen an zu vertrocknen, wenn er sie doch mehr pflegen würde. Auch die Bilder sehnten sich danach, dass jemand sie von dem Staub der vergangen Zeit befreien würde, aber für wen sollte er das tun?
Seine ehemaligen Klassenkameraden waren schon vor Jahren, entweder für das Studium oder danach weggegangen. Nur er war geblieben.
Die Stellung hatte er gehalten, warum aber blieb das Gefühl, den Kampf verloren zu haben?
Kurz nachdem er seine Ausbildung abgeschlossen hatte, wurde er von einem guten Freund gefragt, ob er nicht Lust hätte, mit nach Kanada zu kommen, für fast ein Jahr. Eigentlich hatte nichts dagegen gesprochen, oder? Durch seine Ausbildung hatte er etwas angespart, das er hätte nutzen können und seine Familie hätte ihn bestimmt auch unterstützt und arbeiten wollte und durfte er auch, durch das Working Holiday Visa. Wen hätte er denn enttäuschen sollen? Seine Eltern? Sie wären stolz auf ihn gewesen. Seine Freunde? Nein, denn er hätte mit ihnen per ICQ, Skype oder E-Mail in Kontakt bleiben können. Es gab also keine logischen Gründe dafür, dass er nicht gefahren war. Was war es also dann gewesen? Es war nicht die Angst vor dem Versagen gewesen und auch nicht die vor dem finanziellen Verlust, eher die Angst vor der Veränderung. Früher im Kunstunterricht mochte er nicht alle Farben, die der Farbkasten bereithielt, genau wie alle Aspekte seiner Persönlichkeit. Aber was würde passieren, wenn er sich verändern würde? Würden dann eventuell die negativen Aspekte seiner Persönlichkeit überwiegen? Er würde es nie erfahren, denn die Chance, die sich ihm damals geboten hatte, würde sich ihm nie mehr bieten, oder?
Er war allein in der Welt. Irgendwie hatte er den Großteil seiner Freunde verloren oder zumindest schien es ihm so. Warum war es für ihn so schwer allein zu sein, früher hatte es doch auch geklappt, als er nur einen Freund besessen hatte. Aber nun verstand er den Satz, den er einmal gehört hatte: „Die größte Angst ist, alleine gelassen zu werden.“ Früher hätte er so viele Vorteile aufzählen können, die für das Alleinsein sprachen, aber den einzigen, den er nicht hätte überzeugen können, war er selbst und das war, seiner Ansicht nach, das eigentliche Problem.

