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Herbstwind
Es ist wie ein zarter Hauch des Herbstwindes, der langsam über deine Haut gleitet und die kleinen Härchen am Arm aufrichtet. Es ist wie die Sonne im Frühling, die auf dich herabblickt und einen endlos langen Sommer ankündigt. Du fühlst dich wie ein Engel im unschuldigen Schnee, der seine Flügel ausbreitet, du denkst die Welt gehört nur dir.
Du bist wieder jung und fühlst dich wie damals, du erinnerst dich. Du stehst vor ihrer Tür, dieses angenehme Kribbeln der Vorfreude im Bauch, du wartest nur darauf, dass sie auf dein Klingeln reagiert, dir die Türe öffnet und dich umarmend begrüßt.
Es ist wie ein flackerndes Lagerfeuer in der eisigen Kälte. Wie eine Träne im Gesicht, die man vor lauter Regen nie sehen wird. An jeder Stelle deines Körpers gleichzeitig gestreichelt zu werden und sich nur einmal wie Gott zu fühlen. Es ist gekommen wie du wolltest. Es ist unvergesslich, unverzeihlich, unvermeidlich. Nie wieder verheulte Augen, keine Ratschläge, kein Mitleid, nie mehr hilflos. Keine Widerrede, das letzte Wort hast diesmal du. Alles wird wie früher, willkommen daheim.
Nackt stehst du vorm Spiegel, betrachtest deine Wunden von damals und machst dich fertig für dein allerletztes Bad. Das Wasser plätschert langsam und bestimmt. Sie werden zornig und rütteln an der Tür, versperrt von außen.
Du bist nervös und unsicher wie früher. Schließt nun deine Augen, wirst ganz ruhig, die Zeit bleibt stehen. Du zuckst zusammen, nur ganz kurz. Du spürst nun endlich was es heißt zu leben. Schon dehnt sich die rote Blutwolke im warmen Wasser aus und zeichnet ein ewiges Lächeln in dein Gesicht.