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Heute - ganz bestimmt.
Heute - ganz bestimmt.
Ich will sie haben. Unbedingt. Trau mich nicht. Doch, es muss sein. Heute. Du musst es tun. Monatelang schon schmiedest du Pläne, einen nach dem anderen und wenn es dann soweit ist: nichts. Sie wird mich sowieso nur komisch ansehen, irgendetwas Abfälliges, Gemeines sagen. Dann würde ich ihr sofort einen Spruch rein drücken. Oder wortlos wieder gehen. Aber vielleicht lächelt sie auch. Ob sie mich überhaupt schon mal bemerkt hat?
Nein, nicht schon wieder dieses Lied. Ich kann’s nicht mehr hören. Ihr scheint es auch nicht zu gefallen. Beim letzten Song hat sie noch leise mitgesungen. Ich habe es an ihren Lippen gesehen. Schöne Lippen. Wie sie wohl schmecken? Und ihr Lächeln. Meine Göttin. Nichts anderes will ich auf dieser Welt.
Vor mir liegt ein Haufen Papierfetzen. Schon mindestens den dritten Bierdeckel zerrissen. Ich muss noch eine rauchen. „Noch ein Bier bitte“, sag ich zur Kellnerin. Mehr darfst du aber nicht trinken. Sonst fängst du an zu lallen. Bist nicht mehr schlagfertig, wenn du sie ansprichst. Ob ich wohl schon nach Bier stinke? Sie trinkt nur Cola. „Danke.“ Ein tiefer Schluck. Puh, lecker. Das tut gut.
Jetzt geh schon, geh einfach hin. Was sag ich denn? Hi, ich bin Frank? Zu blöd. Außerdem: Mein Name interessiert sie ja erst mal nicht. Sag was Lustiges: Hast du die Dicke da vorne gesehen? Zu platt, nachher fühlt sie sich auch zu dick. Finden sich doch fast alle Frauen. Oder ich gehe jetzt sofort: Findest du diesen Song auch so schlecht wie ich? Oh nein, nicht mit etwas Negativem anfangen. Wenn das nächste Lied kommt, das ihr gefällt, frage ich sie, ob sie tanzen will. Genau. Gut. Das mache ich. Beim nächsten Lied also.
Ah lecker. Mist, schon wieder leer. „Eine Cola bitte.“ Ja, Cola ist gut, ich trinke dasselbe wie sie. Das verbindet. Noch 'ne Zigarette. Ich rauche wieder zuviel heute Abend. Aber das beruhigt. Warum bin ich nicht so cool wie in der Uni? Andere zittern vor den Profs, vor den Klausuren. Ich würde Eiswürfel pinkeln, sagen die anderen an der Uni. Pah, bei ihr nicht. Sie liebe ich, sie vergöttere ich - und ausgerechnet da geht es nicht. Aber heute.
Neues Lied. Oh, sie lächelt, scheint ihr gut zu gefallen. Aber ganz schön langsam. Soll ich Blues mit ihr tanzen? Zu aufdringlich. Nachher bekomme ich ’nen Ständer und sie merkt es. Oh Gott. Oder ihr gefällt das, macht sie heiß. Vielleicht klappt es ja sogar schon heute Nacht. Vielleicht hat sie mich ja auch längst bemerkt und wartet nur darauf, dass ich sie anspreche. Sie könnte mich direkt anlächeln, mir gestehen, dass sie mich schon lange interessant findet. Ich bleib dann ganz cool. Ach ja? Du bist mir erst heute aufgefallen, aber wirklich nette Jeans, die du da anhast, würde ich dann locker sagen und sie verschmitzt anlächeln. Sie würde kurz wegschauen, nervös nach dem Glas greifen. Findest du es hier auch so langweilig, würde ich dann sagen. Ja, würde sie hauchen. Dann würden wir gehen. Scheiße, bei mir zuhause herrscht ja Chaos, überall liegen alte Unterhosen rum, in der Spüle sammelt sich bestimmt schon Schimmel. Hab auch keinen Sekt oder was man in so einer Situation am besten trinkt. Aber wir könnten ja auch zu ihr gehen. Vielleicht hat sie ja eines dieser Zimmer ganz in Rot. Geil. Ich würde mich schon mal auf ihr Bett setzen und ganz locker fragen: Noch eine rauchen? Wenn ich ihr dann Feuer gebe, wissend in die Augen schaue, würde ihre Hand leicht zittern. Dann würde ich ihre Wange streicheln, sie küssen und direkt den BH öffnen. Wenn du es mit einer Hand hinbekommst.
