- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Herr Endres und der Tod
Herr Endres und der Tod
Grauer, matschiger Schnee fiel vom Himmel und deckte die Felder zu, die Wiesen und Bäume, und auch die Straße zwischen Hecklingen und Neundorf. Ein kleiner blauer Fiat bahnte sich seinen Weg durch die immer dicker werdende Schneedecke. Der Fahrer, ein älterer Herr mit einem altmodischen Hut, fluchte leise vor sich hin. Die weihnachtliche Musik aus dem Autoradio konnte seine Stimmung nicht verbessern. Er hatte genug Gründe, schlecht gelaunt zu sein: Seine Frau hatte ihn verlassen, sein Chef schickte ihn an Heiligabend zum Außendienst, statt ihn zu beurlauben, und zu allem Überfluß funktionierte die Heizung im Auto nicht richtig. Als hätte das noch nicht genügt, verschlechterte sich das Wetter ständig, die Straße war glatt und die Sichtweite sehr gering. So war es nicht weiter verwunderlich, daß der Wagen in einer Kurve ins Schleudern geriet, und, sich mehrfach überschlagend, den Abhang hinabrutschte. Herrn Endres war es bestimmt, diesen Unfall nicht zu überleben.
Dies könnte das Ende der Geschichte sein. Ist es aber nicht.
Denn wenige Augenblicke später fand sich Herr Endres, leicht irritiert, in einem runden Tunnel wieder, an dessen Ende ein helles Licht zu sehen war. Es drehte sich um, doch hinter ihm war nur Dunkelheit, Schmerz und Kälte. Also ging er langsam, Schritt für Schritt, auf das Licht zu. Verschiedene Gedanken gingen ihm dabei durch den Kopf.
'Wo bin ich?'
'Bin ich gestorben?'
'Träume ich das nur?'
'Kann das wirklich sein?'
Je näher er dem Licht kam, desto mehr Dinge erkannte er. Der Tunnel schien in ein mittelgroßes Zimmer zu führen. Tapfer ging er weiter , bis er mitten in dem Raum stand. Die Wände waren weiß gestrichen und mit großformatigen Landschaftsbildern behängt. Das helle Licht rührte offensichtlich von unzähligen Halogenflutern her, die an der Decke befestigt waren. Im Raum verteilt standen einige Sitzgelegenheiten und Tische, die an ein Wartezimmer erinnerten. Aus einem Lautsprecher ertönte New-Age-Musik, die wohl beruhigend wirken sollte. Da es keine weiteren Ausgänge gab, und Herr Endres nicht wußte, was er sonst tun sollte, setzte er sich auf einen der Stühle und nahm sich vom Tisch eine Zeitschrift. Er blätterte ein wenig darin herum und tat so, als fände er den Inhalt furchtbar interessant.
Nachdem einige Minuten vergangen waren, hörte er ein Räuspern. Er hob den Blick und sah einen wirklich nicht sehr großen Mann vor sich stehen. Der Mann trug einen unauffällig grauen Anzug mit einer unpassenden Krawatte. Seine Haare waren von derselben grauen Farbe wie der Anzug. Er stand leicht gebeugt, als trüge er eine unsichtbare Last auf den Schultern. In einer Hand trug er einen dunkelgrünen Aktenkoffer. Er sagte: "Guten Tag und willkommen im Leben nach dem Tod. Ich werde sie die nächste Zeit begleiten und mit allem vertraut machen. Ich bin ihr zuständiger Ablebensverwalter, aber sie können einfach 'Tod' zu mir sagen." Leiser fügte er hinzu: "Das machen sowieso alle. Es macht mir überhaupt nichts aus." Herr Endres brauchte zunächst einige Augenblicke, um sich zu fassen, und fragte dann: "Sie sind der Tod? Heißt das... Ich bin gestorben?"
"So ist es, sonst wären sie nicht hier." Der Tod öffnete seinen Aktenkoffer und holte ein Formular und einen Kugelschreiber heraus. Dabei fragte er: "Sie sind doch Marvin Endres, oder?"
"J.. Ja, der bin ich."
