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Hell´s Servant
1
Ich muss mein überhebliches, gelangweiltes Gesicht nicht mal spielen, als ich den dreckigen Tresen schlampig abwische und den Lappen in eine Ecke pfeffere. Die Menschen um mich herum widern mich an. Ein streitendes Ehepaar, dem man ansieht, dass beide nichts mehr füreinander übrig haben, während keiner von ihnen bemerkt, dass ihr Sohn Killerspiele auf seinem Handy spielt. Eine fette Frau, die ihre Muffins quasi ohne zu kauen verschlingt. Ein Mann mit Ehering, der eben noch eine fremde Frau angeflirtet hat, und sich jetzt mit einem breiten Grinsen zu mir umdreht.
„ich hätt´ gern noch einen Kaffee, Süße.“
Und ich würd dir gern eins aufs Maul hauen.
Doch ich lächle nur und nicke dümmlich. Tarnung ist alles.
Übertrieben langsam hantiere ich an der Kaffeemaschine herum und werfe einen Blick auf die Uhr. Fast Fünf. Lange kann es nicht mehr dauern. Die dicke Frau holt sich noch etwas Sahne und ich verziehe innerlich das Gesicht. Ich hasse es, in diesem Café zu arbeiten. Dass plötzlich zufällig eine Stelle hier frei wurde liegt natürlich daran, dass die Kommission ihre Finger im Spiel hatte. Trotzdem, etwas anderes wäre mir lieber gewesen. Die Tür schwingt erneut auf und eine kleine Männergruppe betritt das Café. Sofort rauscht Adrenalin durch meine Adern. Es sind die vier, auf die ich gewartet habe. Die vier, die jeden Mittwoch um fünf hier auftauchen, sich an den abgelegensten Tisch setzen und sich leise unterhalten über Dinge, die kein normaler Sterblicher hören soll. Ich betrachte sie alle. Ein dicker, breitschultriger Mann mit Schnauzbart, der sich herzlich und freundlich gibt, meiner Information nach aber einer der gefährlicheren Bosse der Unterwelt ist, ein hünenhafter, düster blickender Kerl , von dem ich mir sicher bin dass er nur Bodyguard ist und ein langer, dünner, nervös wirkender Brillenträger, dessen Rolle in der Gruppe ich noch nicht deuten kann. Und der letzte ist kleiner, schmuddelig gekleidet und gelassener als alle anderen, mit dunklem Haar und Bart. Bei ihm bin ich mir sicher, dass er nicht menschlich ist. „Guten Tag, die Herren!“, flöte ich und trete hinter dem Tresen hervor. „Der übliche Tisch?“ Der Schnauzbart – Typ zwinkert mir zu. „Dasselbe wie immer, danke.“ Ich gehe voran und werfe hin und wieder einen Blick über meine Schulter. Der Dicke stapft mir zielstrebig hinterher, der Nervöse tippt auf seinem Smartphone herum während der Bodyguard unauffällig die Umgebung abcheckt. Der letzte checkt auch etwas ab, und zwar meinen Hintern. Ich warte bis alle sich hingesetzt haben und spiele an meinen dunklen Haaren herum. Ich kann mich zwar erinnern, dass sie mal rot waren, aber die Kommission meinte als Brünette wäre ich weniger auffällig. „Was darf´s denn sein?“, frage ich höflich. „Ein Espresso für mich.“ Ich krakele eilig auf meinen Block. Der Bodyguard klappt die Karte zu, bestellt aber nichts. „Für mich auch.“, murmelt der Brillentyp. Erwartungsvoll gucke ich Mister Cool an, doch der lehnt sich zurück und mustert mich. „Was können Sie denn empfehlen?“
Verdammt, ich weiß nicht mal was die hier so servieren, schließlich arbeite ich nicht wirklich hier. „Äähhm…“ Alle vier sehen mich an. „Der…Apfelstrudel ist lecker, schätze ich.“ Er studiert die Karte, sucht. Gott, bitte, lass es hier Apfelstrudel geben! „Okay, das nehm ich. Und eine Coke.“ „Alles klärchen!“, zwitschere ich und greife über seine Schulter nach den Menükarten, dabei atme ich tief ein. Ein Geruch nach Tannennadeln und feuchter Erde steigt mir in die Nase. Er ist ein Werwolf. Gedanklich notiere ich diese Info und gehe betont langsam weg, doch leider fängt niemand an zu sprechen bis ich außer Hörweite bin.