Jetzt. Das ist das richtige Lied. Och ne, viel zu schnell. Nachher läuft mir der Schweiß herunter in diesem heißen Schuppen. Das ist nichts, dann sehe ich nach dem Tanzen total fertig aus.
Vielleicht hat sie ja auch gar keinen BH an? Das wäre cool. Und vielleicht auch keinen Slip. Oh Gott, mehr als göttergleich. Sie würde auf dem Bett liegen, ich würde davor stehen, ihre Hüfte anheben und sie dann stoßen. Ja, so wäre es am besten. Dann habe ich alles im Griff und kann sie auch richtig ansehen - dabei. Wie eine Frau beim Orgasmus wohl aussieht? Ups, er steht. Würde sie mich vielleicht reiten? Das wäre nicht so anstrengend, und ich könnte mich ganz darauf konzentrieren, dass er steif bleibt. Wie sie wohl ist? Ganz wild? Aber nicht zu wild. Würde ihr schon zeigen, wer der Mann im Bett ist. Wie viel Erfahrung sie wohl hat? Mehr als ich? Gut möglich. Bei dir war ja nur das eine Mal auf der Erstsemesterparty. Weiß gar nicht mehr genau, wie die aussah. Waren ja beide betrunken. Bist du wirklich noch Jungfrau, hat sie mich plötzlich gefragt, die Zippe. Danach ging gar nichts mehr. War zwar in ihr drin, bin aber nicht gekommen. Zählt das als erstes Mal? Ich sag ihr, ich hätt’ schon ein paar Mal. Vielleicht ist sie ja auch noch Jungfrau. Oh oh, ne, dann kommt das mit dem Blut und meistens tut es den Frauen ja weh – hab’ ich gelesen. Was ein Stress.
Das Lied ist cool. Ja, ihr gefällt es auch, sie wippt mit dem Fuß. Los, jetzt gehst du einfach. Wie soll ich sie fragen. Hi, Lust zu tanzen? Einfach so? Soll ich doch erst meinen Namen sagen? Ach ne, ist ja schließlich kein Vorstellungsgespräch. Soll ich lächeln oder ganz cool schauen? Ein bisschen Desinteresse wirkt immer, sagt mein Kumpel. Passt aber wahrscheinlich nicht so gut, wenn ich sie gleichzeitig frage, ob sie mit mir tanzen will. Hände in die Taschen? Oder Arme ganz locker anliegen lassen? Auf keinen Fall vor dem Oberkörper verschränken. Das T-Shirt sitzt gut, muss nur daran denken, den Bauch einzuziehen. Das darf ich auf keinen Fall vergessen. Ich geh erst noch mal auf Toilette, mal kurz schauen, wie deutlich man den Pickel auf der Stirn noch sieht. Und ich muss auch schon wieder. Ach ne, dann ist das Lied vorbei.
Oh, sie kommt in meine Richtung. Tatsächlich. Will sie zu mir? Oh Mann. Noch näher. Zigarette. Cola leer! Scheiße. Oder doch nicht rauchen? Stört sie der Qualm? Wenn man einen Raucher küsst, kann man auch gleich einen Aschenbecher auslecken, hat mal eine Schulfreundin zu mir gesagt. War so ne hässliche Zicke. Sie kommt wirklich in deine Richtung. Locker stehen, einen Fuß auf den unteren Ring des Barhockers. Eine Hand in die Tasche. Anderen Arm mit der Zigarette in der Hand lässig auf die Theke legen. Schau sie an. Ne, lieber nicht. Tue so, als ob du sie nicht siehst. Und ich muss so dringend. Noch drei Meter.
