- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Herr Steinimfels hat ein Erlebnis
Kennen Sie Herrn Steinimfels? Sie kennen ihn nicht? Nun, eigentlich ist das weiter nicht tragisch. Denn er ist kein sehr interessanter Mann, der Herr Steinimfels. Einerseits. Andererseits hatte Herr Steinimfels vor einiger Zeit ein Erlebnis, welches sein Leben vollkommen umkrempelte. So unglaublich revolutionär umkrempelte, daß dem guten Herrn Steinimfels selber unheimlich geworden war. Und deswegen ist er doch nicht so uninteressant, dieser Herr Steinimfels.
Unser Herr Steinimfels war ein wohlsituierter Mann, unbeweibt und nicht gerade wohlhabend, doch er hatte sich im Laufe seines bisherigen Lebens so manchen Groschen auf die Seite legen können, und so war er auch nicht gerade arm.
Herr Steinimfels war Soldat gewesen. Ein guter Soldat, wie man ihm häufig bescheinigt hatte. Wie ein echter Vorgesetzter es seiner Ansicht nach sein sollte, war er bei seinen Untergebenen gefürchtet, bei seinen Vorgesetzten unbeliebt. Er selbst liebte niemanden, nicht einmal sich selbst, und das war eines seiner Lebensdramen, in denen er gefangen war.
In jungen Jahren hatte er geheiratet. Seine Ehe war jedoch über das Brackwasser des Hafens nie hinaus gekommen und seine junge Frau hatte sehr schnell gelernt, daß er nicht in der Lage war, sie zu lieben weil er eben sich selbst auch nicht lieben konnte. So war sie ihm eines Tages davongelaufen. Die Scheidung war Formsache, er hatte ihr auch nicht weiter nachgetrauert, dieser nie stattgehabten Ehe, sondern diese Ehe schien ihm eher wie eine unliebsame Last von den Schultern zu gleiten. So war er fürderhin allein geblieben, nur sich allein genügend und seinem Dienst als Soldat. Er war ein Mann von Gerechtigkeit und Strenge. Er kannte Gott. Gott war für ihn ein mindestens ebenso strenger und gerechter Gott wie er als als Mensch gerne wäre. Und dieses so fürchterlich mißverstandene Vorbild spornte ihn stets aufs Neue an, seine Gerechtigkeit und seine Strenge weiter und weiter auszubauen.
Von Jesus hatte er auch gehört. Doch war ihm der Gedanke, sein gestrenger und gerechter Gott könnte wirklich Jesus als Sohn gewollt haben, eher peinlich. In seinen Augen war Jesus ein Chaot der sich mit Chaoten eingelassen hatte, mit Gesindel und üblem Gelichter. Solchen ging man besser aus dem Weg und nachdem er sich, eher flüchtig als interessiert, eine kleine Weile mit Jesus befaßt hatte, wandte er sich von ihm ab. Sein einfacher und überaus geradliniger Horizont erlaubte ihm keine weiteren Experimente.
Nun war Herr Steinimfels frühzeitig pensioniert worden und wohnte in einer kleinen Dreizimmerwohnung am Rande der Stadt so vor sich hin. Irgendwann hatte er sich ein großes Wohnmobil gekauft, welches eigentlich gut und gerne für eine fünfköpfige Familie ausgereicht hätte. Doch er fand es angemessen, schien es ihm doch, als könne er damit ein wenig von seinen Ansichten über sich und Gott zum Ausdruck bringen. Und von wegen Familie: für Kinder hatte er nicht das Geringste übrig. Sie waren ihm zu chaotisch, zu wild, zu laut und zu undiszipliniert. Er fand sie abscheulich und machte daraus auch keinen Hehl.
Eines Tages nun war Steinimfels wieder mit seinem großen, schmucken Wohnmobil unterwegs. Er wollte, das hatte er sich vor seiner Pensionierung vorgenommen, „die Welt sehen". Daß diese seine Welt eigentlich nur aus deutschen Landen zu bestehen schien, noch niemals war er im Ausland gewesen, störte ihn selbst am wenigsten.
An jenem Abend, an welchem sich das erwähnte Erlebnis anbahnte, war er seit zwei Tagen auf einem Campingplatz im Bayerischen. Er hatte einen guten Standplatz dort, von welchem er den Campingplatz weithin übersehen konnte und was ihm auch Gelegenheit bot, hier und da mitunter korrigierend einzugreifen, wenn er menschliches Fehlverhalten bemerkte. Schließlich wußte er doch, wie alles zu sein hatte.