"Nur zur Sicherheit. Es hat da schon Sachen gegeben, die würden sie nicht glauben. Statistisch gesehen wird jeder sechsundzwanzigste Tote falsch zugeordnet." Dann wurde sein Gesichtausdruck und seine Stimme plötzlich um einige Grade offizieller. "Füllen sie diesen Antrag bitte richtig und vollständig aus." sagte er, und legte das Formular vor Herrn Endres auf den Tisch. Darauf stand: 'Antrag zur Aufnahme in die metaphysische Welt', und darunter einige Felder zum Ankreuzen oder Ausfüllen. Herr Endres begann, Name und Adresse einzutragen, danach kamen Alter, Religion, Sozialversicherungsnummer und Todesursache. Als er fertig war, setzte er seine Unterschrift darunter, und gab das Formular dem Tod zurück. Der Tod sagte "Ich danke ihnen. Damit wäre der Papierkram auch schon erledigt. Ich schlage vor, wir gehen erst einmal nach draußen." Mit diesen Worten ging der Tod auf eines der Bilder an der Wand zu, und stieg mitten hindurch. Dann war er auf dem Bild zu sehen und rief Herrn Endres zu: "Folgen sie mir, keine Angst!" Herr Endres nahm seinen Mut zusammen und stieg ebenfalls hindurch.
Plötzlich befand er sich mitten in einer hügeligen Landschaft voller unnatürlich grüner Wiesen, durch die sich eine Straße schlängelte. Neben der Straße stand ein Wartehäuschen mit einem Haltestellenschild. Davor stand der Tod und sagte: "Sie können fahren, wohin sie möchten. Schauen Sie sich am besten den Fahrplan an."
"Wohin ich möchte? Wo bin ich hier eigentlich.. Ist das der Himmel?"
"Nein, eigentlich nicht. Als Himmel bezeichnet man für gewöhnlich den freien Luftraum über uns. Wir sind hier in den Cheviot Hills, mitten in der metaphysischen Welt. Sie entspricht im Großen und Ganzen der Welt, die sie kennen. Zumindest geographisch."
Herr Endres sah sich die Zielorte auf dem Fahrplan an und sagte dann: "Tja, wissen Sie, es ist das erste Mal, daß ich tot bin, und ich dachte mir, sie könnten mir vielleicht eine Empfehlung geben?"
"Nun ja, statistisch gesehen wollen achtundvierzig Prozent aller Menschen auf irgendeine romantische Südseeinsel oder einen anderen Ferienort, sechsundzwanzig Prozent in die metaphysische Entsprechung ihrer Heimatstadt, sechzehn Prozent wollen vollständig und endgültig vernichtet werden und acht Prozent wollen ihre toten Verwandten besuchen."
Herr Endres rechnete kurz im Kopf nach, eine berufsbedingte Angewohnheit, und bemerkte: "Aber da fehlen doch zwei Prozent!"
"Oh sicher, die vergesse ich immer," sagte der Tod, "das sind die, die zu Gott wollen."
"..Gott? Etwa DER Gott? Der Allmächtige?"
"Naja, vielleicht nicht allmächtig, aber ich bin sicher, wir sprechen von derselben Person."
"Ich glaube, ich würde ihn gerne mal besuchen... Aber vorher möchte ich, wenn es sich einrichten läßt, noch einmal meine Heimat sehen. Zum Abschied. Ginge das?"
"Wo ist das nochmal?"
"Neundorf bei Staßfurt. In Deutschland."
"Ah ja, kenne ich. Ist überhaupt kein Problem. Wir müssen nur noch warten, bis der Bus kommt."
"Äh, der Bus?"
"Ja, der Bus."
Also warteten sie.
Und plötzlich war der Bus da, ohne dass Herr Endres sein Kommen bemerkt hätte. Es war ein knallroter Doppelstockbus britischer Bauweise mit der Liniennummer Neun. Er stand einfach da und paßte so überhaupt nicht in die Landschaft. Sie stiegen ein - der Tod zügig, Herr Endres zögerlich - und das erste, was Herrn Endres auffiel, war der Busfahrer. Das zweite Auffällige war, daß der Bus absolut leer war. Ersterer war sicherlich 2,50 Meter groß und nicht menschlich, wie deutlich an seiner blauen Hautfarbe zu erkennen war. Er trug eine schwarz-weiße Uniform. "Tag die Herren, wohin solls denn gehen?" fragte er mit einer Stimme, die wie das Rascheln von Butterbrotpapier klang.
