Helden
Netanjahu bei „Siedler“ schlagen, Wladimir Klitschko nach Strich und Faden vermöbeln, Rafael Nadal auf Sand besiegen.
Wer träumt nicht davon, einmal im Leben der Held zu sein? Etwas Unglaubliches zu leisten. Jeder Mensch sollte einmal im Leben sein Löwengebrüll zeigen, heißt es. Einfacher ausgedrückt: Einmal so richtig auf die Kacke hauen! Das wär’s doch.
Ganz locker vom Sulky an einem Vormittag den Nahost-Konflikt lösen, den Euro retten und das Ozonloch stopfen. Am Nachmittag das entscheidende Tor zum Sieg der Fußballweltmeisterschaft gegen Spanien schießen. Man muss sich auch mal feiern lassen können.
Teheran eine Bedrohung? Nicht für mich. Entschlossen handeln und dann lässig cool in der Pressekonferenz den Journalisten spüren lassen, wer hier die Zeitläufte beeinflusst! „Ja, es hat mich einige Energie gekostet, aber jetzt will Teheran seinen gesamten Energiebedarf aus Biomasse und Sonnenkollektoren aus israelischer Herstellung decken. Das größte Atomkraftwerk im Iran wird zu einem Frauenmuseum umgebaut. Noch Fragen?“.
Aber warum muss ein Held immer politisch korrekt sein? Lächerlich. Ich mache was ich will! Ich lasse mich zum Bundespräsidenten wählen und schlürfe dann, total besoffen, unter lautem Beifall der versammelten Journaille in einem sauteuren Stripclub einer barbusigen Schönheit den Jahrgangschampagner aus dem Bauchnabel. Danach werfe ich dem Besitzer mit einem süffisanten Grinsen die Kreditkarte von Groenewold an den Kopf und ziehe mir in aller Öffentlichkeit einen Joint rein. Eine Megatüte vom Allerfeinsten! Beschimpfe die aalglatten, gekauften Schreiberlinge, zeige ihnen meinen wohlgeformten Mittelfinger und ziehe ins nächste Lokal.
That’s Rock’n‘ Roll! Einfach mal Gas geben ohne Rücksicht auf irgendwas. Furchtlos und entschlossen.
Auch jetzt sind Helden gefragt. Hier auf dem Podest kurz vor der tückischen Rutsche im Kinderland Winnetou. Mein kleiner Sohn schaut mich mit einem aufmunternden Blick an. „Papa, runter!“. Gleichzeitig spüre ich aber seine Angst. Schließlich macht die Rutsche zwei gefährliche Schleifen und endet mit einem gewagten Sprung in ein Bällebad mit fragwürdigem Füllegrad.
Gerade in einer so lebensbedrohenden Situation heißt es Nerven bewahren. Ich werde ganz ruhig. „Mach ‘mal Platz Alter!“. Ich ignoriere den adipösen Schnösel, der in seinem Leben wohl noch nichts zum Weltfrieden beigetragen hat und den Nahen Osten bei Chemnitz wähnt.
Kurz bevor ich mich mit meinem Sohn mit einem todesverachtenden Schwung in die Rutsche stürzen will, stoppe ich. Langsam klettere ich wieder die Treppe herunter. Ich habe Mitleid mit meinem Sohn, dessen Furcht ich spürte, auch wenn er sie geschickt zu überspielen wusste. Seine Enttäuschung ist nur gespielt, das ist mir klar. Nicht jeder ist zum Helden geboren. Ich akzeptiere seine Angst.
Das hat er von seiner Mutter.