Das Brot und die Salami verstauten sich automatisch. Sein Blick fiel auf die Uhr, die seit Jahren ihren Dienst an der Wand verrichtete. Es war 5 Minuten nach 6 Uhr. Erschöpft ließ er sich auf sein Sofa sinken und dieselbe Frage, wie schon seit Jahren, gelangte in sein Bewusstsein. Was hast du eigentlich erreicht? Aus Reflex zeigte sein Finger auf die Urkunden, Zertifikate und Auszeichnungen, die überall an der Wand hingen. Im Prinzip hatte er schon viel erreicht, für seine gerade einmal 25 Jahre. Es stimmte, dass er ein Talent für die Naturwissenschaften besaß, aber während seines Zivildienstes hatte er auch gemerkt, das er ein Talent in der Arbeit mit Menschen besaß, auch hatte ihm diese Tätigkeit viel Freude bereitet, aber ein Bekannter riet ihm, dass er doch lieber einen wissenschaftlichen Beruf ergreifen sollte. Sein Chef im Zivildienst hatte ihm etwas anderes gesagt. Er hatte sich seine Worte gemerkt und immer wieder klangen sie in seinem Kopf: „ Du hast hier gute Arbeit geleistet und man konnte sich auf dich verlassen. Bei dir war viel Herzblut und Einsatz zu spüren. Das ist nicht bei jedem so und man kann das nicht voraussetzen. Danke nochmal für deine Arbeit.“ Mit diesen Worten war er offiziell aus dem Zivildienst entlassen worden. Vielleicht war das ja ein Zeichen gewesen, das er einfach ignoriert hatte. Es könnte sein, dass das der Anfang seines Niedergangs gewesen war. Denn nun war er am Ende, er wusste nicht, wohin er sollte. Er war eigentlich noch in dem Alter, in dem er sich neu orientieren konnte. Er wusste, das Bafög bis 31 gezahlt wurde, aber würde er dieses Wissen nutzen? Vielleicht könnte er ja trotzdem die Kassiererin im Lidl ansprechen. Es sprach ja trotz allem nichts dagegen, oder?
Langsam erhob sich der Körper und seine Füße führten ihn zum Fenster und seine Augen schauten hinaus.
Viele Regentropfen begehrten Einlass, da hatte er doch noch einmal Glück gehabt, denn wenn dieser Regen ihn erwischt hätte, dann wäre seine dünne Windjacke ohne jede Chance gewesen und er nur noch ein leichtes Opfer für das Wasser. Vielleicht hätte er sich den Tod oder schlimmere Krankheiten geholt, denn der Regen klatschte nicht von allein gegen die Fensterscheiben. Auch die Bäume beugten sich schon recht stark dem Wind. Es war schwer, etwas zu erkennen, dennoch sah er die erleuchteten Fenster des gegenüberliegenden Cafés. Früher war er dort öfters mit einigen Freunden gewesen und er hatte die verschiedensten Liebespaare dort gesehen. Die einen, die sich nur verträumt ansahen, manche stritten sich kurz und andere, die einfach miteinander sprachen. Eins hatten sie alle gemeinsam, denn in ihren Augen leuchtete etwas. Irgendwas wovon er nicht wusste woher es kam, aber ein Trainer, den er schon seit seiner Kindheit kannte, sagte zu ihm, dass er ein Leuchten in den Augen hätte, während er Trainingseinheiten leitete. Aber ob das stimmte, da war er sich nicht so sicher.
Traurig beschloss er zu Bett zu gehen.
Am nächsten Morgen wachte er schon um 7 Uhr auf. Müde rieb er sich die Augen. Das war wirklich eine schlechte Nacht gewesen. Es war, als ob der Sandmann sein altes Ego geschickt hatte und ihm für diese Nacht den Job überlassen hatte. Der Tag hielt anscheinend nichts Gutes für ihn bereit, zumindest nach dieser Nacht. Aber wollte er eigentlich, dass es weiterging? Wollte er den Trott weiter beibehalten? Irgendwie wünschte er sich eine Entscheidungshilfe. Irgendetwas, das ihm sagte, was er machen sollte, denn so wie es jetzt lief, wollte er nicht mehr. Er wollte sich nicht immer mit den gleichen Gedanken aufwachen und diesen Fall gab es nur zwei Wege. Entweder er ging aus dem Leben oder er änderte es. Aber wie sollte er es entscheiden, denn, wenn er ehrlich zu sich war, glaubte er nicht, dass er die Kraft für die Veränderung besaß. Aber er wollte den Zufall entscheiden lassen, denn der Zufall war unparteiisch und versuchte nicht, einen zu täuschen. Er schaute auf sein altes Beistelltischchen, was neben dem Sofa stand und entdeckte eine Kupfermünze, die er irgendwo gefunden hatte. Kopf er blieb und veränderte seinen Lebensweg und Zahl war der gute alte Suizid. Einen Abschiedsbrief hatte er seit Jahren in der untersten Schublade seines Nachtschränkchen lagern, keiner hatte ihn bis jetzt gesehen, wer auch?
Also dann, los ging‘s. Zögerlich schnipste er die Münze in die Luft. Scheppernd landete sie auf dem schwarzen, kleinen Tisch und begann sich zu drehen. Nervös beobachtete er die Münze, vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sein Leben einer Münze anzuvertrauen. Sein Magen schien diesen Gedanken zu teilen, denn ihm wurde etwas flau. Der Regen trommelte weiter gegen das Fenster und schien stärker zu schlagen, als ob er hoffte, so den Vorgang zu unterbrechen und die Münze drehte sich, also ob sie ihm auch nochmal die Chance zur Umkehr geben wollte. Unruhig stand er auf und lief durch das Zimmer. Er schaute aus dem Fenster und fragte sich, ob er sich weiter sagen lassen wollte, was er tun sollte, denn die Münze würde nur ein weiterer Befehlsgeber sein. Entschlossen ging er zum Tisch, schnappte die Münze, bevor sie kippen konnte und steckte sie in die Tasche, egal was gekommen wäre, er hatte heute noch etwas zu tun, denn es gab ein nettes Café in der Nähe des Lidl Supermarktes.