Der Tod antwortete: "Sektor 2265, Abschnitt 7F, Neundorf."
Das Busfahrer-Wesen sagte: "Okay, los gehts."
Herr Endres und der Tod stiegen die Treppe hinauf auf das obere Verdeck, um eine bessere Aussicht zu haben. Der Bus fuhr an. Bald raste er mit irrwitziger Geschwindigkeit durch die grüne Hügellandschaft. Ab und zu konnte man eine verträumte kleine Ortschaft sehen, die in irgendeinem Tal versteckt lag. Einmal sah Herr Endres einen riesigen Kampfroboter am Horizont. An einer anderen Stelle entdeckte er eine rosa Wolke, die unbeweglich über der Landschaft schwebte. Dann eine gigantische Kopie der Statue of Liberty, allerdings aus irgendeinem Grund völlig ohne Bekleidung. Dann ein Schloß, das direkt aus einem Märchen zu stammen schien. Ein paar Doppeldecker führten am Himmel eine imaginäre Luftschlacht. "Was sind denn all diese merkwürdigen Sachen? Die passen gar nicht so recht hierher, finde ich." wollte Herr Endres wissen.
Der Tod antwortete: "Das sind so verschiedene Dinge, die sich die Menschen gewünscht haben. Sie müssen wissen, daß hier jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann, wenn er nicht gegen die Regeln verstößt. Allerdings haben manche Menschen wirklich sehr sonderbare Wünsche. Besonders, wenn sie schon sehr lange hier sind."
Dann sah Herr Endres eine Gruppe von mehr als hundert nackten Menschen, die mitten auf der Wiese wild herumrannten und sich gegenseitig mit Papierflugzeugen bewarfen.
Er fragte: "Äh, Herr Tod? Was sind denn das für merkwürdige Leute, die sich dort mit Papierfliegern bewerfen?"
"Das? Äh, das sind eben Leute, die sich mit Papierfliegern bewerfen."
"Das ist mir nicht entgangen, aber wieso tun sie das?"
"Was weiß ich denn schon. Wahrscheinlich ohne tieferen Sinn. Die Leute kommen auf die merkwürdigsten Ideen, wenn sie erstmal ein paar Jahrhunderte hier sind. Wieso müßt ihr Menschen eigentlich immer nach dem Wieso fragen? Statistisch gesehen passieren fünfundachzig Prozent aller Dinge ohne ersichtlichen Grund. Die restlichen fünfzehn Prozent haben meistens ziemlich idiotische Gründe. Und hundertdreiundsiebzig Prozent aller Dinge passieren überhaupt nicht."
Als Herr Endres schließlich ein mehrstöckiges Haus sah, das ganz aus weißen Klavieren gebaut war, verkniff er sich die Frage, die ihm auf der Zunge lag.
Als sie ein paar Minuten später durch einen Wald aus Pilzen fuhren, fragte Herr Endres unvermittelt: "Herr Tod, ich hätte da noch eine Frage... Werde ich jetzt hier für immer leben? In dieser metaphysischen Welt?"
"In der Tat, das heißt, falls sie sich nicht anders entscheiden und lieber vernichtet werden wollen."
Draußen kaute ein Dinosaurier unbekannter Art an einem baumhohen Pilz, ebenfalls unbekannter Art.
"...Und ich kann tatsächlich tun und lassen, was ich möchte?"
"Alles, was nicht gegen die Regeln verstößt."
Berauscht von irgendeinem Inhaltsstoff des unbekannten Pilzes schwankte der Saurier und stürzte schließlich glücklich zu Boden.
"Und wie sind diese Regeln?"
"Die werden sie mit der Zeit selbst herausfinden. Eigentlich sind die auch gar nicht so wichtig."
Der Bus fuhr gerade aus dem Wald heraus an einen Strand. Dahinter war das Meer zu sehen. Mit einiger Verwunderung stellte Herr Endres fest, dass der Bus einfach gerade weiter fuhr, mitten über das Wasser, als wäre es fest. "Hey.. Toller Trick." meinte er. In einiger Entfernung dümpelte das blaue Unterseeboot Nummer Sechs vorbei.
