Herbstsonne im Regen
Ich gehe durch die Straßen meiner Stadt, so ohne Ziel, weiß nicht genau, wohin. Einfach nur gehen und die Welt betrachten. Schön kommt sie mir vor, die Welt, an diesem Tag, und schön sehe ich auch dich vor mir, in meinen Gedanken, in denen ich stets bei dir bin, ohne dass du davon weißt.
Ein Baum steht dort auf einem Platz, genau in seiner Mitte, er ist hochgewachsen, und trotz des Herbstes sind seine Blätter noch grün und haben gerade erst begonnen, sich zu verfärben. Sie sind wie seine Erinnerung, die noch lebendig ist für ihn, die jedoch bald Platz für Neues schaffen muss. An manchen Tagen hätte mich das Zurücklassen liebgewonnener Dinge traurig gemacht, doch heute? Ich blicke in die Zukunft, sehe sie positiv wie nie, und ich weiß nicht, woran das liegt.
Ein Gedanke kommt als Antwort - du trägst Schuld daran, nicht ganz vielleicht, zum Teil aber sehr wohl. Und ich freue mich auf dich und erfreue mich an dir, obwohl du keine Ahnung hast.
Ich lache. Ich lache über dieses Leben, dort, ich lache über die Frau mit ihrem Hund, den sie kaum unter Kontrolle hat, ich lache über das Kind, das ein anderes über einen Spielplatz jagt, ich lache über den Regenschauer, der auf mich niedergeht ganz plötzlich, und ich lache über mein Gesicht, so triefend-nass von ihm zurückgelassen.
Viel zu oft habe ich mich selbst so schlecht gemacht und mich danach auch schlecht gefühlt. Viel zu oft war ich versunken in meinem Selbstmitleid, habe todtraurige Musik gehört, die statt zu trösten alles noch viel schlimmer machte, habe geschrieben in und von den dunklen nebelhaften Nächten, die in meinem Kopf mich quälten.
Selbst jetzt - in meinem Hinterkopf höre ich immer eine Stimme, die spricht "Genieße deine Fröhlichkeit, erfreue dich am Glück, denn es kommen wieder schlimme Tage, in gar nicht ferner Zeit."
Doch ich will sie jetzt nicht hören, ignoriere ihre Drohung, denke jetzt nicht an das Schlimme. Denke höchstens mal an dich, in einer ruhigen Minute - von denen es recht viele gibt. Dann schwirrst du als ein Schmetterling auf der Wiese in meinem Garten hin und her, und meine Hände wollen dich fangen, aber du bist viel zu schnell für sie. Du versteckst dich vor mir, aber wenn ich schon aufgegeben habe, fliegst du wieder an mir vorbei, und ich sehe dein buntes Muster auf den Flügeln, und das Spiel geht weiter.
Weiter geh ich durch die Straßen, Gassen, Menschenmassen - manchmal ist es schön, darin verloren zu gehen. Dann kann man als Beobachter Vermutungen anstellen, sich Geschichten über die Leute ausdenken und sich über ihr Verhalten amüsieren.
Jetzt setze ich mich auf eine dieser Bänke in dem Park, zu dem die Wege mich geführt haben. Und dann - auf einmal kommt Erschrecken! Ich habe ja den Regen ganz vergessen! Nun bin ich von oben nass und unten auch, und morgen werde ich erkältet sein, aber was macht das schon? Genau! Am besten, ich spring noch in den Teich da rein, ganz schnell, damit sich das Kranksein sich erst richtig lohnt und die Enten was zu lachen haben...
Also sitz ich hier, beobachte den Himmel, mit Wolken, die vorüberziehen, am Ende sich verzogen haben werden, da bin ich mir ganz sicher, denn schließlich kann ich jetzt schon fast die Sonne sehen. Wolken... das erinnert mich an früher... Ein Bild, auf einer riesengroßen Hauswand, viele viele Hände haben es gemalt...
Ich will daran zurückdenken, nur ganz kurz, ein wenig Nostalgie, aber dann drängst du dich wieder mal dazwischen, du und dein Gesicht, und statt der malenden Hände sehe ich die deinen, die ich schon oft betrachtet habe, im Heimlichen und ganz verliebt...
Nun habe ich es ausgesprochen, doch du konntest es nicht hören - schade, eigentlich, aber das Glücksgefühl in mir wärmt weiterhin mein Herz, ob du nun weißt, was ich empfinde oder als ahnungsloser Schmetterling weiter deine Kreise ziehst.
Die Sonne kommt, habe ich es nicht gesagt? Durch diese Lücke in dem Grau, da dringen ihre Strahlen durch, und die ganze Welt wird heller. Das Wasser funkelt überall, auf dem Teich, auf den glatten Steinen der Straßen und der Wege, auch die Tropfen meiner Bank fangen an zu glitzern... Dann, wie in einem Traum, höre ich... leise... Pianoklänge, eine Melodie... stehe auf... ich folge ihr... Gehe langsam meine Schritte, erst recht langsam und ganz leise, bald viel schneller und sehr laut...