Was will die denn? Jetzt quatscht sie so ’ne andere Tussi an. Puh, ausatmen. Mann, deine Hände sind ganz nass. Schwitze ich? Sieht man das? „Willst du noch was trinken?“, fragt die Kleine hinter der Theke. „Ne, danke, geht grad nicht.“ Da! Sie hat rübergeschaut, ich hab’s genau gesehen. Kann aber auch zufällig gewesen sein. Ob sie gleich weitergeht? Zu mir kommt? Was sag ich denn da? Kann sie ja nicht fragen, ob sie tanzen will, so direkt. Ob sie mich anspricht? Oh Jesus, ist das ein komisches Gefühl im Bauch. Ich geh erst mal auf die Toilette. Und wenn sie genau in dem Moment kommt? Mach’ schnell – bestimmt klappt’s danach noch. Schaff’ ich.
Schön abschütteln. Keine Flecken in die Unterhose machen. Sieht sie sonst nachher, falls es soweit kommt. Da hilft kein Schütteln und kein Klopfen, in die Hose geht der letzte Tropfen - fällt mir dazu ein. Hat meine Mutter immer gesagt. So ein Blödsinn. Mit etwas Klopapier abputzen. Mist, ist ja dahinten bei den Kloschüsseln. Hin. Oh, das dauert. Hoffentlich kommt jetzt keiner rein, während ich hier mit der offenen Hose und meinem heraushängenden Freund durchs Klo laufe. Überleg mal, sie würde jetzt in diesem Moment die Tür aufmachen, weil sie aus Versehen im Männerklo landet. Geschafft. Jetzt schön die Hände waschen. Natürlich wieder keine Seife da. Und nur kaltes Wasser. Handtrockner funktioniert auch nicht. Scheiße. An der Hose abputzen. Mist, sieht man. Egal. Zurück. Hoffentlich steht sie noch da.
Ja. Die Tussi ist schon weiter gegangen, ruft ihr noch was zu. Ich bin als erster an der Theke, wieder locker hinstellen. Jetzt hab ich gar nicht nach dem Pickel geguckt. Ob man an meinen Fingern noch riecht, dass ich gerade auf Toilette war? Kann ich jetzt nicht checken, sie schaut in meine Richtung, kommt näher. Mein Magen fühlt sich schon wieder flau an. Muss ich schon wieder? Sie ist da. Schaut mich an, lächelt kurz - oh, was hat sie für schöne Augen. Und die Lippen erst. Wie sie lächeln kann. Grinse ich blöd? Glaube ja - und dann schaut sie zur Kellnerin. Sie steht direkt neben mir. Mein Arm auf der Theke berührt fast ihren. Macht sie das absichtlich? Ich glaube, sie trägt einen BH. Jetzt sag doch was. Sei so cool wie in der Uni. Was habe ich denn auf der Erstsemester-Party am Anfang gesagt? Sie duftet auch noch gut. Stinken meine Finger noch? Rieche ich nach Bier? Oh, schnell Bauch einziehen, Brust raus, aufhören zu grinsen. Was sag ich denn? Sie will wohl was trinken, da kann ich ja nicht nach dem Tanzen fragen. Ist mein Reißverschluss zu? Kann ich jetzt nicht drauf starren. Was für einen schönen Hals sie hat. Und die schwarzen Haare glänzen, fallen lang auf ihre Schultern. Ich glaube, sie hat trotzdem blaue Augen. Die meisten Dunkelhaarigen haben ja braune. Hm, und der Hintern zeichnet sich schön in der Jeans ab, genau richtig. Glotz da nicht so hin, gleich merkt sie es. Die Kellnerin kommt. „Ein Bier bitte“, bestellt sie. Was für eine sanfte Stimme, göttlich. Bier? Ach was. Sie trinkt Bier? Gewöhnliches, stinknormales Bier? Egal. Jetzt. Kein Vorspiel, keine Einleitung. Geh in medias res, hat mein Latein-Lehrer früher immer gesagt. Geh zum Ziel, direkt. Sag was, sag was. „Und Du“, fragt die Kellnerin, „willst Du auch noch etwas?“ Beide schauen mich an. Jetzt. Sag was, sag was, sag was. Verdammt. „Ja, zahlen bitte.“
Draußen knutscht ein Pärchen unter dem klaren Sternenhimmel.
Nächstes Wochenende. Bestimmt.