Etwas später erreichten sie wieder Land, und noch etwas später begann die Umgebung Herrn Endres bekannt vorzukommen. Das lag daran, daß er sich langsam seiner Heimatstadt näherte. Überaschenderweise lag nirgends Schnee, anscheinend herrschte dort im Gegensatz zur physischen Welt kein Winter, sondern vielmehr eine völlig andere, namenlose Jahreszeit. Rechts und links zogen Felder mit einem seltsamen grauen, nein, farblosen Getreide vorbei. Nach fünf Minuten passierte der Bus das Ortsschild mit der Aufschrift "Neundorf". Mit quietschenden Reifen kam er auf dem Marktplatz zum Stehen.
"Fast wie zu Hause...", bemerkte Herr Endres.
"In der Tat.. Dies ist ein metaphysisches Abbild ihrer Heimat, aber nur äußerlich. Seien sie darauf vorbereitet, einige Unterschiede festzustellen."
Herr Endres und der Tod stiegen aus dem Bus.
"Das hier drüben war mal mein Haus, als ich noch gelebt habe... Aber wieso steht an der Tür 'Bäckerei?'"
"Nun ja, das sind solche Unterschiede, vor denen ich Sie gewarnt habe. In dieser Welt ist dieses Haus eben eine Bäckerei."
"Ich würde trotzdem gern einmal hineinschauen, ginge das?"
"Aber selbstverständlich."
Also gingen sie hinein. Es sah tatsächlich genau wie in einer Bäckerei aus, die Ähnlichkeit mit Herrn Endres' Haus schienen an der Tür zu enden. In der Mitte des Raums stand ein gewaltiger Backofen, und ringsherum lagen Kisten mit schwer zu definierendem, jedoch lecker aussehendem Backwerk. In diesem Moment kam der Bäcker durch die Hintertür herein und begrüßte sie überschwenglich: "Hallo und willkommen in meiner Bäckerei! Ich bin Clockwise, der Bäcker. Wollen sie etwas kaufen?"
"Guten Tag wünsche ich auch." erwiderte Herr Endres, und fragte dann neugierig: "Was ist das denn überhaupt, was sie hier backen? Sind das.. Krapfen?"
"Aber nicht doch, nicht doch. Das sind Halbwahrheiten."
"Halbwahrheiten? Ich wußte gar nicht, dass die gebacken werden."
"Doch doch, werden sie. Die meisten verkaufe ich übrigens an die Welt der Sterblichen. Einige meiner besten Kunden sind Politiker und Autoren."
"Das ist aber sehr interessant.", meinte Herr Endres.
"Wirklich?", fragte der Bäcker, "Soll ich ihnen mal zeigen, wie die Halbwahrheiten gemacht werden?"
"Gern" antwortete Herr Endres, nicht nur der Höflichkeit halber.
Der Tod warf ein: "Ich bitte darum, mich solange zu entschuldigen, ich habe das schon einmal gesehen. Ich habe außerdem noch etwas anderes zu erledigen."
Herr Endres und Bäcker Clockwise gingen durch die Backstube, wobei Herr Clockwise unablässig Erklärungen zur Herstellung der Halbwahrheiten abgab. "Hier wird der Teig gemischt. Dazu wird das Getreide, was du draußen auf den Feldern gesehen hast, gemahlen. Dieses Mehl nennt man Geseier. Dazu kommt etwas Wasser und ein kleiner Tropfen Wahrheit, nicht zuviel, sonst schmeckt das Ganze dann bitter. Dann nimmt man eine Lüge, hier aus dieser Kiste, umhüllt sie mit dem Teig, und bäckt das Ganze 2 Stunden gut durch."
Herr Endres schaute in die Kiste und bemerkte: "Soso, das Sprichwort scheint ja zuzutreffen..."
"Welches Sprichwort?"
"Lügen haben kurze Beine."
"Stimmt, denen ihre Beine sind wirklich verdammt kurz. Nun ja, würden ja auch weglaufen sonst. Hier sehen Sie den Backofen. Mächtig, nicht? Und dort drüben wird das fertige Gebäck gelagert, nicht wahr. Tja, so werden sie gemacht, die Halbwahrheiten. Haben sie noch irgendwelche Fragen dazu?"
