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Herbsttag
Regnerisch und stürmisch begann dieser Tag. Schon als ich den ersten prüfenden Blick aus dem Fenster warf und sah wie grau er sich ankündigte, fühlte ich eine leichte schleichende Depression in mir aufsteigen. Ich sprach die Worte der Resignation nicht aus, doch ich wusste es genau: Es wurde Herbst. Ich seufzte und bereitete mich für diesen Tag so gut es ging vor. Ich hatte den Herbst noch nie gemocht, denn er kündigt den Winter an, den in unseren Breiten kalten, grauen und regnerischen Winter.
Als ich aus der Tür kam, dem Gedanken nachhängend wieder zurück in mein warmes Bett zu krabbeln, erwischte mich ein Wasserfall aus der Regenrinne. Die hatte ich schon so lange reparieren wollen. Der Sommer war mir dazwischen gekommen. Im Sommer denkt man nicht an Regenrinnen. Da ist man abgelenkt von Sonnencreme und Schokoladeneis.
Ich schob mein Fahrrad aus der Garage und überlegte, ob ich meine Mutter bitten sollte, mir etwas Geld zu schicken, dann könnte ich mit dem Bus fahren statt mich auf dem alten Drahtesel abzumühen.
Dicke Tropfen klatschten mir ins Gesicht, getrieben vom Wind, der sich vor mir aufbaute wie ein riesiger Hund und meine Haare durcheinander wuselte. Entgegen dem eigentlichen Vorgang des Sonnenaufganges wurde es immer dunkler. Dicke Gewitterwolken sammelten sich.
Während ich die Straßen lang raste und versuchte dem eisigen Regen zu entgehen, sah ich mir die Autofahrer an, die mir entgegen kamen. Ihre Mienen entsprachen genau meiner Stimmung.
Alle Welt schien schlecht gelaunt, niemand sah zufrieden oder glücklich aus. Ich konnte sie verstehen, auch wenn ich sie um ihren Sessel im warmen Wagen beneidete.
Langsam merkte ich wie sich das Wasser durch meine Jacke zog wie durch einen trockenen Schwamm. Es war noch immer die dünnen Jeansjacke, die ich die ganze Zeit getragen hatte, den ganzen warmen Sommer.
Ich dachte an jene warme Abende am Lagerfeuer unterm Sternenhimmel. Ich hatte die Augen geschlossen und hörte die Gitarre ihr Lied spielen.
Plötzlich hörte ich quietschende Reifen. Ich riss die Augen blitzschnell auf, bemerkte, dass ich vom Weg abgekommen war und geradewegs auf die Straße fuhr. Ein Auto raste direkt auf mich zu, Schlamm und schmutziges Wasser spritzte auf und...
Es kam gerade noch zum Stehen. Der Fahrer schrie aufgebracht durch die Scheibe, so konnte ich ihn zum Glück nicht hören Er schien wirklich wütend zu sein.
Wie konnte ich nur so gedankenlos durch die Gegend fahren.
Mir war eiskalt, langsam fuhr ich wieder los.
Ich nieste. Das wurde ja immer besser. Jetzt kam auch noch eine Erkältung dazu. Ich nahm mit vor am nächsten Tag nicht zur Arbeit zu gehen, obwohl ich jetzt schon wusste, dass ich das nicht wagen würde. Ich hatte noch eine Probefrist, ich konnte mir einen Fehltag wirklich nicht erlauben.
Endlich erreichte ich den Parkplatz der Firma, bei der ich arbeitete. Ich war die Erste. Kein Auto stand dort. Der Parkplatz lag vor mir wie ein tiefer schwarzer See. Aber sein Wasser war schmutzig.
Ich stellte mein Fahrrad neben einen Müllcontainer. In diesem Moment fuhr ein Auto auf den Parkplatz. Der Fahrer stieg aus und...
Lächelte mich an. Tatsächlich er lächelte. Er schenkte mir ein einfaches, herzliches und unverbindliches Lächeln.
Mir wurde plötzlich ganz warm. Wie konnte jemand an einem Tag so glücklich lächeln.
Ich sah an den Horizont, ein hellblauer Streifen zeichnete sich dort ab.
Vielleicht gab es ja doch noch ein paar warme Tage, dachte ich und hielt dem Lächler die Firmentür auf.