 

Hallo Riccardo,

für mich war das nichts. Und dafür gibt es mehrere Gründe:

1. Die Rechtschreibung bzw. Grammatik bzw. Zeichensetzung wird teilweise nicht beachtete. Immer wieder finden sich beispielsweise "das" statt "dass", fehlen Kommatas vor bzw. nach Relativsätzen, Infinitivkonstruktionen. Du solltest da umbedingt nochmal drübergehen. Oder, wenn dir selbst wirklich nichts auffällt - kenn ich: die eigenen Fehler finden sich am schwersten - lass jemanden, der sich halbwegs mit Zeichensetzung/Grammatik auskennt, Korrektur lesen. So jedenfalls läufst du Gefahr im Korrekturcenter zu landen.

2. Wo ist die Geschichte? Du gibt hier nur eine obeflächliche Bilanz eines Lebens, das anscheinend nicht so läuft, wie es soll. Nur am Ende bahnt sich etwas wie Handlung an - wird aber viel zu kurz gehalten. Mein Vorschlag: Überleg dir eine Handlung, durch die du die Probleme deines Protagonisten zeigst - vielleicht schilderst du einfach, wie er in den Supermarkt geht, mit der Kassiererin spricht, wie sie ihn an das Mädchen von damals erinnert; lässt ihn mit seinen Kollegen Smalltalk führen. Etwas in der Art. Dann hast du eine Geschichte.

3. Dein Protagonist ist mir egal. Und zwar, weil er viel du flach bleibt. Er bleibt ein Stereotyp. Er hat einen Job, der ihm keinen Spaß macht, er traute sich nicht, etwas mit dem Mädchen anzufangen, traut sich jetzt nicht die Kassiererin anzusprechen. Sonst gibt es da nichts für mich. Natürlich es gibt so Menschen - aber, wenn du ihm nicht etwas persönlicheres mitgibst, bleibt er bloß Allgemeinplatz und mir gleichgültig.

4. Sprachliche bzw. Logik/Inhalt- Probleme

Der Wecker klingelte wie jeden Tag um 6.
Jeden Tag das gleiche. Er sollte aufstehen, sich anziehen und zur Arbeit fahren. Vor 3 Jahren hatte er seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Und seitdem arbeitet er in diesem Höhlenloch.
Er setzt sich auf und stützt den Kopf auf seine Hände.
Jeden Tag aufstehen, ins Labor, zurück nach Hause und zu Bett gehen. Das war sein Tagesablauf seit über 6 Jahren. Nichts außergewöhnliches passierte ihm.
Da ist furchtbar viel redundant. Dreimal "Jeden Tag" ist zu viel, vor allem, wenn du es in zwei Sätzen direkt hintereinander verwendest. Das "erfolgreich" ist überflüssig, er hat seine Ausbildung abgeschlossen - das reicht.
"Höhlenloch" ist für mich zu unpräzise - vielleicht wirklich den Arbeitsalltag zeigen. Außerdem klingt das Wort an sich komisch: Höhle und Loch in einem.
"außergewöhnliches" muss meines Wissens nach groß geschrieben werden.
Die Jahresangaben klingen komisch - besonders mit der Zeitangabe für das Mädchen - als könntest du dich nicht entscheiden, zu welchem Zeitpunkt du einsteigst.

Das Mädchen war hübsch gewesen. Sie hatte lange braune Haare, blaue Augen und ihre Haut war leicht gebräunt.
Das ist so oberflächlich, das hat nichts eigenes, so beschreibt jeder ein Mädchen, wenn er die Verlegenheit hat. Außerdem ist braunes Haar" und "leicht bräunlich" eine unschöne Wiederholung.

Soweit ein paar Beispiele. Wenn du willst, such ich dir noch weitere.

Unabhängig von der Qualität des Textes:
Warum steht der in Philosophie? Wegen dem Zitat? Weil er sein Leben vergäudet? Also für mich reicht das leider nicht. Das könnte auch in Alltag stehen oder Sonstige.