Ein Werwolf. Das ist zwar kein Beweis, dass die Truppe aus der Unterwelt kommt, aber dennoch ein wichtiger Hinweis. Werwölfe sind meist gierig, machtsüchtig und auf ihren eigenen Vorteil bedacht…die Unterwelt zieht solche Gemüter nun mal an. Nur um das klarzustellen, mit Unterwelt ist nicht die Hölle gemeint. Himmel und Hölle sind klar voneinander abgegrenzt, durch grundlegende Regeln und Richtlinien…Blöderweise erfährst du von ihrer Existenz erst, wenn du stirbst. Dann wirst du bewertet, durch die Kommission gerichtet und versandt, entweder in Himmel oder Hölle. Nur im seltenen Fall, dass deine guten Taten oder Absichten deine üblen genau aufwiegen, bist du auf Probezeit Diener der Kommission. In dieser Zeit kannst du dir den Aufstieg in den Himmel oder eine Herrscherposition in der Hölle verdienen, was beides nicht schlecht ist. Versagst du allerdings, bist du auf ewig in den Leiden der Hölle gefangen. Logisch, dass ich so ein seltener Fall sein muss. Die Unterwelt bezeichnet alle, die gegen das System beziehungsweise gegen die Kommission arbeiten, egal ob Himmel – oder Höllangehörig. Sie besteht hauptsächlich aus herrschsüchtigen, finsteren Höllenfürsten, korrupten Himmelsvertretern und Gerichtsflüchtigen, die es geschafft haben ihrem Abstieg in die Hölle zu entkommen. Diese Vier einzuordnen ist schwierig. Ich schätze, der Dicke kommt aus der Hölle, hat sich den Bodyguard als Höllensklaven gekauft und der Bebrillte kommt aus einem langweiligen Himmelsbüro. Wo sie den Köter aufgegabelt haben, weiß ich nicht. Als ich gerade die beiden Espressi vorbereite, piepst mein Kommunikator. Gespielt gelangweilt hole ich ihn hervor – er sieht aus wie ein gewöhnliches Handy – und öffne die Nachricht. Es sind keine Himmelsrunen von meinem Auftraggeber, sondern die offizielle Schrift direkt von der Kommission. Es ist ein wie üblich langer, kompliziert verfasster Text. Grob gesagt bedeutet es: Den Dicken töten, die anderen festnehmen. Anscheinend liegen jetzt Beweise vor. Ich schnappe mir den fertigen Apfelstrudel, klatsche noch einen Löffel Sahne auf den Teller und bewege mich leise zum Tisch der Unglückseligen. Ich kann den Brillentypen mit seiner hohen, jammernden Stimme reden hören. „Solang die Kommission keine Wächter von der Pforte abzieht, sind uns die Hände gebunden.“ Redet er etwa von der Pforte zur Hölle? Der Dicke entdeckt mich, knurrt etwas und stößt den anderen an, woraufhin der sofort den Mund zuklappt. Mist. Kommentarlos stelle ich die Sachen ab und versuche meine Gegner einzuschätzen. Der Bodyguard und der Dicke haben je mindestens eine Waffe. Der Nervöse ist eher keine Gefahr. Der Werwolf braucht acht Sekunden um sich vollständig zu verwandeln. Ihn sollte ich also vorher ausschalten.
Ich ziehe mich wieder hinter den Tresen zurück, öffne meine kleine Handtasche und ziehe eine kleine lila Ampulle hervor, die ich in meiner Handfläche verberge, als der nächste Kunde einen Coffe to go bestellt. Bei dessen Vorbereitung werfe ich „versehentlich“ ein Glas und gleichzeitig die Ampulle hinunter, sodass beides am Boden zerschellt. Der Kunde, ein Mann in den Mittfünfzigern, verdreht die Augen über das schusselige Dummchen, das nicht mal ein Kaffee machen kann. Gut so. Innerhalb der nächsten paar Minuten sinken alle Gäste in sich zusammen, in einen künstlichen Tiefschlaf. Alle bis auf meine vier Lieblinge, die das Ganze aufgrund ihrer hitzigen Diskussion gar nicht mitbekommen, was mir endgültig beweist dass keiner von ihnen ein Mensch ist. Ich rücke meine Waffen unter der hässlichen Schürze zurecht und marschiere wieder zu ihnen hinüber. „Seid ihr bereit zu zahlen?“ Jetzt ist meine Stimme kein bisschen mehr lieb und mädchenhaft. Der Werwolf blickt mit gerunzelter Stirn von seinem halb gegessenen Apfelstrudel auf. Er versteht als Erster und springt fluchend auf. Blitzschnell reiße ich Handschellen aus meiner Schürzentasche und kette den Bodyguard am Tisch fest. Für seinen Job ist er ziemlich langsam. Dem Werwolf werfe ich einen Silberlöffel aus der besonderen Schublade an den Kopf, was ihn jaulend zurückweichen lässt, dann werfe ich meine Schürze ab, zücke die brennenden Schwerter und fixiere den Dicken, der mich immer noch verdattert anstarrt. Im blau flackernden Licht des kalten Dämonenfeuers, das meine Waffen umgibt, kann ich sehen wie sich sein Gesichtsausdruck von Fassungslosigkeit in Wut und dann Hass verändert. „ein Komissionsjäger!“, brüllt er. Ich lasse mir keine Zeit ihm seine Aussage zu bestätigen sondern springe auf ihn zu und ramme meine Schwerter von beiden Seiten in seinen breiten Körper. Sein Schrei wird immer höher, bis es fast gespenstisch hohl klingt. Als sein Körper zu Staub explodiert, drehe ich mich zufrieden um, nur um einen brutalen Schlag gegen den Kopf zu bekommen. Die Brillenschlange hat sich doch tatsächlich einen Stuhl geschnappt und mir damit eins übergezogen! Ich kann spüren, dass meine Haut über der Augenbraue aufgeplatzt ist. Wütend versetze ich ihm einen Tritt in die Magengegend und schicke ihn mit einem darauffolgenden Schlag an den Kiefer zu Boden. Er ist bewusstlos. Weichei. Mir fällt ein, dass mich jeden Moment ein voll ausgewachsener, verwandelter Werwolf angreifen könnte, und ich wirble herum. Doch außer dem tobenden Bodyguard, der an seinen immer enger werdenen Fesseln reißt, ist niemand da. Verwirrt blicke ich mich um. Verdammt, er ist weg. Ich zücke meinen Kommunikator, melde der Kommission feierlich den Tod des fetten Mannes und die Festnahme der anderen beiden Schwachköpfe und lasse den Werwolf vorsichtshalber erst mal unerwähnt. Kurz darauf erreicht mich eine Nachricht, jedoch nicht wie ich annahm von der Kommission, sondern eines fremden, privaten Absenders. „Der Apfelstrudel schmeckt beschissen.“