Am Abend jenes Tages also hatte es zu regnen begonnen. Herr Steinimfels hatte es sich vor seinem Wohnmobil gemütlich gemacht. Ein Liegestuhl bot ihm Gelegenheit zur Entspannung und gleichzeitig dazu, auch von hier noch einen gewissen Überblick zu behalten. Als es nun zu regnen begann, ärgerte er sich und machte Anstalten, seine Siebensachen zurück ins Wohnmobil zu tragen. Da bemerkte er, daß einige Leute vor seinem Platz stehenblieben und nach oben schauten. Er folgte ihren Blicken, konnte jedoch nichts Auffälliges entdecken. So fragte er einen nahebei stehenden: „Was gibt' denn da zu sehen?" Der Angesprochene sah ihn ungläubig an: „Was es da zu sehen gibt? Na merken sie denn nicht, daß es regnet?" „Selbstverständlich bemerke ich das. Darum will ich ja zurück in meinen Wagen. Doch das kann ich nicht als ungewöhnlich empfinden." „Und warum" fuhr der eben Angesprochene aufgebracht fort, man konnte merken, daß er irgendwie aus der Fassung geraten war, „und warum regnet es überall, nur über ihrem Platz nicht. Da sehen sie doch! Die Sonne scheint nur auf ihren Platz!"
Herr Steinimfels wollte entrüstet auffahren als er bemerkte, daß er tatsächlich nicht den geringsten Tropfen abbekommen hatte, nicht einen einzigen.
Verblüfft sah er wieder nach oben. Schließlich breitete er seinen Liegestuhl wieder aus, setzte sich hinein und sonnte sich in der nur auf ihn herniederscheinenden Sonne und in seiner so frisch und auf solch ungewöhnliche Weise erreichte Prominenz.
Den ganzen Abend pilgerten die Menschen, Regenschirme haltend, zu seinem Wohnmobil und bestaunten das Unglaubliche. Sein Wohnmobil und er, Herr Steinimfels, blieben trocken. Nicht ein Tropfen Wasser erreichte ihn.
Als Herr Steinimfels am nächsten Morgen erwachte brauchte einen Augenblick, um sich an den vergangenen und merkwürdigen Abend zu erinnern. Dann jedoch, als ihm alles wieder glasklar vor Augen stand, sprang er aus dem Bett, öffnete ein Rollo und sah nach draußen. Es war unglaublich. Rundherum draschte der Regen hernieder, sein Platz lag in einem kleinen Fleckchen hellen Sonnenscheins und es war sommerlich warm und hell um ihn herum. Rasch fuhr er in seine Kleider, ohne sein Ritual der Morgentoilette abzuspulen, und trat vor die Tür.
Schon vom Fenster aus hatte er gesehen, daß eine ganze Menge Menschen vor seinem Platz standen und sehnsüchtig herüber sahen. Nun trat er aus der Türe, als wäre diese Situation das Selbstverständlichste von der Welt. Huldvoll grüßte er in die Menge und baute dann Stuhl und Tisch und auf letzterem ein opulentes Frühstück auf.
Unangenehm war nur - er würde nachher einkaufen müssen. Würde die Sonne ihn begleiten oder war das Phänomen auf seinen Standplatz hier beschränkt? Nun, man würde sehen.
Die Menschen verliefen sich, sie hatten anderes vor und Herr Steinimfels hatte sein Frühstück beendet.
Gemächlich rauchte er seine morgendliche Zigarre, räumte dann seinen Tisch ab und begab sich anschließend mit Würde und Regenschirm ins Dorf zum Einkaufen. Die Sonne blieb jedoch über seinem Stellplatz. So mußte er notgedrungen seinen Regenschirm aufspannen. Im Dorf traf er dann noch einen Bekannten, nachdem er seine Einkäufe getätigt hatte und geriet in ein allgemeines Gespräch mit ihm. Als er danach auf den Campingplatz zurückkam und sich seinem Stellplatz näherte, stockte ihm beinahe der Atem. Mindestens zwei Dutzend Kinder tummelten sich dort vor seinem Wohnmobil in der Sonne. Unter seiner! Sonne. Herr Steinimfels schlug einen rascheren Schritt an. Als er seinen Platz erreicht hatte, vertrieb er die spielenden und sich in der Sonne aalenden Kinder mit dem Donnerhall seiner kommandogewohnten Stimme.