Wenn "Meine erste" sich darauf bezieht, dass es deine erste Kurzgeschichte ist, dann solltest du, denke ich, einen Moderator bitten das rauszunehmen und es in einen Extra-Kommentar einfügen. Sehe auch nicht, weshalb, dass als eigentlicher Titel dastehen sollte. Hat in dieser Hinsicht keinen Aussage wert.

Ich hoffe, dass ist jetzt nicht zu entmutigend, aber ich denke, wenn ich dir einen Kommentar schreibe, sollte ich ehrlich sein, und mit Übung kann da noch mehr drauß werden - aller Anfang ist schwer.

Gruß,
Kew

 

Hallo Kew,

danke erst einmal für deine Kritik. Tut mir Leid, das ich erst jetzt antworte, aber momentan bin ich nicht mit dem Zugang zu Netz gesegnet.
Ich werde in nächster Zeit nochmal die Geschichte überarbeiten und auch nochmal bezüglich Rechtschreibfehler überprüfen.

Danke nochmal. Es war keine Absicht, das es so lange gedauert hat.

 

Hallo Riccardo

Etwas langatmig baust du deinen Prot. auf, vielleicht ist er introvertiert aber sicher jeder Veränderung abhold. Dass er ein Studium absolvierte und Erfolg in seinem Beruf verzeichnet, steht etwas krass im Gegensatz zur gezeichneten Persönlichkeit. Obwohl eine akademische Bildung zweifellos kein Garant für Lebenstüchtigkeit ist.

Wenn die Münze auf Kopf landen sollte, würde er die Verkäuferin im Supermarkt ansprechen und sich einen Job suchen, der ihn Spaß macht suchen. Wenn die Münze allerdings auf Zahl landen würde, dann wir er den Strick und den Abschiedsbrief aus der untersten Schublade seines Nachtschränkchens holen und dem ganzen Elend ein Ende bereiten. Wenn die Münze allerdings weder auf Kopf oder Zahl landen würde, dann würde er sich beeilen um doch noch rechtzeitig auf Arbeit zu gelangen.
Dieser Abschnitt enthält Schreibfehler, ihn statt ihm, als auch zweimal suchen im gleichen Satz. Letzteres kannst du streichen. Der letzte Satz entbehrt der Logik, da es hochgradig unwahrscheinlich ist, dass eine geworfene Münze auf ihrer schmalen Seite stehen bleibt, selbst wenn sie da aufschlägt.

Der Titel scheint mir auch nicht glücklich, wenngleich ich zu verstehen meine was er aussagen soll.

Das Beste daran scheint mir der Schlusssatz. Er lässt den Ausgang der Geschichte ahnen.

An philosophischen Gehalt gibt sie leider jedoch nichts her. Anstatt einer Erkenntnis die dein Prot. zieht, praktiziert er mehr einen Endpunkt in einer Kette von Streb- und Willenslosigkeit. Also etwas das er mit therapeutischer Stützung positiv hätte beeinflussen können.

Wenn du die Geschichte überarbeitest, dann komm gleich auf den Kern und gib von der Entwicklung dahin nur einen Abriss. Und vor allem, lass deinen Prot. wirklich eine annähernd philosophische Erkenntnis gewinnen und bau dieses aus, auch wenn es dann das gegebene Ende nimmt.

Gruss

Anakreon

 

Lieber Riccardo,

ich finde die Geschichte 08-15, Entschuldigung, in der jetzigen Form ist sie wirklich unmotiviert und langweilig, alles in allem nicht im mindesten originell. Das war nichts. Dein Protagonist erscheint mir wie ein Statist, wie eine Marionette, die der Erzähler hinter sich herschleift weil er sie nicht führen kann, oder weil er meint der Leser wird schon seine Fantasie bemühen, die Figur in seinem Kopf 'irgendwie' aufleben lassen. Das macht er aber nicht, weil Fantasie ganz wie ein Motor nun mal so etwas wie einen "Anlasser" braucht. Jeder Filmprojektor braucht Elektrizität, auch der im Kopfkino des Lesers, der natürlich nur metaphorisch gesehen (um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen).

Einen philosophischen Grundgedanken ersehe ich aus dem Text nicht. Nicht mal den, dass Selbstmitleid einfach nichts mit Philosophie zu tun hat.


