Held sein
Held sein
Der Sommer war heiß und stickig, und ich war vor allerhand Ungeziefer – zwei- bis zehnbeinig – in die nächste Bar geflüchtet. Von Alkohol, Drogen und Auseinandersetzungen gezeichnete Gesichter hoben sich kurz und drehten sich wieder weg. Ich kannte den Laden, und der Laden kannte mich. Es war eine ziemlich heruntergekommene Kaschemme, aber ich hatte schlimmeres gesehen. Küstennähe, nicht Hafen, aber knapp an der Grenze zu den Docklands. Perfekt für die Art von Geschäften, von denen nicht mal die Yakuza erfahren durfte. Natürlich erfuhr sie es am Ende immer, aber meist erst dann, wenn der Zug schon abgefahren war.
Ich marschierte auf meinen bevorzugten Tisch zu, der bereits besetzt war. Die Typen sahen mich kommen, standen auf und suchten sich einen anderen Platz. Das war so normal, daß ich nicht mal mehr ein müdes Lächeln dafür übrig hatte.
Mein Drink kam sofort, irgendein gepanschtes Zeug, das mich eines Tages umbringen würde. Aber nicht heute. Dann kam der Junge in den Laden, und die Sache wurde interessant.
Er war vielleicht fünfzehn, groß für sein Alter, kräftig, braune Haare, blaue Augen. Seine Augen verrieten ihn. Hatte zu lange im Licht gelebt, der Junge, konnte nicht allzu gut sehen im Schatten. Er glaubte noch an Dinge wie Gerechtigkeit, Fairness, Wahrheit. Kamikazeflieger und weiß es nicht mal, dachte ich. Für Drogen, Waffen oder andere Straßenware sah er zu sauber aus. Er war auf einer Suche. Ausgerüstet mit Mut, Entschlossenheit und der absurden Vorstellung, daß die Guten immer gewannen, hatte er sich getreu dem Vorbild solariumverbrannter, mit Steroiden aufgepumpter Actionstars auf die tollkühne Mission begeben. Idealismus gepaart mit Blödheit. Eine ungesunde Kombination.
Die bedröhnten Typen an der Bar schauten begierig auf. Ich hatte kein Mitleid. In einer Welt wie dieser waren Gefühle nur dann angebracht, wenn sie im alltäglichen Überlebenskampf einen Vorteil brachten. Zorn, ja, Zorn konnte helfen, kalter Zorn, der einen die Situation rasiermesserscharf erkennen ließ. Heiße Wut war tödlich, genauso wie Haß, Eifersucht, Rachegelüste. Der Junge würde seine Lektion noch lernen müssen. Bedauerlich. Für ihn.
Er beging den Fehler, dem Barkeeper einen Namen zu nennen.
Auf so etwas hatten sie nur gewartet. Im Handumdrehen hatten sie ihn eingekreist und wieherten vor Vergnügen. Einer hielt ihm seine Knarre unter die Nase, und zehn Sekunden später fiel der erste Schuß. Blut spritzte auf den Tresen, als der Kerl mit der Knarre ihm das Ohrläppchen wegschoß. Ich hörte ihn schreien und überlegte, ob ich eingreifen sollte. Hätte mich nur einen mittelschweren Gefallen gekostet. Der Junge hatte was. Seine Naivität war irgendwie rührend. Ich haute meinen Drink weg und entschied mich dagegen. War nicht meine Sache. Außerdem konnte ich Schulden nicht ausstehen. Hatte schon zu viele davon.
Der nächste Schuß überraschte mich etwas. Es war ein hellblauer Laserblitz aus der Defgun, die unter dem Ärmel des Jungen versteckt gewesen war. Wieder ein Fehler. So hätten sie ihn vielleicht mit dem zerschossenen Ohrläppchen und ein paar gebrochenen Rippen davonkommen lassen.
Jetzt nicht mehr.
Sie schlugen ihn nicht einfach zusammen. Sie machten eine Kunst daraus. Sie brachen ihm jeden einzelnen Knochen im Körper. Dann schafften sie ihn nach draußen, hievten ihn in einen Hover und fuhren rüber zu den Docks, wo sie ihn verschnürten und in die toxische Ozeansuppe stürzten.
Schade eigentlich. Hatte einen anständigen Eindruck gemacht, der Junge.