Keine Minute später war er wieder alleine und nur aus der Ferne sahen noch einige Kinder sehnsüchtig nach dem Sonnenplatz. Beinahe wollte Herrn Steinimfels so etwas wie Mitleid ankommen. Immerhin waren ja Sommerferien. Und Sommerferien mit Regen, wer mochte das schon. Doch gleich darauf strafften sich seine Schultern und Sinne: „Unsinn. Das ist mein Platz, niemand hat hier etwas verloren." brummelte er leise vor sich hin, beinahe, wie um sein Schimpfen zu rechtfertigen. Aber nur beinahe. Nachdem er seine Einkäufe verstaut hatte wollte er sich in einen Liegestuhl legen. Da schien es ihm, als sei der Kreis, welchen die Sonne um seinen Platz gebildet hatte, vorher größer gewesen. Aber - wie sollte denn das möglich sein.
Eine Weile noch sann er vor sich hin. Dann jedoch wurde er schläfrig, er schloß die Augen und war eingeschlafen.
Wie lange er schlafenderweise auf seinem Liegestuhl gelegen hatte, vermochte er nicht zu sagen. Aufgewacht war er, weil es ihm kühl wurde. Er öffnete die Augen und bemerkte zu seinem ärgerlichen Erstaunen, daß die Sonne über seinem Platz nur noch einen ganz kleinen Fleck von vielleicht drei oder vier Quadratmetern beleuchtete. Auch begann es dort, wo die Sonne nicht schien, bereits leicht zu regnen. Mißmutig schob er seinen Liegestuhl an die Stelle, die noch dem Sonnenschein ausgesetzt war. Doch seine Zufriedenheit währte nur kurz. Die Mittagszeit war noch nicht gekommen, als der Kreis des Sonnenlichts so klein wurde, daß es nur noch seinen Bauchnabel beschien. So setzte er sich schließlich auf und ging in seinen Wagen. Der inzwischen einsetzende Regen prasselte auf das Aluminiumdach seines Wohnmobils und verdarb ihm die Stimmung endgültig. Schmollend und böse - aber auf wen eigentlich - schaltete er sein Fernsehgerät ein, drehte es schön laut und setzte sich davor. Doch er nahm gar nicht wahr, was dort über die Glasscheibe flimmerte. Verdrossen dachte er über das merkwürdige Ereignis nach und konnte doch ganz und gar nicht schlau daraus werden.
Schließlich schlug er sich ein Rührei in die Pfanne, aß es mehr aus Gewohnheit denn aus Hunger oder Appetit, aber er war ein Mensch, der seine Gewohnheiten nicht lassen konnte und wollte. Sie gaben ihm die Geborgenheit, die er sonst nicht fand und von der er nicht einmal, oder doch nur sehr vage, wußte, daß er sie vermißte. Als ihn die Langeweile zu plagen begann, erhob er sich von seinem Sitz und trat an die noch immer geöffnete Tür. Ein kleiner lichter Kreis war dicht vor seiner Tür zu sehen, seltsam anzuschauen. Und ringsherum regnete es, ja es goß in Strömen. Und nur dieser winzige Kreis blieb trocken.
Gerade wollte er schlecht gelaunt die Tür zuschlagen, als ein kleiner Junge von vielleicht sieben Jahren auf ihn zutrat. Steinimfels wollte ihn gerade mit strengen Worten abweisen als ihm auffiel, daß der Lichtkreis sich zu öffnen begann und größer und größer wurde. Genau um das Kind herum - wie er Kinder verabscheute - genau um das Kind herum also wurde es heller und heller, schließlich erfaßte das Licht auch ihn, der er noch immer in der Türe stand. „Was willst du?" fragte er den Knaben mit barscher Stimme. „Ich soll ihnen das hier bringen", stammelte der Kleine verlegen, holte seine rechte Hand mit einer Dose darin hinter seinem Rücken hervor und reichte die Dose Steinimfels. Der nahm sie, nach wie vor sehr verdrossener Stimmung, an sich und fuhr den Kleinen dann hart an: „Danke! Und nun verschwinde!"