Viele Grüße,
-- floritiv.

 

Hallo.

Ehrlich gesagt hat mir dir Geschichte nicht zugesagt, jedoch schiebe ich das nicht auf den Autor, sondern auf mich; es ist einfach nicht mein Geschmack. Der gleichgültige und oberflächige Stil unterstützt einerseits die trostlose Athmosphäre der Geschichte, versperrt aber dem Leser ein wenig den Zugang. Ein bisschen mehr Leben hätte nicht geschadet. Gut dargestellt war der materielle und auf dieser Basis erfolgreicher Mensch, der trotz dessen nicht glücklich ist und kein echtes Leben hat.

An philosophischen Gehalt gibt sie leider jedoch nichts her. Anstatt einer Erkenntnis die dein Prot. zieht, praktiziert er mehr einen Endpunkt in einer Kette von Streb- und Willenslosigkeit. Also etwas das er mit therapeutischer Stützung positiv hätte beeinflussen können.

Nicht jede philosophische Geschichte muss mit der Erkenntnis des Protagonisten enden, die er dann dem Leser präsentiert (nebenbei tut der hier das sogar; er beschließt, sein altes Leben zu beenden und überlässt die Entscheidung der Art und Weise, wie er es tut, dem Schicksal). Oft reicht eine Veranschaulichung gewisser Gedanken oder Zustände, die den eigenen Denkprozess anregen können. Das war schön umgesetzt. Ich würde nie so weit gehen, zu behaupten, diese Geschichte beinhalte nichts Philosophisches. Lediglich das Thema hat mir nicht zugesagt, zumal es nicht ein sehr neues ist.

Nach ein bisschen Auffrischung könnte diese Geschichte ihr volles Potenzial zur Schau bringen und ich meine, das ist sie wert.

Viele Grüße, Dolphin

 

Hallo Riccardo,

es war etwas schwer deine Geschichte zu lesen, aber darauf sind sicher schon andere eingegangen...
Du hast ein paar schöne Sätze geschrieben, nur gibt es drum herum zuviel, was mich stört. Bevor ich mich weiter vertiefe, werde ich eine verbesserte version abwarten, da ich finde das die Geschichte potential hat, nur momentan noch zu unbeholfen rüber kommt.

 

Nach einiger Zeit habe ich die Geschichte nun überarbeitet. Ich hoffe wieder auf Kritiken. Die Geschichte ist im Plot gleich geblieben, nur sind eigentlich fast alle Sachen verändert, nur die Dinge, die ich drin behalten wollte, sind noch dabei.

 

Hi.

Will ich mal wieder:

Du hast jetzt die Probleme des Prot stärker ausformuliert. Hast den Chef vorgeführt. Die Kassiererin.
Die Sache ist nur, das ist alles viel zu lang geworden - viel kann/sollte gekürzt werden. Denn bei deinem Text ist es so, dass er nicht sonderlich viel Neues/Überraschendes/Interessantes bietet: Das Arbeitsplatzproblem kennen die meisten, ebenso das mit der Kassenliebe und auch die Sprache ist nicht außergewöhnlich genug, um als Motivation zu funktionieren. Das hört sich jetzt alles schlimmer an als es ist, weil nicht immer ist extravagant auch gut. Aber, wenn du eine derart "bekannte" Geschichte schreibst, solltest du dich kurz halten.

Ich versuch es mal am Anfang zu verdeutlichen.