"Eigentlich nicht. Ich glaube, ich muß dann auch bald gehen, mein Bus wartet."
"Aber sicher doch. Machen Sie's gut!"
"Wiedersehen."
Herr Endres und Bäcker Clockwise gaben sich die Hand. Dann ging Herr Endres hinaus und betrat den Bus. Der Tod saß bereits darin und wartete auf ihn. "Haben Sie alles gesehen?" fragte er. Herr Endres antwortete "Nun ja, das habe ich. Es ist aber eben nicht mein Zuha..."
In diesem Moment fuhr es wie ein Schlag durch den metaphysischen Körper von Herrn Endres. Er zuckte zusammen, schüttelte kurz den Kopf, faßte sich wieder und fragte: "Herr Tod, was war das denn gerade eben?"
"Oh, so etwas passiert des öfteren. Jemand versucht, sie zurückzuholen. Anscheinend ist ihr Körper noch nicht klinisch tot."
"Ja moment, ich dachte, das geht nur wenige Minuten lang. Ich bin doch schon seit Stunden hier!"
"Äh, das spielt keine Rolle. Kommen sie, wir müssen wieder aussteigen."
"Wieso..."
In diesem Moment wurde Herr Endres durch einen erneuten elektrischen Schlag durchgeschüttelt, kräftiger als der erste. Als er wieder alle Sinne beieinander hatte, sagte er "In Ordnung, steigen wir aus."
Während sie ausstiegen, sagte der Tod zum Busfahrer-Wesen "Warten Sie bitte solange hier, es wird nicht lange dauern." Der Busfahrer nickte nur kurz als Bestätigung.
Draußen hatte sich eine seltsame Erscheinung manifestiert: ein lilaschwarzgrün leuchtendes Rechteck von der Größe einer normalen Tür stand einfach mitten auf dem Platz. Der Tod erläuterte: "Dies ist sozusagen der Notausgang. Durch dieses Portal können sie, wenn sie wollen, zurückkehren in die Welt der Lebenden. Ihr Körper hat keine bleibenden Schäden erlitten. Es ist ihre Entscheidung. Wenn sie hierbleiben, können sie allerdings nie mehr zurück. Statistisch gesehen entscheiden sich sechzehn Prozent aller Personen..."
Herr Endres unterbrach den Tod: "Lassen sie es gut sein. Ich habe mich bereits entschieden. Ich möchte, will sehr gern noch einmal zurück. Muß ich da jetzt wieder einen Antrag ausfüllen?"
"Mitnichten. Treten sie einfach durch das Portal, aber sehen sie sich vor: dieses Tor führt überall hin. Man kann darin verloren gehen. Konzentrieren sie sich auf ihr Leben, auf all die positiven Dinge, an die sie sich erinnern! Auf diese Art werden sie wie von selbst in ihren Körper zurückkehren. In diesem Sinne: Leben sie wohl!"
"Leben sie wohl", entgegnete Herr Endres, und trat durch das Tor, ohne nur einen Augenblick zu zögern. Seine Gedanken gehörten in diesem Moment ganz seiner Frau, war sie doch der strahlendste Punkt auf der Leinwand seiner Erinnerungen, trotz aller Streitereien, trotz der Trennung. Die Vision ihres Antlitzes, ein machtvolles Bild, wies ihm den Weg zurück in die Welt der Lebenden.
Es dauerte bis zum Frühjahr, bis er völlig wiederhergestellt aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Seine Frau kehrte zu ihm zurück, denn sein nur knapp vermiedenes Ableben hatte ihr erst gezeigt, wie wichtig er für sie war. Seinen alten Job kündigte er, nachdem er seinem Chef detailliert erklärt hatte, was er ihn mal könne. Zuvor hätter er sich so etwas nie zugetraut. Er erzählte jedem, der es hören wollte (und auch zahlreichen anderen) über seine Erlebnisse im Jenseits. Natürlich glaubte ihm niemand, doch ihm war das gleich.
Danach tat er ein paar der verrücktesten Dinge seines Lebens.