Bestürzt wandte sich der Junge zum Gehen, da geschah etwas wiederum sehr seltsames. Der Kreis von Licht teilte sich. Ein ebenso winziger Teil wie schon zuvor blieb standhaft vor der Türe seines Wohnmobils zu sehen, der weitaus größere Teil wanderte mit dem Kinde mit, bis jenes die Grenze des Stellplatzes erreicht hatte. Gerade wollte Steinimfels den Jungen zurückrufen um ihm zu sagen, es solle ihm gefälligst nicht das Licht entführen - wie lächerlich das wirken mochte, fiel ihm erst später ein - als der Lichtschein um das Kind abrupt erlosch. Kopfschüttelnd verzog sich Herr Steinimfels wieder in seine Behausung. Als er die von dem Knaben, dem Sohn eines Platznachbarn, wie er zu wissen glaubte, erhaltene Dose öffnete, sah er, daß sie frisches Gebäck enthielt, auf welchem zuoberst ein Zettel lag mit den Worten: „Wir wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt".
Wütend - wütend worüber? - schleuderte Steinimfels die Dose von sich. Das Gebäck verteilte sich über seine hervorragend gepflegte Sitzgarnitur. Düster vor sich hin grübelnd setzte Steinimfels sich auf seine Polster. Jetzt war er in Unruhe, denn es war etwas geschehen, was weit über seinen Horizont ging, was sein Weltbild nachhaltig zu stören und ihn durcheinander zu bringen drohte. Sein ganzes Leben lang hatte es nichts gegeben, was ihn noch hätte überraschen können. Er glaubte, alle Schliche und Nuancen seines engen und kleinkarierten Lebens zu kennen. Und nun brachte ihn dieses sich so völlig wider alles Gewohnte verhaltende Sonnenlicht aus dem Gleis. Den ganzen Nachmittag und auch den Abend blieb Steinimfels beinahe reglos auf seinem Polster sitzen. Ohne daß er es hätte beschreiben und sich hätte mitteilen können begannen in ihm, Verkrustungen aufzubrechen.
Verkrustungen, welche er für „Charakterstärke", „Konsequenz" oder „Disziplin" gehalten hätte, wären sie ihm denn überhaupt bewußt geworden. Die Erschütterung seines Weltbildes glich einem Erdbeben. In seinem Hirn wollten sich Gedanken verselbständigen, so schien es ihm. Nichts wollte an seinem Platz bleiben. Es war gleichsam, als bringe dieses innerliche Erdbeben den wohlgeordneten Inhalt aller seiner geistigen Schubladen und Schablonen durcheinander. Das strengte ihn an und machte ihm Angst. Solche Angst, daß ihm buchstäblich Schweißperlen auf die Stirn zu treten begannen. Schließlich wurde er so unruhig, daß ihn nichts mehr auf seinem Platz hätte halten können. Stürmisch erhob er sich von seinem Polster, auf welchem noch immer die Krümel des verstreuten Gebäcks lagen. Er zog sich eine Regenjacke an und trat ins Freie.
Dunkel war es geworden, auch der kleine Lichtschein hatte sich zur Ruhe begeben, so schien es. Steinimfels schloß die Tür und stapfte unsicheren Schrittes in die Dunkelheit hinaus. Es dauerte beinahe den Rest der Nacht bis ihm deutlich zu werden begann, daß er im Begriff war, seinen Gedanken davonlaufen zu wollen. Nun war er ein rüstiger und widerstandsfähiger Mann und demzufolge hatte ihn sein reichlich stürmischer Spaziergang recht weit von seinem Campingplatz fortgeführt. Als er endlich wieder zu sich kam und dieses bemerkte, dämmerte bereits der Morgen herauf und er machte sich auf den Rückweg. Endlich schmerzten ihm doch die Beine und so sah er sich nach einer Fahrgelegenheit um. Ein Landwirt war mit seinem Traktor unterwegs in Richtung des Campingplatzes und bot Herrn Steinimfels auf dessen Anfrage an, er könne auf dem Anhänger mitfahren.
So rumpelte er, der Herr Steinimfels, in gemächlicher Fahrt wider zurück in Richtung „Heimat" stieg dort mit ächzenden Gliedern vom Anhänger ab und langte kaum zehn Minuten später wieder bei seinem Wohnmobil an. Dort das gleiche Bild wie am Vortag. Trotz der frühen Stunde, es mochte eben gerade sechs Uhr sein, tummelten sich Dutzende Kinder um sein Wohnmobil und er, der er auf seiner langen Wanderung und der anschließenden Rumpelfahrt quietschnaß geworden war mußte erneut sehen, daß wieder ein, und diesmal sehr großer, Kreis herrlichsten Sonnenlichtes der aufgehenden Sonne um seinen Wagen sich zog. Doch er war müde und sein Verlangen nach Ruhe übermächtig. So fauchte er wiederum die spielenden Kinder an, die sich rasch verzogen, schälte sich im Wagen dann aus seinen nassen Kleidern, schloß die Rollos und legte sich in sein Bett. So verschlief er den halben Tag.
