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Herbstfarben

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25.03.2003
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Herbstfarben

Es war ein schöner Spätherbstnachmittag. Die Sonne schien von einem strahlendblauen Himmel und ließ die Bäume des Stadtwaldes in sämtlichen Gelb-, Rot-, Orange- und Brauntönen leuchten. Außer mir waren noch viele andere Menschen an diesem Nachmittag im Stadtpark unterwegs, engumschlungene Pärchen, Mütter mit Kinderwagen, alte Leute mit ihren Hunden. Alle schienen sie, bevor der Winter sich endgültig anmeldete, die letzten warmen Sonnenstrahlen und dieses farbliche Naturschauspiel noch einmal genießen zu wollen. Ich nahm jedoch nichts wahr von all den Schönheiten. Ich hörte weder die lachenden Kinderstimmen, noch bemerkte ich, wie die Eichhörnchen fröhlich von Baum zu Baum hüpften. Ich bewegte mich einfach nur mechanisch vorwärts und hielt meinen Blick starr nach unten gerichtet. Das einzige, was ich vor meinen Augen sah, war dieses eine Wort, das seit ungefähr zwei Stunden mit scharlachroten Buchstaben in meinem Gehirn eingebrannt war – Brustkrebs. Diese endgültige, alles verändernde Diagnose. Noch immer klang die Stimme meiner Frauenärztin in meinen Ohren, wie sie mit sorgfältig ausgewählten Worten versucht hatte, mir das Ergebnis der Gewebeprobeuntersuchung so schonend wie möglich beizubringen.
„Es tut mir so leid, Frau Herzog, aber die Untersuchung hat leider ergeben, dass die Geschwulst bösartig ist, sie müssen sich so schnell wie möglich operieren lassen.“

Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. Ich hatte vor ungefähr drei Wochen beim Duschen einen Knoten in meiner rechten Brust entdeckt und mir zunächst nicht viele Gedanken darüber gemacht. Schließlich war ich doch erst siebenundzwanzig und auch Alex, mein Mann, hatte versucht, mich zu beruhigen. „Mach dir mal keine Sorgen Steffi“, hatte er gesagt, „das ist bestimmt nur eine harmlose Gewebeablagerung.“ Und trotzdem hatte mir die Sache keine Ruhe gelassen. Um mir Gewissheit zu verschaffen, hatte ich mir einen Termin bei meiner Frauenärztin besorgt. Dort waren dann die notwendigen Routineuntersuchungen wie Mammografie, Ultraschall und schließlich die Gewebeprobeentnahme erfolgt. Auf das Ergebnis musste ich eine Woche warten und immer noch war ich eigentlich ziemlich sicher gewesen, dass es bestimmt nur eine Lappalie war. Warum sollte es ausgerechnet mich erwischt haben. In meiner ganzen Familie hatte noch niemand diese Krankheit gehabt. Ich hatte auch gar nicht die Zeit, mir so furchtbar viel den Kopf darüber zu zerbrechen, da meine zwei kleinen Söhne mich ständig auf Trapp hielten. Umso niederschmetternder war deshalb am Vormittag die Diagnose gewesen.

Wie sollte es nun weitergehen? Würde ich mich mit nur einer Brust noch als Frau fühlen können? Wäre ich überhaupt noch attraktiv genug für Alex? Was wäre, wenn es schon zu spät gewesen war und mein Körper bereits voller Metastasen? Was würde dann aus meinen Kindern werden, sie waren doch erst fünf und sieben Jahre alt und brauchten ihre Mutter noch eine lange Zeit. Tausend Fragen stürzten auf mich ein und verlangten nach einer Antwort.
Ich setzte mich auf eine Bank und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Endlich konnte ich weinen. Tränenbäche liefen mir die Wangen hinunter und immer wieder schluchzte ich verzweifelt auf.
Plötzlich spürte ich jemanden neben mir. Eine Hand begann zärtlich über meine langen blonden Haare zu streicheln. Zaghaft wandte ich mich nach rechts und erkannte durch den Tränenschleier schemenhaft eine Person, die mir nun ein Taschentuch reichte. Ich nahm das Tuch, wischte mir über die Augen und erblickte eine alte Frau mit silbernen Kringellöckchen und grau-blauen Augen, die mich mitleidsvoll anschaute.
„Aber aber, Kindchen, was kann denn so schlimm sein, dass du an einem so schönen sonnigen Tag solche Tränenströme vergießt?“, fragte sie und entlockte mir ein zaghaftes Lächeln.