17 Uhr
Endlich Feierabend. Es scheint immer eine Ewigkeit zwischen Arbeitsbeginn und Dienstschluss zu liegen. Jeden Tag stand er pünktlich um 6:55 Uhr an der Schranke, die zum Innenleben des monströsen Chemiewerkes führte. Immer dieselbe Frage: „Darf ich das Werksgelände betreten?“. Und natürlich kam die Antwort wie von einem Automaten: „Natürlich, Herr S. Einen schönen Tag.“ Jedes Mal, sagte er halbherzig, dass er ihm das gleiche wünsche, innerlich hoffte er aber, dass er einmal einen wirklich schönen Tag haben würde. Innerlich hoffte er, dass einer der riesigen Tanks ein Leck hätte oder die Elektronik spinnen würde, damit das Werk für einen Tag geschlossen wäre oder für eine Woche oder für immer.
Naja, beiseite mit den Gedanken, denn jetzt war es 17 Uhr.
Nun war es an der Zeit wieder in seine eigenen vier Wände zurückzukehren. Endlich. Vor Freude hätte er fast vergessen, noch einmal zu seinem Chef zu gehen. Es war jeden Freitag so, dass er sich nochmal von ihm verabschiedete. Eilig schritt er die Treppen in die zweite Etage hinauf, wo das Büro seines direkten Chefs lag.
Ein kurzes Klopfen signalisierte ihm, dass sein produktivster Angestellter wieder bereit für sein wohlverdientes Wochenende war. Herr S. war wirklich gut.
Ich sollte aufpassen, dass keiner meiner Bosse auf ihn aufmerksam wird, denn ansonsten kann ein Vermittler mir einen neuen Job suchen. So schnell würde er kein Jobangebot bekommen, zumindest nicht die Position, die ich momentan besitze und die Geheimhaltungsklausel verbietet mir, in einem Zeitraum von 6 Monaten bei einer Konkurrenzfirma anzufangen.
„Herein.“
Ein dunkelhaariger, etwas trainierter Mann, mit längeren gelockten Haaren trat ein. Er ging mit leicht gesenktem Kopf. Bei der letzten Fortbildung für Führungskräfte hatte er gelernt, dass diese Körperhaltung auf geringes Selbstbewusstsein schließen ließ, vielleicht war das sein Glück.
„Hallo Herr P. Wie geht es Ihnen?“
„Gut. Danke der Nachfrage. Wissen Sie, was ich mir überlegt habe?“
„Nein, was denn?“
Das war typisch Herr P. Jeden Freitag dasselbe. Er immer mit seinen Ideen. Mal sehen, was es diesmal war.
„Wie wäre es, wenn wir den Silikonen Sulfat beimischen würden, um die Aushärtungszeit zu verringern?“
„Das klingt ja interessant.“
Das letzte Mal, als sie auf die glorreiche Idee kamen, war der Sulfat-Anteil so hoch, dass die gesamte Masse so schnell ausgehärtet war, dass alles an der Mischmaschine hängen geblieben war. Er hatte noch schnell zwei Kollegen herbei gerufen, damit sie die Maschine retten konnten.
„Hatten wir nicht vor zwei Monaten eine ähnliche Versuchsreihe?“
„Meinen Sie Herr S.?“`
„Ja natürlich, damals war die Aushärtungszeit so gering, dass uns die Silikone noch während des Mischvorgangs in der Maschine ausgehärtet ist. Wir hatten nicht einmal die Zeit, um etwas für unsere Tests abzufüllen.“
„Oh, gut, dass sie mir das sagen, Herr S. Da müssen wir diesmal aufpassen. Dann müssen wir den Sulfat - Anteil sehr gering halten.“
Mensch, der Chef ist wirklich ein Genie, manchmal frage ich mich, warum er mein Boss ist.
„Also dann, Herr P., ich verabschiede mich ins Wochenende.“
„Ja, natürlich. Achso, haben Sie schon Pläne für Samstagnachmittag?“
„Leider ja.“
„Oh, das ist schade. Vielleicht ein anderes Mal?“
„Ja, natürlich“
„Ok, dann genießen Sie ihr Wochenende.“
„Danke, das wünsche ich ihnen auch.“
Danach verließ er das Büro. Gut gelaunt ging er eine Etage herab. Die Gänge waren wie leergefegt, als ob pünktlich um 17 Uhr alle Menschen aus den Räumen gebeamt würden.
Er ging in den Umkleideraum, öffnete seinen Spind, nahm seinen kleinen Rucksack heraus und tauschte seinen weißen Laborkittel gegen eine dünne Windjacke. Nachdem er den Spind wieder abgeschlossen hatte, warf er seine Arbeitskleidung in den großen Wäschekorb und verließ den Raum. Als er das Laborgebäude verließ, herrschte in der Forschungsabteilung Grabesstille. Man hätte das tippeln einer Maus hören können, ok, hier gab es keine Mäuse, aber wenn es welche gegeben hätte. Langsam schloss er sein Fahrrad ab, stieg auf und fuhr zu dem wohlbekannten Pförtnerhaus.
Diesmal fragte keiner. Er verließ das Werkgelände und war frei.
Dafür hatte sein Abiturschnitt also 1,8 sein müssen, damit ein Mensch über ihn bestimmte, der meistens das Wissen seines Mitarbeiters brauchte, um seinen Job ordentlich machen zu können. Ein erfülltes Leben sieht anders aus.
Hier veranschaulichtst du die Aussage: Er mag seine Arbeit nicht. Und das in mehreren Schritten:

- Negativer Tagesbeginn
- Wunsch nach Unfall
- Chefgespräch

Ich würde das ganze auf das Chefgespräch reduzieren. Und dieses Straffen. Lass ihn doch einfach den Vorschlag machen und der Chef schmettert ihn ab: Veränderungen werden nicht gebraucht, ist nicht ihre Zuständigkeit etc.
Wichtig aber, denke ich, dein Prot muss Recht haben und der Chef falsch liegen. Jetzt dagegen hat der Prot. bereits einen Versuch vergeigt. Sprich der Chef hat eigentlich einen guten Grund abschlägig zu sein. Nach der Absage könntest du kurz den Wunsch nach dem Unfall einbauen. So als Rachegedanken. Aber wirklich nur kurz.
Auch die anderen Bereiche würden durch Kürzen gewinnen.

Kleinkram:

Ich sollte aufpassen, dass keiner meiner Bosse auf ihn aufmerksam wird, denn ansonsten kann ein Vermittler mir einen neuen Job suchen. So schnell würde er kein Jobangebot bekommen, zumindest nicht die Position, die ich momentan besitze und die Geheimhaltungsklausel verbietet mir, in einem Zeitraum von 6 Monaten bei einer Konkurrenzfirma anzufangen.
Perspektivsprung sollte eigentlich raus. 1. Verwirrt das/Reißt aus dem Lesefluss. 2. Braucht es diese Zusatzerklärung nicht.

Als er das Laborgebäude verließ, herrschte in der Forschungsabteilung Grabesstille. Man hätte das tippeln einer Maus hören können, ok, hier gab es keine Mäuse, aber wenn es welche gegeben hätte.
Hier redest du die Stille tot. 1. Bild Grabesstille. Nicht neu, aber meintewegen. 2. Bild. Hier sollte umgebingt der zweite Konjunktiv raus. Mein Vorschlag.
Als er das Labor [das mit dem Gebäude klingt komisch, er verläßt das Haus und danach, wenn er im Freien ist, herrscht Stille darin, die er ja eigentlich nicht miterleben kann - ich vermute, du meinst, es ist vorher schon still, ansonsten bleib einfach bei: Laborgebäude] verließ, herrschte Stille in der Forschungsabteilung. Man hätte eine Maus tippeln/trippeln hören.
Ist so deutlich knapper.

Langsam bahnte er sich seinen Weg und blieb vor dem Brotregal stehen. Mischbrot oder Körnerbrot, das war hier die Frage, nicht „sein oder nicht sein“. Als er mit der Ausbildung zum Chemielaboranten begonnen hatte, war ihm alles noch so wunderbar vorgekommen. Neue Erkenntnisse gewinnen, die Forschung voranbringen und neue Wege finden, das waren seine Ziele gewesen. Aufstieg, Karriere und eine Familie waren seine Vorstellungen vom perfekten Leben gewesen. Was war daraus geworden? Familienvater war er nicht, sein Boss war anscheinend nicht für den Beruf geeignet und Freundin war auch keine in Sicht. Da war er also anscheinend mehr als nur einmal vom richtigen Weg abgekommen. Es hätte auch schlimmer kommen können, die Frage war, wollte er nicht vielleicht einiges in Kauf nehmen, nur um etwas anderes zu bekommen?
„Können Sie sich nicht schneller entscheiden?“. Die wütende Stimme einer entnervten Frau riss ihn aus seinen Gedanken. „Meine Kinder würden heute noch gerne Brot zum Abendbrot und nicht zum Frühstück essen.“ Energisch griff sie nach dem letzten Mischbrot und ging mit einem Tempo weiter, bei dem jeder Marathonläufer neidisch geworden wäre. Es gab nur noch ein Körnerbrot, nun ja damit konnte er auch leben
Der Ganze Teil mit dem Brot kann für mich raus. Auch die Erklärungen, dass er nichts erreicht hat braucht es nicht. Ich finde es besser, wenn sich das der Leser selbst denkt, nachdem du zeigst, dass er seinen Job nicht mag, seine Kassierin nicht wirklich anspricht, ansonsten nur zu Hause sitzt.