Geweckt wurde er am frühen Nachmittag - von Kindergeschrei. Als er durch einen Spalt zwischen Rollo und Wand hinausblickte, sah er ganze Scharen von Kindern, die sich im hellen warmen Sonnenlicht um seinen Wagen tummelten. Ärgerlich wollte er sich zu einer erneuten Schimpfkanonade aus dem Bett schwingen, da hielt er plötzlich inne. Nie und nimmer konnten solche Horden von Kindern zu den Mietern auf diesem Campingplatz gehören, nicht so viele. Woher kamen diese Kinder? Steinimfels schaltete sein Radio ein und verrichtete eine verspätete Morgentoilette. Eine Andacht wurde gerade übertragen. Ach ja, heute war ja Sonntag. Plötzlich fiel ihm der Rasierpinsel aus der Hand. „Lasset die Kindlein zu mir kommen" hatte der Pfarrer gerade zitiert, „lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht. Denn ihrer ist das Reich Gottes."
Steinimfels begann zu zittern. Tränen schossen ihm in die Augen und verschleierten seinen Blick. Rasch zog er sich an und stürzte nach draußen.
Erschrocken hielten die meisten Kinder in ihrem Spiel inne und sahen ihn voll Furcht an. Würde der alte Mann wieder schimpfen und sie vertreiben?
Steinimfels nahm war, daß der Lichtkreis um seinen Wagen riesengroß, so groß wie noch nie bisher geworden war. Er betrachtete die kleinen Gesichter der Kinder, welche da in Erwartung des großen Donnerwetters vor im standen. Er löste sich von der Tür und schritt durch die Menge der wartenden Kinder. Augen, groß und fragend auf ihn gerichtet, da - der Knabe, der ihm gestern die Gebäckdose gebracht hatte. Vor ihm blieb Steinimfels stehen und sah ihn lange wortlos an. Das Gesicht des Jungen hatte etwas an sich, das Steinimfels bannte.
Die Augen waren nicht die Augen eines siebenjährigen Knaben. Je länger und tiefer er seinen Blick in die Augen des Kindes senkte, desto ruhiger wurde es in seinem Innern. Friede erfaßte ihn, nie gekannter Friede. Ein Gefühl von Geborgenheit. Liebe strömte ihm in großen Wellen entgegen. Auf einmal nahm der Knabe Steinimfels' Hand mit festem Griff. „Na," fragte er, „immer noch böse auf uns?"
Steinimfels schluckte und fühlte Heiterkeit in sich aufsteigen. Einem unwiderstehlichen Impuls folgend nahm er den Burschen in seine Arme, schwenkte ihn drei- oder viermal im Kreis herum und setzte ihn dann behutsam wieder ab. Dann wandte er sich den anderen Kindern zu und sah, daß sich inzwischen auch viele Erwachsene eingefunden hatten. „Bleibt hier" rief er, bleibt hier und genießt" „meine Sonne" hatte er sagen wollen. „genießt die Sonne, kommt aus dem Regen zu mir. Hier ist es warm und trocken. Kommt her, kommt her!"
Nach kurzem Schweigen jubelndes Kindergeschrei. Die Kinder begannen mit ihren Spielen, die Erwachsenen drängten sich lachend und schwatzend um ihn her, um an die Sonne zu kommen.
Gespräche ergaben sich, es wurde gefeiert, gelacht. Und mit einem mal rief jemand in das bunte und heitere Treiben: „Seht mal, es regnet nirgends mehr. Die Sonne scheint überall. Seht doch..."
In der Tat, so war es. Der Regen hatte aufgehört. Strahlend blauer Himmel über allen. Steinimfels blickte auch nach oben. Die Sonne blendete ihn, daß ihm die Augen erneut zu tränen begannen. Er blinzelte, um die Tränen aus den Augen zu bekommen.
Als er wieder um sich blickte, hatten sich die meisten Menschen verlaufen, waren zu ihren Wohnwagen, Zelten und Wohnmobilen zurückgekehrt. Nur der Knabe stand vor ihm und sah ihn mit warmem Blick freundlich an.