Ich wusste auch nicht warum, aber ich fasste vom ersten Augenblick an Vertrauen zu dieser fremden Frau und redete mir all meinen Kummer von der Seele. Dabei wurde mir mit jedem Satz ein bisschen leichter zumute. Sie war ein wunderbarer Zuhörer und unterbrach mich nicht ein einziges Mal.
„Glaubst du an Gott, mein Kind?“, fragte sie mich schließlich.
„Äh, ich weiß nicht, in die Kirche gehe ich jedenfalls nicht“, antwortete ich, „und an einen alten Mann mit weißem Bart, der irgendwo über den Wolken auf einem Thron sitzt und über Gut und Böse richtet, glaube ich auch nicht.“
„Das ist auch nicht Gott“, fuhr sie fort, „Gott ist die unendliche Kraft in deinem Unterbewusstsein, mit der du alles erreichen kannst, was du dir nur wünschst und mit der du jede Krankheit heilen kannst. Du musst diese Kraft nur zu nützen wissen, dann stehen dir im Leben alle Türen offen.“ Ich wurde neugierig.
„Und wie mache ich das?“
„Indem du alles Destruktive und Negative aus deinem Geist verbannst. Lass nur positive Gedanken zu. Wie der Mensch denkt, so ist er.“
„Aber wie soll ich denn in meiner Situation nur positiv denken?“, wollte ich wissen.
„Du musst einfach ganz fest davon überzeugt sein, dass du gesund wirst. Stell dir so oft du kannst vor, wie dein Arzt zu dir sagt: ´Herzlichen Glückwunsch, Sie sind wieder vollkommen gesund´. Du musst dich ganz und gar mit dieser Vorstellung identifizieren, fühle den Händedruck des Arztes, und spüre das Glücksgefühl, das dieser Satz in dir auslösen wird. Wenn du dies immer wiederholst und fest daran glaubst, wirst du die Krankheit überwinden. Die positive Aussage wird in dein Unterbewusstsein absinken und die Kraft in dir wird alles dafür tun, damit dein Wunsch erfüllt wird. Hier, mein Kind, nimm das, es wird dir Glück bringen.“ Sie legte etwas in meine Hand und hielt diese für einen kurzen Augenblick mit den ihren umschlossen. Ich spürte die Wärme ihrer Haut und gleichzeitig kühles Metall, das meine Handinnenfläche berührte. Als sie mich wieder los ließ, öffnete ich meine Faust und erschauderte, da lag ein wunderschöner Ring, dessen Steine im Sonnenlicht funkelten – es war der Verlobungsring meiner Großmutter. Ich wusste es sofort, noch bevor ich ihn zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und nach dem eingravierten Namen meines Großvaters und dem Verlobungsdatum suchte.
„Wie kommen Sie zu dem Ring meiner Großmu...“, begann ich, doch der Platz neben mir war leer, die alte Dame war verschwunden. Ich stand auf, schaute nach rechts und links, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt und so ließ ich mich wieder auf der Bank nieder.

Meine Großmutter war seit über zehn Jahren tot und hatte mir das Schmuckstück vererbt. Vor ungefähr drei Jahren jedoch, hatte ich es auf unerklärliche Weise verloren, und es war auch nie wieder aufgetaucht. Ich war damals sehr traurig gewesen, da ich immer ein besonders inniges Verhältnis zu meiner Großmutter gehabt und sehr an dem Ring gehangen hatte. Auf einmal wusste ich, warum mir die alte Dame so vertraut vorgekommen war. Diese Augen hatten schon hunderte Male lächelnd auf mich herabgeblickt, und wie oft hatten diese Hände mich schon zärtlich gestreichelt. Ein friedvolles Gefühl durchströmte mich, und ich wusste nun, dass ich die Kraft haben würde, den Krebs zu besiegen und wieder gesund zu werden. Lächelnd steckte ich den Ring an meinen Finger und machte mich auf den Heimweg.
Ich spürte, die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und die bunten Herbstfarben der Laubbäume leuchteten bis tief in mein Herz.

 
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Hallo Blanca,

Deine Geschichte ist schön flüssig geschrieben und ließ sich gut lesen, auch wenn sie meiner Meinung nach noch ein paar Absätze mehr vertragen könnte. Du verwendest soweit ich das überblicken kann ausschließelich "ss" statt "ß" - aber das liegt wohl an Deiner Tastatur, oder?

Inhaltlich ... Eigentlich hast Du ein beängstigendes Thema mutmachend aufbereitet und der positive Schluss soll Hoffnung vermitteln. Ich selbst schwanke da allerdings ein bisschen.
Mir ist vor kurzem mein Partner verstorben, der an einer schweren Krankheit litt und der ähnlich positiv dachte wie Deine Protagonistin. Auch wenn er alles andere als streng religiös war, hatte er die Überzeugung die Krankheit entweder zu besiegen oder sich zumindest für einige Zeit zu erholen. Ich selbst habe ebenfalls darauf vertraut ... aber genützt hat es nichts. Und in mancher Nacht frage ich mich seitdem, ob er/wir nur nicht stark genug an das Positive geglaubt haben (nicht unbedingt im religiösen Sinne), oder ob es Dinge gibt, die kein Mensch mit seinem Glauben und positiven Denken beeinflussen kann.

Deshalb finde ich die Intention Deines Textes zwar gut, aber ich bleibe kritisch zurück, weil es mir ein wenig zu einfach erscheint.
Und ich bin, zugegeben, neidisch auf Deine Protagonistin, bei der offenbar am Ende alles gut ausgehen wird und die für ihr Vertrauen belohnt wurde.