„Ich muss leider arbeiten, aber trotzdem danke.“
Ich mach gerade die selbe Arbeit und das würde ich nie zum Kunden sagen. Da würde man sich Ärger für einfangen.

Er griff nach dem Brot, der Salami und den Kassenbon und verließ den Supermarkt.
War dieser Dialog gerade wirklich geschehen? Gab da jemand ihm nochmal eine zweite Chance? Er warf einen kurzen Blick auf den Kassenzettel um den Namen, der Kassiererin zu erfahren. Melina stand mit starren Buchstaben darauf. Mit einem Mal fiel ihm ein kleines, mit Kuli, gemaltes Herz aus Fragezeichen auf. War das von ihr oder nur ein Scherz? Die entscheidende Frage war, wie war es da hin gekommen?
Auch hier erzählst du viel, was der Leser schon weiß, bzw. sich selbst denkt.
Vorschlag:
Er verließ den Supermarkt. Er warf einen kurzen Blick auf den Kassenzettel um den Namen, der Kassiererin zu erfahren. Melina stand mit starren Buchstaben darauf. Und darunter ein kleines, mit Kuli gemaltes Herz aus Fragezeichen.
Es wirkte alles sehr verlassen, als ob sich niemand darum kümmern würde. Die Blumen fingen an zu vertrocknen, wenn er sie doch mehr pflegen würde. Auch die Bilder sehnten sich danach, dass jemand sie von dem Staub der vergangen Zeit befreien würde, aber für wen sollte er das tun?
Auch hier geht es kürzer. Die wichtigen Aussagen sind die vertrocknenden Pflanzen und der Staub auf den Bildern. Alles andere denkt sich der Leser: Klar wirkt es verlassen, und anscheinend gibt es niemand in seinem Leben, für den er aufräumt.

Kurz nachdem er seine Ausbildung abgeschlossen hatte, wurde er von einem guten Freund gefragt, ob er nicht Lust hätte, mit nach Kanada zu kommen, für fast ein Jahr. Eigentlich hatte nichts dagegen gesprochen, oder? Durch seine Ausbildung hatte er etwas angespart, das er hätte nutzen können und seine Familie hätte ihn bestimmt auch unterstützt und arbeiten wollte und durfte er auch, durch das Working Holiday Visa. Wen hätte er denn enttäuschen sollen? Seine Eltern? Sie wären stolz auf ihn gewesen. Seine Freunde? Nein, denn er hätte mit ihnen per ICQ, Skype oder E-Mail in Kontakt bleiben können. Es gab also keine logischen Gründe dafür, dass er nicht gefahren war. Was war es also dann gewesen? Es war nicht die Angst vor dem Versagen gewesen und auch nicht die vor dem finanziellen Verlust, eher die Angst vor der Veränderung. Früher im Kunstunterricht mochte er nicht alle Farben, die der Farbkasten bereithielt, genau wie alle Aspekte seiner Persönlichkeit. Aber was würde passieren, wenn er sich verändern würde? Würden dann eventuell die negativen Aspekte seiner Persönlichkeit überwiegen? Er würde es nie erfahren, denn die Chance, die sich ihm damals geboten hatte, würde sich ihm nie mehr bieten, oder?
Hier könntest du den Freund übers Internet Kontakt aufnehmen lassen. Eine Mail mit Bildern vielleicht. Und dein Prot. merkt, dass er zum einen keinen Bezug mehr zu diesem Menschen hat und gleichzeitig neidisch auf ihn ist.
Dann braucht es auch die Erklärungen nicht mehr.

Fazit: Lass dem Leser mehr zu denken. Gib ihm nur Hinweise. So auserzählt wirkt das ganze sehr zäh.

Ich hoffe, es hilft dir weiter. Vielleicht ist es auch das Beste, du lässt diese Geschichte, wie sie ist und versuchst dich nochmal an was neuem. Manchmal lernt man dabei mehr.

Gruß,
Kew

 

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