Ginny

 

Liebe Ginny,
vielen Dank fürs Lesen.
Ja, ich benutze eine spanische Tastatur und da gibt es kein scharfes S.
Das mit deinem Partner tut mir sehr leid. Trotzdem finde ich es sehr gut, dass ihr beide eine positive Einstellung gehabt habt. Ich selber bin auch nicht unbedingt sehr religiös, aber ich denke, dass der Glaube sehr viel mit dem Unterbewusstsein zu tun hat.
Man muss an eine Sache fest glauben, sie sich als bereits vorhanden oder bei einer Krankheit als bereits überwunden vorstellen. Dabei muss man sein Unterbewusstsein ganz von allen negativen Gedanken, wie zum Beispiel Hass oder Neid freimachen. Ich weiss, dass hört sich einfach an, ist es aber nicht.
Ich schreib Dir mal eine PM dazu.

Bei meiner Prot ist ja eigentlich am Ende auch noch nicht klar, ob sie es schafft, ihr Unterbewusstsein positiv zu programmieren, sie hat ja durch die alte Frau nur einen Weg gezeigt bekommen, der ihr Hoffnung gibt.

Ich wünsche Dir alles Liebe und bitte verlier trotzdem Deine positive Einstellung nicht, auch wenn es schwer fällt.

LG
Blanca

 

Hallo Blanca!

Stilistisch sehr schön geschrieben, wie auch "Das Licht am Ende des Tunnels". :)
Auch der Inhalt ist wiederum sehr schön, die Kraft des positiven Denkens kommt gut rüber – die Stelle mit der Stimme der alten Frau hat mir besonders gefallen.
Aber irgendwie ist sie zu geradlinig. Das trifft eigentlich auch auf die andere Geschichte zu, und es hat möglicherweise nur dadurch für mich Gewicht bekommen, weil ich beide Geschichten, die dieses Thema behandeln, gelesen habe und beide so sind.
Hier wie dort geht es Deiner Protagonistin irgendwie zu gut, um mich so richtig mitzunehmen. Klar, fühl ich irgendwie mit, aber es ist nur so halb… Weil ich mir denken muß, wie viele Frauen es gibt, die nicht so ein Glück mit dem Partner haben, sondern einen haben, der davonrennt statt zu ihnen zu halten. Die vielleicht wegen des langen Krankenstandes um ihren Job fürchten müssen usw. – oder die nur mehr erfahren, wie lange sie noch Zeit haben, ehe sie sich vom Leben verabschieden können. Und im Angesicht dessen, denk ich mir dann, daß es der Frau in Deiner Geschichte ja eigentlich verdammt gut geht, im Gegensatz zu anderen Krebs-Patientinnen.

Vielleicht solltest Du versuchen, in eine der beiden Geschichten ein bisschen zusätzliche Tragik einzubauen? Zum Beispiel daß die Protagonistin in dieser Geschichte gerade geschieden und völlig auf sich allein gestellt ist – und dann noch positiv denkt. Dazu würd ich sie aber erst mal tief hinunterschauen lassen – ist aber nur ein Vorschlag. ;)

Die Fehler hast Du ja schon beseitigt, ich hoffe, daß Dir mein Kommentar ein paar Denkansätze (oder wenigstens einen) liefert. Hab die Geschichte aber trotzdem gern gelesen, wie gesagt, besagter Punkt wäre mir bei nur einer Geschichte zum Thema möglicherweise gar nicht aufgefallen, aber ich halte ihn trotzdem für überlegenswert, insbesondere, da ja Ginny auch Ähnliches sagt. :)

Liebe Grüße,
Susi

 

Hallo Bianca,

warum schreibst du eine PM an Ginny? Das interessiert uns alle. Mich zumindest! Ja alles ist Glaube. Mir gefällt das Thema und die Art, wie du dich damit beschäftigst und auch ich hätte gern noch mehr dazu gelesen.

PS: Wieso glaubst du nicht an Gott?


Love

SB

 

Hallo Häferl und Schriftbild,
vielen Dank fürs Lesen und besonders wieder einmal Dir, Susi für das korrigieren.:kuss:
Häferl, sicher könnte ich es der Prot noch schlechter gehen lassen, indem ich schreiben würde, dass sie gerade geschieden worden ist oder so etwas. Aber wie ich ja schon bei "Das Licht am Ende des Tunnels" geschrieben habe, sind diese beiden Geschichten auf Grund der Krankheit einer guten Freundin entstanden. Dadurch habe ich mich mit diesem Thema befasst und hatte beim Schreiben halt irgendwie auch sie vor Augen, und sie hat sehr viel Unterstützung von ihrer Familie bekommen.Werde aber noch mal in Ruhe darüber nachdenken.

@Schriftbild: Ich habe nicht geschrieben, dass ich nicht an Gott glaube, ich gehe nur nicht in die Kirche. Gott ist für mich die positive Kraft meines Unterbewusstseins und es liegt an mir sie zu nutzen. Wenn Dich diese Themen interessieren, dann liess doch mal die Bücher von Dr. Joseph Murphy. Mir haben die sehr viel gebracht.

Liebe Grüsse an euch beide
Blanca

 

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